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Wolfgang
01.12.2010, 17:11
Macht der Finsternis
von Fritz Jaenicke

Also Mittwochnachmittach sitz wä grad beim Kaffee, und meine gute Ollsche hätt mich noch zum Schmäcken en Tällerchen mit ihre sälbstjebackne frische Weihnachtsfäfferkuchens hinjeställt. Da kemmt ne bekannte junge Frau mit ihr kleines Techterchen Mathildchen. Son kleines drugglijes Marjällchen von ein dreiviertel Jahr.

Die Dame wollt woll en Backrezäpt oder 'n Schnittmuster von meine Ollsche, und derweil ich mit das lust'je kleine Kindchen spiel, äzeehlt se noch vonne große Weihnachtsieberraschung, wo se mit ihrem Mann vorhätt, und fraacht, ob meine Ollsche nich en Stundchen dazu mit ihr mit inne Stadt kennt mitkommen.

Meine Ollsche hätt all de Stiebel an und saacht: "Jawollja, dänn kann ja die Kleine solang hier bei mein Mann bleiben!" Ich sag darauf noch: "Aber jewiß doch, mit tausend Freiden! En greeßres Vägniejen kenn' Se mir garnich machen!" Ach jadoch! Prost!

Schon hauen die beid Damens ab, und die junge Frau meint noch inne Tier : "Jeben Se ihr aber man bloß keine Kuchchens nich, Härr Poguttke, das is fier ihr jätzt nuscht! Se hat aufe Erd jesässen und siich äkält'."

Na, wie ich nu mit das kleine Freilein allein bin spiel wä uns, und se muß sich alles bekieken. Unserm Kanarjenvogel wäck ich nochmals auf und laß ihn piepsen, dem Goldfisch bestaunt se, und dem Porzellanhund, wo wä unterm Soffatisch liejen hahm, streichelt se, und ne große Muschel halt ich ihr am Ohr und de Ticktak, und auf alle Viere krauf ich rum und brumm wie ne Kuh, und se reit't auf mir. Dänn will se wieder auf mein Schoß "oppa" und Bilder bekicken. Ich hab nu nuscht andres und nehm nu das Pliesch-Fottegrafiealbum und laß ihr nu da meine ganze Ahnengallerie bekicken und se zeicht mich nu bei jeden mit ihr kleines Fingerchen, wo er de Ohren und dem Mund und de Nas' hat, und wie wä so ganz vägniecht uns unterhalten, jeht Ihn doch auf einmal das Licht aus! Rabendustre Finsternis! Prost!

Erst en Mommang stummes Staunen, und dänn en Jebrill vonnen Atmospheerendruck, wie ich's bei son kleines Wurm nie fier meechlich jehalten hätt! Ich dänk ja nu natierlich, das Licht brännt gleich wieder, mach mich gar keine Sorjen nich und fang an, ihr was vorzusingen und ihr auf mein Schoß zu schaukeln, um ihr zu beruh'jen. Nuscht zu machen, belkt immer doller! Schließlich drickt ich ihr vor Väzweiflung son Fäfferkuchchen inne Hand, da fing se an zu ässen und war still. Aber wie se ihm aufhätt, jings wieder los, und da gab ich ihr wieder ein' und noch einen und so egal wäch. Aber was nich wieder brännt, war das eläktrische Licht!

Ich war ja aber all ganz zufrieden, daß ich die kleine Wurzel wenichstens ruh'ch jekricht hätt und dacht all, daß se bei mein Jesanq so sachte einschlafen mecht. Ach ja doch! Auf einmal unterrbrichtse mein melodisches Jebrumm, nimmt ihr Koppchen von meine Schulter und fängt an, dem ersten Buchstaben vom Alfabet sehr enärrjisch aufzusagen. Erst märkt ich nich, was se wollt, aber dänn auf einmal märkt ich doch und schon klawier ich mir durch die eejiptische Finsternis raus mit se, fix vorjesucht was vorzusuchen war, und dänn väsuch ich ihr schleinichst aufzukneppen!

Ich knepp, ich knepp - sind keine Knepp! Ich such, ich fummel, Knepp sind da, aber bloß unten vonne Schuhchens aufwärts rächts und links, aber sonst oben nuscht, alles dicht, wie anjewachsen! Wie ich nu ganz ratlos rumajier mit das arme Ding, stoß ich mir noch ne Mordsbrusch an die väfluchtje Waschtischplattenäck.

Schließlich, wie ich nu mit das Jeehr absolut nich jeraten kann, pack ich ihr auf's Bätt, jeb ihr fix noch en Kuchchen und sag: "Bleib hibsch ganz ruh'ch liejen, ich komm gleich!" und stirz nu in die Dusternis raus zu ne Nachbarin, daß die mich hilft und en Licht jibt.

Wie da aufjemacht wird, heer ich aus das Dunkel die Stimme von der ihren kleinen Max: "Mutti is wechjegangen, Kärzen holen, bei uns is das Licht ausjegangen."
"Na", sag ich, "Maxchen, ich bin's, Onkel Poguttke, laß mir man rein, daß ich mal fix bei Eich telefonieren tu wejens Licht."
Schon hab' ich mir am Apparat jetappst und klinger wie wischich. "Freileinchen", sag ich, "ich kann de Nummer nich nachsehn, alles duster. Jeben Se mir fix das Eläktrezeteetswärk!"
"Besätzt!" saacht das Freilein, "das wird jätz egal välangt. Speeter rufen!"
"Scheenstes, trautstes' Freileinchen", schrei ich nu ganz västeert, "jehn Se nich wäch, äbarm Se sich, hälfen Se mir und sagen Se mir, wie ma im Dunkeln schnällstens paar Bixen aufkricht!"
"Sie meinen natürlich Karbid-Büchsen für Notbeleuchtung", saacht das Freilein ganz freindlich.
"I wo", schrei ich ganz wild, "das is nich Notbeleichtung, das weer eher Not-Befeichtung! Wänn ich sag Bixen, dänn mein ich Hosen, Hosen, Hosen! Wissen Se: so ohne Klapp und ohne Knepp ... ich bin ja ganz hilflos... so leberziehhosen, wie se de kleine Meedchens, hurrjees, das missen Se doch wissen ... unten anne Seiten hahm se sone Gamaschenknepp! Meine Frau is doch nich da, ich bin mutterseelenallein mit die Marjäll inne dustre - Wohnung, bring mir bald um, ne Bruusch hab ich all am Kopp wie'n Fannkuchen, aber dänken Se, ich krieg' die intfamtjen Bixen auf? Diräkt wie anjewachsen..."
Da unterbrach mir das Freilein innen eisichsten Ton: "Mein Herr, Sie scheinen heute sehr dauerhaft gefrühstückt zu haben! Schluß!"
"Schluß" hätt se jesaacht und "jefrühstückt". Das "üh" hätt se dabei noch so speilzahnich langjezogen, västehn Se. So: "jefrüh . .. ühstückt"!
Und wissen Se, dies "üh" das wurmte mir! Tjawolll Und da klinger ich doch gleich nochmal an, und wie sich's Amt mäld't. sag ich: "Uech wollte Uehnen bloß müteilen, Froilein Frühstück, daß üch dü Büxen auch ohne Uehnen aufkrüje! Schluß!!"

Wissen Se. ich bin sonst jewiß nich rachsichtich, aber dies hätt mich im Augenblick warraftich. wohlgetan Prost!

Ja, aber nu stand ich da in die Finsternis, jenau so schlau wie vorher und mit eiskalte Fieß, dänn meine Schlorren hätt ich
natierlich bei die Affenjacht aufe Träpp väloren. Wie ich in meine dustre Wohnung mit das unglickliche Kindchen wieder rumwurrach -
wie ich wäch war, mißd natierlich ausjerächent mein Hund "Brummer" an dem ich in die Aufrejung gar nich jedacht hätt, auf
das Bätt springen, das arme kleine Ding beschnuppern und ihr doch dem Fäfferkuchen wächnehmen - da klingert's!
Gott sei Dank! dänk ich, das wird die Frau sein, die wird mich Licht bringen und hälfen! Ach ja doch. Wie ich de Angtreetier aufreiß,
jeht's draußen los: dreistimmich: "Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all!"

Im ersten Mommang jing mich doch da der Rogen so hoch, daß ich de Tier zufeiern will, aber halt, da seh ich die brännende bunte
Kärzchens in de Kripp, wo die drei Kinder hätten!

"Kinder", sag ich, "ihr kemmt mich ja wie jerufenl" Ich lass se rein kommen mit de Kripp, und wie mein kleines Mathildchen se sieht,
is se still, und bloß de Treenen die glitzern ihr auf die Backchens. Na, ich drick die drei Kinder erst mal paar Kuchchens inne Hand
und dänn sag ich zu das große Meedchen wo mit war -die andre waren man bloß kleiner -: "Heer, mein Tochter, krichst du
das vleicht färtich, dies kleine Kindchen die dicke Bixen aufzumachen?"
Die huckt sich hin und saacht : "Ja, is doch g'anz einfach!"
"Na, dänn man fix eh es zu speet is!" sag ich.
"Härr Poguttke", meint das Meedchen darauf ganz ehrbar und altbacksch, "das is all zu speet!"
Kinder. Kinder, steeh ich da ganz vädattert und äntjeistert, "was machen wä nu?"
Darauf meint der kleine Pränter, wo de Kripp umhängen hätt: "Ei, was meinen Se, Härr Poguttke, wänn wä jätz mechten noch en scheenes Lied singen?"
Trotzdem hätt sich das große Meedchen das arme kleine Mathildchen sachkundich vorjenommen, und ich muß Ihn', meine Härren, hier ganz unter uns jestehn -sagen Se's bloß nich weiter-, dass ich in meine Wut und Aufrejung kurz dem teiflischen Jedanken äwog, die ganze Bescherung einzupacken und als Ehrengabe fier unsre eläktrischen Dunkelmänner ... na, aber, laß wä's sein.

Ändlich kamen dänn nu auch meine beid' Damens retuhr. Aber, was meine Wut nu nochmal aufkollern ließ, war, daß se gar nich große Besorchnis und Mitjefiehl zeichten. Im Jejenteil, se waren so väjachert wie de Langhaarjen dänn sind, wänn se sone Weihnachtsbesorjungen jemacht hahm, und sind dänn noch inne Konditorei ne Tass' Kaffee trinken jegangen und hahm dänn da noch son Kawwalier jetroffen wie mein Freind Adolf, wo ihn dänn noch en Likeer väpaßt hätt.

Statt daß se viel fragen, wie und was los war, und mir bedauern, ziehn se sich ruh'ch ab und lachen und schaweitern, und die Krippenbeleichtung finden se "originäll", worauf ich wietend gnurrt': "Hier is noch mehr orijinäll!"

Und dänn meint die Dame, statt sich nu gleich um ihr armes ausenanderjenomm'nes Kind zu kimmern, das se noch gar nich anjekickt
hätt: "Ach Herr Poguttke, Sie ahnen ja gar nich was wir für eine wundervolle Uberraschung haben!"
"Lassen Se man!" gnurrt ich ticksch, "ahnen Se man lieber, was wir hier fier Ihnen fier ne wundervolle Uberraschung hahm l"