MueGlo
20.02.2011, 23:35
Moin,
Der Eingangsbereich der Kirche von Groß Zünder. Da hat sich etwas geändert. Im Sommer 2009 stand hier diese Glocke noch nicht hier, jetzt, im Herbst 2010 ist sie da.
Ein Plakat gibt beschränkt Auskunft. Es handelt sich um die alte, von 1647 stammende Kirchenglocke, die im Jahr 2010 nach Groß Zünder zurückgeführt worden ist.
Der Pfarrer und der Gemeindevorstand "sprechen ihren Dank für die Hilfe bei der Rückkehr der Glocke " dem Repräsentanten der Union Evangelischer Kirchen in Deutschland, dem Vizepräsidenten von Lübeck (was immer auch das für eine Funktion sein soll ???) sowie dem Außenministerium der Bundesrepublik Deutschland aus.
Verwunderung und einige Fragen:
Wieso war die Glocke weg?
Wo war sie hin?
Wieso kommt sie im Jahr 2010 zurück nach Groß Zünder?
Nach der Rückgabe der Glocke im Web gesucht - nichts, zumindest nichts auf deutschsprachigen Seiten, was vermuten lässt, dass deutsche Medien über den Vorgang berichtet haben.
Durch Zufall stoße ich auf einen Beitrag eines Holger Walter, Hansestadt Lübeck, Fachbereich Kultur, von 2004: "Restitutionserfahrungen in einer kommunalen Verwaltung". Es geht um die Rückgabe von geraubten Kulturgütern.
"Beispiel 5 aus 2001: Es geht auch anders. Die Glocken vor der St. Petri-Kirche zu Lübeck.
Im Dezember 2000 schreibt der ehemalige Stadtpräsident von Danzig, Prof. Dr. Januszajtis, nach Lübeck: „(...) hiermit sende ich Ihnen die Bilder von zwei Glocken aus Danzig und Umgebung, die zur Zeit auf der Eingangstreppe der Petrikirche zu Lübeck aufgestellt sind.
Die ältere Glocke von 1647 hing vor dem Krieg in der gotischen Kirche zu Groß-Zünder, die kleinere Glocke mit Krone stammt aus der Kirche in Kobbelgrube-Stegen. Während des Krieges wurden diese Glocken für Kriegszwecke abgegeben. Wunderbarer Weise nicht verschmolzen, wurden sie bei einer Hütte nahe Hamburg gefunden und seit mehreren Jahren verrotten sie vor der Petrikirchtür in Lübeck. In ihren altbewährten Kirchen würden sie eine würdigere Verwendung finden. Im Auftrag der amtierenden Geistlichen dieser Kirchen und auch im Auftrag der Kulturstiftung Danzig bitte ich Sie sehr herzlich, doch alles zu tun, dass diese Glocken wieder in die ursprünglichen Kirchen zurück geführt werden. Zumal diese Glocken an der Petrikirche zu Lübeck nur vor der Kirchentür zu Dekorationszwecken steht. Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn, wenn man heute weiß, wo die Glocken hingehören und dort ihrem Bestimmungszweck zugeführt werden könnten (...).“
Daraufhin bittet der Kirchenkreis Lübeck – mit dem Hinweis: Der Kirchenkreisvorstand Lübeck möchte hierzu kein Votum abgeben – die Evangelische Kirche der Union in Berlin um eine Entscheidung betr. des Verbleibs der Glocken.
Die Antwort vom August 2001 von der Evangelischen Kirche der Union vom August 2001: „(...) Zur Erläuterung teilen wir mit, dass die Evangelische Kirche der Union als Rechtsnachfolgerin der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union durch Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 22. 9. 1970 für alle Vermögensangelegenheiten ehemaliger preußischer evangelischer Kirchengemeinden östlich der polnisch-deutschen Staatsgrenze für zuständig erklärt worden ist, soweit es sich um bewegliche Vermögensstücke handelt, die sich nach dem 8. 5. 1945 auf deutschem Staatsgebiet befanden.
Ihre Anfrage gehört in den Umkreis zahlreicher ungeklärter Vermögensangelegenheiten, die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen verhandelt werden. In Abstimmung mit dem für uns zuständigen Bundesministerium des Innern fühlen wir uns verpflichtet, keine Einzelaktionen zu starten, bevor nicht die Verhandlungen zwischen beiden deutschen Staaten zu grundsätzlichen Ergebnissen geführt haben. Darüber hinaus muss in jedem Falle nach unserer Auffassung die Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Republik Polen in solche Gespräche einbezogen werden. Wir bitten um Verständnis, dass wir zur Zeit keine Entscheidung in der o. a. Angelegenheit treffen möchten (…).“
Heute, drei Jahre später, [gemeint ist 2004, MueGlo] lagern die beiden Glocken weiter vor St. Petri zu Lübeck."
Und danach dauerte es weitere sechs Jahre, bis die Glocke in Groß Zünder ankam ... insgesamt 65 Jahre nach Kriegsende ... ich kann eine gewisse Scham über die deutsche Kirchenbürokratie und ihre Kleingeistigkeit nicht verhehlen. Gesten sehen anders aus.
Auf der Glocke steht - offensichtlich ins Hochdeutsche übersetzt:
Lobet den Herrn mit Wohlklingenden Cimbeln
Herr Constantinus Ferber Bürgermeister und Administrator des Stublawischen Werders
Vater der Kirchen Kersten Barent, Pawel Rohde, Hans Heine, Andreas Greber
Gerd Benedick gos mich anno 1647
Beste Grüsse aus Dakar,
Rainer MueGlo
799279917990
Der Eingangsbereich der Kirche von Groß Zünder. Da hat sich etwas geändert. Im Sommer 2009 stand hier diese Glocke noch nicht hier, jetzt, im Herbst 2010 ist sie da.
Ein Plakat gibt beschränkt Auskunft. Es handelt sich um die alte, von 1647 stammende Kirchenglocke, die im Jahr 2010 nach Groß Zünder zurückgeführt worden ist.
Der Pfarrer und der Gemeindevorstand "sprechen ihren Dank für die Hilfe bei der Rückkehr der Glocke " dem Repräsentanten der Union Evangelischer Kirchen in Deutschland, dem Vizepräsidenten von Lübeck (was immer auch das für eine Funktion sein soll ???) sowie dem Außenministerium der Bundesrepublik Deutschland aus.
Verwunderung und einige Fragen:
Wieso war die Glocke weg?
Wo war sie hin?
Wieso kommt sie im Jahr 2010 zurück nach Groß Zünder?
Nach der Rückgabe der Glocke im Web gesucht - nichts, zumindest nichts auf deutschsprachigen Seiten, was vermuten lässt, dass deutsche Medien über den Vorgang berichtet haben.
Durch Zufall stoße ich auf einen Beitrag eines Holger Walter, Hansestadt Lübeck, Fachbereich Kultur, von 2004: "Restitutionserfahrungen in einer kommunalen Verwaltung". Es geht um die Rückgabe von geraubten Kulturgütern.
"Beispiel 5 aus 2001: Es geht auch anders. Die Glocken vor der St. Petri-Kirche zu Lübeck.
Im Dezember 2000 schreibt der ehemalige Stadtpräsident von Danzig, Prof. Dr. Januszajtis, nach Lübeck: „(...) hiermit sende ich Ihnen die Bilder von zwei Glocken aus Danzig und Umgebung, die zur Zeit auf der Eingangstreppe der Petrikirche zu Lübeck aufgestellt sind.
Die ältere Glocke von 1647 hing vor dem Krieg in der gotischen Kirche zu Groß-Zünder, die kleinere Glocke mit Krone stammt aus der Kirche in Kobbelgrube-Stegen. Während des Krieges wurden diese Glocken für Kriegszwecke abgegeben. Wunderbarer Weise nicht verschmolzen, wurden sie bei einer Hütte nahe Hamburg gefunden und seit mehreren Jahren verrotten sie vor der Petrikirchtür in Lübeck. In ihren altbewährten Kirchen würden sie eine würdigere Verwendung finden. Im Auftrag der amtierenden Geistlichen dieser Kirchen und auch im Auftrag der Kulturstiftung Danzig bitte ich Sie sehr herzlich, doch alles zu tun, dass diese Glocken wieder in die ursprünglichen Kirchen zurück geführt werden. Zumal diese Glocken an der Petrikirche zu Lübeck nur vor der Kirchentür zu Dekorationszwecken steht. Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn, wenn man heute weiß, wo die Glocken hingehören und dort ihrem Bestimmungszweck zugeführt werden könnten (...).“
Daraufhin bittet der Kirchenkreis Lübeck – mit dem Hinweis: Der Kirchenkreisvorstand Lübeck möchte hierzu kein Votum abgeben – die Evangelische Kirche der Union in Berlin um eine Entscheidung betr. des Verbleibs der Glocken.
Die Antwort vom August 2001 von der Evangelischen Kirche der Union vom August 2001: „(...) Zur Erläuterung teilen wir mit, dass die Evangelische Kirche der Union als Rechtsnachfolgerin der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union durch Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 22. 9. 1970 für alle Vermögensangelegenheiten ehemaliger preußischer evangelischer Kirchengemeinden östlich der polnisch-deutschen Staatsgrenze für zuständig erklärt worden ist, soweit es sich um bewegliche Vermögensstücke handelt, die sich nach dem 8. 5. 1945 auf deutschem Staatsgebiet befanden.
Ihre Anfrage gehört in den Umkreis zahlreicher ungeklärter Vermögensangelegenheiten, die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen verhandelt werden. In Abstimmung mit dem für uns zuständigen Bundesministerium des Innern fühlen wir uns verpflichtet, keine Einzelaktionen zu starten, bevor nicht die Verhandlungen zwischen beiden deutschen Staaten zu grundsätzlichen Ergebnissen geführt haben. Darüber hinaus muss in jedem Falle nach unserer Auffassung die Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Republik Polen in solche Gespräche einbezogen werden. Wir bitten um Verständnis, dass wir zur Zeit keine Entscheidung in der o. a. Angelegenheit treffen möchten (…).“
Heute, drei Jahre später, [gemeint ist 2004, MueGlo] lagern die beiden Glocken weiter vor St. Petri zu Lübeck."
Und danach dauerte es weitere sechs Jahre, bis die Glocke in Groß Zünder ankam ... insgesamt 65 Jahre nach Kriegsende ... ich kann eine gewisse Scham über die deutsche Kirchenbürokratie und ihre Kleingeistigkeit nicht verhehlen. Gesten sehen anders aus.
Auf der Glocke steht - offensichtlich ins Hochdeutsche übersetzt:
Lobet den Herrn mit Wohlklingenden Cimbeln
Herr Constantinus Ferber Bürgermeister und Administrator des Stublawischen Werders
Vater der Kirchen Kersten Barent, Pawel Rohde, Hans Heine, Andreas Greber
Gerd Benedick gos mich anno 1647
Beste Grüsse aus Dakar,
Rainer MueGlo
799279917990