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Wolfgang
02.12.2010, 13:27
Johannisfest auf der Jäschkentaler Wiese
Von Johannes Trojan

Am Tage von St. Johannis wird auf der Jäschkentaler Wiese zwischen den beiden Johannisbergen die davon ihren Namen haben, das Johannisfest gefeiert mit allem, was zu einem Volksfest gehört. Mit Recht ist das Fest auf den Johannisabend gelegt; denn es ist hervorgegangen aus dem Sonnenwendfest, und der ganze Sonnenwendzauber hört auf um zwölf Uhr in der Nacht vom 23. zum 24. Juni.

Das Johannisfest wird von der Stadt, der Grundherrin in Jäschkental, auf ihre Kosten veranstaltet. Die Sorge dafür war einem Ausschuss anvertraut, zu dem auch mein Vater gehörte. Das Fest war aber wirklich großartig, und ich hoffe, dass es noch so ist wie damals. Am Waldrand waren Zelte aufgeschlagen, in denen es zu essen und zu trinken gab, was das Herz verlangte. Die "Herren von der Stadt" aber hatten ein vornehmes Zelt, darin gab es mit Zunge und Schweizerkäse belegte Brötchen und dazu Portwein oder Sherry. Außer den Zelten gab es aber zahlreiche fliegende Restaurationen unter freiem Himmel oder vielmehr unter den Laubdächern der Buchen. Manche arme Frau aus der Stadt trug auf ihrem Rücken eine Kiepe voll Semmeln oder Kringel hinaus, um durch den Handel damit einen kleinen Verdienst herauszuschlagen.

Zu dem Vergnügen, das der Schaulust des Volkes geboten wurde, gehörte Sacklaufen und Stangenklettern; das Stangenklettern aber galt als die Hauptsache. Es wurde ausgeführt an einem hohen Mastbaum, der von oben bis unten mit Seife eingeschmiert war. An diesem Mastbaum hingen, nahe seiner Spitze, die Preise: eine Jacke, eine Mütze, ein buntes Schnupftuch, ein Halstuch, Hosenträger und andere begehrenswerte Gegenstände mehr. Der höchste Preis aber, der auch am höchsten hing, war eine Uhr.

Dem Stangenklettern zuzuschauen, war ein großes, aber eigentlich etwas grausames Vergnügen. Wie manchen armen Bengel, der schon die Hand nach dem Halstuch oder den Hosenträgern ausgestreckt hatte, verließen im letzten Augenblick die Kräfte. Hilflos sauste er an der eingeseiften Stange herunter und kam wimmernd mit blutigen Händen unten auf dem Rasen an. Es war noch ein Glück, dass nur die Beine dabei litten und nicht die Hosen, die vorsorglich bei diesem Kampfspiel so hoch wie möglich aufgekrempelt wurden. So ein armer Junge, der an dem Tage Pech hatte, konnte und musste einem leid tun. Natürlich ging es hoch zu wie überall im Leben, wo es darauf hinausgeht, etwas zu erklettern. Ich bin überzeugt davon, dass es nicht immer die besten Jungen von Langfuhr, Heiligenbrunn, Hochstrieß, Lengstrieß und Neuschottland gewesen sind, die beim Stangenklettern die Preise gewonnen haben. Es kommt bei allen solchen Dingen mit darauf an, dass man Glück hat, und auch einmal Glück zu haben, ohne dass man es verdiente -mein Gott, wer verdient es denn?-, ist etwas ganz Hübsches. Wenn ich mir den Gewinner der Uhr vorstelle, wie er auf dem kleinen Rade sitzt, das unter der Spitze des Mastes angebracht ist, jauchzend den Hauptgewinn in der Hand hält und der Menge zeigt, von den untenstehenden Tausenden aber mit Jauchzen und rauschendem Beifall begrüßt wird, so, muss ich mir heute noch sagen, ich verdenke es ihm nicht, wenn er in diesem Augenblick nicht geneigt ist, seinen luftigen Sitz mit dem Thron des Großkönigs, wie die Griechen den König von Persien nannten, zu vertauschen.

Schon während der Kampfspiele war auf der großen Wiese Musik gemacht worden. Nachdem die Stangenkletterei beendet war, spielten die Musikanten auf zwei Plätzen im Walde zum Tanz auf. An diesem Tanz beteiligten sich früher auch die wohlhabenden Bürger der Stadt mit Frauen und Töchtern. War es doch einstmals Sitte, dass an den Volksfesten auch die Vornehmsten teilnahmen. Nun, das liegt weit zurück, und in meiner Kinderzeit schon war der Verfall der Volksfeste, der seitdem sehr zugenommen hat, so weit gediehen, dass die sogenannte "gute Gesellschaft" es für "zu gewöhnlich" hielt, mit den Leuten aus dem Volke den Reigen mitzuspringen. Aber man sah doch zu und vergnügte sich daran.

Nach Dunkelwerden aber kam das Wunderbarste des Ganzen, das Feuerwerk, das die Stelle des alten Johannisfeuers einnahm. Das war nun über alle Beschreibung schön, und dazu durften wir Kinder auch auf die Festwiese hingehen, unter gutem Schutz natürlich; denn es war abends dort schon recht "gemischt", wie wir sagen, und wimmelte von schwankenden Gestalten.