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Wolfgang
02.12.2010, 16:49
(Erschienen in den "Danziger Neuesten Nachrichten" am 25. April 1931)

Die geplatzte Tante
Hochzeitstag mit Frühlingsblumen
von Fritz Jaenicke

Alles ganz scheen und gut, meine Härren, von wejen "wundervolle Blumen aufen Marcht", aber sein Se mich bloß ruh'ch von wejen Blumen! Und von wejen Friehling. Wänn ich dajejen dänk, wie scheen grien das damals all war um diese Zeit vor jene kleine vierzich Jahrchens, wie ich mit meine Ollsche Hochzeit hätt -tjawoll, die Woch hät wä Hochzeitstach!- Danke, danke, danke gehorsamst! Na, nu machen Se's man halbweje , meine Härren, was is dänn nu schon groß dabei! Gustav, machen Se sich jefällichst nich zum Narren, was sollen de Leit dänken, von wejen "Hoch soll er leben!" Na, aber meintswejen. - Also, Härr Oberchen, eine Lage, bitte!

Tja, das war die Woch. Se wissen ja, wie das is. Ma kann doch jätz sowas nich feiern. Aber schon kommen de Tanten anjerickt und Briewe und Karten, und de Schaweitersche schickt Ihn' en ieberlebensgroßen Blumentopp mit ne reine Massendemonstratzjon von Blumen: Hiazinten, Tulpen und was weiß ich. Und als Knalleffäkt kemmt Ihnen unsre alte Tante Natchen an und hat en Mann bei sich, wo en Mordsbild anschläppt. Se hätt sich vägreeßern lassen und einrahmen. Und das schenkt se uns zum "Friehlings-Hochzeitstach"

Na nu Kaffee jemahlen und fix noch nach Kuchen jescheddert, västehen Se,und dänn mit de Damen schawietert, die wo alle de vägreeßerte Tante Natchen bestaunen. Ma kennt ihr gar nich wiederäkännen. Sah aus wie de Kaiserin Augusta. Und son Dubbas von Rahmen mit Gold und so. Staunend großartich. Wie se ahmds ändlich wäch sind, wird ja nu meine Ollsche abreimen und de Schaweitersche ihre Blumen inne Blumenampel am Fänster reinsätzen. "Na", sag ich, "wänn die man nich zu schwer sind fier das Ampelchen!"
"Ach, brissel nich", meint sie "jeh lieber und häng gleich de Tante Natchen auf, sonst morjen beim Aufreimen steht ein' das Bild im Weech und wird am Änd zäkeilt, und dänn is de Kron jebrochen!"
"Man jo nich!" sag ich, hol all dem Hammer, such mich son scheene zweizelljen Nägel vor, zieh de Schlorren ab, steig auf Socken aufs Soffa und werd Tante Natchen ja nu aufhängen. Diräktemang mang Hindenburch und Mackensen. Und wie ich nu klopp und klopp und immer auf en kreetschen Stein komm und wie der klopp, das klingerts, als wänn's brännt: schickt die von oben, die Großbraatschije, de Schmikatsche: se mecht jefällichst bitten, dass mit die ekelkafte Klopperei aufjeheert wird, weer doch nachtschlafende Zeit, ihr Mann leeg all im Bätt, der missd seine Ruh hahm!"
"Nu sag einer an!" sag ich, "sonst lässt se dem armen Mänschen Tach und Nacht keine Ruh nich, aberst wo ich nu ahmds mal um viertel zehn bloß will fix unsre Tante Natchen aufhängen, da muss se ja mäckern, der Mann braucht seine Ruh."
"Na, hast ja auch jenuch jekloppt", meint meine Ollsche, "häng ihr all auf! Was soll wä uns mit die Leit rumärjern. "
Neechsten Morjen kam ein' de ganze Wohnung väändert vor. Die volle Blumenampel und der Duft, und dänn misst ich immer wieder nach de Tante Natchen hinkicken, wo da anne Wand hing und so vornehm aus jen Rahmen kicken tat wie sone Großhärzogin. Ihr gold'nes Pingzeneeh hätt se auch mitportreetieren lassen. Das hätt se vorn aufe seidne Blus' anjestochen wie son Orden.

Aber meine Ollsche war gar nich oho, die hätt wieder ihre Zuständ, wie se de Langhaarje dänn jätz so bei das kreetsche Wätter dänn so hahm: kraust rum wie sone lahme Ant, Kopfschmärzen hat se, mied is se. Schließlich sag ich: "Nu, Olgachen, werd ich dich man was sagen, das bisschen Mittachsjeschirr von die Katoffelsupp werd ich all abwaschen und du wirst dir aufs Soffa scheen aufs Ohr hauen, komm her, ich däck dich de Däck ieber und bewickel dich de Fieß und zieh de Rulohs vor, dänn kannst du dich mal so rächt scheen ausruhn!" Wird jemacht.

Wie ich nu draußen hab dem Hund sein Frässen jejeben, warm Wasser aufjesätzt, de Kiechenschirz umjebunden und mich en Feifchen anjestochen, dass ich nich ätwa in Jedanken feifen tu und ihr drin aufwachen, da jibbt's Ihn' drin miteins ein Krach wie ne Äxplosion und en Jekreisch, dass der Hund losbällt, und im neechsten Mommang is meine Ollsche all da und schreit wie sone Värickte: "Das jeheert vorm Staatsanwalt jeheert das! Das is einfach unäheert! Komm mal rein sehn, was das Frauenzimmer unväscheemte da oben ajiert! Aus Schabernack macht se uns das! Wejen deine Klopperei jästern! De Blumenampel hat se uns all runterjefeiert! Komm dich bloß die Zucht anheeren!" Se zittert am ganzen Leib.

Na, ich rein: richtich: da liecht de Blumenampel, der Blumentopp zäkeilt, de Blumen anne Erd, und oben is Ihn' vleicht en Krach und Jebums und J ewurrach, als wänn Buchna da Ringkampf mit en Elefantenbullen macht! Bumst Ihn' und dreeht Ihn', dass die Glasklunkern am Kronleichter klingern und ma dänkt, de Däck kemmt runter! Äbarmung!

,,Jätz aber rauf und Krach jemacht, dass die de Lust väjeht!" schreit meine Ollsche. "De väaaste Blumen nimmst mit, dem Topp missen se uns äsätzen! Und nu aber nich zoff, jätz packst mal aus!"
"Die feif ich an, dass se de Bixen runterfallen!" sag ich, dänn nu war ich vleicht auch inne Fahrt. Deiwel nich noch mal! Hätten Se das mal sollt jeheert hahm!

Ich nu eins achtzehn Schirz ab, Schäkett ieberjezogen, die scheene Blumen aus jen zäkeilten Topp aufjesammelt. "Strei mich doch nich de ganze Erd aufen Täppich!" schreit meine Ollsche. Scheen, schnitt ich de Blumen ab und ließ de Wurzeln mit de Erd erstmal liejen. Dänn aber los inne Wut wie ne Bräms. Wie ich mit meine Blumens draußen bin und grad de Angtreetier hab zujemacht und mich all ausmal, wie ich da oben werd' mangfahren wie son Deiwel auf unser Jingstes Jericht in unsre Marienkirch , da kemmt Ihn' mein Freind Adolf Schaweiter de Träpp hoch mit'n Blumenstrauß und en Paketchen am Bänzel.

"Nanu, Franz", meint er, "so ärnst und feierlich? Wo willst hin?"
"Nach oben", sag ich, "gut, dass kemmst, komm bitte mit mich mit, is vleicht gut, wänn noch einer dabei is!"
"Ja, ich wollt doch aber bloß deine Ollsche nachtreechlich zum Hochzeitstach! ... " meint er.
"Belach dem Hochzeitstach!" gnurr ich, "laß die bloß zufrieden von wejen Hochzeitstach, die dirfst jätz mit alles andre kommen, bloß nich damit! Jätz kemmst mit mich und wirst mich beistehn!"
"Was is dänn los?" fraacht er.
"Wirst all sehn!" sag ich, jeh rauf und er mit.
Wie ich klingert, war ich Ihn' so auf Tuhr, dass ich wissd, im neechsten Mommang, wänn die Großbraaschije, de Schmikatsche, aufmacht, fahr ich se anne Gurjel und hau ihr mit de Blumen umme Ohren. Däshalb saacht ich zu Adolf leis: "Pass auf mir auf, Adolf!"

Und nu jing Ihn' en Tonfilm los, meine Härren, da muss ich erst mal en Schluck trinken. Prost!

Also de Tier wird aufjemacht, ich pack meine Blumen wie sone Handgranat vorm Sturmangriff, da steht Ihn da: die Kleine, die Hibsche, die Irmgard, das Kreet, mit die luchterne Augen und den Lockenkopp, hat en rosaseidnes Kleid an, Lackschuh, strahlt iebers ganze Jesicht, fällt mich ummen Hals, jibbt mich en Kuss aufe Back und jucht: "Nei, sind Sie goldich, Onkel Poguttkechen, dass Sie mir auch gratulieren kommen! Und die schönen, schönen Blumen! Woher wussten Sie, dass ich heit Jeburstach feier?"
"Das hab ich jeheert!" sag ich ganz dusslich, diräktemang wie hippnotesiert, ich äkannt mir sälbst nich wieder, so starr war ich. Und wurd vleicht noch starrer, wie Schaweiter, das Beestkreet, sich vorställt wie son Lord mit fimf Schlesser und sächs Nachthämden, die Marjäll de Hand kisst, ihr gratuliert und ihr wahr und warraftich die Blumen und das Konfäkt ieberreichen wird, wo er fier meine Ollsche zum Hochzeitstach... und ich steh Ihn da wie bedahmelt und heer wie drin de Eläktrola spielt:

"Ich hab dir einen Blumentopp,
En Blumentopp beställt,
Bejieß mir meinen Blumentopp,
Dass er sich lange hält!"

Und dänn ärmelt uns die Marjäll doch unter und schleift uns da rein wie Pat und Patachon, großer Halloh und Vorställung, und schon kemmt jen kleiner Mann, der Pappa, jen Radiot, mit's volle Likeersärwieß anbalangziert, und Adolf hält all ne Red auf dem sehr jeehrten Wohle von das "äntzickende Jeburtstachskind", und dazu immer noch "Ich hab dir einen Blumentopp, en Blumentopp beställt...". Kinder äbarmt eich! Ich missd mich de Stirn bewischen.

Und dänn seh ich da in die Stub, wo es ieber uns immer so jebumst hätt, sone junge hibsche Meedchen und paar junge Leit ummen Tisch rumheistern und rumjachern mit sone Bälle und sone Art Klippsteck, und wie ich mit ganz heis're Kehl frag, was da weer, da kricht mir die Kleine zu packen und saacht: "Das is en Jeburtstachsjeschänk! Ping-Pong! Tischtännis! Kommen Se, Härr Poguttke, spielen Se gleich mal mit!"
"Ach ja, Onkel Poguttkechen!" bätteln die Bubikepp.
"Los, Franz!" saacht Adolf, "ich mach auch mit, tulleeh!"

Und was soll ich Ihn sagen, als wänn mir die Marjällenskreeten behäxt hätten: im neechsten Mommang hab ich Ihn doch warraftich auch son Dings wie sone Fliejenklapp inne Hand, und Adolf drieben aufe andre Seit, und wir heistern da rum mit die Bälle ieber das Nätz rieber, de ganze Bud zittert, und die Marjällens amesieren sich wie zehn nackte Wilde, und schon kollert Ihn' wieder son Ball aufe Erd und ich tret Ihn' ja raufer und schorr Ihn mit'n ganzen Korpus mit volle Wucht so hin, dass ich dänk, ich saus durch sämtliche Etaaschen durch bis im Käller!

Und wie se mir nu aufhälfen und fragen, ob ich mir jestoßen hab, da is mich doch all so, als wänn ich unten unter uns son leisen aber firchterlichen Schrei jeheert hab. Und wie der kleine Mann mich grad auf dem Schräck en neies Machandelchen einjegossen hat und ich ihm mich will einfiltrieren, da seh ich, wie se auf einmal alle so komisch nache Tier kicken und kick auch - da steht Ihn' da wie sone eejiptische Rachejettin meine Ollsche, ganz weiß, mit Augen wie Untertassen so groß, und das Kichenbeil inne Hand und saacht: "Was jeht hier vor?"
Und jen kleiner Mann meint darauf ganz freindlich: "Beruh'jen Se sich, Frau Poguttke, Ihr Härr Jemahl hat bei's Ping-Pong-Spielen mit die junge Meedchen bloß en kleinen Fehltritt jetan, aber es is, Gottseidank, nuscht nich passiert!"
"Nuscht passiert?" heilt sie nu los wie son Nebelhorn, und kickt mir an, dass ich mir zusammenzog wie'sone Ziehharmonika.
"Nuscht passiert?" rechelt se nochmal, "dotschlagen konnt mir der Rahmen hahm!"
"Was fiern Rahmen?" frag ich ganz dusslich.
"De Tante Natchen ist vonne Wand jefallen, hat dem Tropeter von Säckingen runterjefeiert und is in dausend Sticker zäplatzt!" belkt sie.

Wä standen alle wie ästarrt, mucksmeischenstill. War unheimlich. Aber in den Mommang hätt nebenan einer von die junge Kawaliere wieder jen Apparat aufjedreht, und wie meine Ollsche nochmal wie son Jeist saacht: "De Tante Natchen is jeplatzt!", da jing es nebenan los:

"Ich hab dir einen Blumentopp,
En Blumentopp beställt ... "

Na, Kinder, ich saacht erst all: lasst mir heit bloß zufrieden von wejen Blumen, Friehlingsblumen und so. Äbarmung!