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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die Mennoniten und deren Leistungen im Werder



lemusz71
10.11.2010, 23:57
http://www.polnocna.tv/node/89

Wolfgang
17.11.2010, 12:07
Christkind 17.11.2010 10:05

Und ich glaube, dass es dir vor allem darum geht,nur nicht zuviel deutsche Vergangenheit hervorkommen zu lassen, Magdalena.
Entschuldige, wenn es nicht so ist, aber ich interpretiere deine Argumentation so.
In der Vorgängerliste lernte ich Jürgen Weigle kennen.Ein wunderbarer, warmherziger Mensch, der aus Danzig stammt und Mennonit ist.
Im Internet kann man von ihm auf dieser Seite lesen:
http://www.g-gruppen.net/mennot.htm#a11
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Grüße von Christa

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magdzia 17.11.2010 01:37

Hallo Sinus,

ich glaube, das es auch darum geht und das finde ich schön, dass man ihre Verdienste an diesem Stück Erde endlich würdigt, denn sie haben Unglaubliches dort vollbracht, mitunter haben sie durch ihren Fleiß dem Land reiche Ernten und damit auch volle Kassen gebracht. Sie kamen dort nicht, wie viele, als arme Schlucker auf der Suche nach Brot, denn die meisten kamen übers Meer, somit konnten sie sich die Schiffspassage leisten. Sie waren finanziell gut gestellt, daher ihre imposanten Bauten, die sie von den anderen unterschieden.

Ich fand es ungemein spannend ihren Weg zu verfolgen.

Schöne Grüße
Magdalena

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sinus 16.11.2010 23:02

Ach Magdalena,

wollen wir uns darauf einigen, dass es im Danziger Werder Mennoniten gab und dass sie große Verdienste bei der Urbarmachung des tiefer liegenden Landes haben. Der Rest ist offenbar eine Glaubensfrage.

Gute Nacht
sinus

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magdzia 16.11.2010 19:00

Aber nicht doch………habe ich mit meinen Fragen an den Grundmauern gerüttelt? Ich will doch nichts zum Einstürzen bringen.

Sinus, ich habe nichts behauptet, ich habe nur gefragt. Seit wann ist eine Frage eine Behauptung.
Wenn ein Weg mitten durch Werder verläuft, das erst durch die mennonitischen Siedler urbar gemacht wurde, so dass es dauerhaft besiedelt werden konnte, dann empfinde ich diese Bezeichnung nicht als „Werbegag“.
Fahre in Deutschland an die „Strasse der Römer“. Was glaubst du, was du dort vorfindest? Neben der keltischen Kultur auch das Mittelalter. Keiner der Initiatoren verkauft eine mittelalterliche Burg als römisch, genauso wie die kleine Kirche in Wroblewo nicht als mennonitisch verkauft wird.

Entschuldigung, dass ich angenommen habe, dass du evtl. nichts von der Existenz der Mennoniten in diesem Gebiet weißt, vor allem nachdem du Hofbesitzer nennst, die allesamt (1793) Namen tragen, die die Mennoniten ins Land brachten, nicht nur Claassen auch den Name Nickel. Das sie ev. getauft wurden, das hat nichts zu sagen, aber das weißt du sicher auch.
Ich z. B. wusste bis vor einiger Zeit nämlich nicht, dass die Mennoniten das Land urbar gemacht haben und der größter Teil von ihnen noch bis Ende 18./Anfang 19. Jh. dort lebte bevor die Politik Preußens sie vertrieben hat. Die meisten von ihnen wanderten nach Rußland aus.
Der größte Teil der dort lebenden Bevölkerung wusste das auch nicht, sie hielten alles was sie dort nach ihrem Einzug vorfanden als deutsche Hinterlassenschaft. Das entspricht aber nun wirklich nicht den historischen Tatsachen. Dieses Projekt entstand in Zusammenarbeit mit Historikern und mennonitischen Kreisen. Wenn du also sagst, dass das eine „Vernebelung der Tatsachen“ ist, dann muss ich mich fragen, ob die Mennoniten bzw. ihre Nachfahren sich evtl. mit fremden Federn schmücken.

Wolfgang, es existieren Bücher, die folgende Titel haben:

„Das Siedlungswerk niederlaedischer Mennoniten im Weichseltal“, von Herbert Wiebe, Marburg, 1952.
„Ansiedlung mennonischer Niederlaender im Weichselmuendungsgebiet von der Mitte des 16. Jahrhundert bis zum Beginn der preussischen Zeit“, von Horst Penner, Weierhof, 1963.

Wie du siehst, ist das mit den niederländischen Mennoniten nicht auf der Miste der Polen gewachsen.
Anscheinend muss man die Mennoniten bzw. ihre Nachfahren zurecht stutzen, dass sie was Falsches erzählen.

Außerdem, wieso die Aufregung? Als die Mennoniten das Gebiet verließen, das heute Niederlande heißt, gehörte es noch zum „Heiligen Römischen Reich“. Damit ist doch wohl klar, dass sie „deutsche Kultur“ hatten, die sie in die Welt trugen, oder nicht?

Ich sehe es genauso wie Rüdiger – gaaaanz entspannt und…….
….. freue mich auf die Besichtigung der „Mennonitenhäuser“, wie sie mitunter in Deutschland genannt werden.

Schönen Abend noch
Magdalena

P.S. Übrigens......bei meiner Recherche zu Mennoniten habe ich etwas Interessantes entdeckt:
Das mennonitische DNA-Projekt

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Rüdiger 16.11.2010 01:23

Also das Thema war der Radweg. Hier musste für ein allgemeines touristisches Projekt ein spezieller, eingängiger Name gefunden werden, der natürlich nicht alles abdecken kann und soll. Als "Deutsch-Evangelischer" sage ich mal, es ist doch schön, dass im katholischen Polen ein Radweg nach einer eher evangelisch-reformierten, übrigens zuletzt ganz deutschsprachigen Glaubensgruppe genannt wird. Ich glaube wirklich nicht, lieber Sinus, das da etwas vernebelt werden soll.

Denn wenn ich den Text zum Radweg aus (nochmal)

http://www.klubnowodworski.pl/index....d=82&Itemid=44

durch die Englisch-Übersetzung von Google laufen lasse (deutsch ist leider immer deutlich unverständlicher), dann kommt das Folgende heraus und aus dem wird hinreichend deutlich, dass hier niemanden was Falsches "verkauft" werden soll. Ein bisschen Übertreibung gehört zum touristischen Handwerk - aber wenn die "Mennonitenmania" den Menschen im "Land von Milch und Honig" nutzt, meine Güte, warum nicht. Vereinfacht und eingängig dargebotene Geschichte als regionale Tourismusförderung ist doch allgemein üblich in Europa.

Please visit Żuławy - the legendary land of milk and honey, learn about the history and culture of this land, the discovery of valuable memorabilia and the greatest mysteries of the past.

Mennonites, members anabaptystycznego religious movement came to Żuławy the Netherlands at the beginning of the sixteenth century. They behaved strict customs and rules of life, did not recognize the military service, did not take office, do not swear ... Fleeing persecution have found a new home here. Appreciated their skills in the drainage and disposal of the fertile and fertile, but swampy land. Hard work yielded great results: the next generation of increasing wealth, and Żuławom extraordinary economic growth. The most radical part of the Mennonites, refusing to accept the rigors of a totalitarian state of Prussia, immigrated in the late eighteenth century to Russia and then to America. The rest succumbed to the time of gradual Germanization. As a result of World War II, Mennonites, like all residents Żuławy, were forced to leave this earth.

Mennonite Trail is the axis of development of tourism in Żuławy. On the route from Gdansk to Elblag combines sightseeing attractions connected with the history of settlements in the Vistula river. Man-made, well balanced historic landscape and numerous ancient objects of material culture are the biggest attractions of the trail. Worth knowing they are well preserved, often originating from the Middle Ages, settlement agreements żuławskich towns, including a number of villages established around a rectangular square, or nawsia. Among the architectural noteworthy magnificent arcaded houses, which form the Żuławy reached the pinnacle of development, and so-called. Dutch homesteads. Are quite numerous Gothic churches and ruins, ancient cemeteries, Mennonite and other religious buildings. Great windfall are hydro-technical equipment: drainage pumping stations, canals, locks, gates and bridges, levees and raised and working capital.
The focal point is the Museum of Mennonite Road Żuławskie in Nowy Dwor Gdanski, and its branch in Cyganku. Gathered in the interesting historical and ethnographic collections and lapidarium gravestones and tombstones.

Nowodworski club wanting to promote our region has developed a draft "Żuławskie Window", which envisages the creation of an information network on żuławskich trails. In the villages of Nowy Dwor Gdanski, Cedars big, Wiślina, Rybina, Gypsy, bulletin boards lined with a map Żuławy, photos and descriptions of places particularly worth seeing.
Project financially supported The Marshal's Office, the company photography Opitz. The texts describing the attractions on the trail prepared by: Grzegorz Gola, Mark Opitz. Pictures taken by Anna Arent, Mark Opitz, Peter Sosnowski.

Bitte Entschuldigung, habe jetzt leider nicht die Zeit das wieder irgendwie ins Deutsche zu übertragen.

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Wolfgang 16.11.2010 00:43

Schönen guten Abend,

unbestreitbar hat es im Werder viele Mennoniten gegeben. Auch in meiner Familie waren Mennoniten, wahrscheinlich waren sie vor vier- oder fünfhundert Jahren ins Werder gekommen. Die meisten Mennoniten lebten dort bis zum Kriegsende und verloren dann als Deutsche ihre Heimat. Die Allermeisten gingen in das Rest-Deutschland, manche auch nach Kanada oder Südamerika, kaum einer nach Holland.

Heute werden in Polen praktisch sämtliche Mennoniten über einen Kamm geschoren: Sie kamen aus Holland - auch wenn gut ein Drittel aus Gebieten stammte, die außerhalb Hollands lagen. Aber nicht nur das. Sämtliche Vorlaubenhäuser werden nicht nur den Mennoniten zugeschrieben sondern es ist immer wieder auch zu hören, sie hätten diese Hausbauweise aus Holland mitgebracht. Merkwürdig nur, dass es weder früher noch heute Vorlaubenhäuser in Holland gab/gibt. Dagegen kommt diese als alte traditionelle Bauweise recht häufig auch in Nordost-Deutschland vor.

Mennoniten haben das Land maßgeblich mitgeprägt. Viele Wasserbauwerke, also Deiche, Kanäle, Brücken, Entwässerungsanlagen sind auf sie zurückzuführen. Nach ein paar Jahrhunderten in deutsch- bzw. plattdeutsch-sprachigen Landen waren sie so weit in ihre deutsche Umgebung assimiliert, dass sie sich selber meist auch als dem deutschen Kulturkreis angehörende Mennoniten sahen.

Trotzdem ist im heute polnischen Werder meist nur von holländischen Mennoniten zu hören. Bauten, Friedhöfe, aber auch Ausstellungsgegenstände in Museen werden als mennonitisch bezeichnet, auch wenn sie das definitiv nicht sind. Die deutsche Geschichte scheint nicht immer interessant oder nicht gewollt, auch wenn das einen Widerspruch darstellt, da ja die im Werder ansässigen Mennoniten Deutsche waren.

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sinus 15.11.2010 23:45

Hallo Magdalena,

Dein Beitrag drängt mich, noch heute Abend zu antworten.
Lies meine Beiträge bitte noch mal ganz entspannt. Ich habe weder behauptet, dass die von mir aufgeführten Hofbesitzer alle evangelisch-deutscher Herkunft waren, noch dass diese Gegend nur „kulturhistorisches deutsches Erbe“ birgt und es dort keine Mennoniten gegeben hat.
Von den Namen her ist es in der Liste der Hofbesitzer von 1793 nicht auszuschließen, dass die Claassen`s und die Phillipsen`s mennonitische Wurzeln hatten. Schon möglich, aber 1641 als Sperlingsdorf seine "Willkür" erhielt, gab es diese Namen dort auch noch nicht. 1793 sind keine Mennoniten in Sperlingsdorf aufgeführt, sondern alle dort genannten Hofbesitzer waren lutherischen Glaubens und sind in den Kirchenbüchern in Wotzlaff als solche geführt.
Unter den Hofbesitzern 1864 war Peter Willms der einzige Mennonit in Sperlingsdorf. Er war von außerhalb nach Sperlingsdorf gekommen. Einige Jahre später kam noch die Familie Sprunck hinzu. Wie Du auf http://www.mennonitegenealogy.com/prussia/1869.htm nachlesen kannst, sind 1868 Willms und Sprunck in Sperlingsdorf genannt.

Sieh Dir die Mennoniten-Route genau an. Sie führt im Danziger Werder überwiegend nicht durch die typischen Mennonitendörfer, wie z.B. Scharfenberg, Neunhuben, Nassenhuben, Reichenberg, Weßlinken. Dafür wählt man Dörfer, in denen die Mennoniten nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben, wie Herzberg, Trutenau, Groß Zünder, Letzkau und präsentiert dort hauptsächlich die Vorlaubenhäuser und lutherischen Dorfkirchen.

Mir ging es in meinem Beitrag lediglich darum, dass die Baudenkmale, die auf der Mennoniten-Route in den Vordergrund gerückt werden, zu großen Teilen eben nicht mennonitischer Herkunft sind. Und da frage ich mich, warum sie den Touristen, die diese Gegend besuchen, trotzdem als solche "verkauft" werden sollen.
Sperlingsdorf ist ein schönes, sauberes Dorf und im Vordergrund der Präsentation steht völlig zurecht die kleine Kirche, die als lutherische Kapelle Mitte des 16. Jahrhunderts erbaut wurde. Das von mir schon genannte 1871 erbaute Haus Nr. 15 (vor dem die Polit-Prominenz die Route eröffnete) steht auf einem Grundstück, das seit etwa 1670 im Besitz der Familie Nickel ist. Diese Familie ist um 1600 aus Königsberg in der Neumark in das Danziger Werder gezogen.
Und das immer noch sehr schöne Holzhaus Nr. 8 ist ebenfalls nicht mennonitischer Herkunft. Es wurde um 1870 erbaut. Dieses Grundstück war seit ca. 1800 im Besitz der Familie Blum, seit ca. 1870 Familie Möller, seit 1913 bis 1945 Familie Maker, allesamt lutherisch.

Ich hatte ja schon deutlich gemacht, dass ich es sehr begrüße, wenn diese Gegend touristisch erschlossen und vermarktet wird. Hier steckt großes Potential, die von Menschen geschaffene Landschaft mit Geschichte und Kultur zu verbinden. Da finde ich es ehrlicher, eine Route der Vorlaubenhäuser zu fördern, wie sie z.B. vom Maler Kufel, dem Besitzer des Vorlaubenhauses in Trutenau versucht wird, nur leider nicht mit so hoher politischer und administrativer Unterstützung. Warum ??? Wovor fürchtet man sich heute in einem geeinten Europa?

Viele der polnischen Einwohner sind da schon weiter, so wie Arthur Czeczotko, der heutige Eigentümer des Hauses Nr. 15 in Sperlingsdorf, der den 1945 zerschlagenen Gedenkstein für die Sperlingsdorfer Gefallenen des 1. Weltkrieges wieder zusammen gesetzt und auf seinem Grundstück aufgestellt hat.
Ich hatte bei meinem Besuch im Mai ein sehr aufgeschlossenes Gespräch mit der Eigentümerin meines ehemaligen Vaterhofes in Mönchengrebin. Sie wurde dort geboren. Ihr Großvater hatte als Folge des Krieges seine Heimat verloren und wurde 1945 dort angesiedelt. Zwei Generationen lang war das Interesse für die Heimatgeschichte vor 1945 eher gering. Heute interessieren sich viele Polen dafür und sie erwarten ehrliche Antworten und keine Vernebelung.

Herzliche Grüße aus Mecklenburg
sinus

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grabschau 15.11.2010 23:41

schade, dass ich den Mennoniten-Site in poln. Sprache von Rüdiger nicht verfolgen kann ! Die Mennos interessieren mich gewaltig ! Gute Nacht sagt "die" Sigi

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magdzia, 15.11.2010 19:19

Hallo Sinus,

seit geraumer Zeit beschäftige ich mich vermehrt mit der Geschichte dieser Gegend. Wie ich mitbekommen habe, ist dein „Spiezalgebiet“ Danziger Werder um die Dörfer Sperlingsdorf, Herrengrebin usw. und du verfolgst recht intensiv die Geschichte dieses Ausschnittes. Daher hat mich dein Beitrag irritiert, insbesondere der letzte Satz und der Ausdruck „Werbegag“.
Jetzt stellst du in diesem Thread http://forum.danzig.de/showthread.ph...0327#post40327 die Hofbesitzer von Sperrlingsdorf vor und das irritiert mich noch mehr, daher meine Fragen:

Gehst du davon aus, dass die von dir aufgeführten Hofbesitzer alle evangelisch-deutscher Herkunft waren? Wie kommst du zu der Annahme, dass diese Gegend nur „kulturhistorisches deutsches Erbe“ birgt und es dort keine Mennoniten gegeben hat?

Viele Grüße
Magdalena

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buddhaah 11.11.2010 14:35

Sinus,

für eine Nation, die noch immer (oder "schon wieder") nach ihrer Identität fahndet (der vielen Teilungen und Zeitabschnitte von Fremdherrschaft wegen), ist das äusserst schwierig.

Wir sind uns manchmal auf deutscher Seite nicht wirklich bewusst, wie unsicher sich die Polen noch immer im europäischen Gefüge bewegen. Es wird noch lange dauern, bis sich eine autarke - von Ängsten befreite - (Aussen-)Politik in Polen etablieren wird. Selbst dann, wird man noch immer daran arbeiten müssen, dass sich eine solche Politik im Denken und Handeln der Bevölkerung wiederspiegelt (Stichwort: nicht-existente, sich erst etablierende Zivilgesellschaft).

Das alles ist deshalb wichtig, weil es ohne eine sichere Identität und eine klare Definition, was denn nun die polnische Staatsräson und "polnische Interessen" letztlich sind, nie klar sein kann, welche Ziele man als Nation nun wirklich verfolgen möchte.

Ohne eine Grundüberzeugung zur eigenen Identität kann man auch nicht unverklärt Stellung zur eigenen Vergangenheit nehmen. Momentan ist die polnische Vision ihrer Vergangenheit eine Parabel polnischer Widerstandsfähigkeiten im Antlitz einer Geschichte, die es mit ihnen nicht gut meinte und Nachbarländern, die ihr nicht wohlgesinnt waren.

Ich stimme dir zu: es muss irgendwann für Polen möglich werden auch zuzugeben, dass grosse Teile ihrer Infrastruktur (die ja immer durch Kultur "gefärbt" sind - Technik ist immer ein kulturelles Konstrukt) in weiten Teilen des Landes eben nicht polnischen, sondern deutschen Ursprungs waren und - sofern sie die Zeiten überdauert haben - sind.
Das ist ein Reifungsprozess.

In gewissen Kreisen der polnischen Gesellschaft, ist es noch immer verpönt sich einzugestehen, dass grosse Teile der Danziger Rechtstadt, zum Beispiel, von holländischer Hand geplant und gebaut worden sind. Es geht dann auch nicht darum, ob das nun "die Deutschen" waren - oder Holländer. Es genügt, wenn sie "fremd" waren, um Verunsicherung auszulösen.
Die Meisterleistung des Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg (die ja auch tatsächlich monumental war) gilt dann auch für die Menschen mit jenem Weltbild tausend mal mehr, als die mindestens genauso imposante Leistung derer, die Pommern vor 1945 "aufbauten". Ich kenne viele, die so denken - auch jüngeren Alters.

Das ändert sich jetzt, hoffe ich... aber auch für mich - der sowohl deutscher Aussiedler, als auch gebürtiger Pole ist - geht es viel zu langsam.

Gruss,
Michael

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lemusz71 11.11.2010 14:03

hallo sinus

Danke für Deine Bemerkung.

Grüsse an Dich
Leszek

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sinus 10.10.2010 23:54

Hallo Leszek,

habe mir den Film angesehen. Schön, dass die Sehenswürdigkeiten im Danziger Werder jetzt besser erschlossen werden. Sie haben es wirklich verdient. Der Radweg in dem Film liegt aber ohne Zweifel in Sperlingsdorf (Wroblewo) und nicht in Groß Zünder. Dass der Weg als Mennoniten-Route bezeichnet wird, ist wohl eher ein Werbegag. Die meisten Häuser dieser Route sind nicht mennonitischen sondern deutsch-evangelischen Ursprungs. Die Fernsehleute hatten sich vor dem Haus aufgebaut, das vor 1945 dem Gemeindevorsteher Richard Nickel gehörte. Es ist ein stattliches Haus, aber leider auch kein mennonitisches. Das Haus wurde 1871 von Richard`s Großvater Johann Jacob Nickel erbaut, der Kirchenvorsteher in Sperlingsdorf war.
Ich habe das Gefühl, dass man sich in Polen immer noch davor scheut, dieses kulturhistorische Erbe als deutsche Hinterlassenschaft anzunehmen. Es wird Zeit, dass man da unbefangen herangeht.

Herzliche Grüße aus Mecklenburg
sinus

Wolfgang
17.11.2010, 12:16
Schönen guten Morgen,

viele Beträge zum Thema Neue Radwege in Groß Zünder erbaut (http://forum.danzig.de/showthread.php?6544-Neue-Radwege-in-Gro-Znder-erbaut) sind sehr interessant und sollten in einem eigenen Thema weiterdiskutiert werden.

Beim Umkopieren dieser Beiträgen in dieses neue Thema ist mir jedoch ein Fehler unterlaufen. Ich habe die zu verschiebenden Beiträge leider zu einem einzigen zusammengefasst.

Glücklicherweise sind sie aber nicht verloren...

sinus
17.11.2010, 16:22
Hallo, Wolfgang,

genau das ist auch mein Eindruck, deshalb habe ich die Diskussion aufgegeben.

Herzliche Grüße aus Mecklenburg
sinus

Wolfgang
17.11.2010, 17:29
Schönen guten Nachmittag,

ich glaube, wir sollten die Diskussion nicht beenden. Wichtig ist, dass wir uns möglichst an Fakten orientieren.

Ich möchte um Gottes Willen die unbestreitbaren und großartigen Leistungen der Mennoniten nicht schmäleren geschweige denn in Frage stellen, aber Geschichtsklitterung beginnt immer dann, wenn man sich nicht bemüht, die ganze Geschichte erfahren zu wollen. Vollendete Geschichtsklitterung ist es bereits, wenn basierend auf unzureichendem Wissen Behauptungen aufgestellt werden oder sogar versucht wird, etwas als unumstößliche Tatsache darzustellen. Geschichtsklitterung muss gar nicht böswillig sein, sie ist aber häufig das Ergebnis eines unwissenschaftlichen Vorgehens.

Es ist sehr verständlich, das Danziger Werder mittels Tourismuswerbung ein bisschen zu fördern. Aber muss man da zu Mitteln der Geschichtsklitterung greifen? Natürlich sind viele Vorlaubenhäuser großartig -auch wenn die meisten von ihnen noch immer in ihrer Substanz verfallen- und auch das Schlagwort "mennonitisch" klingt interessant, aber warum befragt man nicht die deutschen Mennoniten die bis Kriegsende dort lebten? Warum greift man nicht auf alte Unterlagen zurück? Warum werden auch nicht-mennonitische Bauten als mennonitisch ausgegeben? Unwissen, noch latent vorhandene Berührungsängste mit der deutschen Geschichte, Ignoranz, Provokation? Ich weiß es nicht...

Es gibt eine schier unübersehbare Menge an Fachpublikationen (nicht nur die zwei Bücher die Magdalena aufgezeigt hat), es gibt das Staatsarchiv in dem die ganzen alten Dorf- und Wasserbauwerkpläne liegen - warum greift man nicht darauf zurück?

Magdalena, Du erwähnst einige Punkte, auf die ich kurz eingehen möchte. So schreibst Du z.B. über die Mennoniten, dass "der größter Teil von ihnen noch bis Ende 18./Anfang 19. Jh. dort lebte bevor die Politik Preußens sie vertrieben hat. Die meisten von ihnen wanderten nach Rußland aus." Ähem... - worauf basieren Deine Kenntnisse? Hast Du die zwei von Dir zitierten Bücher gelesen? Wenn ja, dann würdest Du diese Meinung nicht vertreten. Fakt ist, dass im 18. und in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auf dem Gebiet des gesamten Westpreußen (also zu polnischen und preußischen Zeiten) die Anzahl der Mennoniten ziemlich konstant blieb: rund 13.000-14.000 Köpfe. Horst Penner, von dem Du EIN einziges Buch erwähnst (er schrieb mehrere), sagte, dass es den Mennoniten unter dem alten Fritz besser ging als zu polnischen Zeiten. Die Mennoniten wurden nicht vertrieben, sie wanderten aus, weil sie außerordentlich fruchtbar waren, es deswegen einen hohen Bevölkerungsüberschuss gab (ca. 500 Köpfe jährlich) und ihnen ab Ende des 18. Jahrhunderts der Grunderwerb erschwert wurde. Aber noch einmal: Die Gesamtbevölkerungszahl blieb konstant, nahm später sogar wieder deutlich zu.

Wer preußischen Militärdienst leistete, konnte weiterhin Grund erwerben. In späteren Jahrzehnten leisteten dann auch mehr und mehr Mennoniten den preußischen Militärdienst ab. Gegen die weit verbreitete und unsinnige Mär einer Vertreibung spricht auch, dass sich die Mennoniten die Auswanderung vom preußischen König genehmigen lassen mussten - und allzuoft wurde diese Genehmigung vor allem für die Älterleute nicht erteilt.

Magdalena, Du schreibst auch: "Anscheinend muss man die Mennoniten bzw. ihre Nachfahren zurecht stutzen, dass sie was Falsches erzählen." Soll sich das auch auf mich beziehen? Ich habe unter meinen Vorfahren Mennoniten. Ein klein wenig weiß ich etwas über deren Geschichte (ich besitze auch Einiges an -gelesener!- mennonitischer Fachliteratur zur Geschichte der Mennoniten im Werder) und ich denke, dass ich jede meiner Aussagen belegen kann. Ich bin gespannt, wie Du Deine Thesen belegen möchtest...

grabschau, + 06.11.2012
17.11.2010, 18:34
Das Mennonitentum entstand in Zürich (Schweiz) und in den
Niederlanden während der protestantischen Reformation im
16. Jahrhundert. Die Mitglieder der Züricher, die einen radikaleren
Protestantismus als den von Martin Luther und Huldrych Zwingli
predigten, wurden von ihren Gruppen wegen ihres Glaubes an
die freiwillige Taufe Erwachsener zu Beginn 'Anabaptisten' (oder
Wiedertäufer) genannt. Erst später, als der niederländische
Priester Menno SIMONS im Jahre 1536 Oberhaupt der Religions-
gemeinschaft wurde, nannte man sie Mennoniten.

Menno SIMONS wurde 1496 in Witmarsum, Westfriesland,
als Sohn eines Bauern geboren und 1524 zum Priester der
römisch-kath. Kirche geweiht - etc. etc.

Auteur: Ariane Jossin, Universität Paris-Sorbonne-Paris IV

nur so dieser kl. Ausschnitt einer Masterarbeit über die Mennoniten ! Es passt ja zum Thema ! LG Sigi

grabschau, + 06.11.2012
17.11.2010, 23:00
ich glaube, es muß Magisterarbeit auf deutsch heißen, o lala dtsche Sprache, schwere Sprache ;-(( Sigi

sinus
17.11.2010, 23:18
Hallo, Wolfgang,

hier noch ein paar Fakten und ein Literaturhinweis zum Thema.
1540 und 1543 brach der Weichseldamm bei Käsemark bzw. beim Heringskrug. Das ganze Unterwerder stand jahrelang unter Wasser und die Bewohner, soweit sie nicht ertrunken waren, wanderten aus. Betroffen waren die Dörfer Käsemark, Schmerblock, Weßlinken, Reichenberg, Scharfenberg und Landau.
Diese wüsten Dörfer wurden von verschiedenen Danziger Kaufleuten billig aufgekauft und mit Holländern, Flamen und Friesen, überwiegend Mennoniten besetzt. Die Neugründungen der untergegangenen Dörfer mit entsprechender Willkür erfolgten für Reichenberg, Scharfenberg, Landau 1547, für Weßlinken 1550 und für Schmerblock 1552. Dies waren Mitte des 16. Jahrhunderts im Danziger Werder die einzigen „Holländerdörfer“, später Mennonitendörfer genannt.
Die hier behandelte heutige „Mennoniten-Route“ berührt davon leider nur Reichenberg.
Interessante Fakten zur Geschichte der Entwässerung des Danziger Werders findet man in dem Buch „Die Entwickelung des Deich- und Entwässerungswesens im Gebiet des heutigen Danziger Deichverbandes seit dem 14ten Jahrhundert“, das hier einzusehen ist:
http://dlibra.bibliotekaelblaska.pl/dlibra/doccontent?id=7906&dirids=1

Schönen Abend noch
sinus

grabschau, + 06.11.2012
18.11.2010, 01:16
SOMMERFELD-FORUM:
http://forum.sommerfeldfamilien.net/index.php

und hier noch ein Site über die Mennoniten mit Erlaubnis von Dieter Sommerfeld ! LG Sigi

magdzia
18.11.2010, 20:43
Ach Christa und bei dir habe ich das Gefühl, dass du nicht wahr haben willst, dass da nicht nur Deutsche lebten. Sicher…… vor 1945 war das so…….
Das erinnert mich an die ehemaligen polnischen Machthaber, die zeigten auch immer die deutsche Kultur……die vor 1945.

Wolfgang über diesen Satz von dir solltest du nachdenken:
„Wer preußischen Militärdienst leistete, konnte weiterhin Grund erwerben.“

Leider ist es nicht das erste Mal, dass du so deine Gesinnung zum Ausdruck bringst.

„Geschichtsklitterung“
Schon der Link von Christa widerlegt manche deiner Behauptungen und wenn du A sagst, solltest du auch B sagen, genauso Sinus. In allen Quellen über die erste mennonitische Besiedlung werden die 3 Orte immer zusammen genannt: 1547 Sperlingsdorfer Bruch , Scharfenberg und Landau. Lt. Sinus waren es aber nur Scharfenberg und Landau.
Du sagst doch selber, durch das Weglassen wichtiger Details kann man Geschichte verfälschen, das ist auch meine Meinung.
Und Wolfgang – Preußen war nicht die Charitas und der „Alte Fritz“ (gestorben 1786) nicht die Mutter Theresa der damaligen Zeit.

Du meinst die Geschichte der Mennoniten besser zu kennen als sie selber? Dann wende dich doch bitte an die Gemeinde der Mennoniten in Deutschland, denn sie halfen in Polen mit der geschichtlichen Aufarbeitung, ebenso bei dem Heimatmuseum in Tiegenhof und der jetzt zu ende gegangenen Ausstellung in Danzig. Ja, stell dir vor, die Polen sind doch tatsächlich selber auf die Idee gekommen. Wir haben das Jahr 2010 und nicht 1980.
Weder das Museum, noch die Ausstellung und auch der Weg beinhalten nur mennonitische Sehenswürdigkeiten und werden auch nicht so tituliert. Es geht um alle historischen Denmäler und Gegenstände des täglichen Gebrauchs der Bevölkerung Werders.

Ich finde es mehr als schäbig.
Man ehrt die Verdienste der Mennoniten, indem man nach ihnen einen Weg benennt, der durch ein Gebiet führt, das sie einst urbar machten und schon erheben sich deutsche Stimmen, die meinen, dass es eine Vernebelung der Tatsachen und Geschichtsklitterung ist, „weil VOR 1945 dort nur evangelische Deutsche lebten“.

Schönen Abend wünscht
Magdalena

Uwe
18.11.2010, 20:47
hmmm ... frage mich gerade mal wieder wer was durch welche Brille sieht ... ;)

Herzliche Grüße

Uwe

Wolfgang
18.11.2010, 21:58
Schönen guten Abend,
hallo Magdalena,

vielleicht hilft es ein wenig, wenn Du emotional wieder ein bisschen Boden unter die Füße bekommst. Ich sagte, ich könne meine Aussagen belegen. Du auch? Ich habe Fakten gebracht. Du legst uns von Dir erfundene Aussagen in den Mund wie "weil VOR 1945 dort nur evangelische Deutsche lebten". Du bezeichnest es als schäbig wenn Fakten genannt werden die mit Deinen persönlichen -und offensichtlich von Dir nicht belegbaren- Thesen nicht übereinstimmen. Du verlässt mit Deinen persönlichen Angriffen den Boden einer sachlichen Argumentation und Diskussion.

Trotzdem gehe ich auf ein paar Deiner Punkte ein. Du wirfst mir meine "Gesinnung" vor und forderst mich auf, ich solle über die Tatsache nachdenken, "Wer preußischen Militärdienst leistete, konnte weiterhin Grund erwerben.“ Ähhh... - was gibt es da nachzudenken??? Das ist eine von mir objektiv aufgezeigte TATSACHE. Magdalena, Du stellst Behauptungen auf, die scheinbar auf einem "Wissen" basieren, das -ich sage es mal sehr diplmatisch- noch recht große Lücken aufweist. Ich frage Dich noch einmal: Hast Du die von Dir selber empfohlenen Bücher gelesen (und Dir auch etwas daraus gemerkt)? ICH habe umfangreiche Literatur zu den Mennoniten, auch von dem von Dir empfohlenen Horst Penner. Meine Quellen sind MENNONITISCHE Quellen! Kennst Du den Weierhof in der Pfalz, den mennonitischen Geschichtsverein, die dort erhältlichen Bücher? DAS sind meine Quellen!!!

Und ich zitiere hier nun aus einem von diesem Geschichtsverein herausgegebenen Buch (Horst Penner: Weltweite Bruderschaft):
Seite 79: "So bedeutete das Jahr 1772, in dem Westpreußen von Polen getrennt und wieder durch Preußen übernommen wurde, das sofort eine geordnete Verwaltung einführte, EINEN GEWINN FÜR DIE MENNONITEN. Auch Friedrich der Große hat diese Landwirte hoch geschätzt". Im Gegensatz zu Deiner nicht belegbaren sehr subjektiven Meinung schätzten auch die Mennoniten den "Alten Fritz" sehr wohl! Übrigens mussten aus religiösen Gründen 1765 Mennoniten aus der Gegend von Schwetz/Polen auswandern. Sie wurden vom Alten Fritz mit Kusshand aufgenommen und in der Neumark angesiedelt. Das sogenannte "Mennonitenedikt" mit dem der Erwerb neuen Landes vom Vorhandensein bestimmter Voraussetzungen abhängig gemacht wurde (Militärdienst) wurde übrigens erst nach dem Tode des Alten Fritz erlassen.

Ich kenne übrigens auch die Geschichte des Heimatmuseums in Tiegenhof und wer da alles geholfen hat bzw. wer auch Ausstellungsgegenstände spendete. Es waren nicht nur die Mennoniten, es war auch der Tiegenhöfer Verein (in dem ich Mitglied bin). Ich war auch mehrere Male im Tiegenhöfer Museum, kann also aus eigener Anschauung berichten und auch da in allem was ich sage, BEWEISEN.

Magdalena, bevor Du antwortest, überlege bitte WAS DU AUCH BELEGEN kannst. Es reicht nicht aus Vermutungen als Tatsachen darzustellen. Ich weiß, dass ich die Geschichte der Mennoniten ganz sicher nicht besser kenne als diese selber. Deswegen beziehe ich mich auch in allen geschichtlich relevanten Aussagen auf mennonitische Forscher und deren Werke. Wenn Du willst, kann ich zu allem was ich sage, die entsprechenden Quellenangaben anführen. Ich bin aber offen für neue Fakten. Bring bitte nicht nur Buchempfehlungen, sondern -wenn Du meinst bessere Argumente zu haben- zitiere aus Deinen Quellen (ich werde das dann in der Regel anhand der gleichen Literatur nachvollziehen können).

sinus
19.11.2010, 00:56
Guten Abend, Magdalena,

eigentlich wollte ich mich nicht mehr zu dem Thema äußern.
Schau bitte in die von mir zitierte Quelle: „Geschichte des Deich-und Entwässerungswesens …“
Auf der Seite 14 (Seitennummerierung nach der djvu-Doku.) ist eine Karte des Danziger Werders um 1300. Die Karte ist deshalb interessant, weil sie die tiefer liegenden Gebiete anschaulich zeigt, in denen dann nach den verheerenden Überschwemmungen Mitte des 16.Jhdt. die Mennoniten angesiedelt wurden.

Was Sperlingsdorf betrifft, so musst Du unterscheiden zwischen dem Dorf Sperlingsdorf und dem Sperlingsdorfer Bruch. In den Quellen, die sich teilweise auch widersprechen, ist nicht von dem Dorf Sperlingsdorf sondern nur vom Sperlingsdorfer Bruch die Rede („…wurden die Dörfer Scharfenberg, Landau und das Sperlingsdorfer Bruch … vergeben“). Das Dorf liegt auf dem rechten Mottlau-Ufer auf einer für Werder-Verhältnisse leichten „Anhöhe“, die sich entlang der Mottlau zieht und die in der v.g. Karte deutlich erkennbar ist. Das Sperlingsdorfer Bruch liegt nordöstlich davon wie ein Keil zwischen Sperlingsdorf und Schönau, wie man auch auf der Karte auch deutlich sehen kann. Auf dem Messtischblatt wird dies an Hand der Höhenlinien noch deutlicher.
Ich war im Mai dort und habe mir die Landschaft angesehen. In dieser Ecke liegt auch heute noch die einzige Pumpstation, die das Wasser aus dem Sperlingsdorfer Bruch in die höher liegende Mottlau pumpt.
Sicherlich sind auch in Sperlingsdorf einzelne Mennoniten angesiedelt worden auf Höfen, die der Danziger Bürgermeister Scheweke Anfang des 16. Jhdt.s infolge von Zahlungsunfähigkeit der alten Eigentümer erworben hatte. Sperlingsdorf war aber nach all meinen Informationen kein echtes Holländerdorf. Denn damit bezeichnet man Dörfer, die als Gesamtheit an eine Gruppe von Kolonisten (meist Mennoniten) verpachtet wurden.
Ich habe noch eine Karte angefügt aus einer Seite, die Du auch kennen wirst
http://www.g-gruppen.net/mennot.htm#a5.
Da sieht man genau die scharfe Abgrenzug der „Holländerdörfer“ von den sogenannten Oberdörfern (wie diese in älteren Quellen genannt werden) und die sich mit dem tief liegenden land aus der oberen karte deckt. In diese Karte habe ich mal ungefähr die Mennoniten-Route eingetragen. Bitte nagele mich jetzt nicht auf einen Millimeter fest.
Und nun komme ich wieder zum Ursprung zurück, denn das war meine Ausgangsfrage, die mir noch niemand beantwortet hat: Warum führt diese Route nicht konsequent durch die „Holländerdörfer“, sondern streift sie nur (Hochzeit, Landau)?

Noch mal zurück zu meinen Nickel-Vorfahren. Du hast Recht, dass auch unter den Mennoniten Träger dieses Namens waren. Allerdings ist der Name Nickel so häufig im ganzen deutschen Sprachraum, weil er aus der Kurzform des Vornamens Nikolaus abgeleitet ist. Meine Nickel`s sind jedenfalls nicht aus Holland, sondern ich schrieb ja schon, dass der älteste nachgewiesene Nickel 1562 in Königsberg/ Neumark (nicht Ostpreussen) geboren wurde.

Für heute Gute Nacht
sinus

sinus
19.11.2010, 09:20
Oh, da habe ich gestern Abend vergessen, die Karte anzuhängen.
Hier ist sie.

Wolfgang
19.11.2010, 11:43
Schönen guten Morgen,
hallo Gerhard,

die Karte Jürgen Weigles ist sehr interessant, wirft aber viele Fragen auf. In manchen Punkten verstehe ich sie auch nicht ganz. Hier wird von "Holländerdörfern" und von "holländischen und deutschen Dörfern" gesprochen wobei nur letztere auch tatsächlich als Dörfer erkennbar sind. Ich nehme an, dass die orangerot gekennzeichneten Flächen die Gebiete aufzeigen sollen in denen es zu emphyteutischen Landüberlassungen an Mennoniten kam. Das waren dann die Ländereien in denen Mennoniten Dörfer anlegten.

Fraglich ist, ob man die Mennoniten in holländische und nicht-holländische Mennoniten einteilen soll. Denn nach Schätzungen -genaue Zahlen gibt es nicht- waren rund ein Drittel der Mennoniten nicht-holländischer Herkunft. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert wurde zwischen ihnen auch nicht mehr groß unterschieden: Sie waren alle Mennoniten.

Die Bezeichnung "holländische und deutsche" Dörfer ist nicht sehr präzise weil sie Interpretationen zulässt. Was ist damit gemeint? Holländisch-deutsch gemischte Dörfer? Oder Dörfer die teils rein holländisch oder rein deutsch waren? Wäre es nicht korrekter von mennonitischen anstatt von holländischen Siedlungen zu sprechen? Ist es richtig, auch Jahrhunderte nach der Gründung bzw. Wiederbesiedlung dieser Siedlungsstätten zwischen Mennoniten und Deutschen zu unterscheiden? Müsste man -zumindest für die letzten 200 Jahre- nicht eher von Deutschen sprechen die mennonitischen oder christlichen (bzw. evangelischen und katholischen) Glaubens sind?

Werden solche Trennungen nicht verwendet um bewusst (oder auch manchmal unbewusst) Bevölkerungsgruppen auszugrenzen? War es nicht auch in früheren Zeiten so als man Deutsche jüdischen Glaubens ausgrenzte in dem man nur noch von "Deutschen" und "Juden" sprach (und diese damit diskriminierte)? Ist -unter umgekehrten Vorzeichen- eine solche Distanzierung der Mennoniten von den Deutschen beabsichtigt? Wenn ja, ist das noch zeitgemäß?

Die Mennoniten und deren Nachkommen haben allen Grund, stolz auf die Aufbauarbeit ihrer Vorväter (und -mütter) zu sein. Wer sich mit Familienforschung befasst, wird sich in der Regel sehr freuen, wenn er einen Nachweis findet, dass zu seinen Vorfahren holländische Mennoniten gehören, die weite Landstriche des Werders besiedelbar machten. Diese Siedlungsarbeit war mit ungeheuren Verlusten unter den ersten Mennoniten verbunden: Horst Penner schätzt, dass rund 80% der Ankömmlinge den Widrigkeiten im Werder zum Opfer fielen.

Jürgen Weigle zeigt auf seiner Karte auch Fürstenwerder als roten Punkt ("holländische und deutsche Dörfer"). Das Dorf liegt -wenn ich seine Karte richtig interpretiere- außerhalb des eigentlichen Ansiedlungsgebietes der (holländischen) Mennoniten. Um nur mal ein Beispiel zu zeigen, wie stark die Verbreitung von Mennoniten in manchen Dörfern war, füge ich eine Karte bei, aus der ersichtlich ist, wer die großen Höfe in Fürstenwerder besaß (alle entlang der Hauptstraße). Hinter den Namen der Besitzer steht die Religionsangehörigkeit. Die Karte wurde erstmals in den Tiegenhöfer Nachrichten von 1987 veröffentlicht (Autor: Dr. Hans Aron Hamm).

magdzia
19.11.2010, 13:11
Schönen guten Tag,

vielen Dank für deine Antowrt Sinus. Ich habe mir die Karte vom 1300 kurz angeschaut. Sehr interessant. Leider habe ich jetzt keine Zeit, da ich weg muss. Werde mir heute Abend in ruhe deine Karte anschauen, dann können wir uns darüber unterhalten. Vielleicht erfahre ich in den polnischen Foren, warum die Route "Szlak menonitow" so und nicht anders verläuft.
Nur noch soviel - Wolfgang, die Bezeichnung "Holländer-Dorf" hat nichts mit der Ethnologie zu tun, sondern mit dem Recht (z. B. Selbstverwaltung). In Polen macht man daher mit der Bezeichnung "Olender" den unterschied zum "Holender" (Niederländer). Wie ich gelesen habe, gab es Dörfer, die in den Quellen als "Holländerdörfer" bezeichnet werden, ohne dass dorf Mennoniten geschweige denn Holländer wohnten, die also dieses Recht besassen und daher so genannt wurden.
Hier ein Link aus der poln. Wikipedia.
http://http://pl.wikipedia.org/wiki/Ol%C4%99drzy

Bis dann
Magdalena

magdzia
20.11.2010, 19:39
Hallo Sinus,

die Karte vom Danziger Werder am Ende des 13. Jh. ist wirklich sehr interessant. Da sieht man, dass das Gebiet nördlich von Scharfenberg und Wotzlaff fast nur Sumpf- und Moorlandschaft war. Auf der anderen Karte sieht man dann die Siedlungen, die in 300-350 Jahren bereits entstanden sind.
Wie es aber aussieht, wurden die ersten Mennoniten in der Gegend um Sperlinsdorf angesiedelt.

Lt. den offiziellen Stellen in Polen geht es bei diesem Fahrradweg in erster Linie um die Sicherheit der fahrradfahrenden Bewohner und Fußgänger. Dieser erste Teil des Weges führt überwiegend an der Motlau entlang, weit weg vom üblichen Autoverkehr.
Ich nehme also an, dass es dort entstand, wo Bedarf war (viele Radfahrer und Fußgänger), wo die Strassen sehr eng sind oder stark mit Kraftfahrzeugen befahren werden.
Ich sehe allerdings aber auch keinen Grund warum diese Strecke nicht „Szlak menonitow“ heißen soll (Beginn unterhalb von Bischofsberg, führt in die Gegend der ersten Ansiedlung) und entgegen Wolfgangs Behauptung konnte ich nirgends lesen, dass die Vorlaubenhäuser als mennonitisch oder gar holländisch ausgegeben werden. Genauso konnte ich keinem Artikel entnehmen, der behauptet, dass die Mennoniten nur Holländer waren.
Unter Holländerhaus (dom holenderski) verstehen die Polen diese Art von Häusern: http://http://www.holidaysport.pl/ :D

Viele Grüße
Magdalena

sinus
21.11.2010, 02:22
Hallo, Wolfgang,

zu Deinem Beitrag von gestern:
Die "deutsch-holländischen Dörfer" verstehe ich so, dass in diesen Dörfern deutsche Lutheraner neben holländische Mennoniten lebten und Grundbesitz hatten. Dies waren meist Dörfer, in denen sich die Mennoniten der 2., 3. und der folgenden Einwanderergenerationen eingekauft hatten. Es waren ja meist schwere Zeiten (Kriege, Seuchen, Überschwemmungen u.ä.), so dass immer mal wieder Höfe frei wurden und neu besetzt wurden.
Der Begriff "Holländerdorf" bezeichnet nach meiner Kenntnis das besondere kollektive Pachtverhältnis, nach dem dem Verpächter die innere Aufteilung auf die einzelnen Höfe offenbar egal war. Ich habe das mal irgendwo gelesen. Die Quelle kann ich z.Z. nicht angeben.
Zur Frage Mennoniten - Holländer:
Sicher waren die meisten ländlichen Siedler, die aus Holland in die Danziger Niederung kamen, Mennoniten. Aber umgekehrt waren nicht alle Mennoniten, die aus Holland kamen, auch im nationalen Sinne Holländer. Denn abgesehen davon, dass Friesen und Flamen ohnehin den Holländern zugerechnet wurden, waren (wenn auch in der Minderheit) auch oberdeutsche (Schweizer, Süddeutsche) Täufer darunter, die in der Reformationszeit häufig rheinabwärts über Holland nach Danzig geflohen waren. In Danzig angekommen, wurden sie dann alle der Einfachheit halber als "Holländer" bezeichnet.
Du hast natürlich völlig Recht, dass sich im Laufe der Jahrhunderte die Mennoniten als Deutsche fühlten, aber dabei (nach meiner Kenntnis grob gesagt) drei Richtungen eingeschlagen hatten:
1. die streng Gläubigen wanderten weiter, hauptsächlich nach Russland
2. andere passten sich den Bedingungen an und blieben eine Minderheit
3. viele gaben die mennonitische Religion irgendwann zu Gunsten der lutherischen auf und wurden assimiliert (meist durch Heirat). Nur so lassen sich die vielen holländischen Namen bei den seit Generationen rein lutherischen Vorfahren erklären. Diese Abkehr muss bei einzelnen schon nach wenigen Generationen erfolgt sein. Anders ist nicht zu erklären, dass z.B. schon 1631 Andreas Wessel, der auch eine holländische Frau geheiratet hatte, in Sperlingsdorf Kirchenvorsteher der luth. Kirche war. 1793 waren dies Peter Claassen und Wilhelm Phillipsen.
Die Unterteilung in „Deutsche“ und „Mennoniten“ halte deshalb ich auch für Unsinn. Das wäre ja so, als ob man bei uns in Mecklenburg noch Deutsche und Slawen unterteilen würde, denn viele Mecklenburger haben slawische Wurzeln. Selbst das Mecklenburgische Herrscherhaus (bis 1918) stammt direkt von slawischen Stammesfürsten ab und keiner käme jemals auf die Idee, sie nicht als Deutsche sondern als Slawen zu bezeichnen.

Gute Nacht und herzliche Grüße aus Mecklenburg
sinus

sinus
21.11.2010, 15:26
Hallo, Magdalena,

noch mal zur Mennoniten-Route. Es scheint in der Tat so, dass die örtlich Verantwortlichen sehr pragmatisch gehandelt haben und EU-Gelder für die Entwicklung der ländlichen Infrastruktur genutzt haben, um ein elementares Bedürfnis nach Geh- und Radwegen zur Sicherheit der eigenen Bevölkerung zu befriedigen. Bei meinem Besuch im Mai habe ich selbst als Autofahrer festgestellt, dass die schmalen Landstraßen für Fußgänger und Radfahrer sehr gefährlich sein können. Selbst innerhalb der Dörfer fehlen häufig noch die Gehwege, so auch in Sperlingsdorf. Im Anhang ein Foto von der Sperlingsdorfer Dorfstraße im nördlichen Teil des Dorfes, die jetzt Teil der Mennoniten-Route wurde. Dass solche Projekte dann einen „Aufhänger“ benötigen für eine schlüssige Antragsbegründung, ist bekannt. Da war die Mennoniten-Route dann offenbar das, was am aussichtsreichsten war. Man ehrt die Mennoniten, indem man sich selbst nützt.
Also lag ich mit meinem „Werbegag“ doch nicht so weit von der Wirklichkeit weg.

Zu der Frage, ob Sperlingsdorf zu den ersten Mennonitendörfern zählte oder nicht, habe ich noch eine weitere Quelle gefunden, zwar in Englisch aber ich hoffe, Du kommst damit klar.
http://books.google.de/books?id=DlJlR3mzg6MC&pg=PA31&lpg=PA31&dq=scharfenberg+bystra&source=bl&ots=J7RJ2G3tPv&sig=KVe-L1xtb1gJYCLVKqyZgTuNl9M&hl=de&ei=Xy_oTIf4JI_GswbFssC3Cw&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=7&ved=0CEAQ6AEwBg#v=onepage&q=scharfenberg%20bystra&f=false
Auf Seite 31 wird erwähnt, dass die ersten Mennoniten in Scharfenberg und Landau angesiedelt wurden. Sie kamen nicht direkt aus Holland, sondern aus Ostpreussen. Auf S. 32 werden dann weitere Dörfer erwähnt, in denen sich für den Danziger Rat die Ansiedlung von Mennoniten wirtschaftlich rentiert hat. Sperlingsdorf ist nicht darunter.
Ich habe inzwischen auch noch mal Quellen über die Sperlingsdorfer Geschichte nachgelesen. Der von mir schon erwähnte Danziger Bürgermeister Scheweke hatte die erworbenen Grundstücke innerhalb seiner Familie verteilt, wo sie auch über mehrere Generationen blieben.
Du kannst also davon ausgehen, dass Sperlingsdorf zu keinem Zeitpunkt ein mennonitisches Dorf war.

Wir sollten deshalb das Thema damit beenden.

Herzliche Grüße
sinus

Wolfgang
21.11.2010, 17:30
Schönen guten Nachmittag,
hallo Gerhard,

Du schreibst, wir sollten das Thema beenden... Wirklich? Auf halbem Weg stehen bleiben? Weiterhin offene Fragen nicht erörtern?

Ich kenne mich leider in der Geschichte der Mennoniten -soweit sie die Gegend südwestlich der (heute Toten) Weichsel betrifft- nicht sonderlich aus. Meine Kenntnisse beziehen sich mehr auf das Gebiet nördlich der Toten Weichsel und im Großen Werder bzw. im Marienburger Werder.

Ich bezweifle ob die ersten Mennoniten die bei Scharfenberg/Landau siedelten wirklich aus Ostpreußen kamen. Es gibt sehr viele Hinweise, dass sie -vom Rat der Stadt Danzig gerufen- zwischen 1545-1550 aus den Niederlanden kamen. Sicherlich mögen sich ostpreußischen Mennoniten dort AUCH angesiedelt haben, aber eben nur auch.

Im Großen Werder war die Situation vielleicht ein bisschen anders. Nach dem Niedergang des Deutschen Ordens, nach kriegerischen Verwüstungen und verheerenden Überschwemmungen waren weite Landstriche aufgegeben und wüst und leer. Dort herrschte weitgehend ein ordnungs- und machtpolitisches Vakuum. Die ins Land gerufenen Mennoniten besiedelten nicht nur aufgegebene Dörfer und gründeten neue Dörfer (insgesamt 30-50 Dörfer im Großen Werder), sondern über Streusiedlungen außerhalb geschlossener Ortschaften entwässerten sie das überwiegend in Depressionsgebieten gelegene Land und es machten es urbar. Dies war eine großartige Leistung.

Wenn wir über die Geschichte der Mennoniten sprechen, dann umfasst das einen Zeitraum von 400 Jahren. Die erneute Urbarmachung des Landes -zu Zeiten des Deutschen Ordens waren große Gebiete des Landes ebenfalls sehr fruchtbar- war EINE Phase in der Entwicklung des Landes. Die Mennoniten, ihr Wissen, ihre überlieferten und weiterentwickelten Erfahrungen waren über die gesamten 400 Jahre für das Land wichtig und trugen zum Wohlstand des gesamten Landstriches bei.

In der heute vorzufindenden Literatur wird immer wieder darauf hingewiesen, die Mennoniten hätten binnen weniger Jahre die Erträge der von ihr besiedelten Gebieter vervielfacht. Das war auf ihr Wissen, ihre Disziplin und ihre ungeheure Schaffenskraft zurückzuführen. Ohne irgend etwas an diesen Leistungen schmälern zu wollen ist trotzdem eine Ergänzung zu den bisher zu hörenden Interpretationen ihres Erfolges notwendig. Eine Antwort auf die Frage nämlich, ob es vielleicht auch noch andere Faktoren gab, die eine Vervielfachung der Erträge ermögichte...

Deswegen hier ein kleiner Vergleich der angestammten Bauern mit den Mennoniten:

Welche Geldleistungen hatten die Bauern an die Herrscher zu entrichten?
- Mennoniten: bei Beginn eine einmalige Einkaufssumme (Laudemium) und fortlaufend üppige PACHTGEBÜHREN (in denen die Steuern enthalten waren)
- Altsiedler: Lediglich Steuern (da sie ja meist Landeigentümer waren)

Kirchensteuern
- Mennoniten: in der Anfangszeit NICHTS
- Altsiedler: den "Zehnten" der der Kirche zufloss (diese Abgaben wurden jedoch nicht in den an die Herrschenden fließenden Erträge berücksichtigt)

Scharwerks- / Deichdienste:
- Mennoniten: sie waren davon befreit
- Altsiedler: Sie wurden zu beiden Diensten herangezogen. Das bedeutete für sie hohe finanzielle Einbußen

Zu berücksichtigen ist auch, dass wüstes und leeres Land praktisch keine Einkünfte abwirft. Wenn dieses nun besiedelt wird und die Siedler dieses nun mit Wissen und Fleiß bewirtschaften, dann sind höhere Einkünfte für die Herrschenden zwar nicht unbedingt selbstverständlich aber doch nachvollziehbar.

Um noch einmal auf den "Szlak Mennonitow", also die Mennoniten-Route zurückzukommen: Ich halte sie nicht für einen Touristen-Gag sondern eher für einen Beitrag der das Land touristisch erschließen soll. Denn eins ist unstrittig: Die Mennoniten waren im gesamten Weichseldeltagebiet vertreten und trugen maßgeblich zur Blüte und zum Wohlstand des Landes bei. Sollte es hie und da einen Flecken geben, auf dem sie nicht waren, dann kann er nun über die Mennoniten-Route per Fahrrad überbrückt werden:)

sinus
21.11.2010, 20:07
Hallo, Wolfgang,

überredet! Lass uns weiter machen. Also was die Herkunft der ersten Mennoniten im Danziger Werder betrifft, müssen wir die Quellen anzapfen. Eine hatte ich zitiert und da wurde eben die ostpreussische Herkunft erwähnt. Ich hänge nicht an dieser Theorie. Irgendwo müssen sich doch aber auch zu dieser Geschichte aussagekräftige Quellen finden lassen.

Vielleicht muss man auch in die niederländische Geschichte eintauchen, um herauszufinden, wann und wohin die Mennoniten hauptsächlich gegangen sind.
Während des sog. „Goldenen Zeitalters“ unter Kaiser Karl V. (1515 bis 1556) gerieten die Niederlande zu einer wirtschaftlichen Blütezeit.
Als Auswirkung der Reformation bildeten sich in den Niederlannden um 1530 erste Täufersekten. 1542 erließ Kaiser Karl V. ein Edikt, nachdem alle Anhänger der Täuferbewegung mit dem Tode bestraft werden. Also kann man wohl ab diesem Zeitpunkt von einem verschärften Druck auf die Täufer sprechen.
Menno Simons schloss sich ab 1536 der Täuferbewegung an. Ab 1544 (!) werden die niederländischen und norddeutschen Täufer nach ihm als Mennoniten bezeichnet. Die systematische Verfolgung der Täufer (Mennoniten) durch die Spanier setzte erst ab 1557 ein.
Interessante Informationen finden sich auf der Seite http://www.taeufergeschichte.net/index.php?id=81
Danach waren „bereits in der Reformationszeit zunächst vor allem oberdeutsche Täufer aus der Schweiz, Österreich und Süddeutschland in das entlegene, multiethnische Grenzland an der Ostsee geflüchtet“.
Bisher wusste ich auch folgendes nicht: „In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert erwuchs aus Spannungen zwischen Täufern flämischer und friesischer Herkunft eine weit reichende Spaltung, die sich vorwiegend in den niederländischen und alsbald auch preußischen Mennonitengemeinden zeigte“. Hiervon hatte ich bezüglich der Danziger Mennoniten noch nichts gehört. Möglicherweise gehörten sie auch überwiegend nur zu einer der beiden Richtungen. Die Namen (in anderen Quellen beispielhaft zugeordnet) sprechen eher dafür, dass sich im Danziger Werder hauptsächlich Flamen ansiedelten.

An anderer Stelle heißt es „Insbesondere in den polnisch-katholischen Landesteilen des westlichen, sog. „königlichen“ Preußen sowie in den autonomen Stadtgemeinden Danzig, Thorn, Elbing, Kulm, waren die Bedingungen für die Glaubensflüchtlinge aus West- und Mitteleuropa günstig. Da im polnisch-katholischen Teil Preußens die lutheranischen und reformierten Bekenntnisse selbst nur geduldet waren, war hier der Druck auf täuferische Flüchtlinge weitaus weniger stark ausgeprägt wie im benachbarten, streng-lutherischem Herzogtum Preußen. Obrigkeitliche „Wiedertäufererlasse“ wurden meist weder von katholischer, noch von lutheranischer Seite in den Städten mit der eigentlich beabsichtigten Vehemenz durchgesetzt. Häufig wurde ihre Anwesenheit also stillschweigend geduldet.“
Hier haben wir einen Grund dafür, dass möglicherweise Täufer (Mennoniten) aus Ostpreussen in die zur Stadt Danzig gehörenden Niederungsdörfer gezogen sind.

Leider findet man im Internet nur Wiederholungen, als ob einer vom anderen abgeschrieben hat (was ich selbst ja auch nicht anders mache). Man müsste also an die Urquellen vorstoßen, an die Verträge der Stadt Danzig mit den Mennoniten bei der Übergabe der von den Überschwemmungen 1540 und 1543 zerstörten Dörfer.

In dem folgenden Buch findet man dann die Aussage, dass 1547 auf Grund eines Vertrages zwischen der Stadt Danzig und dem Friesen Phillip Edzema das Dorf Reichenberg besiedelt wurde. Er warb dazu in seiner Heimat Siedler an (also friesische Mennoniten?). http://books.google.de/books?id=ROxa3Y92mz0C&pg=PA90&lpg=PA90&dq=landau+mennoniten+danzig&source=bl&ots=VsJWv4Nw5k&sig=jSMokKz3MDdGf_byMg1_mnzsOEc&hl=de&ei=-FPpTOG-M4jKswb72NTGCw&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=3&ved=0CCMQ6AEwAg#v=onepage&q=scharfenberg&f=false
Hier treffen wir auch wieder auf die Feststellung, dass die Kultivierung von Landau und dem Sperlingsdorfer Bruch durch Täufer getätigt wurde, die 1543 aus dem preussischen Oberland geflüchtet waren. Hier wird auch dargelegt, dass die Verpachtung unterschiedlich erfolgte; in Altpreussen an die Gesamtheit der Bauern auf 30 bis 40 Jahre und dagegen in den Danziger Dörfern an die einzelnen Bauern auf 5 Jahre.
Diese Täufer können also keine Mennoniten gewesen sein (siehe oben, Bezeichnung erst ab 1544), da sie wahrscheinlich schon ein paar Jahre in Preussen gelebt haben müssen. Waren sie die Flamen, auf die die Namen schließen lassen?

Was man mit Sicherheit sagen kann ist, dass die Verhältnisse der Mennoniten nicht alle gleich waren. Es gab also nicht DIE Mennoniten, sondern sie waren Täufer verschiedener Herkunft, verschiedener Religionsauslegung, verschiedener Einwanderungszeiten, verschiedener Landerwerbsbedingungen.

Wer hat Zugang zu den Originalverträgen. Gibt es sie evtl. noch im Staatsarchiv Danzig?

Herzliche Grüße aus Mecklenburg
sinus

Rahmenbauer14, + 1.11.2021
21.11.2010, 20:48
Hier ein paar Fotos aus unserem diesjährigen Urlaub im ehem. Mennonitengebiet. Auf der Fahrt von Mewe/Gniew nach Gr. Falkenau kamen wir durch Grünhoff(Poln-./Groß-) heute Gronowo - die Heimat meiner Vorfahren (Kurtzner) mütterl.-seits. Sehr schöne öde Gegend mit eingen Häuser und einer Vorlauben ? -Kirche und http://forum.danzig.de/attachment.php?attachmentid=7474&stc=1&thumb=1&d=1290361734 (http://forum.danzig.de/attachment.php?attachmentid=7474&d=1290361734) Info-Tafel.http://forum.danzig.de/attachment.php?attachmentid=7475&stc=1&thumb=1&d=1290362385 (http://forum.danzig.de/attachment.php?attachmentid=7475&d=1290362385)ATTACH]7477[/ATTACH] (http://forum.danzig.de/attachment.php?attachmentid=7475&d=1290362385)

Rahmenbauer14, + 1.11.2021
21.11.2010, 21:15
und weiter: kurz vor dem Ortseingang von Gr. Falkenau befindet sich ein Friedhof der Mennoniten.


7478747974807481

Schönen Abend noch.

Gruß
Rainer

Mariolla
21.11.2010, 22:27
Allen einen schönen Abend,
vielleicht eine kleine Ergänzung - siehe Anlagen.
Mich interessiert das Thema brennend, eigentlich alles, da sich unter meinen Vorfahren auch Mennoniten befinden und die Herkunft bislang
unbekannt ist.

Viele Grüße Marion

sinus
22.11.2010, 00:26
Hallo noch mal,

habe gerade eine Quelle im Netz gefunden, die ich Euch unbedingt empfehlen möchte:
http://www.gameo.org/encyclopedia/contents/W4752.html
Es ist eine Seite von Mennoniten, insofern unverdächtig. Dazu mit zahlreichen Quellenverweisen. Leider auch nur in Englisch.
Zwei Fakten habe ich daraus mitzuteilen:

1. Die ersten Täufer (ich benutze diesen Begriff bewusst, weil es Mennoniten ja erst ab 1540 in Holland und erst ab 1547 im Danziger Werder gab) zogen auf Einladung des Preussischen Herzogs Albrecht aus den Niederlanden in das gerade erst von der polnischen Krone abgetrennte Herzogtum Preussen. Herzog Albrecht hatte sich gerade zum Protestantismus bekannt und erlaubte 1525 den holländischen Täufern (die er wohl für Lutheraner hielt), sich bei der später Preussisch Holland genannten Stadt niederzulassen. Durch die gewaltsamen Auswüchse der militanten Täuferbewegung in Münster (1534/35) hatte er es sich jedoch aus Furcht, dass die Bilderstürmerei auch in sein Herzogtum getragen wird, anders überlegt und auch auf Druck der eigenen Lutheraner 1535 die Ausweisung der Täufer verfügt.
Jetzt wissen wir also, dass tatsächlich holländische Täufer aus Ostpreussen (damals Herzogtum Preussen) in das Danziger Hoheitsgebiet kamen.
Der Rest des Berichtes ist hochinteressant und mit vielen Fakten versehen.

2. Die Vorlaubenhäuser sind nicht mennonitisch. Wie schon in anderen Quellen belegt, wird auch auf der Unter-Seite
http://www.gameo.org/encyclopedia/contents/M373080.html
beschrieben, dass die Siedlungen aus der Ordenszeit in geschlossenen Ortschaften angelegt waren und die Wohnhäuser oft die charakteristische Vorlaube hatten. Die Siedler des 16. Jahrhunderts (Niederländisch) bauten einsame Bauernhöfe, die von ihrem Land umgeben sind, oder selbst in Reihen entlang eines Deiches. Die Mennoniten haben also die Bauweise der Vorlaubenhäuser später offenbar als zweckmäßig erkannt und übernommen. Das heißt, dass man die heute noch erhaltenen Vorlaubenhäuser nicht automatisch als mennonitisch zuordnen kann.

Gute nacht aus Mecklenburg
sinus

Jalladur
25.11.2010, 13:25
Hallo Sinus, Du schreibst, dass die 1543 aus dem preussischen Oberland geflüchteten Täufer keine Mennoniten gewesen sein können. Das würde ich so nicht sagen. Auch wenn sich der Begriff Mennoniten für die niederländisch-norddeutschen Täufer erst um 1544 (vor allem als Schutzname) verbreitete, so bezeichnen beide Begriffe doch in den meisten Fällen die gleichen Gemeinden. Schon zuvor nannten sich viele von ihnen nach Obbe Simons (einem Vorgänger Menno Simons) Obbeniten. Es gab mit dem neuen Namen also keinen radikalen Bruch. Menno Simons war Mitte des 16. Jh. auch selbst für einige Zeit in Danzig und im Baltikum, um die dortigen Täufergemeinden zu besuchen.

In Danzig gab es zeitweise sowohl eine flämische als auch eine friesische Mennonitengemeinde, die sich später wieder zusammengefunden haben. Allerdings verweisen die flämischen, friesischen und auch waterländischen Gemeinden, die es damals gab, nicht immer auf eine direkte Herkunft aus Flandern oder aus dem niederländischen Friesland. Zum Teil sind es auch quasi-kulturelle Gründe, die zur Entstehung unterschiedlicher Gemeinden an einem Ort geführt haben (Umgang mit dem Bann, Lebenswandel und ähnliches). Die Global Anabaptist Mennonite Encyclopedia (GAMEO) hat dazu sonst auch einiges (allerdings alles auf Englisch).

Jetzt hab ich meinen Quark auch noch dazu gegegeben :P viele Grüße