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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Exkurs: Die Tschechen und die Vertreibung der Sudetendeutschen...



buddhaah
27.01.2011, 09:34
Hallo,

ich habe heute morgen einen Beitrag im Deutschlandfunk gehört, der sich damit beschäftigte, wie die junge Generation der Tschechen, nach 20 Jahren post-kommunistischer Staatenbildung, nun mit den Tabus bricht und die deutsche Vergangenheit des Sudetenlandes zu erforschen versucht.

http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2011/01/27/dlf_20110127_0751_599cc54a.mp3

Es ist ein faszinierender Beitrag, der zeigt, dass die Tschechen in dieser Sache wohl den Polen voraus sind. Ich kenne ja - aus nächster Nähe - die nationalen Befindlichkeiten und Ängste "der" Polen gegenüber "den" Deutschen und ich befürchte, dass in Polen dieser Prozess erst langsam in Gang kommen wird.

Vieles, was in diesem Beitrag über die tschechischen Übersiedler in die Sudeten gesagt wird (und deren Selbstverständnis) trifft auch auf die polnische Bevölkerung in Danzig zu...

Eine solch emotions- und angstfreie Betrachtung, wie die, im Beitrag beschriebene, tschechische ist wohl in Polen nicht möglich. Ich hoffe aber, dass es irgendwann soweit ist - wenn die Polen nicht auf ihrer Opferrolle bestehen und die Deutschen dafür sorgen, dass die "Polenfresser" (die es ja, wie wir alle wissen, noch zugenüge gibt) zu Wort kommen.


Ich habe, ob dieses Audiobeitrags, das Gedankenexperiment gemacht, ob man einen Kontakt zwischen aktiven Mitgliedern des polnischen Forums "Wolne Miasto" mit denen unseres Forums herstellen sollte. Aber bin skeptisch, ob das so reibungslos ablaufen würde... noch gibt es da zu viele "blaue Flecken", die schmerzen. Auf beiden Seiten...

Hört euch mal den Beitrag an. Mir hat er sehr gefallen.


Gruss,

Michael

Peter von Groddeck
27.01.2011, 10:43
Hallo Michael,
dieser Beitrag hat mir auch gefallen. Zeigt er doch, dass es Tschechen gibt, die die Geschichte aufarbeiten wollen.
Aber dies gibt es auch in Polen. Deswegen stimmt Deine Verurteilung der Polen nicht. Leider gibt es in beiden Ländern und auch in Deutschland unverbesserliche, die nur den Splitter in den Augen der anderen und nicht den Balken im eigenen Auge sehen. Arbeiten wir daran, dass diese Gruppe kleiner wird und irgendwann alle Menschen die Wahrheit erkennen und friedlich miteinander leben. Gruß Peter

Uwe
27.01.2011, 21:14
Hallo Michael,

auch mir gefällt der Beitrag, zeigt sich doch das sich nun nach Jahrzehnten endlich auch in Tschechin Menschen gibt die Dinge nicht auslöschen wollen und endlich den lange überfälligen Schritt der Versöhnung gehen wollen. Ich möchte jetzt nicht zu sehr auf die Unterschiede in der Vertreibung der Deutschen aus den ehemals deutschen Ostgebieten und Tschechin eingehen da es nicht Thema dieses Forums ist. Zwei Dinge unterscheidet beide Situationen jedoch, wärend es in Polen auch darum ging die aus Ostpolen vertriebenen Polen unterzubringen ging es in Tschechin nur um das Vertreiben, das auslöschen aller Deutschen, der deutschen Kultur und deutschen Geschichte. Das sieht man noch heute, es gibt Dutzende wenn nicht sogar hunderte von Dörfern die von der Landkarte verschwunden sind. Es gab keine Tschechen die dort hätten leben können. Zum zweiten weigern sich wichtige Teile der tschchischen Gesellschaft ihr begangenes Unrecht auch nur einzuräumen. Niemand verlangt Wiedergutmachung, das geht garnicht aber wer heute noch behauptet die Benesch-Dekrete wären rechtmäßig gewesen und entsprächen dem Völkerrecht, ist im entwickelten Europa nicht angekommen. Es ist nur zu wünschen, dass sich das in den nächsten Jahren ändert.

Deine negative Beurteilung der Möglichkeiten in Polen zu diesem Thema teile ich nicht, ich kann mir derzeit z.B. nicht vorstellen ein zweisprachiges Ortsschild in Tschechin zu sehen oder eine Fernsehmagazin in deutscher Sprache im Tschechischen Fernsehen. In Polen gibt es dieses jedoch schon seit Jahren. Natürlich gibt es in Polen auch noch Ängste aber aus meiner Sicht schon lange nicht mehr den Versuch der Führungselite, Geschichte zu löschen und umzuschreiben. Streiten kann man über Geschichte und deren Bewertung dennoch, das ist legitim.

Herzliche Grüße

Uwe

Christkind
27.01.2011, 22:11
Uwe, Michael schrieb:"Ich kenne ja - aus nächster Nähe - die nationalen Befindlichkeiten und Ängste "der" Polen gegenüber "den" Deutschen und ich befürchte, dass in Polen dieser Prozess erst langsam in Gang kommen wird."

Kannst du das auch sagen?Aus nächster Nähe?
Er versteht die Sprache, und da hört man vielleicht noch mehr heraus als nur aus den Eindrücken von außen. Deshalb kann ich mir denken, dass er weiß, wovon er schreibt.
Und seine Einschätzung:
" Ich hoffe aber, dass es irgendwann soweit ist -"

da bin ich auch von überzeugt.Der Prozess ist im Gang,aber noch nicht am Ziel.
______
Grüße von Christa

Uwe
27.01.2011, 22:26
Liebe Christa,

aus nächster Nähe ist eine Definitionsache. Wenn Du meinst ich habe eine polnische Familie dann nein, wenn du jedoch meinst ich habe mit Polen Kontakt, dann ja. Er weiß bestimmt wovon er schreibt aus seiner Sichtweise, aber er hat vielleicht eine andere Sichtweise als ich, da ich andere Lebenserfahrungen und Hintergründe habe als er. Meinst Du deshalb seine müssen die einzig richtigen sein?

Auch ich habe nicht gesagt das wir am Ziel sind, aber denke auch wir sind auf einem guten Weg.

Herzliche Grüße

Uwe

Christkind
27.01.2011, 23:09
Mit 'nächster Nähe' meine ich im 'täglichen Leben', Uwe.
Aber ich denke, dass ich weiß, was du meinst.
Was für Schlesien gilt, muss nicht auch unbedingt an der Ostseeküste schon Normalität sein. Oder umgekehrt.Und Rückschläge wird es auch immer mal wieder geben.-

Also in diesem Sinne:
Ein schönes ... arbeitsfreies ... vergnügliches Wochenende!:D
Christa