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Wolfgang
02.12.2010, 12:14
Aus "Unser Danzig" vom 05. Januar 1963, Seite 6

Als die Ostsee zufror...
Danziger Chroniken berichten über strenge Winter

Der Winter von 1928/29 ist den alten Danzigern als der kälteste der letzten Jahrzehnte heute noch in Erinnerung; das Thermometer sank bis auf 30 Grad unter Null. Ferner hatte das Jahr 1938 schon einen ziemlich kalten Dezember. Auch in früheren Jahrhunderten gab es ab und zu Winter mit einer derartigen Kälte. Darüber steht in alten Danziger Chroniken folgendes verzeichnet:

Im Jahre 1426 geschah es, dass ein eisiger Nordsturm über Danzig hereinbrach, der einen der strengsten Winter verursachte, die je über der Stadt an der Ostsee gewesen. Von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht wurde der Frost stärker. Vermummt liefen die Menschen durch die Gassen, und durch das Eis der Mottlau und Radaune ging gläsernes Klirren und Krachen. Bald erstarrte auch das salzige Wasser der Ostsee zu smaragdgrünem Kristall. Und noch ehe der Monat Januar zu Ende ging, war das Meer eine unabsehbare Fläche von Eis. Die Menschen wagten sich hinauf, zuerst zaghaft und scheu, dann mit mutiger Entschlossenheit, und siehe da, das Eis war so fest und die Schicht so dick, dass an ein Einbrechen nicht zu denken war. Und wenige Tage darauf ereignete sich dann das, was den Chroniken nach nie zuvor und auch kaum wieder nachdem der Fall war: einige beherzte Männer gelangten hoch zu Ross auf dem Eise der Ostsee von Danzig bis nach Lübeck.

Im nächsten Jahr aber, Anno 1427, war in Danzig der Winter um so gelinder. Auch nicht der geringste Frost wurde bemerkt. Unablässig strömte Regen, und dunstige Wärme lag über dem Land. Die Chronik berichtet davon, dass im Dezember die Bäume ergrünten, einige sogar erblühten. Eine dumpfe Furcht ging um unter den Menschen ob dieser unwinterlichen Wärme, und es währte auch nicht lange, da stand das Gespenst der Pest mit aller Schrecknis mitten in der Stadt.

16 Jahre später, 1443, rieselte ohne Unterlass Schnee in dichtem, wirbelndem Geflock am 1. Mai über Danzig und dem Werder. Wie weiße, wachsende Turbane bauschten sich die Hauben des Schnees auf Zäunen, Bäumen und Häusern. Zuerst war es eine Freude, diese glitzernde Verzauberung zu schauen, dann aber wurde die Last des lockeren Kristalls so groß und wuchtig, dass Bäume zerbrachen und sogar Hausdächer eingedrückt wurden.

Anno 1459 herrschte wiederum ein gar strenger Frost in Danzig. Er kam ohne Sturm, und das Meer erstarrte in spiegelglatter Fläche. Bald wagten die Menschen es, mit Schlittschuhen und Schlitten hinüberzugleiten. Ein Sausen und Rennen begann über das unendliche, gläserne Parkett, auf dem die Sonnenstrahlen gleißend tanzten. Ein herrliches Jubelgefühl erfasste die gleitenden Leiber, und siehe da, es waren nur wenige Stunden fröhlicher Fahrt gewesen, als die ersten Mutigen Hela erreicht hatten. Auch jenseits der Halbinsel, wo die Wasser nie so ruhig sind wie in der Bucht, war die See vereist. Vom Helaer Kirchturm aus war in Richtung Stockholm kein Wasser zu bemerken, soweit das Auge reichte.

Ein knappes halbes Jahrhundert später war wieder unwinterliche Wärme in Danzig. Schon der Herbst behielt lange den Atem des Sommers im Jahre 1506. So anhaltend war die Glut der Sonne, dass zu Martini am Kloster der grauen Mönche ein Birnbaum blühte und noch im nämlichen Jahr Frucht trug. So sehr die Menschen auch den Winter herbeisehnten, in diesem Jahre blieb er aus.

Der Bericht über den Winter des Jahres 1577 soll ganz chronikgetreu wörtlich und der Schreibweise nach genau hier wiedergegeben werden:
"Den 3 Martii
fiel ohn Unterlass ein grausamer Schnee
also dass man unaufhörlichen
vor den Thüren und auf den Gassen
damit man gehen konnte schauffelen musste
denn sonsten lag der Schnee Mannes hoch."

Bereits im nächsten Jahr, 1578, war es wieder so grimmig kalt, dass die See bis Hela zugefroren war. Auch in diesem Jahre wagten es wieder die mutigen Danziger, auf Schlittschuhen bis zur fernen Halbinsel über das Meer zu laufen. Dies brauchte nicht nochmals berichtet zu werden, weil ja schon der Winter 1459 das gleiche Ereignis gebracht hatte, doch kam im Jahre 1578 ein Umstand hinzu, der diesen Bericht auf seine eigene Weise interessant werden lässt. Es geschah nämlich am dritten Tage, nachdem die Menschen den Schritt auf das Meer-Eis gewagt hatten, um nach Hela zu gleiten, dass das Eis durch gewaltige Risse geteilt wurde und in großen und kleinen Schollen abtrieb, so dass weite Flächen gurgelnden Wassers zwischen den Schollen sichtbar wurden. Die meisten Schlittschuhläufer hatten sich, gewarnt von mächtig dröhnendem Krachen und Bersten, in behender Fahrt an den Strand retten können. Zehn Personen aber trieben damals auf einer großen Eisscholle in die See und wurden fünf lange Tage und Nächte von Kälte und Hunger, vor allem aber von der Angst um das Leben gepeinigt. Das Schicksal aber meinte es trotz allem gnädig mit den armen, von so schlimmer Gefahr umlauerten Danzigern und ließ sie alle gesund und lebendig in Hela wieder an Land kommen.

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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang