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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen



Karl-Heinz Tepper
19.03.2011, 18:15
Mich interessiert Danzig -----weil
Sehr geehrter Admin.
Nu kommt es mir wieder ibern Koop.
Die Aufforderung ist nicht korrekt formuliert,richtiger wäre z.B.
Mich interessiert Gdansk-früher Danzig ---- weil
Dann wären alle Antworten verständlicher,und die Danziger
wüssten was gemeint ist.Keiner der Nachgeborenen hat unser
Danzig gesehen.Das führt leider dazu,daß die ollen Fischköppe
sagen:"Wovon redet der Herr?" Danzig gibt es nicht mehr.-----
Danzig und Gdansk muß etwas besser sortiert werden,sonst
denken die jungen Leute wenn Sie zu Besuch dort hinfahren:
Sie sind wirklich in Danzig.Alleine die fremden Leute überall,
wo kommen die alle her?
Nichts für ungut,schöne Grüße von Korlke ut de Oh`rsche Eck.

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
19.03.2011, 21:30
Naja Karl-Heinz......
So "genau" wollen wir es doch nicht nehmen.
Ich glaube wir wissen wie es Wolfgang gemeint hat !
Auch " nix für ungut"
Viele Grüße
Hans-Jörg

Heinzhst
19.03.2011, 22:14
Jo Hans-Jörg, wir olle Fischköppe wissen schon wie Wolfgang es gemeint hat.

Danke Karl-Heinz, hast den Unterschied zwischen Danzig und Gdansk gut beschrieben.

Heinz (HST)

Mandey +08.03.22
20.03.2011, 13:19
Lieber Hans
Es waere schoen wen du uns etwas ueber Danzich erzählen würdes aber nur bis 1945 ! ich zum beispiel höre noch heute das leise Summen der Straßebahn wenn die Nachts durch die Langasse gefahren ist ,oder Nachts den Glockenschlag von der Marienkirche, den Besuch auf dem Domnik, oderdie Musikdanpfer wenn Sie in Richtung Einlage/ Schiewenhorst/ Nickelswalde unterwegs waren,möglicherweise bist du mit deinen Eltern damals auch schon dabeigewesen! ich habe in Danzich viel durch meine Verwandte die in Danzich wohnten erlebt, den ich selber bin in Nickelsalde geboren, Nun streng dich ein wenig an es waere schoen von dir hören.
Freundliche Grüße Heinz Mandey

Karl-Heinz Tepper
20.03.2011, 18:50
Hallo Hans-Jörg,Hallo Heinz.
Auch ich weiß wie der Admin es gemeint hat.
Mir geht es um die Nachgeborenen,und das Sie
nicht mit falschen Vorstellungen in unsere Ge-
burtsstadt fahren.Mir wird richtig Angst und
Bange,wie unser Admin sich da reinkniet,ein
richtiger Danziger zu werden.Da fällt mir in
Abwandlung des Schlagertextes ein:
"Danzjer,Danzjer kannst nicht lernen,Danzjer
mußt schon sein."
Das hört sich hochnäsig an,ist aber nur die
Wahrheit, was mich persönlich betrifft,es war
nicht immer ein romantisch verklärter Lebens-
abschnitt aus der Kindheit.Meine leibliche
Mutter hat dem "Führer" ein Kind geschenkt,
ohne den Vater zu nennen,oder zu kennen?
Die Nazis haben gesagt:"Mädels der Führer
lässt Euch nicht im Stich,weiter so."
Unser Haus "Lebensborn" für Mutter und Kind
war: Gotenhafen,
Städt.Säuglingsheim Klein Katz/Schw.Else.
Die meisten Kinder kamen zu Pflegeeltern.
Der Pflegevater musste zum"Volkssturm".
Die Pflegemutter ging mit uns auf die Flucht.
Da wurde ich ein Kriegs-und Flüchtlingskind mit
jahrelanger Lager-Erfahrung hinter Stacheldraht.
Die Dänen ließen uns nicht verhungern,nur den
Kleinkindern und Säuglingen haben Sie ärztliche
Hilfe versagt,Tausende Kindergräber auf den
dänischen Friedhöfen.Nu hör ich aber auf,hat nichts
mit Danzig zutun.------------------------------------
Die Zeit bis ..45 habe ich in lebhafter Erinnerung,muß
mal alles aufschreiben.Als oller spinalkanal stonoser,
adipöser Knacker sitze ich im Wartesaal zur Ewigkeit
und habe bald keine Danzjer als Gesprächspartner.
Die Jungen Leute müssen führ eine gute Nachbar-
schaft arbeiten,was die Bremer ja schon seit vielen
Jahren versuchen.
Also dann...... Tschüss solang

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
20.03.2011, 19:40
Hallo Karl - Heinz
Ach wer ist ein “ echter “ Danziger ………..?
Auf dem Papiere zumindest diejenige die in Danzig geboren sind … da bin ich dabei.
Aber für Erinnerungen bin ich zu “ jung”.
Und unsere Mütter und Väter die noch ihre Jugend in Danzig verleben konnten sind zum großen Teil schon lange verstorben !
Kann schon lange fast niemand aus unserer “ Familie / Verwandtschaft “ fragen wie es früher im schönen Danzig war ….. Schade !
Aber das ist eben der Lauf der Zeit.... mit jedem Jahr werden es weniger.
 
Viele Grüße
Hans-Jörg

Wolfgang
20.03.2011, 19:54
Schönen guten Abend,

ich habe einige Beiträge aus dem Thema "Mich interessiert Danzig weil ... (nur einen Satz)" in ein separates Thema verschoben, weil der eine oder andere Beitragsschreiber wahrscheinlich die Bitte übersah, NUR EINEN SATZ zu "Mich interessiert Danzig weil..." zu schreiben.

Vielleicht noch eine kleine Anmerkung: Meine beiden Eltern sind gebürtige Danziger, genauso auch wie eine lange Vorfahrenreihe die ich teils rund 400 Jahre in und um Danzig zurück verfolgen kann. Ich muss mich nicht irgendwo "reinknieen" um ein "richtiger Danziger" zu werden. Wozu auch?

Was ist übrigens ein "richtiger Danziger"? Die, die dort geboren wurden, Toleranz predigen, aber Gift und Galle spucken, wenn sie mit etwas nicht einverstanden sind? Wie wäre es mal zur Abwechslung mit konstruktiven und sachlichen Beiträgen zum Thema Danzig? Oder sollte es das alte Danzig nicht wert sein, darüber zu berichten? Warum die Enthaltsamkeit wenn es darum geht, ein bisschen über das frühere Danzig zu schreiben um damit auch Jüngeren einen Einblick zu geben, wie es war?

Und noch eine Anmerkung: Ich habe immer wieder betont, wie sehr ich dafür eintrete, dass sich generationsübergreifend Deutsche und Polen, deutsche und polnische Danziger, gegenseitig zuhören und versuchen einander besser zu verstehen. Ziel dieses Forums ist es, Gemeinsamkeiten zu entdecken, aufeinander zuzugehen, voneinander zu lernen, und nicht immer wieder Gräben neu aufzureißen. Dazu gehört auch, Toleranz nicht nur zu predigen, sondern sie auch vorzuleben.

Wer nicht hinter diesen Zielen steht, sollte sich intensiv fragen, ob dieses Forum das für ihn richtige ist.

Viele Grüße aus dem nächtlichen Danzig
Wolfgang

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
20.03.2011, 20:19
Hallo Wolfgang
Irgendwie habe ich bei Deinem Beitrag ein zwiespältiges Gefühl… wenn ein “ Neuling im Forum “ dies liest könnte er auf die Idee kommen das bei uns die “ Mehrheit” Gift und Galle spuckt und keine Toleranz übt …. Oder habe ich das total falsch verstanden ? ( wird wohl so sein )
 
Viele Grüße
Hans-Jörg

jonny810
20.03.2011, 20:54
Ich habe festgestellt, dass viele Polen von Danzig sprechen, wenn sie Gdansk meinen.

Sollen wir uns dann noch hier im Forum - Danzig streiten ob Danziger Danzig sagen dürfen?

kommt mir ziemlich kindisch vor. Aber ehrlich

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
20.03.2011, 22:39
Hallo Erhart
Ob nun Danzig oder Gdansk ...( dies Thema hatten wir schon mehrfach hier im Forum ).... ist aber hier bei der ursprünglichen Frage von Wolfgang sicherlich nicht gemeint......
Habe den Eindruck wir bewegen uns davon weg.


Viele Grüße
Hans-Jörg

Wolfgang
20.03.2011, 23:41
Schönen guten Abend,
hallo Erhart,

es hat sich mittlerweile überall rumgesprochen, dass Danzig in der deutschen Sprache Danzig heißt. Im Polnischen heißt es Gdansk, auch schon vor dem Krieg. Ob nun Danzig oder Gdansk gesagt wird: alle meinen stets das Gleiche.

Hans-Jörg, nein, wer hier im Forum ist, wird kaum den Eindruck gewinnen können, die Mehrheit spucke Gift und Galle oder übe keine Toleranz. Im Gegenteil. Es sind nur einige ganz wenige Teilnehmer gegen das Forum eingestellt, die dann auch gegen mich persönlich schießen. Sie melden sich kaum -vor allem kaum jemals mit konstruktiven Beiträgen zum Thema Danzig-, aber sobald sie eine Möglichkeit sehen, hier oder wo anders über unser Forum herzuziehen, nutzen sie diese Möglichkeit. Dies geschieht manchmal sehr subtil -mit Unterstellungen, Vermutungen, unbewiesenen Behauptungen-, manchmal auch sehr direkt. Querschüsse und Beleidigungen gegen andere Teilnehmer habe ich unterbunden, sie kommen kaum mehr vor.

Was treibt den einen oder anderen (angeblichen) Danziger um, dass er sich nicht sachlich verhalten kann? Was geht in ihnen vor? Verbitterung? Unverständnis? Neid? Welche anderen Gründe?

Unser Forum ist auf Sachlichkeit aber auch auf Sympathie für Andere und andere Meinungen angewiesen. Polemik, Propaganda, Querschüsse, Beleidigungen und persönliche Angriffe sind Gift für offene Meinungsäußerungen. Das hat nichts mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung zu tun. Es fällt auch nicht unter die vielbeschworene und von ihnen selten geübte Toleranz und hat erst recht nichts mit Charakter und Anstand zu tun.

Es gäbe noch unendlich viel über Danzig zu erzählen. Über das alte Danzig, wie es war, wie dort gelebt wurde, was erlebt wurde. Warum konzentrieren wir uns nicht auf dieses Thema, das eines unserer Themenschwerpunkte darstellen sollte?

Viele Grüße aus dem nächtlichen Danzig
Wolfgang

Uwe
21.03.2011, 00:44
Ja diese Diskussion hatten wir schon häufiger, dachte das hätten wir ausdiskutiert ... finde die Diskussion darüber wie Erhard ziemlich kindisch oder auch lächerlich ....

Herzliche Grüße

Uwe

jonny810
21.03.2011, 09:45
Hallo Wolfgang,

meine Bemerkung hat sich nicht gegen dich gerichtet, so viel vorweg.

Ich habe nur aufgezeigt, wie leger meine polnischen Freunde mit der Namensnennung "DANZIG oder GDANSK" umgehen.

Diese Art von Besserwisser, die ausser negative Kritik zu Allem abgeben, sollte man einfach ignorieren.

Solche Menschen laufen sich irgendwann, von alleine müde. In Danzig nannte man so etwas "olle Gnatzköppe".

Allen einen schönen Frühlings-Anfang.

buddhaah
21.03.2011, 10:22
Je nach politischem Standpunkt bin ich ein Nachgeborener (oder eben auch nicht!). Ich für meinen Teil, fühle mich "eurem" Danzig verbunden - auch wenn ich es nicht aus erster Hand kenne - und, bis jetzt, nahm ich es auch als "mein" Danzig wahr. Ich verstehe nicht ganz, warum mir das nun verwehrt sein soll...

Wenn hier danach gefragt wird, das (Vorkriegs-)Danzig vom (Nachkriegs-)Gdansk klar zu trennen, würde ich gerne wissen, welches Kriterium der Unterscheidung dazu herangezogen werden soll. Strasseninfrastruktur? Leitkultur? Ethnie? ...? Kann man mir das erläutern?
Darüberhinaus fühle ich mich eines Teils meiner Identität beraubt, wenn mir hier suggeriert wird, es gäbe keine Kontinuität zwischen Danzig und Gdansk. Man möge mir also verzeihen, wenn dieser Beitrag deshalb etwas defensiv anmutet.

Warum so defensiv? Weil meine Familie nach dem Krieg eben blieb, sich ein- und damit überlebte. Ich bin 1979 geboren - in Gdansk/Danzig - und seitdem ich Hosenscheisser war, gab es keine klare Zuordnung in unserer Familie: die Frage "Pole" oder "Deutscher" wurde entweder gar nicht oder mit "nee: Pommersch" beantwortet. Man konnte sich damals allerdings der Integration nicht erwehren: die Polonisierung kam mit der inherenten Freiheitsbegrenzung des Kommunismus. Somit sind wir also auch "Gdansker" mit einem tiefen Respekt und einiger Sehnsucht nach dem alten "Danzig".

Zu behaupten, das (deutsche) Vorkriegsdanzig sei für uns (polnische?) Nachkriegsgdansker nicht mehr zu verstehen, ist - gelinde gesagt - gönnerhaft, wenn nicht herablassend.

"Natierlich" ist es nunmal so, dass das Gedanium (um mal die unterschiedlichen Bezeichnungen aussen vor zu lassen), dass die älteren unter euch noch erleben durften, nicht viel gemein hat mit dem Gedanium von heute. Das is daderwejen, dass mit einer anderen Nation nun auch eine andere Kultur, als damals, überwiegt. Doch ist es auch Tatsache, dass nunmehr 66 Jahre seit Kriegsende vergangen sind (das Nürnberg von heute, zum Beispiel, ist auch nicht mehr das Nürnberg von 1945. Gleiches gilt für zig deutsche Städte, die nach dem Krieg deutsches Staatsgebiet blieben.) Das Rad der Zeit ist nicht stehengeblieben.

Nun mecht ich mal fragen: wie erfolgreich wart ihr aus der Vertriebenengeneration wirklich bei der Vererbung der "Danziger Identität" an eure Nachgeborenen? Wie produktiv war es, damals zu sagen: "Unser Danzig ist nicht mehr, kommt nie mehr wieder. Das, was da nun ist, ist nuscht nich mehr!"
Hat es nicht vielmehr dazu geführt, dass die meisten eurer Kinder das Thema Herkunft vollends begraben haben? Nur wenige eurer Nachfahren interessieren sich noch. Die "iebrigen" die findet man oft hier.
Hätte es nicht viel mehr genutzt, etwas gemeinsames mit den Gdanszczanie aufzubauen, nachdem die Mauer fiel, anstatt hier rum zu kujienen?

Noch eines: ich habe mir, dank umfangreicher Literatur, Fotographien, Bildbänden, ein recht gutes Bild machen können, wie die Strassenverläufe in der Danziger Rechtstadt/Altstadt vor dem Krieg waren. Ich kann deswegen in Gedanken durch die Strassen spazieren.
Zugegeben: ich höre nicht die Glocken von St. Katharinen, oder wie die Strassenbahn surrt - aber ich sehe diese Stadt vor meinem geistigen Auge.

Übrigens, vor allem dank eines Bildbands, den die Polen 1997 herausgaben: "Był sobie... Gdańsk"

- oder "Es war einmal... Danzig" in seiner deutschen Übersetzung.


Mit den allerbesten Grüssen,

Michael

Wolfgang
21.03.2011, 10:35
Schönen guten Morgen,
hallo Erhart, hallo Uwe,

die Frage, wer sich überhaupt als "Danziger" bezeichnen kann/darf, entbehrt tatsächlich nicht einer gewissen Komik.

Für mich ist Danziger wer in Danzig geboren wurden oder dort lebt/lebte und sich selber als Danziger sieht. Wer sich darüber hinaus als Nachkomme von Danzigern ebenfalls als Danziger fühlt: bitteschön, warum nicht?

Schöne Grüße aus dem sonnigen Danzig
Wolfgang

wenzkauer
21.03.2011, 10:44
Hallo in die Runde,
war wirklich alles so schön vor 1945. Diese fast schon permanente politische Unsicherheit.
Nachnamen wurden jenachdem angepasst.
Umwelt und Natur war kein Thema. Die sanitäre Situation in muffigen Hinterhöfen.
Natürlich war das früher alles besser...
Selbst nach dieser Katastrophe verklärt meine Familie die Zeit bis 1958 und fand in Wenzkau war alles besser. Ich konnte mich in den 70er dann selbst davon überzeugen und habe es nicht verstanden. Heute rede ich fast auch schon so, von dem tollen einfachen Leben dem Brot, Käse, Wurst,
welche es heute nirgendwo mehr gibt. Den Kommunismus verdränge ich dann einfach.
Ich glaube das ist menschlich. Ich freue mich über Geschichten von Zeitzeugen, die neben der guten alten Zeit auch mal über negatives berichten. Von jedem etwas eben...
Viele Grüße Michael

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
21.03.2011, 11:18
Hallo Wolfgang
ok... klar ... siehe dazu auch auch gleich meine PN .
Dies hier - damit sie nicht " verloren " geht.
Viele Grüße
Hans-Jörg

Helga +, Ehrenmitglied
21.03.2011, 12:15
??? Hab gar nicht gewusst, das PNs verloren gehen, wenn man sie nicht vorab im Forum ankündigt:confused::)

Wolfgang
21.03.2011, 14:20
Schönen guten Nachmittag,
und ein Hallo an die beiden Michaels,

Ihr habt wichtige Punkte aufgezeigt, die mitunter in Vergessenheit geraten!

Wer das Wort "Danzig" -heute fast ein Symbol für Freiheit und Toleranz- verwendet, darf damit nicht ausgrenzen. Ich kenne hier alte Polen -sie waren immer Polen und sind stolz darauf!- die einen Danziger Pass besaßen. Es gab eben nicht nur das deutsche Danzig, auch wenn dort mit großer Mehrheit Menschen "deutscher Zunge" lebten. Viele der polnischen ehemaligen Freistaatbürger sind stolz darauf, ebenfalls DANZIGER zu sein. Wenn ich hier mit meinen polnischen Freunden spreche, steht es ebenfalls vollkommen außer Zweifel, dass sie Danziger sind. Und sie sind stolz auf diese Stadt, die eine lange und reiche Geschichte aufweisen kann.

Im Vorkriegs-Danzig war nicht immer nur eitel Sonnenschein. Wer nicht Arier war, hatte wenig zu lachen. Erinnerungen der wenigen überlebenden Nicht-Arier und Nicht-Deutschen werden auch heute noch sehr häufig ausgeblendet. Aber auch das gehört zur Geschichte Danzigs, die nicht immer nur eine ruhmhafte war.

Wer sich immer nur an die schönen Seiten erinnern will, wer ausschließlich darüber spricht, handelt einseitig, er sagt nur die halbe Wahrheit. Aber ist nicht die schlimmste Form der Lüge eine halbe Wahrheit?

Ich bin unendlich zufrieden und Gott dankbar, dass ich in Danzig leben darf. Es ist die Heimat meiner Eltern und Großeltern, es ist auch meine Heimat. Meine Mutter, fast 82-jährig, wartet ungeduldig darauf, dass mein Haus im Danziger Werder fertig wird. Sie kommt zurück in ihre alte Heimat, die sich zwar verändert hat, aber nach wie vor ihre Heimat ist.

Sie kann sich sehr wohl an das alte Danzig erinnern, an die "Wanzen-Buden", die ihre Familie nicht nur einmal veranlasste, innerhalb der Stadt umzuziehen.

Wir Jüngeren, wir Nachkriegsgeborenen, kennen das alte Danzig aus eigener Anschauung nicht, natürlich nicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir ahnungslos sind. Wir haben zwar nicht in den Wanzen-Buden gelebt, badeten auch nicht am judenfreien Zoppoter Strand, durften in der HJ keine Hakenkreuzfähnchen schwingen, erlebten in Danzig auch nicht als deutsche Danziger eine unbeschwerte Kindheit, ABER blind und blauäugig und uninformiert sind wir deswegen trotzdem noch lange nicht.

Das heutige Danzig ist von wesentlich mehr Offenheit und Toleranz geprägt als das Danzig während der Nazi-Zeit. Wer muss hier im heutigen Danzig um sein Leben fürchten, wenn er anderer Nationalität, anderen Glaubens oder einer anderen politischen Meinung ist? Ich stelle mal eine etwas provozierende Frage: Dürfen die heutigen Danziger die sich mit ihrer Stadt und deren Geschichte identifizieren nicht genauso stolz -vielleicht sogar stolzer?- sein als die Danziger die dort vor 1945 lebten?

Schöne Grüße aus dem langsam frühlingshaft werdenden Danzig
Wolfgang

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
21.03.2011, 14:22
Ach Helga
Gehört hier eigentlich nicht rein... aber Wolfgang bekommt soviele PN`s
Viele Grüße
Hans-Jörg

Helga +, Ehrenmitglied
21.03.2011, 14:45
Hallo Wolfgang,

da finde ich dich aber ein bisschen einseitig. Richtig, ich habe nie Danzig gelebt, sehr wohl aber mein Vater mit einer großen Familie, sie alle haben nicht in Wanzenbuden gehaust, sie hatten sehr wohl eine schöne Kindheit, wen auch verbunden mit den einen oder anderen Pflichten.

Und warum bitte solllte ein heutiger Gdansker stolzer auf seine Stadt sein als unsere Vorfahren? Das erschliesst sich mir nun wirklich nicht. Übrigens, es gab nicht nur ein Danzig in der Nazizeit. Und auch während dieser schlimmen Zeit genügend Danziger, die ein schönes Leben hatten, ohne sich deshalb mit den Nazis gemein zu machen.

wenzkauer
21.03.2011, 16:19
Hallo nochmal,
enorme Chancen bieten sich heute Gdansk und seinen Danzigern. Solche Perspektiven gab es noch nie, vielleicht eher noch zur Hansezeit. Jetzt mal unabhängig wer daran "Schuld" hat, hoffe ich, es wird niemals mehr zerstört. Für die Aufarbeitung der Vergangenheit stand es ebenfalls noch nie so gut. Das bedeutet noch keineswegs "Friede, Freude, Eierkuchen", aber es wächst langsam. Wachsam gegenüber Störungen von den üblichen Verdächtigen muß man trotzdem bleiben. Ich nenne bewußt nicht Roß und Reiter.
Gruß Michael

Uwe
21.03.2011, 18:40
Liebe Forumteilnehmer,

kann manchem zustimmen was hier heute geschrieben wurde. Wichtig ist mir, dass natürlich auch heutige Danziger (egal welcher Abstammung) stolz sein können auf die gesamte Geschichte der Stadt und ich glaube auch wie Michael (buddaah), dass kann und sollte man nicht trennen in die vor 1945 und die nach 1945. Es gehört zusammen denn es ist eine Geschichte. In der Vergangenheit gibt es immer Phasen auf die man stolz sein kann und welche die man lieber ungeschehen machen will. Weder das eine noch andere sollte man ausblenden, sondern als Herausforderung annehmen in Zukunft nur noch Phasen mit Stolz zu haben.

Ja Michael (wenzkauer), ich bin auch froh das heutige, Danzig, Polen, Europa bietet Chancen die wir nie zuvor hatten. Ich glaube da kommt selbst die Hansezeit nicht ganz mit und Du hast recht wachsam muss man immer sein. Es ist kein Selbstläufer das es so auf alle Zeiten bleibt.

Herzliche Grüße

Uwe

Christkind
21.03.2011, 19:12
Interessante Diskussionsbeiträge, ohne Frage.
Aber meiner Meinung nach wird nur oberflächlich über einen Satz in Nr. 5 von K-H. Tepper diskutiert,nämlich um die Aussage, dass die neuen Danziger das alte schöne Danzig gar nicht kennen.Abgesehen davon, dass das ja keiner bestreiten kann, lese ich aus dem Beitrag vor allem die traurige Lebensgeschichte, die nur kurz angeschnitten ist.
Was hat ein Mensch mit sich herumgetragen, dessen Mutter ihn nicht behalten durfte?
Das kann sich heute gar keiner mehr vorstellen.Früher waren es gefallene Mädchen,die sich schämen mussten, und noch gut dran waren, wenn sie nicht mitsamt dem Kind verstoßen wurden. Alleinerziehende Mütter - heute kein Problem, aber damals?
Korlke hat sicher sein Leben gemeistert, aber keine Lust, darüber zu schreiben ("hat nichts mit Danzig zu tun").Hier wird immer wieder gewünscht, dass alte Danziger aus ihren Erlebnissen berichten, ehe sie aus dem Leben gehen, aber wenn sie es tun, wird sofort jeder Satz abgeklopft, ob er eventuell nicht ganz koscher ist für einwandfreie Verständigungsbereitschaft.Wieso gibt es wunderbare Erlebnisberichte, die man anderswo einstellt, aber nicht in diesem Forum?Ist es etwa Furcht, es könnte etwas missverstanden werden?Ich behaupte: Ist ist nicht wahr, dass die alten Danziger unversöhnlicher sind als die jungen.Nur vorsichtiger und misstrauischer.
_____
Grüße von Christa

wenzkauer
21.03.2011, 20:31
Hallo Christa,
die Furcht missverstanden zu werden hat sich etwas ins Forum geschlichen. Ich selbst habe einfach keine Lust zu kritisch oder provokant zu schreiben. Es dreht sich alles im Kreis und ist schon ziemlich ausgelutscht.
Um fast beim Thema zu bleiben noch folgendes aus Wenzkau. Aktuell gibt es dort zwei Häuser zu kaufen deren Möbel bestimmt noch aus deutscher Zeit stammen. Für ca. 100.000 Euro kann man sich die alte Zeit um die Nase wehen lassen. Es ist wahrscheinlich billiger als die Anwälte für den ehemaligen Besitz zu konsultieren.
Wenn ich dort aus dem Fenster schaue(via Internet) sieht es genauso aus wie zu allen Zeiten, deutsch oder polnisch ganz egal. Wenn ich Glück oder Pech habe tragen die Nachbarn den selben Nachnamen, wie zu allen Zeiten. Wenn wir nichts aus der Geschichte gelernt hätten, könnten wir uns wieder streiten, so wie früher.
Das gilt natürlich nur für Wenzkau, den es war schon immer eine polnische Ecke. Danzig und Zoppot ist eben nicht Wenzkau.
Wolfgang streitet bestimmt nicht mit seinen Nachbarn. Aber wie ist der Blick im Werder auf die Weichsel, wie zu allen Zeiten?
In diesem Sinne einen schönen Abend Michael

Dietrich
22.03.2011, 11:39
"Und warum bitte solllte ein heutiger Gdansker stolzer auf seine Stadt sein als unsere Vorfahren? Das erschliesst sich mir nun wirklich nicht. Übrigens, es gab nicht nur ein Danzig in der Nazizeit. Und auch während dieser schlimmen Zeit genügend Danziger, die ein schönes Leben hatten, ohne sich deshalb mit den Nazis gemein zu machen."Hallo Helga,

bin vollkommen d'accord. Die Steigerung des Adjektivs 'stolz' auf Danziger anzuwenden erschliesst sich mir ebenfalls nicht, denn sie stellt die Leistungen einstiger Danziger mit den heutiger in Vergleich.. demnach wäre ich wg. der Leistungen meiner Vor-Vorfahren der 'stolzeste' Danziger!? gut provoziert, Wolfgang.. haha ;)

Schöne Grüße aus dem sonnigen Berlin
Dietrich

"Stolz stolpert leicht über das erste Bein, das ihm der Witz stellt." (Quelle : »Die Weisheit der Freude«, Berlin: Ernst Rowohlt Verlag, 1921)

jonny810
22.03.2011, 13:50
Sie kann sich sehr wohl an das alte Danzig erinnern, an die "Wanzen-Buden", die ihre Familie nicht nur einmal veranlasste, innerhalb der Stadt umzuziehen.




Hallo Wolfgang, mit obigem Satz verletzt du auch meine Toleranzgrenze.

Ich weiss nicht wo deine Mutter gelebt hat. Ich kann mich an drei Wohnungen erinnern. Die meiner Oma und 2 in denen wir gelebt haben.

Schüsseldamm u. Batholomäi-Kirchengasse.

Nicht die vornehmste Gegend. Aber Wanzenbuden? Im übrigen gab es auch früher schon Kammerjäger.


Ich bin ziemlich vergnatzt, wie man in Danzig sagt. Du sprichst in obigen Beiträgen von Toleranz??

ICH WEISS NICHT WAS DICH VERANLASST, SO ETWAS ZU SCHREIBEN.

buddhaah
22.03.2011, 15:32
Erhart,

zum Thema: "Wanzenbuden".

Wolfgang hat lediglich darauf hingewiesen, wenn auch etwas blumig, dass die Realitäten in Danzig auch vor dem Kriege nicht Eitel Sonnenschein waren. Er hat ja nicht gesagt, alle Häuser seien wanzenverseucht gewesen.
Ich sehe Wolfgangs Kommentar eher als Beitrag gegen die Verklärung, dass Danzig vorm Krieg "piccobello sauber war - und 'jetzt so'ne polnische Wirtschaft is' ".

Die Geschichte von der "Wanzenstadt" Danzig kenne ich übrigens auch - und zwar aus dortigen Quellen: In den 1920ger Jahren hatte die Danziger Rechtsstadt tatsächlich mit einer Bettwanzenplage zu kämpfen. Zoppoter (wie Bekannte von mir, die nach dem Krieg blieben) spotteten damals über die "Wanzenstadt".
Die Gebäude dort waren ja auch alt und die feuchten Keller (sind ja viele Pfahlbauten) boten auch jedweder Art von Gekreuch Schutz.

Übrigens sind (giftresistente) Wanzen mittlerweile auch heute wieder ein Riesenproblem in den Metropolen dieser Welt: New York, Paris und London - um nur einige zu nennen - werden momentan in ihren Hotels der Wanzenplage nicht Herr.

Das gehört zum Leben dazu. Sagt nichts über die hygienischen Zustände aus!
Und in den alten Gemäuern zwischen Langgasse und Altstädtischem Graben war Ungeziefer vor dem Krieg eben auch Teil des Lebens.

Gruss,

Michael

Christkind
22.03.2011, 17:59
Oh, nun weiß ich, warum meine Großeltern so oft die Wohnung wechselten:
die waren auf der Wanzenflucht!
Aber- ich kann mich an ein Sofa erinnern, da wohnten auch Wanzen drin. Man konnte sie hopsen sehen.Dies gute Stück bekamen wir von Einheimischen, ganz weit weg von Danzig.
Die waren vor uns da. Die Wanzen.
_____
Grüße von Christa

Christkind
23.03.2011, 09:28
Also nee, das waren keine Wanzen,die da aufm Sofa hopsten. Das waren Flöhe natürlich.Sind mir alle heute nacht im Traum erschienen.
Auch die Läuse. Die brachten wir dann 1945 aus dem Lager mit, wir armes Pack aus dem Osten.Irgendwie müssen die dann aber weitergewandert sein, denn 1980 brachte meine Tochter welche aus Frankreich mit, aus einem Jugendheim.Was war ich erschrocken!Schließlich kannte ich die Prozedur der Entlausung...
Dies zum Ungeziefer.:(
Michael,vielleicht könnte man sich ja doch auch der zu erwartenden Kritik stellen, denn ganz sicher wirst du nicht schreiben, um gegen ein Volk Stimmung zu machen, sondern ehrlich und aus Sympathie zu allem, was in und um Danzig kreucht und fleucht.Kreuchte und fleuchte und kreuchen und fleuchen wird.So schätze ich dich ein.:D
Mein Tageszitat:"Manche sind auf das, was sie wissen,stolz;gegen das, was sie nicht wissen, hoffärtig." Goethe.

______
Schöne Grüße von Christa

Wolfgang
23.03.2011, 12:07
Schönen guten Nachmittag,

wahrscheinlich gehöre ich zu der kleinen Minderheit, dessen Familie nicht besitzend und erst recht nicht vermögend war. Mütterlicherseits kleinbürgerlich, bescheiden, sehr bescheiden sogar, der Vater arbeitete mitunter im "Reich" weil es in Danzig keine Arbeit gab. Väterlicherseits arm, außerordentlich arm. Die Familie hatte nichts. Mein Großvater war Schneider, schwer krank, arbeitete -wenn er konnte- als Pförtner im Gaswerk.

Mit dem Begriff "Wanzenbuden" wollte ich Niemandem auf den Schlips treten. Aber Tatsache ist, dass es auch arme und unvermögende Familien -mitunter mit vielen Kindern- gab, die in aus heutiger Sicht furchtbaren Behausungen ihr Dasein fristen mussten. Es waren nicht nur Wanzen, die das Leben schwer machten, die die Kinder auffraßen. Ich weiß von meinem Großvater -mein Vater konnte oder wollte sich nicht mehr so genau erinnern-, dass sie fast jährlich umgezogen sind. Von einem Kellerloch zum anderen, von einer Bruchbude zur anderen. Apropos Kellerloch: Das waren richtige Kellerlöcher, dreckig, dunkel, ein Raum, Familie mit 10 Kindern. Heizung? Ein Kanonenofen, wenn überhaupt. Wäsche wurde im Keller aufgehängt, unter den tropfenden Abwasserrohren. Die Wände verschimmelt. Gab's draußen einen kräftigen Regenguss, stand der Keller unter Wasser. Im Winter froren sich alle den Arsch an. Nicht nur die Familie Naujocks zog alle Nas lang um (nachvollziehbar in den Einwohnerbüchern der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts). Sie hielten es in ihren Drecklöchern nicht mehr aus, oder -und das kann ich nur mutmaßen- vielleicht konnten sie nicht einmal die Miete für einen solchen Keller zahlen und wurden einfach nur rausgeschmissen.

Winterschuhe? Gab es nicht. Die Füße wurden in Zeitungspapier eingewickelt und dann die Sommerschuhe vom größeren Bruder oder der größeren Schwester angezogen.

Meine Oma war immer sehr stolz auf meinen Vater: Er hatte nur eine einzige Büxen und die wurde ständig umgenäht. Sie tadelte mich, wenn ich mal schmutzig war: "Dein Vati hatte nur eine Hose und wenn draußen die Kinder spielten, dann spielte er nicht mit, weil sonst vielleicht seine Büxen schmutzig werden oder kaputt gehen". Das klingt irreal, das klingt kaum glaubhaft, aber AUCH DAS war Danzig!!!

Ich weiß oder kann zumindest erahnen, was meine Eltern erlebten, ich muss nicht in Danzig geboren sein, also der sogenannten Erlebnisgeneration angehören, um mir zumindest ein kleines Bild dessen bilden zu können, wie dort das Leben war.

Ich bin stolz auf meine Eltern, ich bin stolz auf meine Großeltern, dass sie ihr Bestes gaben um ihre Kinder großzuziehen. Alle waren kriegsgeschädigt, alle verloren selbst das letzte bisschen was ein Besitzloser haben kann: Sie verloren ihre Heimat! Als Entwurzelte kämpften sie um zu überleben im Rest-Nachkriegs-Deutschland. Ihnen und allen anderen ihrer Generation gehört mein größter Respekt!

Danzig war nicht nur die Stadt des Bürgertums. In Danzig lebten auch die ganz arme Schweine! Pardon, wenn ich mich nicht sehr gewählt ausdrücke, aber darüber hört man in der "Erlebnisgeneration" nur sehr wenig. Alle hatten sonnige, herrliche, unbeschwerte Kindheitstage. Alle??? NEIN, das ist nicht wahr!

Schaut bloß mal in die Kirchenbücher rein. In den Taufeinträgen der Königlichen Kapelle hieß es bei jeder Geburt eines Bruders bzw. einer Schwester meines Großvaters "gratis". Mein Vater sagte mir, als ich ihn daraufhin ansprach, "die Familie Deines Opas war sehr einflussreich, sie musste da nichts bezahlen!" Die Wahrheit???: Sie waren so arm, dass sie nicht einmal die Kirchengebühren für eine Taufe aufbringen konnten!

Pardon, wenn ich an Dinge erinnere, an die sich niemand so recht erinnern kann oder will. Fakt ist und ich bleibe dabei (Erhart, wir verstehen uns sonst sehr gut, aber, ich bleibe bei meinen Aussagen), es gab auch im alten Danzig entsetzliche Wanzenbuden, es gab Läuse, es gab Flöhe.

Viele Grüße aus Danzig, wo leise der Frühling anklopft
Wolfgang

P.S.: Von der Hochzeitsreise mit meiner ersten Frau brachte ich aus Spanien "Wanzen" mit nach Deutschland. Es war entsetzlich. Nach einem Jahr flüchtete ich. Kein Gift, kein Gas hatte geholfen. Glücklicherweise zog ich ohne Wanzen um. Sie blieben in der alten Wohnung.

Wolfgang
23.03.2011, 12:15
Vielleicht noch ein kleiner Nachtrag, nachdem ich ein bisschen emotional aufgeladen den vorangegangenen Beitrag schrieb:

Es waren meine Eltern, die es mir ermöglichten das zu werden, was ich bin. Sie, als geborene Danziger, traten stets zurück um ihren Kindern das Bestmögliche angedeihen zu lassen. IHNEN bin ich dankbar!

Wolfgang

daggel
23.03.2011, 12:52
Hallo Leute

Ich bin so ein armer Wicht, der Danzig nur vom Hörensagen und dem Studieren der Landkarte kennt. Manche Erzählungen von Paps sind recht verschwommen oder vielleicht auch nicht mehr ganz im Gedächtnis geblieben.

Ich würde gerne mehr erfahren und hoffe, dass ich es in meinem Leben noch einmal schaffen werde die Heimat meines Paps zu sehen.

Lieber Gruß

daggel

jonny810
23.03.2011, 14:09
Fakt ist und ich bleibe dabei (Erhart, wir verstehen uns sonst sehr gut, aber, ich bleibe bei meinen Aussagen), es gab auch im alten Danzig entsetzliche Wanzenbuden, es gab Läuse, es gab Flöhe.

Hallo Wolfgang,

das war doch kein Danziger Phänomen, Wanzen und Läuse. Auch die von dir so bezeichneten Keller(Löcher)Wohnungen. Wo gab es das damals nicht?

Du sprichst von den 20./30. Jahren. 1918 war der Krieg verloren. Dass so etwas Armut über das Volk bringt, wissen wir.

Danach die grosse Wirtschaft-Krise.

Danach das "Heim ins Reich". Das haben wir unbedingt gebraucht !!!! Und wieder einen verlorenen Krieg.

Die "Goldenen Zeiten" waren für Danzig lange vorbei. Keine Monopol-Stellung mehr. Du weisst was ich meine.

Die hygienischen Verhältnisse waren in vielen Fällen unbefriedigend. (aber in fast allen Gross-Städten zur damaligen Zeit). Auf dem Land erst Recht.

Ich war ein Jahr in Neuteich beim Bauern evakuiert.

Genau so kann ich aber auch Gegenden in und um Danzig nennen, für die dieser Zustand so nicht zutraf.

Lasse dir mal erzählen von den herrlichen Villen in Langfuhr, Jäschkenthal, Oliva u.s.w. War immer ein Erlebnis wenn es nach Langfuhr zum Onkel ging.

Ich mag es nicht, wenn man alles leichtfertig verallgemeinert. Das gilt bei mir allgemein. Daher gestern mein dicker Hals.

Ich glaube auch, dass sich kein richtiger Danziger, von jemandem "sein persönliches Danzig" beschädigen, oder zerstören lässt.

Klingt ein wenig hoch-trabend, ist aber so.

Allen einen schönen Tag.

Ps.

Wäre ich sarkastisch genug, würde ich sagen, gut, dass wir den Krieg verloren haben.

So hat man uns wenigstens von den Wanzen, Läusen und Keller-Löchern befreit. :-)

wenzkauer
23.03.2011, 14:31
Hallo Christa,
du schätzt mich schon richtig ein. Unabhängig vom Forum war innerhalb meiner Familie wieder mal, ALLES in Danzig und Wenzkau viel besser.
Die Wanzen haben mir dann gerade noch gefehlt.
Ich finde das so typisch, als hätte es vor 1945 nur Friede, Freude, Eierkuchen gegeben. Die Wirklichkeit wird ausgeblendet und wenn es nur um die Wanzen ginge, glückliches Danzig. Wie weit muß man von 1945 zurückgehen um ein Danzig vorzufinden, welches sehr lebenswert und liebenswert war???
Wer kann mir Antworten geben???
Viele Grüße Michael

Hansgeorg Bark
23.03.2011, 15:56
Hallo Wolfgang, arm ja, Schweine is eine beleidigung fuer al die kinderreichen Familien.ich habe 6 Gegeschwister gehabt, wohnten in den jetz verkommenden Lauental. Glasshuetenweg is heute noch ein schoenes Siedlungshaus .Wir haben auf Strohsaecke geschlafen ,wo keine Wanzen drinnen waren, bei uns gab es keine Keller.Heizung war ein Kachelofen mit Backrohre der durch zwei Schlafzimmer lief,und in der Kueche hatten wir ein Kachel Herd mit einer..Back roehre.ich bin in Langfuhr Hertarstrasse 11 Geboren .wohnten bis 19/45 Glashuettenweg 12 ,habe in diesem forum mein richtiegen Nahmen angegeben, was viele teilnehmer nicht tuen,Poland war fuer Danzig nicht gerade eine Hilfe,ich habe vergessen mich bei den Polen zu bedanken, das Sie uns ,aus diesem Schweinestahl Danzig befreit haben gruss aus Kanada Hansgeorg

Christkind
23.03.2011, 16:53
"Arme Schweine" ist umgangssprachlich in Deutschland sehr gebräuchlich,Hansgeorg.
Da gibt es noch drastischere Ausdrücke.
Aber das ist ja auch nicht die Kernaussage.
Dass es Arme gab, ist wohl unbestritten. Wer will sich dessen schämen? Ich nicht.
Dass auch Arme ihr Leben mit glücklichen Momenten ausfüllten, auch.Und diese Glücksmomente fanden dann dort statt, wo sie am Ostseeufer mit den Kindern spielten, wo sie mit den Nachbarn Karten spielten, wo sie die Schulbank drückten, wo sie in den Gassen tobten.Das ist ihr, mein Bild von Danzig.
Es wurde auch schon mal kritisiert, dass diese Jugend, geprägt von der HJ oder BDM, von ihrer Kindheit schwärmten.Verstehe ich überhaupt nicht.Ist das nicht ganz natürlich?
Wenn ich ein besonderes Foto meiner Mutter betrachte, verwundert es mich, dass sie dabei so ein versonnenes Lächeln zeigt. Wie konnte sie lächeln? Der Mann gestorben, in der Fremde, mit kleinen Kindern, Not an allen Ecken... sie lächelt.
Es gab nämlich noch viele Freuden, die nicht an Ort und Zeit gebunden waren.
Und das sind Gefühle, die wichtiger im Leben sind als Flöhe und Läuse und Wanzen.
Vor allem: nicht an Villen und Paläste gebunden.

_______
Schöne Grüße von Christa

Mandey +08.03.22
23.03.2011, 18:58
Guten Abend nach Kanada
Sehr geehrter Herr Hans Georg Bark.
Es ist gut zu wissen, das auch aus der Ferne unsere Landsleute sich immer noch fuer Ihren Geburtsort Interessieren, und wenn noetig zu diesem auch Ihre Meinug aussern. Die Menschen die in Ihren Häusern Kachelöfen hatten, lebten bereits, komfortabler, als die Menschen die Ziegelöfen hatten, als Beispiel meine Eltern hatten bis 1941 in Ihrem Haus noch Steinöfen, mit einem grünen Außeanstrich. Zu den Strohsäcken bei den meisten war es Normalität ,hier fuer sollten wir uns nicht schämen, Was beinhaltete den eine Liege aus der Fabrick in meisten war Seegras als Ihnhalt, und übrigens was heisst denn überhaupt früher war alles besser diesen Unsinn sollte man zur Akte legen. Jede Zeit in der man Lebt ,die war und wird immer schön sein.
Freundliche Grüße v.Heinz Mandey Emmerich am Rhein

heidizdl
23.03.2011, 19:14
Was Wolfgang geschrieben hat, fand ich höchst beeindruckend. Ich hatte mir vom Leben meiner Vorfahren bisher immer Illusionen gemacht, bis ich in den Danziger Adressbüchern mehr über deren jeweilige Wohnungen in Danzig erfuhr. Wie lebten sie mit 8 oder mehr Kindern in winzigen Häusern mit zig Mietparteien?!! Wolfgangs Schilderung zeigt wohl die damalige bittere Wirklichkeit. Nun kann ich auch verstehen, warum etliche meiner Onkel in jungen Jahren Danzig verlassen mussten, um sich anderswo Arbeit zu suchen.
Und meinen Großeltern und Eltern rechne ich es hoch an, dass sie unter diesen schwierigsten Bedingungen Wert auf eine gute Ausbildung für alle Kinder legten, damit es ihnen einmal "besser geht".
Es wäre interessant, weitere Erinnerungen über die damaligen täglichen Lebensumstände zu lesen.

Heide-Marlen

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
23.03.2011, 20:29
Hallo
Wie insgesamt die “ Danziger “ z.B zwischen den Kriegen - als Freie Stadt und in den Jahren vor dem Einmarsch der russ. Armee gelebt haben wird unser kleines Forum hier nicht klären können ( außer Einzelschicksale) ……
Wie haben wir gewohnt …. Wer hatte Arbeit usw. usw.
Hier haben sich nun gerade mal eine “ Handvoll” Mitglieder gemeldet ……………..
Wenn man wissen will wie es wirklich aussah müsste es doch mehr ( offizielle ) Informationen geben.
Meine Familie war bestimmt nicht " reich" ... aber wie ich von Ihnen gehört habe lebten sie überwiegend glücklich in Danzig ( Brösen ).


 
Viele Grüße
Hans-Jörg

Marc Malbork
23.03.2011, 21:37
Zitat christkind:
...Es wurde auch schon mal kritisiert, dass diese Jugend, geprägt von der HJ oder BDM, von ihrer Kindheit schwärmten.Verstehe ich überhaupt nicht.Ist das nicht ganz natürlich?...

Ja, natürlich ist das natürlich. Mein Papa hat auch geschwärmt. Er hat dann aber auch immer noch was dazu gesagt. Meine Bitte an unsere evtl. ja noch vorhandenen letzten BD-Mädels und H-Jungens: Erzählt doch mal von früher. Vom Dienst, von zu Hause, von eurem Danzig, das wir Nachgeborenen euch nicht wegnehmen können und wollen.

Nur Nazis und Polenhasser dürfen schweigen.

Übrigens, Wohlstand ist keine Schande und Armut macht auch nicht glücklich. Ich werde nicht der Einzige sein, der auch an Erinnerungen aus Danzigs herrlichen Villen, die Erhart oben zu Recht erwähnt, ein Interesse hat.

Christkind
23.03.2011, 23:15
Na klar, verstehe - lieber arm dran als Arm ab!;)

"Nur Nazis und Polenhasser dürfen schweigen. "

Nicht nur schweigen.Hass und Nationalismus verderben den Charakter und machen unfrei.

Meine Geschwister konnten sich drücken vor diesen Mitgliedschaften HJ oder BDM, was mir ein Rätsel ist. Aber es lag wohl an der festen Bindung an die Kirche.
Und trotzdem hing das Hitlerbild an der Wand unter der Uhr.
Schließlich kamen ständig die Leute in die Wohnung, die meinen Vater unbedingt zu einer Namensänderung veranlassen wollten.Wer wollte da schon mehr riskieren als nötig? Wer kann sich heute noch vorstellen, wie schnell die Familie in Gefahr war, als politisch nicht linientreu zu gelten?
Meine Freundin, etwas älter als ich und auch aus Danzig, erzählte mir, wie in ihrer Familie die stumme Sorge zu spüren war, dass etwas ans falsche Ohr kam, was besprochen wurde.Wehe, wer nicht die Fahne aus dem Fenster hing!
Das war auch "Leben in Danzig", nach 1939.
____
Grüße von Christa

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
23.03.2011, 23:27
Hallo Christa
auch wieder so eine Frage..... wieviel % der Jungen und Mädchen in dem Alter waren bei der HJ BDM ? Meine Mutter hat NEIN gesagt und es nichts passiert.....!
Viele Grüße
Hans-Jörg

Marc Malbork
24.03.2011, 00:00
Zitat christkind: ...Wer kann sich heute noch vorstellen...

Eben. Deshalb sollte uns von damals erzählen, wer immer nur kann. Für seine evtl. Nazieltern ist man übrigens nicht, für seine Jugenddummheit nur höchst beschränkt verantwortlich.

Wir hören zu und stellen nur Fragen.

Es gibt hier z. B. ein nettes Unterforum Erinnerungen/Erlebnisberichte (http://forum.danzig.de/forumdisplay.php?44-Erinnerungen-Erlebnisberichte) im Forumsteil
Das historische Danzig und seine Geschichte (http://forum.danzig.de/forumdisplay.php?43-Das-historische-Danzig-und-seine-Geschichte)

Wäre schön, wenn der eine oder andere dort oder anderswo im Forum noch ein wenig ins Plaudern käme.

Heinzhst
24.03.2011, 00:05
Rüdiger dann fang mal an: Erzähle mal wovon dein Papa geschwärmt hat.
Mir hätte es altermäßig zu den Pimpfen gereicht aber für Jungvolk und HJ war ich noch zu jung.

Heinz S.

ada.gleisner
24.03.2011, 00:12
Armut und Reichtum war immer schon ungleich verteilt, in Danzig, wie auch in Breslau, und Berlin und Düsseldorf. Als Kind sieht man aber glaube ich den Unterschied nicht so. Man geht zum Spielen zu einer _Freundin und nimmt deren Lebensumstände widerspruchslos hin, weil es nicht das Wichtigste ist, wenn man 8, 10 oder 12 Jahre alt ist.Meine Schulfrendinnen wohnten in Schidlitz oder Stolzenberg, da gab es viele alte Häuser und noch ältere Straßen. Da gab es sicher feuchte Keller, aber was interessiert das ein Kind. Mich hat das nie interessiert. Die meisten von uns erinnern nur die letzten 12 Jahre 3. Reich. Anderes ist ja auch nicht möglich, da haben wir nämlich in Danzig gelebt. Das sind unserer Erinnerungen. Ich habe übrigens nie ein Kind oder einen Erwachsenen in Danzig polnisch sprechen hören, ich wußte überhaupt nicht, daß es Polen gab. Ich bin mir sicher, auch für meine Eltern waren Danzig und Ostpreußen deutsch, denn sie hatten Anfang der 20er Jahre für einen Verbleib bei Deutschland gestimmt. Die Danziger waren da zwar nicht einbezogen. Nähmen wir aber mal an, sie wären damals auch zur Abstimmung gegangen, wie hätten Sie sich wohl entschieden ? Gibt es da Zweifel ? Aber jetzt komme ich vom Thema ab. Für mich bedeutet Danzig ein sich immer weiter entfernender Stern , der einmal in meiner Kindheit leuchtete, aber nun langsam verblaßt ist, auch und gerade, weil ich vor 3 Jahren Danzig besucht habe. Was mich aber weiterhin interessiert, ist die Geschichte Danzigs. Die Menschen, die heute dort leben ? Sie werden auch vergehen, schönen guten Abendvon Ada

Wolfgang
24.03.2011, 00:18
Schönen guten Abend,
hallo Christa, hallo Hans-Jörg,

die Mitgliedschaft bei HJ und BDM waren eine ungeschriebene Pflicht. Sie waren die sogenannte "Staatsjugend". Man musste pfiffig sein, gute Gründe haben, um sich dem Druck entziehen zu können -wenn man sich überhaupt entziehen wollte-, der von der quasi Muss-Mitgliedschaft ausging. Es gibt von Christoph Pallaske das hervorragende Buch "Die Hitlerjugend der Freien Stadt Danzig 1926-1939" in dem er die wenigen erhaltenen schriftlichen Dokumente zur HJ und des BdM auswertet und wertet.

HJ und BdM hatten etwas Verbindendes und auch etwas Ausgrenzendes. Wer ihnen angehörte, war "dabei", wer nicht dabei war, stand nicht immer, aber sehr häufig außerhalb. Es war das Instrument mit dem man die polnischen und jüdischen Kinder ausgrenzte. Auf Seiten der deutschen Danziger führten häufig politische und religiöse Gründe dazu, dass Eltern ihren Kindern die Mitgliedschaft in der Staatsjugend verwehrten. Dazu gehörte Standhaftigkeit, sehr häufig auch Mut dazu.

Meine Mutter war beim BdM, mein Vater bei der HJ. Soweit ich mich erinnern kann, erzählten sie davon, dass es ihnen gefiel. Es wurde ja auch etwas geboten. Ein Kind konnte die dahinter steckenden politischen Absichten kaum erkennen, meist ja nicht einmal die Eltern. Für Viele war es ein großes Erlebnis dieser Gemeinschaft anzugehören und mit ihnen die Freizeit zu verbringen. Mein Vater war, so erzählte er mir, bei den Segelfliegern. Wäre ihm das außerhalb der HJ möglich gewesen?

Es gibt viele, viele unerzählte Geschichten aus der Kindheit derer die einst in Danzig lebten. Die allermeisten werden nie erzählt werden. Sie werden untergehen. Weder die Kinder noch die Enkel werden sie erfahren. Das ist ungeheuer schade da damit das untergeht, was das Interesse am alten Danzig noch am ehesten wach halten könnte: Persönliche und authentische Geschichten.

Beim Bund der Deutschen Minderheit in Danzig sprechen wir gerade über ein Projekt: "Danziger Biographien". Zusammen mit der Kulturmanagerin des IFA (Institut für Auslandsbeziehungen) überlegen wir, mehrere Geschichten "normaler" Alltags-Danziger festzuhalten, zu dokumentieren, und mit Fotos in einer Ausstellung zu veröffentlichen. Nichts bewegt mehr als Alltagsgeschichten von Menschen wie Du und ich.

Aussagen wie "Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen" empfinde ich nicht als Vorwurf sondern als Ansporn, möglichst viel von dem Wissen unserer "Alten" zu sichern, damit wir die Möglichkeit haben, uns besser zu informieren.

Gute Nacht!
Wolfgang

ada.gleisner
24.03.2011, 00:24
PS : Was Helga in ihrem 2. Absatz schrieb, unterstreiche ich voll. Danzig besteht aus sehr viel mehr als 12 Jahre Hitlerzeit. Und stolz auf ihre schöne Stadt waren die deutschen Danziger in all den Jahrhunderten genau so wie heute die polnischen Danziger, kein bißchen mehr und kein bißchen weniger Grüße von Ada

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
24.03.2011, 00:41
Ach Wolfgang
Absoluter Widerspruch.... "ungeschriebene Pflicht" .....
Du kennst meine Mutter ... unsere Familie nicht .... Sie hat NEIN gesagt als sie gefragt wurde und damit war die Sache erledigt und es kam nichts danach !!!!
Überlege Dir das einmal und ziehe bitte nicht (immer)
" Bücher " heran...!!!


Noch einmal :
Sie hat NEIN gesagt !

So ich war wieder wach .. weil ich wegen meiner
Mutter nicht einschlafen konnte...
aber Dein Kommentar ... nein - so nicht!

Viele Grüße
Hans-Jörg

Marc Malbork
24.03.2011, 01:00
Zitat Heinz:

Rüdiger dann fang mal an: Erzähle mal wovon dein Papa geschwärmt hat.
Mir hätte es altermäßig zu den Pimpfen gereicht aber für Jungvolk und HJ war ich noch zu jung....


Wovon hat er geschwärmt ? An erster Stelle von seiner Segelfliegerei, dann z. B. von einer Ostpreußenrundfahrt per Fahrrad mit seinen HJ-Kumpels, dabei vom herrlichen Sandstrand der Ostseeküste, von der Marienburg, vom Rumballern mit Luftdruckgewehren hier im Berliner Prinz-Albrecht-Palais, von den Aufenthalten bei den vielen Verwandten im Großen Werder, von Kurierfahrten später für die Wehrmachtsführungsstabstanten, natürlich von den ersten Freundinnen......

Hat er von Hitler oder von v. Schirach oder auch nur von seiner Affenschaukel an der Uniform oder sowas geschwärmt ? Nee, eher von Ilse Werner. Die Herren kamen in seinen Erzählungen gar nicht vor. Was hatte er mit denen in seinem kleinen Leben auch zu tun. Politik war ihm egal. Das galt ebenso für Opas Kyffhäuserbund und Omas Bekennende Kirche.

Wir übersehen heute gerne, dass ein durchschnittliches bürgerliches Leben in jener Zeit vollkommen unpolitisch verlaufen konnte und messen die Menschen damals zu häufig an unseren politischen und geschichtlichen Kenntnissen von heute. Da muss man vorsichtig und fair sein.

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
24.03.2011, 01:11
Hallo Wolfgang
Und noch etwas ... der Ausdruck " pfiffig " fand ich total unpassend !!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Das könnte ich meiner Mutter nicht erzählen ... leider geht es Ihr nun so schlecht das ich heute
darüber mir Ihr nicht mehr reden kann.
Gute NACHT ( wenn möglich)
Hans-Jörg

Wolfgang
24.03.2011, 01:30
Hans-Jörg,

Du bringst Deine Mutter als Einzelschicksal ohne zu sagen, wann sie "nein" und wozu sie nein sagte. Deine Aufforderung, KEINE Bücher heranzuziehen, hieße letztendlich, Fakten zu ignorieren um dumm zu sterben. Das ist Ignoranz in Reinkultur!!!

Nicht immer wissen die damaligen Kinder und Jugendlichen, was tatsächlich war, was sich hinter den Kulissen abspielte, was in Verordnungen und Gesetzen festgehalten war. Deine Aufforderung, Bücher zu ignorieren heißt nichts anderes, als gesicherte Erkenntnisse denen Forschungen zugrunde liegen, einfach vom Tisch zu wischen. Sorry, unser Forum dient nicht dem Zweck, doof zu bleiben.

Bis zum Zeitpunkt der Machtübernahme war die HJ eine reine Parteijugend. Ab 1933 war sie "Staatsjugend" mit dem Ziel, eine für ALLE Jugendliche verpflichtende dritte Erziehungsinstanz neben Elternhaus und Schule zu werden. Und das wurde auch massiv durchgesetzt. So wurde z.B. am 01.11.1937 die "Verordnung über die Staatsjugend in Danzig" erlassen, veröffentlicht im Gesetzesblatt der Freien Stadt Danzig 1927, Nr.70. Dort heißt es auf Seite 585:
"Die Jugend ist der Träger der Zukunft des Volkes. Es ist notwendig, die Jugend auf ihre künftigen Pflichten dem Volk gegenüber vorzubereiten. Daher wird [...] Folgendes mit Gesetzeskraft verordnet:
§1 Die DEUTSCHSTÄMMIGE Jugend der Freien Stadt Danzig wird zu einer Staatsjugend zusammengefasst. Aufgabe der Staatsjugend ist die körperliche, geistige und sittliche Erziehung der Jugend zum Dienst am Volk und der Volksgemeinschaft"

Es gibt da noch einige weitere Paragraphen, die klipp und klar zum Ausdruck bringen, dass die deutschstämmige Jugend per Gesetz vereint wurde.

1939 gab es weitere Verordnungen mit denen nun auch per Gesetz festgelegt wurde, dass die Hitler-Jugend die Staatsjugend ist. Dort heißt es u.a.: "Der Führer der Hitler-Jugend in Danzig hat als STAATSJUGENDFÜHRER die Stellung einer Landesbehörde..."

Abhängig von der Zeit und vom Alter der Kinder der Jugendlichen waren teils mehr als 90% der erfassten Jugend Mitglied der HJ. Im Danziger Vorposten (23.05.1934) hieß es z.B.: "Bis zum 30. April 1934 waren 90 Prozent der Schüler des Realgymnasiums Oliva in die Hitlerjugend eingegliedert..."

Hans-Jörg, Deine Mutter war sicherlich kein Einzelfall. Es hat auch Andere gegeben, die "nein" sagten. Diese waren aber eine Ausnahme. Die weit überwiegende Mehrzahl der Jugendlichen gehörte der Staatsjugend an und die meisten machten auch aktiv mit. Es gibt zahlreiche Bücher und Biografien älterer Danziger in denen der Druck zur HJ zu gehen, sehr eindringlich beschrieben ist.

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
24.03.2011, 09:09
Hallo Wolfgang
Zu den " Büchern" ... ok .... kann und muss sein.
Aber das in dem Zusammenhang BDM meine Mutter von Dir als "pfiffig" bezeichnet wurde hat mich doch getroffen .....! Überleg Dir mal ob dies der richtige Ausdruck war.
Und Sie hatte später keine Nachteile im Berufsleben usw.

Viele Grüße
Hans-Jörg

Hallo Wolfgang
und nur noch zur Klarstellung.... ich mache niemand einen Vorwurf der in der HJ / BDM war....
wäre wohl selbst vielleicht dabei gewesen (?) -- statt Pfadfinder DPSG.
Was mich heute manchesmal stört sind Aussagen von Menschen die diese Zeiten selbst nicht
erlebt haben und nun sagen ...." ich hätte das Nie gemacht / mitgemacht ".

Viele Grüße
Hans-Jörg

JuHo54
24.03.2011, 13:33
Hallo Hans-Jörg,
jetzt mal unabhängig von Danzig , ich hatte bei meinen Eltern beides. Mein Vater, der bei der HJ war und mein Großvater war wahrscheinlich als Oberpostdirektor in der Partei. Meine Mutter war nicht im BDM , sie war in der Kirche ( kath) sehr stark engagiert wie auch meine Großeltern mütterlicherseits, mein Großvater als Bahnbeamter nicht in der Partei , was ihm sofort Nachteile einbrachte, er wurde nicht befördert....Nur weil er kriegsbeschädigt aus dem 1. WK war, wurde er nicht eingezogen... Wenn mein Vater nicht in der HJ gewesen wäre, hätte er nicht das Gymnasium besuchen können ... es gibt also alles , das breite Spektrum. Als Beamter war es mit Sicherheit sehr schwierig , sich zu entziehen, ob nun in Danzig oder anderswo, deshalb gilt mein Respekt denjenigen , die es trotzdem getan haben und ich kann nicht diejenigen verurteilen, die sich dem Druck gebeugt haben...

Viele Grüße
Jutta

TT72SN
24.03.2011, 15:57
Hallo, hier nur zwei Beispiele das man nicht überall unter Diktaturen mit dem Strom schwimmen musste. Meine Mutter (Jahrgang 1931 Danzig) war nicht im BDM und ich selber (Jahrgang 1972 DDR) war weder in den Pionieren noch in der FDJ, geschweige habe ich die Jugendweihe erhalten. Und Nachteile in unserer Jugend durch den Staat hatten weder meine Mutter noch ich. Man musste halt nur seinen Standpunkt verteitigen, was in unserem Fall die Religion war.

wenzkauer
24.03.2011, 19:59
Hallo Thomas,
die Religion und der stark gelebte Glaube spielte eine gewisse Rolle. Aus Erzählungen heraus hörte ich, Familie Bieschke und Gdaniec blieb manch eine Mitgliedschaft erspart. Recht streng katholisch ging es auch noch in meiner Kindheit zu.
Gelang es dir, zu den beiden Bieschkes in Schwerin Kontakt aufzunehmen ? Beide können zu diesem Thema bestimmt einiges berichten. Schließlich haben wir als Kinder, deren Vater Heinz und meiner Familie einige Gottesdienste besucht.
Im Sommer ging es danach oft nach Zippendorf zum baden...
Liebe Grüße nach Schwerin Michael

Mandey +08.03.22
24.03.2011, 20:09
Hallo
Frage! wenn Ihr Berufswunsch Mediziner, Jurist ,Chemiker oder der gleichen gewesen waere haetten die Machthaber der DDR dan auch so großzuegig entschieden???
Freundliche Grüße v Heinz Mandey

wenzkauer
24.03.2011, 20:58
Hallo Heinz,
nach meinem Wissen war es nicht möglich mit höheren Berufszielen neutral zu bleiben. Ich bekomme jedoch immer wieder das Gegenteil erzählt und ich glaube es nicht.
Gruß Michael

Mandey +08.03.22
24.03.2011, 21:14
Hallo Michael
ich weiß es nicht, ich war nie in der DDR gewesen , aber ich denke soweit waere die Grozügigkeit der Genossen wohl nicht gegangen,ich habe viel ueber die Ziele der Kommunisten gelesen aber das heisst noch lange nicht, das ich darueber groß Bescheid weiß
Freundliche Grüße v.Heinz Mandey

Christkind
24.03.2011, 22:18
Das ist es nämlich, Rüdiger.Das Leben ist auch in den schlimmsten Zeiten irgendwie normal verlaufen.Meine Schwester trällerte "In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine..." oder "Wenn ein junger Mann kommt...".Ich weiß gar nicht, ob wir überhaupt eine Tageszeitung hatten. Nachrichten kamen sicher nicht sofort und so bedrohlich in die Familien wie jetzt.War bei uns wohl auch etwas einfach, weil mein Vater keine besondere Stellung hatte.
Dafür, dass in der DDR für ein Studium die Grundvoraussetzung die Parteimitgliedschaft war, gibt es bestimmt auch genügend Beispiele.
______
Schöne Grüße, Christa

______
Schöne Grüße von Christa.

Christkind
25.03.2011, 09:48
Zu meinem letzten Beirag gestern möchte ich noch etwas anmerken.
Es soll nun nicht der Eindruck entstehen, dass doch eigentlich "alles nicht so schlimm war." Zumindest möchte ich den Eindruck nicht erwecken.
Es konnten Nischen gefunden werden, in die man sich zurückzog.Aber es waren die Ausnahmen, nicht die Regel. Genau so wie Namensänderungen oft mit Druck durchgeführt wurden, und doch nicht alle betroffen waren.Bei uns war immer die Kirche die Nische.
Eine DDR- Nostalgie verwischt die Tatbestände ebenso.
Keiner von uns Geschwistern war bei den Pionieren. An Ferienspiele kann ich mich erinnern.Da wurde für uns Kinder Beschäftigungen und Mittagessen geboten.Sehr gern ging ich da auch nicht hin, ich weiß nicht, warum.Als Jugendliche wurden wir gar nicht mehr gefragt. Ich zumindest nicht.Ich war am IfL Magdeburg,wir bekamen unsere Blauhemden, das Halstuch und wir waren FDJ- Mitglieder.Hatten aufzumarschieren, wenn Anlass war.
Im Chor aufzutreten ohne Blauhemd??? Wie das ? Fähnchen schwingen inbegriffen.
Dass ich kein Parteimitglied war, wundert mich heute noch.Vielleicht war ich bisschen stur, oder zu uninteressant als Agitprop.Ich habe mich immer herauswinden können, wenn ich gefragt wurde.
Und letztendlich entzog ich mich dem allen durch Flucht.
Einen guten Tag wünscht
Christa

buddhaah
25.03.2011, 14:16
Ich möchte mich bei euch bedanken für diesen Diskussionsstrang. Finde ich sehr informativ.

Gruss,

Michael

Wolfgang
25.03.2011, 22:04
Schönen guten Abend,

danke, Michael, für Deinen letzten Beitrag.

Das Thema ist interessant, aufwühlend, emotional eingefärbt, und im Rückblick würde ich vielleicht die eine oder andere Formulierung in einem früheren Beitrag etwas anders ausdrücken. Vielleicht. In meinen Beiträgen liebe ich Klartext, auch spontan, selbst dann, wenn sie manchmal undiplomatisch klingen, selbst dann, wenn der/die Eine oder Andere es in die falsche Kehle bekommt. Wenn dies der Fall ist, bitte ich um Verständnis - mir geht es um Diskussionen, die uns weiterbringen, nicht um Diskussionen zum Thema "Friede, Freude, Eierkuchen".

Es gibt kein Stigma im oder vor dem Krieg geboren zu sein. Genauso wenig wie es eine "Gnade der späten Geburt" (ein Kohl'scher Ausdruck) gibt. Statt dessen: Es gibt eine gemeinsame Verantwortung und eine gemeinsame Geschichte. Generationenübergreifend. Und darum geht es mir.

Eigene Erfahrung, eigene Erlebnisse, prägen uns alle bis zu unserem Ende. Natürlich -und damit komme ich zu unserem Thementitel zurück- stimmt das (glückliche?) Schicksal vieler Nachkommen alter Danziger "Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen".

Nur -und da entzündet sich offensichtlich so manche Meinungsverschiedenheit-, was ist darunter zu verstehen, welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus oder sollten daraus gezogen werden?

Ich weiß, dass mein Vater, hochgebildet, -er ist vielen Punkten mein Vorbild- ein geschichtliches Bild Danzigs in sich trug, das dort wo er es aufgrund persönlicher Erlebnisse erfuhr absolut korrekt war, aber in so manchen historisch vermeintlichen Fakten eine gewisse Schieflage aufwies. Wir haben, zu seinen Lebzeiten, mitunter darüber gestritten. Und er war stets bereit, dort wo die Faktenlage keine anderen Schlüsse zuließ, seine Ansichten zu revidieren. Er gestand mir zu, dass ich über Unterlagen, Dokumente, Bücher (Hans-Jörg, das ist eine meine wesentlichen Quellen) und Erkenntnisse verfüge, die in sich schlüssig sind. Trotzdem: Wir alle sind Suchende, oder sollten es zumindest sein. Eine Aussage, man glaube nur das, was man selber gesehen oder erlebt habe, ist nicht immer hilfreich. Jeder Staatsanwalt, jeder Richter, wird bestätigen, dass zehn Zeugen eines Sachverhalts zehn verschiedene Schilderungen geben können.

Kommen wir auf Danzig zurück! Wir wollen erfahren, wie es war. Wir möchten Erlebnisse und Schilderungen aus der Jugend alter Danziger hören. Wir müssen uns damit abfinden, dass die wenigen Zeitzeugen langsam verstummen. Was aber ein wenig sprachlos macht ist, wenn uns bei der Suche nach diesen Zeugenberichten, wortreich klar gemacht wird, dass wir, die Suchenden, ja gar keine Ahnung von Danzig haben. Eine zielorientierte Antwort wäre da hilfreicher.

Übrigens, eine weitere vielleicht etwas provozierende Frage: Wenn den Nachkriegsgeborenen vorgeworfen wird, sie hätten keine Ahnung von dem tatsächlichen Geschehen, dann möchte ich gerne wissen, worauf sich das Wissen der noch im alten Danzig Geborenen beruht über die Zeiten in denen sie noch nicht geboren waren... - Erzählungen? Bücher? Überlieferungen? National eingefärbtes (Schul-) Wissen?

Über all das verfügen viele aus den nachgeborenen Generationen auch... - jedoch ohne den belastenden "Ballast" nationalsozialistischer Propaganda der seinerzeit in den Schulen vermittelt wurde.

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
25.03.2011, 22:25
Hallo Wolfgang
Und ganz wichtig ist nun einmal .... das läßt sich nicht aufhalten ( die Zeit !!!! ).... bald wird es
niemand mehr geben der persönlich das " alte " Danzig erlebt hat !!!!!!!!!

Viele Grüße
Hans-Jörg

Heinzhst
26.03.2011, 00:10
Karl-Heinz Tepper schrieb:

Danzig gibt es nicht mehr.-----
Danzig und Gdansk muss etwas besser sortiert werden, sonst
denken die jungen Leute wenn Sie zu Besuch dort hinfahren:
sie sind wirklich in Danzig. Alleine die fremden Leute überall,
wo kommen die alle her?

Vor 66 Jahren , Ende März 1945, wurde Danzig in Gdansk
umbenannt und die Danziger gegen Gdansker Bevölkerung
ausgetauscht.

Betrachtet das mal aus dieser Sichtweite, vielleicht wird man
dann K. H. Tepper besser verstehen.


Schönen Abend oder Gute Nacht wünscht
Heinz S.

Wolfgang
26.03.2011, 00:57
Schönen guten Abend,
hallo Heinz,

Danzig wurde zwar 1945 aus deutscher Sicht in Gdansk umbenannt, nicht jedoch aus polnischer Sicht. Im Polnischen heißt Danzig schon seit langen Zeiten Gdansk. In deutscher Sprache heißt es dagegen auch in Polen heute "Danzig".

Die frühere Bevölkerung starb, flüchtete, wurde vertrieben, ausgesiedelt oder musste in Danzig bleiben. Danzig aber blieb. Zerstört, zerbombt, verbrannt, aber die Stadt selber und deren Geschichte sind nicht untergegangen. Danzig, auch das alte Danzig, lebt weiter. In Erinnerungen, überliefert, schriftlich festgehalten, in unserem Forum, in Zeitungen, anderen Dokumenten, festgehalten in vielen Kapiteln im Buch der Geschichte.

Die heute in Danzig lebenden Danziger -ich verwende in der deutschen Sprache bewusst nicht das Wort "Gdansker" da es häufig ausgrenzend verwendet wird- haben das alte Danzig, auch das deutsche, als verpflichtendes Erbe angenommen.

Danzig ist nicht untergegangen. Es ist ein Kapitel abgeschlossen. Das Kapitel in der Geschichte Danzigs, in der die Geschicke der Stadt weitgehend deutsch bestimmt und geprägt waren. 1945 wurde im Buch der Geschichte der Stadt Danzig ist ein neues Kapitel aufgeschlagen, es ist polnisch, aber es handelt nach wie vor von Danzig.

Marc Malbork
26.03.2011, 01:10
1945 war ein Identitätsabbruch des deutschen und der Neubeginn des rein polnischen Danzig.

Jedenfalls seit dem Sturz des Kommunismus haben überall in den ehemaligen deutschen Ostgebieten die heute dort lebenden Polen aber die deutsche Geschichte als originäre Regionalgeschichte sich zu eigen gemacht (rezipiert). Die Identität des 1945 "zerbrochenen" Danzig ist von daher wieder zusammengewachsen oder mindestens im Zusammenwachsen begriffen. Dieser zum Teil erstaunliche bis berührende Prozess kann ruhig ablaufen, weil auch in Deutschland kein ernst zu abnehmender Mensch mehr die Grenzen Polens und damit z. B. die Zugehörigkeit Danzigs zu Polen bestreitet.

Jeder weiß heute, das Danzig zu Polen gehört. Und wer sich für Geschichte interessiert weiß zudem, dass man dort deutsches Kulturerbe findet und eine gemeinsame deutsch-polnische Verantwortung für das gemeinsame Geschichtserbe besteht.

Mein, dein, unser, euer Danzig ? Verstehe ich nicht. Danzigs Gegenwart und Zukunft ist polnisch, die Geschichte vor '45 war deutsch-polnisch und zum besseren Verständnis sind die persönlichen Erinnerungen alter Danziger deutscher oder polnischer Muttersprache unverzichtbar.

Heibuder
26.03.2011, 08:03
Sehr gut ausgedrückt, Rüdiger!
Ich könnte es nicht besser. So denke ich auch.

Das ist doch tröstend und versöhnlich.
So kann man (als Gegenbeispiel) über Königsberg/Kaliningrad ja leider nicht denken.
Ich habe nicht vernommen, dass sich die Kaliningrader mit dem alten Königsberg so geschichtsbewahrend indentifizieren.

Uwe
26.03.2011, 15:34
Hallo Rüdiger,

ich finde auch Du hast es gut ausgedrückt, in einem bin ich aber anderer Meinung, die Zukunft Danzigs ist europäisch. Denke die Zeiten der Nationalstaaten ist in Europa vorbei. In ein paar Jahren werden wir wissen wer von uns näher an der Wirklichkeit ist, also warten wir es ab ...

Herzliche Grüße

Uwe

Angelika
27.03.2011, 17:15
....auch ich nicht.Eigentlich finde ich diese Diskusion gar nicht schlecht,aber meiner meinung nach am Thema vorbei.Erzählt doch lieber den" Nachgeborenen" wie es war.Viele von uns können es nicht kennen,weil nichts erzählt wurde , man vielleicht gar nicht zugehört hat oder weil man zu klein war.

Arme und Reiche gab und wird es immer geben,auch heute noch,überall auf der Welt.

Was ich heute ganz genau weiß,mein Vater hat seine Heimat geliebt.Wie ich jetzt erfahren habe,hat er aus dem Gedächtnis eine Kirche und von einem Fensterbild davon die Mutter Gottes mit Jesuskind gemalt,was unser Pfarrer in seiner neuen Heimat ihm immer abkaufen wollte und obwohl es uns auch nicht so rosig ging,es war unverkäuflich.Dann war da noch ein Bild,wo man von ausgehen kann,das es der "Karlsberg"war.Oh ja,mein Vater konnte wohl wunderbar zeichnen.Und wenn ich bei Google maps die Bilder sehe ,von seiner alten Heimat und wo er später mit seiner Familie ein Haus baute,in BW,es gibt keine großen Unterschiede."Heimat",nicht mit dem Herzen,aber mit den Augen.

So, und nun erzählt uns vom Danzig was wir nicht kennen,denn eines weiß ich,die Ohren sind offen und frei dafür!

Schöne Grüße
Angelika

Mandey +08.03.22
27.03.2011, 18:45
Hallo Angelika
Bitte Frage mal Präzise zu welchen Themen du etwas wissen möchtes!den Allgemein wäre wohl etwas viel auf einmal, der eine oder andere Formum Teilnehmer wird Dir gern etwas Berichten,wo kommt deine Familie den her? aus Danzig oder aus der Umgebung, den Danzig hatte und hat auch weiterhin ein Großes Umfeld
Freundliche Grüße v.Heinz mandey

Hansgeorg Bark
27.03.2011, 20:16
Hallo Heinz .ich stimme mit Dir ein. Hansgeorg aus Lauental

Angelika
29.03.2011, 18:40
Hallo Heinz & Hansgeorg Bark

Meine Familie ,väterlicherseits, stammt aus Danzig-Oliva.Wenn ich mir meinen Beitrag heute durchlese,war es für mich eher eine verteidigung für meinen Vater ( Namensänderung / Wehrmacht ),denn ich glaubte aus einigen Beiträgen doch einen leisen Vorwurf heraus zu lesen,das man sich doch hätte weigern können.Sorry,das es bei mir so ankam.

Was ich gerne wissen würde,wie sah so ein Alltag aus (elektr. Geräte gabs ja nicht),grins.Wie wurden die Frauen damit fertig?Wie sah die schulische Versorgung aus (weite Wege?).Auch die ärztliche Versorgung,konnte man sich die überhaupt leisten?

Würde mich sehr über den einen oder anderen Beitrag freuen.

Viele Grüße Angelika

Christkind
30.03.2011, 13:51
Wenn du nach dem Alltag in Danzig fragst, Angelika,dann weiß ich so ein bisschen aus unserem Familienleben.
Meine Eltern heirateten 1926.Vater war häufig arbeitslos, die gesamte wirtschaftliche Situation in Danzig wurde von Jahr zu Jahr schlimmer.Mit Gelegenheitsarbeiten und Arbeitslosenunterstützung hielt sich die Familie über Wasser.Mit der Zeit waren noch bis 1938 Kinderchen dazugekommen, 6 Stück an der Zahl. Wäsche wurde im großen Bottich gewaschen. Die Gasuhr musste immer mit Dittchen gefüttert werden, sonst gab es kein Gas.Wasser hatten wir in der Wohnung. Toilette im Flur, für zwei Mietparteien.Schule - meine Schwester ging anfangs in die Schule am Leegetor. Weil sie gute Leistungen zeigte, sollte sie eine eine höhere Schule, wie man so sagte,besuchen.
Aber Mobbing gab es schon früher unter den Menschen, und so fühlte sie sehr bald, dass sie ausgegrenzt wurde von den .... gut situierten Mitschülerinnen.Es war ihr peinlich, wenn sie, wie die anderen minderbemittelten, ein Brötchen und Milch umsonst bekamen als Frühstück.Ihre Leistungen wurden so schlecht, ihr Widerstand so groß, dass die Eltern sie wieder abmeldeten.
Besonders in den Notzeiten war dann der einzige Halt die Familie.Für die Mutter die Kirche Trost.
1939 verbesserte sich die Situation, denn der Vater hatte regelmäßig Arbeit.
Meine Großeltern und Tanten lebten in Dirschau.Wir fuhren oft hin. Mit dem Zug ging es dann hinein in die freie Natur.Weit reichte der Blick aus dem fahrenden Zug. Wiesen und Felder wechselten ab.Eine wunderbar ebene Landschaft.Mama achtete darauf, dass das Fenster geschlossen war, denn sie hatte Angst, dass uns der Kopf verloren ging.Anscheinend gab es solche Unfälle. Oder es war drastische Erziehung ihrerseits.
Die Fenster des Zugabteils wurden mit einem Gurt hochgezogen, der dann an einem Eisenknopf befestigt wurde.War dann Dischau erreicht, ging es noch zu Fuß weiter bis nach Lunau, wo die Großeltern wohnten.Hier machte ich die Bekanntschaft mit einem Kuhfladen, in den ich voll reintrat.War wohl so eindrucksvoll, dass ich mir sogar noch den Weg vorstellen kann, der zum Haus über eine Wiese führte.
Bei meinen Großeltern in Dirschau haben drei meiner Brüder auch zeitweise die Schule besucht.Vermutlich auch ein Weg,die Kinder irgendwelchen politischen Erziehungseinflüssen zu entziehen.
Was die ärztliche Betreuung betrifft, da muss ich sagen, dass die Mutter viel selbst behandelte. Ichthyolsalbe, Essigsaure Tonerde,Kampferspiritus,Zinksalbe.... damit hat meine Mutter so ziemlich jede Beschwerde in den Griff gekriegt.Und natürlich Kernseife, die half sogar bei Verstopfung.War es kalt, kam ein warmer Ziegelstein ins Bett.Bei Fieber Wadenwickel um die Beinchen und ab unter die Bettdecke.
Natürlich machten wir auch alle Kinderkrankheiten mit. Aber während die meisten Geschwister meines Vaters noch solchen Epedemien zum Opfer fielen,haben wir alle überlebt.Einige Narben erinnern mich, dass ich auch im Krankenhaus war.
Als meine Schwester aus der Schule entlassen wurde, begann sie eine Lehre beim Landesforstamt in Oliva. Wenn sie mal nach 20 Uhr abends nach Hause kam, musste sie unterwegs an einem Polizeiamt vorbei.Dort stand immer ein Wachmann, und sie musste sich ausweisen, warum sie nach allein auf der Straße war.Kommt mir komisch vor, aber sie sagte,dass sie regelmäßig gefragt wurde und eine Bescheinigung vorlegen musste.
Mehr fällt mir im Moment nicht ein.;)
Schöne Grüße, Christa

wenzkauer
30.03.2011, 15:29
Danke Christa für diesen lehrreichen Beitrag.
Sag mal, wie ging das auf dem Lande zu. Aus meiner Familie sind einige aus Wenzkau nach Danzig gezogen. Danzig hatte eine große Anziehungskraft und trotzdem war es wohl nicht so einfach zu überleben. Ich habe noch im Ohr, auf dem Lande war alles noch viel schlimmer und ich frage mich heute, wie ich das verstehen muß. Leider kann ich heute niemand mehr fragen. Nach 1945 waren etliche heilfroh in Wenzkau wieder unterzukrauchen.
Viele Grüße Michael

Angelika
30.03.2011, 17:13
Hallo Christa

Schön deine Geschichte hier zulesen,so bringst du mir die Heimat meines Vaters und seiner Familie wieder ein stückchen näher.Man kann es sich heute gar nicht mehr vorstellen,da für uns alles so selbstverständlich geworden ist.Freue mich auf weitere,du schreibst so schön!

Liebe Grüße, Angelika

Hansgeorg Bark
30.03.2011, 17:32
Danke Christa fuer diesen Beitrag.Danzig wurde bevor 19/39 durch den Zoll ,die Luft abgedrickt Gruss Hansgeorg und Hannelore

buddhaah
30.03.2011, 17:44
Es würde mich interessierem, wie restriktiv (falls überhaupt) die Politik des polnischen Zolls gegenüber Danzig (zu Freistadtzeiten war).

Gruss,

Michael

H.Kulling
31.03.2011, 10:39
Hallo Hans Georg. Ich kenne Lauental nicht, aber meine Cousine Irene Kitek geb. Senger.
Durch ihre Bekannte die in Danzig wohnt, wird sie veranlassen, herzliche Grüße an Lauental
von Dir und Frau auszurichten.

Da Du sehr mit Lauental verbunden bist, möchte ich Dir das Buch meiner Cousine
empfehlen. Sie schreibt von ihrer Familie, von Lauental, Danzig und Umgebung.

Titel:
"Ruf des Herzens-Tränen der Sehnsucht
Chronik der Familie Kulling und Kowalewski
aus Danzig-Westpreußen"
von Irene Kitek

Bestellen kannst Du unter Weltbild.de, Amazon,de und allen anderen Anbietern im Internet.
Auch mein Großvater Hermann Julius Kulling und Frau aus Danzig-Brösen / Kurhausbesitzer,
in Danzig-Brösen sind in dem Buch aufgeführt. Ich bin überzeugt, dass Du und Deine Frau
die Kullingstraße gekannt hattet. Wenn Du Lust hast, schau vorbei auf meine Homepage
www.h-kulling repage 7

Herzliche Grüße, auch von meiner Cousine
H. Kulling

Rudolf
31.03.2011, 12:42
Hallo Christa ,
habe Deinen Beitrag mit großem Interesse gelesen . In unserer Familie sah es sehr ähnlich aus wie bei Euch . Meine Eltern heirateten 1925 . Vater entstammte einer Danziger Familie mit 8 Kindern und Mutter kam aus einer langeingesessenen Heubuder Familie mit 4 Kindern .
Wir waren zu Hause 3 Kinder und wohnten in einem hölzernen Mehrfamilienhaus (insgesamt 5 Wohnparteien ) in der Dammstraße 28b . Es gab Außen-Klos für alle und eine Pumpe auf dem Grundstück zur Wasserversorgung . Mein Vater - Klempner von Beruf - war auch öfter arbeitslos und so mußte die Mutter oft die Familie ernähren , meist mit Waschen in Heubuder Hotels und Pensionen - natürlich wie damals normal - in Waschzubern von Hand und das in zugigen und naßkalten Waschküchen , was ihr später große gesundheitliche Probleme einbrachte . Ich erinnere mich , daß meine Eltern auch von zeitweiser Arbeitslosenunterstützung sprachen . Diese war zeitlich sehr begrenzt und in der Höhe sehr knapp . Sie wurde auch nur gezahlt , wenn der Empfänger bestimmte Arbeiten im allgemeinen Interesse durchführte . So mußte mein Vater z.B. im Sommer früh um 03.30 Uhr am Strand erscheinen , um mit anderen den Strand zu säubern . Wer nicht oder zu spät erschien , dem wurde die Unterstützung gestrichen . Auch war mein Vater in der Freistaatzeit einmal für einige Monate in Deutschland zur Arbeit , ich glaube es war beim Bau der Autobahn . 1938 oder 1939 bekam er eine Festanstellung als Hausmeister und damit besserte sich unsere Lage . Mir ist es bis heute ein Rätsel , wie meine Eltern das alles so fertig brachten , um unter diesen sehr schwierigen Verhältnissen uns Kinder immer ordentlich zu ernähren und zu kleiden und auch vernünftig zu erziehen .
Natürlich mußten wir auch Pflichten übernehmen . Eine , an der ich besonders gern teilnahm . war im Herbst und Frühjahr nach Stürmen das Einsammeln von Steinkohle am Heubuder Strand , denn auch dies trug wesentlich zur Entlastung der Haushaltskasse bei . Diese Kohlen waren durch Wasser und Wellen völlig blank poliert . Wir zogen dann mit Handwagen und Säcken an den Strand und sammelten die angespülten Kohlen ein . Diese Kohlen stammten aus der damals noch nicht lange zurückliegenden Zeit , als die Schiffe mit Kohlefeuerung betrieben wurden . Bevor die Versorgung der Schiffe im Danziger Hafen wieder mit neuer Kohle erfolgte , hatte man die fast leeren Kohlebunker auf den Schiffen zumeist auf See - d.h. in der Danziger Bucht - von den Restbeständen befreit , diese wurden einfach über Bord entsorgt .
In der Schule wurde ich nicht gemobbt , obwohl ich gute schulische Leistungen erzielte . Das lag vermutlich daran , daß die Wohn- und Lebensverhältnisse bei meinen Schulkameraden gleich oder ähnlich waren und so kaum Veranlassung zum Mobbing bestand .
Auf jeden Fall war das Leben in "der guten alten Zeit" nicht immer gut und schon garnicht einfach , sondern für viele der damaligen Generationen von schwerer und harter Arbeit geprägt .
Alle einen freundlichen Gruß vom Heubuder Rudi

Christkind
31.03.2011, 17:10
Rudi, unsere Lebensgeschichten werden wohl selten in schlauen Büchern stehen, die sind einfach zu normal. Und trotzdem, wer sich für das Leben in Danzig interessiert, der muss dies auch erfahren, nicht nur die hohe Politik.
Michael,wie genau die Repressalien sich bemerkbar machten, weiß ich nicht, darüber gibt es sicher einige, die Auskunft geben könnten.Zumindest, wie Hansgeorg es ausdrückte,es war wie eine Klammer um Danzig.Ende der Dreißiger war es, dass mein Vater an der Zollstation Renneberg Dienst tat. Hier kamen dann die katholischen Polen,Bauern auf ihren Pferdewagen, die in die Kirche in Oliva wollten, und mein Vater drückte ein Auge zu. Als Dank gab es dann ein Stück Butter oder Eier.War so die Einstellung meines Vaters, Beten muss erlaubt sein.Geholfen hat es außerdem.
Beim Simmelieren kommt noch so manches Erlebnis wieder an die Oberfläche. So die Tauben meines Bruders. Überhaupt müssen wohl alle Danziger Lorbasse Tauben gehabt haben. Die wurden auf dem Dachboden gehalten.Ab und an kroch ich auch mal in die Dachkammer.Ein Geflatter, Staub und Dreck!Kann ja auch sein, dass es nur eine besondere Auszeichnung war, wenn ich das durfte.Zumindest bekam ich dann mit, was die Bengels für Kunststückchen vollbrachten. Der Boden hatte zwei nebeneinander stehende Fenster zum Hof hin.Nun kletterte der eine Bruder aus dem einen Fenster raus und in das andere Fenster wieder rein.Das war so schaurig schön anzusehen.Mir wurde eingebläut, ja nichts der Mama zu erzählen.Tat ich auch nicht. Irgendwann musste mein Bruder mit den Defferts umziehen, weil der Hausbesitzer sich über den Dreck beschwerte. Danach hielt er die Tauben am Renneberg bei den Freunden meiner Eltern.Hier war dann "seine "Welt, mit Tauben und Karnickel.-

Noch eine Erinnerung an Danzig: Ich gehe in einen Laden in dem Ort, in den wir eingewiesen waren nach unserer Ausweisung.Alles fremd, alles ungewohnt.Am Fenster hängt eine Gardine, ich gucke und staune und rufe laut: "So ein Kleid hatte meine Schwester zu Hause."
Ja, ich sehe es noch vor mir, blaue Blümchen auf weißem Stoff.
Zu Hause.... Es war so weit weg.Und am Fenster hängt die Erinnerung.;)
_____
Schöne Grüße, Christa

jonny810
31.03.2011, 21:28
Hallo Michael (Wenzkauer) und an alle, die es interessiert.

Du fragst, wie es auf dem Land zuging. Dazu kann ich folgendes sagen, obwohl ich ja ein "Echter - Recht - Städter" bin.

Im Herbst 1943 hiess es plötzlich Koffer packen, wir werden evakuiert. Es würde in der Stadt zu gefährlich werden. Wir hatten ja den Krieg-Zustand. Der Vater war 1941 von unserem "Neuen Führer" an seine Pflichten erinnert. Man versuchte aus ihm einen deutschen Soldaten und Heimat-Verteidiger zu machen.
Das gelang mehr schlecht als recht. Denn er war schon im 41.ten Lebensjahr. Es langte nur zum Wach-Soldaten.

Für meine Mutter bedeutete das jedenfalls, alles selbst zu regeln und zu organisieren. Irgendwie gelangten wir jedenfalls per Bahn, nach NEUTEICH. Mutter mit 4 Söhnen.

Am Bahnhof wurden wir von Bruno Bergmann, einem Groß-Bauern aus Neuteich - Abbau fast wortlos in Empfang genommen.
Unser Gepäck wurde, genau wie wir auf einem Pferdewagen verfrachtet und ab ging die Post, aufs Land.
Für uns Jungen aus der Stadt natürlich ein tolles Erlebnis. Das erste mal, schwitzende Pferde zu riechen. Sie hatten es auch nicht leicht, denn, nach dem wir aus der Stadt waren, gab es nur noch einen nassen Feldweg mit schwerem Boden.
Rechts und links von alten Weiden-Bäumen gesäumt. Über diese Bäume werde ich noch etwas zu sagen haben.

Ich schätze, es waren etwas mehr als 2 Km. Dann gelangten wir zum Bauernhof. Ich muss sagen, es hatte schon besser gerochen, als dort.
Wir Jungen inspizierten als Erstes natürlich das Gehöft, mit all seinen Einrichtungen.
Da gab es z.B. eine Schmiede. Da wurden die ca. 50 Arbeits-Pferde beschlagen und auch das Gerät repariert.
Dann sahen wir die Hof-Eigene Stellmacherei. Die Sattlerei mit all den interessanten Geschirren und Werkzeugen. Man kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

Uns fiel auf, dass all das, was mit Pferden zu tun hatte, von englischen Kriegsgefangenen erledigt wurde. Ebenso die Schmiede. Der Sattler war ein deutscher.
Für die Rindviecher und die Schweine waren es die polnischen und russischen Gefangenen.
Um die Sicherheit der Hofbesitzer zu gewährleisten, befand sich ein deutscher, bewaffneter Soldat auf dem Hof. Der hatte sein Zimmer auf der gleichen Etage, wir das Bauern-Ehepaar.
Na und dann kam der erste Schultag.
Wir Prenter mussten jeden Morgen nach Neuteich. Aber per Pedes. Bis wir in der Stadt waren, hatten wir nasse-kalte Füsse in den aufgeweichten Schuhen.
Und dann waren da noch diese oben erwähnten Bäume, vor denen man im Morgen-Nebel natürlich grossen Respekt, um nicht zu sagen Angst hatte. Für die Angst haben die grösseren Brüder gesorgt.
Man sagte nämlich, da könnten Geister hinter stehen. Wie viele Tode ich anfänglich gestorben bin, weiss ich nicht mehr. Ich war damals, Erst-Klässler, wie man heute sagt.

In der Schule war alles ok. am Anfang jedenfalls. Nachdem man ausgefragt war, ging das Mobbing los.
Neuteich war eine Stadt und ich kam jetzt vom Bauernhof. Schlimm kann ich euch sagen, was man da so mitmacht.

Dann kam der beschwerliche Heimweg. Wieder durch die alte Matsche.
Nach dem Mittag Schularbeiten erledigen, und ruck-zuck war es dunkel. TV oder Radio wie heute, Fehlanzeige. Es wurden Lieder mit der Mutter und den Brüdern gesungen, oder Karten gespielt. Leider war es Spätherbst und dem entsprechend früh dunkel.
Zu zweit in einem Bett. Anders ging das nicht. Erstens war nicht mehr Platz und zweitens wärmte man sich gegenseitig.
So vergingen die Monate. Im Frühjahr wurde dann in der INST-KATE eine Wohnung frei. Schon wieder mal ein Umzug. Zwar nur ca. 200 Meter weit, aber wieder etwas Anderes.
Nun hatten wir die Kleinbahn in der Nähe des Hauses. Diese hatte die Aufgabe, in der Erntezeit den Ertrag zum Bahnhof- Neuteich zu transportieren. Gäbe es die nur morgens !!!

Bis dahin hatten wir noch nie einen, oder mehrere Waggons voller Mohrrüben oder Kartoffeln gesehen. Nun lagen wir darauf und fuhren unbemerkt vom Lok-Führer ein Stück mit. Ebenso Raps. Waggonweise? unvorstellbar. Oder auch Schlachtvieh. Was das alles zu Sehen gab, auf dem Land.
Vielleicht wollte er uns auch nicht gesehen haben. Gott hab ihn selig.

Wer nun glaubt es ging uns auf dem Land gut, den muss ich enttäuschen. Wenn wir als Bengels nicht ein paar mal geruschelt hätten, müssten wir nur von den zugeteilten Rationen leben. Die Mutter musste bis zur Stadt. Ebenfalls zu fuss. Petroleum nicht vergessen...

Anstatt am Schalter knipsen, wie heute, wurde erst einmal der Zylinder der Petroleumlampe geputzt. Wehe der geht kaputt, dann.... usw.
Danach wurde das stinkende Ding von Lampe befüllt und so roch es herrlich nach Petroleum, was denn sonst. Da kam der Duft der Bratkartoffeln nicht gegen an.

Es gibt sicher nicht mehr viele von euch, die Bratkartoffeln anstatt mit Fett, mit schwarzem Kaffee gebraten haben. Heute lässt man den Italiener kommen, oder so.
Vor allem schimpfen, wie schlecht es sich in Deutschland leben lässt. Ihr Ahnungslosen, möchte man da sagen. Ich tu es aber nicht. Soll jeder seine eigenen Erfahrungen machen.

Irgend wann hiess es dann, Klamotten packen, wir müssen zurück nach Danzig. Auf dem Lande ist es zu gefährlich. Die Russen rücken näher.

Dort haben wir dann einige Wochen nur noch im Bunker verbracht. Dort wo heute das Hevelius steht, war einmal die Baumgartsche Gasse - Ecke Pfefferstadt.
Da befand sich unser Bunker. 2 Etagen unter der Erde sassen wir auf Hockern oder auf der Erde. Bis uns dann die eingepumpten Rauchschwaden zwangen, den Bunker über Sprossen in der Wand eines Not-Schachtes zu verlassen. Die Bunker-Treppe gibt es übrigens heute noch.
Ich hoffe, es war für viele etwas dabei.

Rahmenbauer14, + 1.11.2021
31.03.2011, 22:07
Vielen, vielen Dank Christa und Erhart für eure Erlebnisse.
Ich, mit meinen max. 5 Jahren, kann mich fast an nichts erinnern.
Nur der Geruch von verbrannten Häusern kommt mir manchmal
in die Nase.

Herzliche Grüße
Rainer

buddhaah
31.03.2011, 22:27
Erhart: wow. Da bin ich nun wohl etwas baff...

Gruss,

Michael

jonny810
01.04.2011, 00:17
Michael, was macht dich baff?

Machst mich neugierig.

wenzkauer
01.04.2011, 08:29
Danke Christa, Erhart und Rudi !
Wenn doch meine Eltern und Großeltern so erzählt hätten, müßten wir "Nachgeborenen" euch nicht fragen.
Bitte schreibt mehr aus dem ganz normalen Leben dieser Zeit. Wenn es auch schwer fällt, wir sind nun mal die einzigen, die es weitertragen können.
Meine Kinder fragen schon, Papa wo kommt dein Name her. Ich brauche auch darauf antworten und kann auf eure Erzählungen zurückgreifen.
Viele Grüße Michael Wenzkauer

Christkind
01.04.2011, 11:24
Ist doch schön, wenn deine Kinder fragen, Michael.
Als ich diese Woche mit meinem Mann beim Arzt war, fiel ihm der Name der Assistentin ins Auge. - ski. Wo kommen Sie denn her? - Irgendwo aus Polen sind meine Großeltern gekommen.ABER! Es waren Deutsche! Soso, aus Polen. Mein Mann sagte darauf: Ich bin aus Schlesien.Ach, ja, jetzt fällt mir der Name wieder ein,die waren auch aus Schlesien.-
Wenn nicht gefragt wird,ist auch selten Bereitschaft da, sich die Zeit zu nehmen, um Erinnerungen aufzuschreiben.
Gestern blieben meine Gedanken am Fensterkreuz im Taubenschlag und an der Gardinenstange hängen.
Erhart brachte mich wieder in eine andere Richtung.
Erhart, du schriebst von eurer zeitweisen Evakuierung aus dem unsicheren Danzig.
Ich habe eine Ansichtskarte, die meine Schwester von Danzig an meinen Onkel nach Duisburg schickte.Die Tante und Kusine waren bei uns zu Besuch. Vorn der Giebel der Trinitatiskirche. Meine Schwester schrieb:
Danzig, d. 7.7. 43
Lieber Onkel Johann!
Muß Dir doch auch ein paar Zeilen schreiben.Wir haben hier wunderbares Wetter. Jeden Tag sind wir wo anders.Na ja, die 14 Tage sind bald um.Wie geht es Dir.Natürlich prima.Also es grüßt Dich Deine Nichte Eva.
Meine Mutter fügte hinzu:
Lieber Bruder!
Wie fühlst Du Dich nun als Strohwitwer? Hoffentlich wirst Du gut fertig, denn wir wollen Franziska das halbe Jahr behalten, damit sie sich gut erholt. Hat der Tommy Euch jetzt in Ruhe gelassen? Es ist ja furchtbar, was Ihr dort habt, sag mal,willst Du auch nicht lieber nach hier her kommen? Wir würden uns sehr freuen.
Es grüßt Dich, lieber Bruder,Deine Schwester Lene,Erich und Kinder.
_____
Ja, das war also im Jahr 1943.Da fühlten sich wohl die Danziger noch sicherer als im übrigen Deutschland.
Schöne Grüße von Christa

Rudolf
01.04.2011, 12:25
Hier noch eine kleine Ergänzung von mir aus meinen Aufzeichnungen über meine in Danzig erlebte Jugendzeit . Dies deshalb , weil sich am heutigen 1. April vor 66 Jahren für mich das Ende dieses verbrecherischen Krieges ergab .
" Am späten Nachmittag des 31. März erschienen in unserem Keller ( im Haus Dampfbootstraße 3 in Heubude ) einige Soldaten der Waffen-SS und forderten die Zivilisten auf , den Keller zu verlassen , weil das Haus wegen seiner Lage als Stützpunkt dienen sollte . Alle Zivilisten protestierten und die Soldaten zogen ab , stellten aber in der über dem Keller liegenden Wohnung der Fam. Bieschke ein Maschinengewehr auf , welches ab und zu feuerte .
Am Ostersonntag , dem 1. April , hörte man schon in den frühen Morgenstunden , daß in unmittelbarer Nähe des Hauses gekämpft wurde . Aus der über dem Keller liegenden Wohnung , die am Vortag als MG-Stützpunkt eingerichtet wurde , war jetzt ein ununterbrochenes Schießen aus dem Maschinengewehr zu hören . Mein Vater meinte , daß die Russen das Haus bestimmt unter Artilleriebeschuß nehmen werden . Hierzu kam es jedoch nicht , denn am frühen Vormittag hörte man laute deutsche Rufe und plötzlich verstummte das MG .
Nach wenigen Minuten kam dann vom Hintereingang des Hauses ein lautes "Doitsche rraus" . Mit bangen Gesichtern traten wir den Gang nach draußen an , zuerst mein Vater mit zwei Koffern in den Händen . Oben angekommen , hielt ihm ein junger Sowjetsoldat eine Maschinenpistole mit Trommelmagazin vor die Brust und sagte mit grinsendem Gesicht "Kamerad , wie spät ?" . Mein Vater hatte sofort die beiden Koffer fallengelassen und die Hände erhoben . Er wollte die Zeit seiner Armbanduhr sagen , doch blitzschnell war sie schon "Beutegut" . Danach wurde er abgetastet und ein verdächtiger Gegenstand aus seiner Manteltasche geholt , es war ein kleiner viereckiger Reisewecker . Dieser verschwand schnell im Rucksack des Russen und zwar mit einem gekonnten Wurf nach hinten . Diese Rucksäcke waren sehr merkwürdig geformt und sie bekamen später von uns den Spitznamen "Dawai-Beutel" , weil die Russen immer , wenn sie den Deutschen etwas abnahmen , zuvor "dawai" ( bedeutet "los" , aber auch "her damit" ) sagten . Auf der Rückseite des Hauses Dampfbootstraße 3 stand in geringem Abstand zum Haus ein langgezogener gemauerter Schuppen . Entlang dieses Schuppens standen mehrere sowjetische Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett , die uns Zivilisten fast belustigt beobachteten und ich glaube , daß alle wegen unserer ängstlichen Gesichter ein Grinsen oder Lächeln im Gesicht hatten . Mir fiel dabei auf , daß an ihren Mützen nicht rote Sterne befestigt waren - wie man es von den Propagandaplakaten kannte - sondern einfache Sterne aus Weißblech und zudem waren ihre Stiefel nicht aus Leder , sondern aus geteertem Segeltuch , was ich als Junge trotz der Situation als militärisch sehr unpassend fand .
Nach der ersten Abnahme von Schmuck und Wertsachen wurde uns bedeutet , daß wir in Richtung Danzig zu gehen haben . Wir gingen in Richtung Dammstraße , wo wir zunächst einmal halten mußten . Der Grund war eine große Gruppe von Sowjetsoldaten , die , bewaffnet mit Maschinenpistolen und aufgepflanztem Bajonett , zu beiden Seiten der Dammstraße vorsichtig , aber in zügigem Tempo , in Richtung des in östlicher Richtung weitergezogenen Kampfgebietes ging . Als wir dort standen , hörten wir auf deutsch nach einem Sanitäter rufen . Es kam von einem offenbar schwer verwundeten deutschen Soldaten , der neben dem Haus der Familie von Aschenraden ( Dammstraße 24 ) lag . Natürlich traute sich niemand von uns zu ihm hin , denn wir wurden aufmerksam von einigen Sowjetsoldaten beobachtet . Nach diesem Halt ging es weiter in Richtung Danzig-Troyl . Unterwegs mußten wir mehrmals halten und in Deckung gehen , sowohl weil deutsche Artillerie jetzt in Richtung Danzig schoß und die Granaten links und rechts des Weges meist in den Gärten einschlugen , aber auch , weil sowjetische Panzer und Artillerie in Richtung der nahen Frontlinie fuhren .
Vereinzelt sah man tote deutsche Soldaten auf der Straße und in den Gärten liegen . von toten sowjetischen Soldaten war jedoch nichts zu sehen . Jahre später erfuhr ich , daß in der Sowjetarmee unweit des Kampfgebietes eigene tote Soldaten sofort zu Sammelpunkten geschafft wurden ..... Auf der anderen Seite der Breitenbachbrücke - dem einzigen Übergang über die Weichsel - war gegenüber der Schule Althof die erste große Kontrollstelle . Alle ankommenden Deutschen wurden hier getrennt , Frauen und Kinder nach links , Männer nach rechts . Frauen und Kinder wurden hier eigentlich nur nach Schmuck und Wertgegnständen durchsucht . Männliche Personen etwa zwischen 14/15 und 60 Jahren wurden ohne Ausnahme festgehalten . Man hatte keine Möglichkeit mehr , sich zu verabschieden oder auch nur noch etwas auszutauschen. Meine Mutter und ich blieben einen Moment stehen und wollten meinem Vater zuwinken , aber er hatte keine Möglichkeit mehr , sich noch einmal umzudrehen . Wir konnten nur noch sehen , wie meinem Vater die beiden Koffer abgenommen wurden und von den Russen auf einen schon stark beladenen LKW gepackt wurden .
Es sollte mehr als 3 Jahre dauern , bis mein Vater wieder bei uns war ."
Auch dies gehört zu meiner Kindheit , wie für viele andere der noch lebenden "Erlebnisgeneration" .
Ich wünsche allen ein schönes Wochenende - Rudi

Angelika
01.04.2011, 14:21
Hallo Michael

Dem kann ich nur zustimmen!

Viele Grüße Angelika

jonny810
01.04.2011, 18:35
Drachen steigen lassen.

Vater baute mit uns einen Drachen. Das war nicht so unkompliziert wie heute. Meistens gehen die Jungen heute ins Geschäft, um so ein Gerät zu kaufen, oder es wird einer mit- bestellt, wenn etwas per Internet gekauft wird.

Vater Otto ging mit seinen Söhnen, auf die er ganz schön stolz war, ein paar Leisten kaufen. Haben wir nicht- kam die lakonische aber gewohnte Antwort des Verkäufers.
Das war dann schon eine grössere Aktion, bis das bisschen Holz, und die Rolle Bott, zur Verfügung stand. Pergament-Papier gab es nicht, also wurde Zeitung-Papier genommen.
Mit einem heissen Nagel aus der Glut im Ofen, wurden die nötigen Löcher in das Holz gebrannt. Bohrer hatte Vater nicht. Nicht mit Kleber aus der Tube, sondern mit Kleber aus Mehl (Kartoffelmehl)? wurde das Kunstwerk verleimt.
Wir Jungen schnitten schon einmal die Streifen Papier, die zur Fertigung des Schwanzes benötigt wurden.
Ein stolzer Blick in die Runde, das Werk war vollbracht.
Dann gab es Mittag. Wir hatten plötzlich gar nicht so viel Hunger. Es hatte nämlich geheissen, nach dem Mittag gehen wir zum Hagelsberg.
Der Hagelsberg war übrigens im Winter auch unsere Rodelbahn.

Dann ging die Post ab. Jeder der Jungen wollte natürlich das tolle Stück tragen. Das war doch etwas, um anzugeben. Man gehörte dazu.

Vom Schüsseldamm Richtung Schichau-Werft. Vorbei am Hansa-Platz. Dann über die Zug-Brücke. So erreichten wir den Hagelsberg. (Richtung-Langfuhr)
Um etwas Wind zu erhaschen, mussten wir natürlich ein Stück bergan marschieren.
Dann kam der spannende Moment.
Auch Otto war gespannt, ob das Flug,- oder das Absturzgerät funktioniert. Das Fluggerät funktionierte.
Hans-Joachim, der älteste Bruder nahm den Drachen und ging damit ein Stück bergab.
Auf Vaters Kommando liess er los, und der Drachen stieg empor.
Nachdem die Startphase erfolgreich war, wollten natürlich alle Anderen auch einmal das Vergnügen geniessen, und die Schnur, an der eine Leiste befestigt war, halten.
Das war ein Sonntags-Vergnügen der besonderen Art.
So verging ein in Erinnerung gebliebener Herbst-Sonntag. Das ist nun bald siebzig Jahre her.

Der stolze Vater mit dreien seine vier glücklichen Söhnen im Schlepptau zog wieder nach Hause.
Muttchen hatte in der Zwischenzeit die Gelegenheit genutzt, sich etwas auf dem Chaissolongue auszuruhen. So, oder ähnlich nannte man ein Sofa damals.


Resümee: Ich glaube mit Sicherheit, dass diese Art von Umgang, Eltern-Kinder, in vielen Menschen der damaligen Zeit, ein Familien-Bewusstsein erzeugt hat, welches es
kaum noch gibt.

wenzkauer
01.04.2011, 19:56
Hallo Erhart,
schöne Geschichte und mir fallen ein paar Gedanken zu deinem Resümee ein. Je höher die Armut, desto mehr Familien-Bewusstsein und Zusammenhalt gab es in den Familien. Ähnlich verhält es sich mit der Kameradschaft bzw. Freundschaft auf der Arbeit. Uns fehlt die Wertschätzung für die kleinen Dinge im Leben. Klar hält meine Familie heute zusammen, aber ich merke das leider nur in bestimmten Notlagen. Krankheit, Trauer, kein Geld durch Überschuldung usw., eigentlich wie bei euch früher, wenn es schlecht lief. Damals waren diese Notlagen fast Alltag und ihr mußtet zusammenhalten um zu überleben. In unserem heutigen Leben ist das selten geworden. Jedoch stimmt es mich zuversichtlich, wenn es mal um die Wurst geht sind sie (fast) alle da. Plötzlich geht man sogar wieder in die Kirche, das habe ich auch schon erlebt , um zu beten. Die Kirchen im heutigen Polen waren auch schon mal voller, warum wohl ?
Mir gefallen deine Berichte...
Liebe Grüße Michael

jonny810
01.04.2011, 20:36
Danke Michael,

ergänzend möchte ich sagen, dass es, wie jeder weiss, weder TV, noch Play-Station, oder andere Unterhaltungs-Geräte gab.
Wir besassen nicht einmal ein Radio, aber ein altes Grammophon.
Dafür machte Brett,- oder Kartenspiele.

Unsere Mutter spielte Guitarre und Vater begleitete sie mit dem Mund-Stimmchen, wie man bei uns zur Mundharmonika sagte.
Wir Kinder haben dabei gesungen. Sogar mehrstimmig. Selbst Lieder, welche meine Eltern aus der Heils-Armee kannten, wo sie sich auch kennengelernt hatten.
Diese Texte kann ich heute noch zum Gross-Teil. Sind gar nicht so schlecht, um zu deinem Gedanken von Kirchgängen zu kommen.

Dann kamen auch noch Nachbarn zu uns und sagten, bei euch ist es immer so schön gemütlich. Auch sie sangen mit. Kann man sich so etwas heute noch vorstellen?
Die klopfen höchstens mit dem Besen an die Decke, weil sie sich beim Fernsehen gestört fühlen, wenn es mal etwas lauter als gewöhnlich ist.
Das ist eben die Entwicklung der Zeit, an der man nichts ändern kann.
Ist wohl auch gut so, wenn jede Generation ihre eigenen Erfahrungen, oder wie man das sonst nennen will, machen muss.
Wenn man lange genug lebt, lernt man 3-4 Generationen kennen und jede davon hat ihre speziellen Reize, glaube ich.

Bis zum nächsten mal, Erhart

Wolfgang
01.04.2011, 22:35
Schönen guten Abend,
hallo Michael,

Du schreibst "Je höher die Armut, desto mehr Familien-Bewusstsein und Zusammenhalt gab es in den Familien". War das wirklich so?

Vielleicht war auch da wieder meine eigene Familie nicht unbedingt repräsentativ. Als ein Urgroßvater (väterlicherseits) starb -es war eine sehr, sehr arme Familie- musste sein jüngstes Kind, mein Opa, für sämtliche Kosten aufkommen. Mein Urgroßvater hatte insgesamt 11 Kinder, aber der Familiensinn, die Solidarität hörte da auf, wo es um's Geld ging. Das sprengte die Familie. Mein Großvater mütterlicherseits heiratete nicht "standesgemäß", nämlich in eine noch ärmere Familie. Da wurden dann ebenfalls sämtliche Kontakte zur Familie des eigenen Sohnes unterbunden.

Gab es wirklich einen genereilen Zusammenhalt bei Notlagen? Oder ist das nur eine Mär? War damals wirklich alles anders als heute? Oder ist das nur so überliefert? Ich bringe jedenfalls größten Respekt all jenen gegenüber auf, die damals unter schwierigsten Umständen ihr Leben "meisterten".

Viele Grüße aus Danzig
Wolfgang

Christkind
02.04.2011, 08:57
Wolfgang, hat Michael es vielleicht auch gar nicht so sehr auf matarielle Werte bezogen, wenn er von Zusammenhalt in der Familie schrieb?
Hat er es vielleicht so gemeint, dass die Eltern trotz ihrer geringen finanziellen Möglichkeiten mit ihren Kindern gemeinsam die Zeit verbrachten,bei Betätigungen, die kein Geld kosteten?Ja, sei es nun bei Spaziergängen,beim Drachenbau, beim Herstellen von Spielzeug.Da denke ich besonders gern an die Arbeiten meines Vaters, der meinem Bruder einen Pferdestall baute, den es besser sicher nicht zu kaufen gab.Zwei Boxen für die Pferde, mit Futterkrippe, alles schön angemalt im Ziegelsteinmuster,und mein Bruder war glücklich über sein Pferdegespann.Da hörten wir ja die Originale oft genug durch die Fleischergasse poltern, wenn der Bierkutscher kam und die Fässer in Reimanns Bierkeller hineinkullerten.
Oder meine Puppenstube, selbst hergestellt, mit Möbeln und Gardinchen.
Alles aus Holz, sogar mein Puppenwagen. Obwohl- da war ich dann schon bisschen wählerisch. Ich wollte so gerne einen mit Klappverdeck,aber meine kleine Kinderkarre war nur mit feststehendem Rückenteil für mein Puppenkind.Und Puppen! Ja, da war die Auswahl nicht so groß. Von wegen Schildkrötpuppen, die ja auch schon damals bewundert wurden... Die waren auch unerschwinglich, bis ich mir eine zu meinem 50. Geburtstag schenken ließ.Träume soll man sich erfüllen.(Deswegen habe ich wohl auch so viele lebendige Puppen um mich).:D
Es gab keine staatliche Unterstützung für Freizeit und Vergnügen. Urlaub gab es nicht.Und deshalb waren auch die Verwandten immer ein willkommenes Besuchsziel.
Meine Verwandten von Vaters Seite lebten in Stangenwalde. Mein großer Bruder weiß noch von seinen Besuchen auf dem Bauernhof. Der Onkel kam mit seinem Pferdewagen auch öfter nach Danzig auf den Markt, wahrscheinlich mit Naturalien.
Dieser Zusammenhalt in der Familie ist sicher keine Mär.
Und was gab mein Vater noch an seine Jungs weiter? Die Lust zum Angeln.Vater angelte uns das Mittagessen frisch aus dem Wasser. Das war ja fast vor der Haustür.Und bis jetzt lieben meine Brüder die Angelei. Na ja- einer nicht so.Der hat auch nie Fisch gegessen, seit er als Kind an einer Gräte fast erstickt wäre.-
Nicht standesgemäß zu heiraten,das war natürlich mehr als heute schwierig.Der Dünkel ging dann aber mehr von den Besitzenden aus.
Da habe ich keine Beispiele,außer dass die reichen Bauern geizig waren und uns wie Bettler behandelten.
______
Schöne Grüße, Christa

wenzkauer
02.04.2011, 12:22
Hallo Wolfgang,
können wir das wirklich bewerten ? Ein Beispiel aus meiner Familie in Wenzkau. Der Bauer, die Bäuerin verstarb, der naheliegende ledige Bruder /Schwester wurde schnellstmöglich zur Heirat herangezogen. Der Hof wurde somit gerettet und kleinere Existensen rundherum ebenso. Das war übliche Praxis und wie nennen wir das nun, Familien-Bewusstsein, Notlage oder Zweckgemeinschaft. Ich nenne das mal mit augenzwinkern "Familiensinn".
Heute steht die Selbstverwirklichung, alles muß Spaß machen und eben das eigene Ego im Vordergrund.
Vielleicht waren die Menschen damals trotzdem glücklicher, ich kann es nicht sagen.
Viele Grüße über die Ostsee Michael

Mandey +08.03.22
02.04.2011, 13:39
Wie war es ?
Mein Großvater Hermann Wilhelm geboren 1875 Wohnhaft in Neue Welt/Pasewark,von Beruf Zimermann, nach der Lehre ging es nicht auf die Wanderschaft (WALZ) ,sondern er muste sofort Geldverdienen,und somit zum Unterhalt für die Familie beitragen,nach dem die meiste Arbeit erledigt war wie zum Beispiel der Bau von Schulen, Scheunen, Ställen,auch Kakhäuschen Wohnhäuser usw.,wurde es mit der Arbeit sehr eng.mittlerweile war er Verheiratet und es stellten sich nach und nach Kinderchen ein, da hat er lange Zeit in Danzig als Zimmermann gearbeitet,die Arbeitswoche war lang, von Montag bis Sonnabend Mittag,währen der Woche Nächtigte er so wie seine Kollegen in Baubuden, am Sonnabendnachmittag trat er mit seinen Kollegen dan den langen Fußmarsch nach Hause zu seiner Frau und seinen Kindern an, das war in Neue Welt/Pasewark die Entfernung von Danzig bis zum Wohnort waren ca 30 Kilometer,die Ankunft zu Hause war gegen 17 Uhr,jetzt hatte er Feierabend,bis auf die Arbeiten die am Haus oder auf dem Feld erledigt werden musten Jahreszeit bedingt. Die Menschen dort hatten alle ein Stück "Ackerland" was für die Bauern total Wertlos war, das waren Felder mit fast hellem Seesand hier gedeihte alles nur ganz spärlich,die meiste Menschen hatten zwei Ziegen auch eins bis zwei Schweinchen im Jahr, daneben hatten Sie etas Getreide, da von wurde Brot gebacken und in der Bratpfanne etwas Getreide gebrandt somit war der Bedarf an Kaffee gesichert.Jeden Sonntag bei jedem Wetter traten meine Großeltern mit Ihren Kinderchen den Weg nach Stegen zum Gottesdienst an, bis zur Kirche betrug die Wegstrecke in eine Richtung ca 9 Kilometer, die sind dan immer sehr früh losgegangen erstens wollten Sie nicht zu spät ankommen, und zweitens erhofften Sie sich immer einen Sitzplatz in der Kirche, damit sich die Kinderchen während der Andacht vom Fußmarsch auch etwas ausruhen konnten,der größte Teil der Bänke waren an Reiche Bauern vermietet damit diese auch bequem sitzten konnten so wie auch gesehen werden,nur ganz wenige Bänke am hinteren Ende wurden dann den Schäfchen zuteil Ja die Gottes Dinner waren schon immer sehr gerecht, aber wohl nur zu den Geld Säcken.Nach der Heimkehr wurde zu Mittag gegessen,und nach einer kurzen Ruhe Pause, fing die Oma mit der Einteilung der Wochen Essens Ration für den Opa an, alles einzuteilen von Montag bis Sonnabend für jeden Tag die gleiche Menge anschließend wurde es dan in einem Rucksack verstaudt für den Opa zum mitnehmen. meine Mutti erzählte mir oft aus Ihrer Erinnerung, mit Trännen in den Augen mit wie wenig Essen der Opa pro Tag auskommen muste ,sonst hätte es für die Familie nicht gereicht,Nach einigen Jahren der Schwerstbelastung wurde mein Opa Magenkrank nun konnte er seinen Beruf nicht mehr ausüben,Die Großeltern wohnten ja an der Ostsee bis zum Strand waren es 15 gehminuten Als Zimmerman baute er sich einen Fischerkahn und fing mit seinen zwei Ältesten Söhnen an zu Fischen doch leider das bischen was da gefangen wurde auf Grund magelnder Menge an Fischer Netze
brachte keine spürbare wirtschaftilche Wende , nun war es wichtig den Fisch über Land zuverkaufen aber im Umland war die Arbeitslosigkeit sehr hoch, da pasierte es oft das die Fische nicht verkauft wurden die Menschen hatten zwar Hunger konnten sich kaum etwas zum Essen kaufen und Fische dan schon gar nicht.es war innerhalb der Familie ein starkes miteinander, aber die Menschen unter sich waren durch die ungünstige Lenbensituatio zum großen Teil gegen einander, da muste sich jeder auf seine art behaupten.. Besonders schlimm war es in den Zwanziger Jahren, für die Strandfischer Pasewark und Stegen war es in stürmischen Jahreszeiten besonders schwer,da standen diese Menschen am Strand und guckten auf meter hohe Wellen, in der Hoffnung etwas Bernstein zufinden aber per Gesetz waren Sie Verpflichtet den Bernstein dem Staat abzuliefern Sie erhielten hier für ein ganz geringen Finderlohn, den die Halunken da oben zahlten nur Pfennige.einige Kilometer weiter Richtung Weichsel war Nickelswalde und Schiewenhorst das waren größere Fischer Dörfer trotz harter Arbeit ging es den Berufsfischer gut , die Strand Fischer von Pasewark und Stegen wurden jedes Jahr bei den Fischervorständen vorstellig mit der bitte es Ihnen wenigstens zur Herbst Zeit zu Erlauben auch in der Weichsel fischen zu dürfen, diesem Wunsch wurde jedes Jahr Herzlos mit einem nein Beschieden, wie Sie sehen hier hatte die Armut nichts zusammen gebracht, im Gegenteil alle waren gegen einander. nach dem ich das so von meinem Eltern gehört habe, kam mir oft der Gedanke wäre hier mal ein bemühen von Seitens der Gottesdiener hilfreich
Gewesen? aber die waren nicht zusehen vermutlich haben die es als zu Geringfügig gesehen. es handelte sich ja nur um Arme Menschen die in Not waren
Freundliche Grüße v.Heinz Mandey

wenzkauer
02.04.2011, 16:38
Danke Heinz,
da kann man mal sehen wie unterschiedlich solche Erzählungen ausfallen können. Demnach war es kein miteinander sonder eher ein hauen und stechen gegeneinander.
Neben der guten alten Zeit in Danzig muß man sowas auch wissen. Natürlich bin ich nicht so beschränkt, um mir das nicht vorstellen zu können. Aber somit bekomme ich ein anderes Bild von den Dingen. In meiner Familie hieß es meistens, früher in Danzig bzw. Wenzkau war alles besser, basta.
Viele Grüße Michael

Wolfgang
02.04.2011, 17:49
Schönen guten Nachmittag,
hallo Heinz,

danke für Deinen Bericht der das damals schwere Leben vieler Menschen aufzeigt. Natürlich gab es prächtige Bauernhöfe, aber daneben auch viele kleine Katen in denen Arbeiter, Tagelöhner und Fischer wohnten. Mein Urgroßvater, Kutscher und Nebenerwerbsfischer in Einlage (Przegalina), 9 Kinder, lebte in einem solchen kleinen Häuschen das manchmal sogar von mehreren Familien bewohnt wurde (jede Familie hatte einen Raum).

War das wirklich Abenteuer: Wasser aus dem Brunnen, Plumpsklo über'm Hof, kein Strom, die Schule viele Kilometer weit entfernt, die Arbeit noch viel weiter? Gut, in Danzig sah es meist ein bisschen anders aus, aber zumindest in Ansätzen hörte ich dann doch aus den Erzählungen meines Vaters, dass seine Kindheit alles andere als umbeschwert verlief.

Um zum Thema "Keiner der Nachgeborenen hat unser Danzig gesehen" zurück zu kommen: Natürlich haben wir es nicht gesehen, natürlich können wir uns Eindrücke nur durch das bilden, was wir erzählt bekommen. Aber, wer gut zuhört und verstehen möchte, kann sich auch ein Bild von dem Danzig machen, das 1945 in Schutt und Trümmern unterging.

Viele Grüße aus dem frischen Danzig (+10 Grad)
Wolfgang

Mandey +08.03.22
02.04.2011, 20:22
Guten Abend Michael
Ja ich kann es nicht belegen, aber ich setze mich oft Gedanklich mit vielen eigenen von mir gestellten Fragen auseinander, aber meistens fehlt mir die Antwort, aber eins steht für mich fest hier trugen auch andere eine gewisse Mitschuld an dieser Armut, möglicherweise wäre für vielen das Leben leichter gewesen wenn man Sie nicht angesport hätte für viele Kinder in einer Ehe zu sorgen, auf welchen Wunsch? Die Großraubritter brauchten ja immer ein Großes Herr oder die Landwirtschaft ebenfalls.meine Mutti hatte 8 Geschwisterchen, Sie sagte immer zu mir werde nie ein Heide aber Forme du dich selber zu einem guten Christen aber las es nicht von anderen machen
ich Denke du wirst in absehbarer Zeit einiges hier im Forum erfahren was dich Geschichtlich Interessieren Dürfte.
Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag

Mandey +08.03.22
03.04.2011, 12:11
Guten Morgen einen schönen Gruß aus Emmerich/am Rhein gestern am Sonnabend 20Grad +

Hallo Wolfgang .
nur noch eine Kleinigkeit von mir, ja es gab Prächtige Bauernhöfe,aber wie du schon schreibst, auch viele Inskaten zum Teil auch noch aus Lehm auch gebaut für
mehr Familien, nach der damaligen Ansicht vom Herrchen, ein Zimmer nach Süden für Knecht A und seineFrau,die Kinderchen von den beiden, waren ja noch so klein die bekam man noch in jeder Ecke unter, die zweite Stube nach Norden für Magd M mit Ihren Kindern Eheman im ersten Weltkrieg gefallen, und in einem
natürlich, Gebührenden Abstand zum Herrchen (Bauernhof) diese Katen gehörten überwiegend den Hoff Besitzern, das Gesinde hatt in einigen Höffen auch gegessen und am späten Abend,gabs ja noch eine Kahne mit Milch für zu Hause ( keine überlieferung hinter meinem Eltern Haus stand auch eine Inskate,der Arbeiter auf bem
Hoff kam Täglich,Abends an unserem Haus vorbei) aber für all diese Gaben, gab es wohl kaum noch, einen Geldbetrag. mein Vater erzhälte mir sehr oft, Traditions
Gemäß zum Sankt Martin haben die Bauern immer, einen Krug mit billigen Fusel gekauft, und nach reichlichem Genuss von den Arbeitern, haben diese den
Mitarbeitern auch noch ein paar Pfennige ausgezahlt ,und anschliessend haben die Willige Arbeitsmenschen einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben und nun durften Sie für ein weiteres Jahr fürs Herrchen Arbeiten.
PS: ich habe noch einige alte Bildaufnamen von sehr alten Holzkaten aus Nickelswalde werde diese sichten, und auf Bilquallität überprüfen, und dich eventuell bitten diese ins Forum einsetzen zu dürfen.
Information wenn Dir nicht bekannt Einlage war einmal ein Kur und Heilort für Lungen Kranke.
außerdem vieleicht für Dich eine kleine Anregung zum Nachdenken, über einst unseren Jüdischen Mitbewohnern, bitte gib mal Stolpersteine Emmerich bei Google ein und lese es kurz durch, ich finde diese Idee sehr gut jedes mal beim vorbeigehen Gedenkt man dieser Menschen, und nicht immer nur wärend einer geschwollener Ansprache von denen die oft mal nicht wissen wovon Sie wirklich Reden
ich Wünsche Dir einen schönnen Sonntag. v.Heinz Mandey

zum Abenteuer. nein das war für damalige Verhältnisse Normalität, wenn bei uns auf Geburtstagsfeiern in Nickelswalde die Goldene Zwanziger Jahre angesprochen wurden ,da meinte mein Großvater Väterlichersets , immer ja das waren schönne Hotzige Jahre das waren Elendsjahre wie es schlimmer nicht hätte sein können.
Eindrücke: Ja wenn man in Gedanken Geschichtlich die Zeit mal 100 Jahre zurücksetzt kann man auch heute noch viel erkennen wie es gewesen sein könnte.und
auch gewesen ist

asgaard
03.04.2011, 13:31
Guten Tag Heinz ,

ich habe Deine eindrucksvollen Beiträge, sowie auch die interessanten Berichte der Anderen Forumsmitglieder mit großer Aufmerksamkeit gelesen. Leider hat mein Vater , der auch in Nickelswalde aufwuchs, nicht viel über die Verhältnisse aus seiner Kindheit erzählt, möglicher Weise hat er es verdrängt. Ich erinnere mich nur daran, das er keine weiterführende Schule besuchen konnte, weil seine Eltern das Schulgeld nicht bezahlen konnten. Die Ausnutzung der Arbeitskräfte und vor Allem der Leibeigenschaft, die wohl so um 1805 "abgeschafft" wurde, war ja auch eine Folge der feudalen Systeme, wir sprachen telefonisch ja schon mal darüber. Auch gab es mal eine Zeit des Bauernlegens, ausgelöst durch Herrscher und Stände, was wiederum für die Bauern übel war und sie nutzten es natürlich wiederum aus. Die Mehrheit war ja Arm und als Masse verfügbar. Das waren dann Gesinde , Dienstboten ect.
Aber das Ober den Unter sticht, ist ja bekanntlich nicht nur eine Weisheit aus dem Kartenspiel. Nur damals hatten die kleinen Leute von Nord nach Süd und Ost nach West dramatisch darunter zu leiden. Ich freue mich, dass viele Forumsteilnehmer diese Tatsachen nicht aus den Augen verlieren, denn diese Zeiten waren für die einfachen Menschen sehr hart und gar nicht rosig, trotzdem haben sie ihre Heimat geliebt und versucht das Beste daraus zu machen.
Bild:
Meine Großmutter als Bedienstete

Schöne Grüße
Wolfgang

Mandey +08.03.22
03.04.2011, 19:24
Guten Tag Wolfgang.
Ja ich sehe, das du meine kleine Bemerkungen zur Herkunft unser Familien gelesen hast,leider lese ich es auch oft, das unsere Groß oder Eltern entweder garnichts
oder kaum etwas über sich erzählt haben,ich versuche es Dir kurz zu Erklären,obwohl das bei mir, mit kurz immer so ein Ding ist, vermutlich gehe ich zu Itensiv an die Sache ran, aber es ist meine Art, in Ganoven Kreisen würde man sagen mach Ihn weg der weiß zuviel!. So das bereits Erlebte der Groß Eltern sowie Eltern
kennen wir ein wenig, Zum Thema Erklärung von mir ob Richtig? keine Ahnung! so bis 1939 die Plagerei der Menschen mit jedlicher Begleitung, ja da zu gehörte
auch die Fröhlichkeit und die hatten Sie, vermutlich herzlicher als wir es von uns selber kennen. zur meinerErklärung Ab 1939 Der Auftritt des Größenwahnsinngen
Führer wir folgen Dir. Da wurde Der OPA- VATER- SOHN auch SÖHNE zu Wehrmacht eingezogen. Ein wiederkehren dieser Männer Äuserst ungewiss, es dauerte
nicht lange da wußten wir Kinder schon Bescheid, Wolfgang wenn wir gegen Mittag aus der Schuhle Heim gingen, und von einem Fahrad überholt wurden, welches
von einem Braunen mit Blitzblancken Stiefeln (NSDAP) ORTSGRUPPENLEITER aus Schönnbaum gelenkt wurde,
hatten wir Kinder Todes Angst es gab für uns nur eine Frage zu welcher Kriegers Frau fährt er,die erste Sorge galt bei jedem Kind von uns, hoffentlich nicht zu
meiner Mutter,dieser Mensch überbrachte die Nachricht das der Eheman-Vater auch manchmal die Söhne fürs Vaterland gefallen sind, manchmal muste dieser
auch auf Führers Befehl mehere Frauen bzw. Eltern aufsuchen,es dauerte nicht lange und du konntest in unserem kleinen Dorf laute Aufschreibe von denen, die er
soeben Besucht hatte hören Laute die sich für viele Jahre in unserem Kinder Gedächnis Verankerten. 1945 wurden diese unsere Menschen die für uns für eine Gute
Zukunftsorgen wollten,aus Ihren Geburtsorten Vertrieben, mit jedem Erdenklichen Leid, Gründe kennen wir jetzt, in eine unbekannte neue Heimat (wirklich unsere
Heimat?) Getrieben, hier angekommen, sogleich Die Große BEGRÜSSUNG lautes Gebrüle jetzt kommt das Fluchtlings Pack, die Wasser Polacken!!! die sollte man
am besten ins Wasser jagen,das ist von mir keine Vermutung sondernvon mir als 10 Jähriger kleiner Mensch mit gehört , sehr oft in Holstein gehört . aber es ist
wohl in der gesamten Republik so gewesen Zum Kern: Fragt euch jetzt, so weit es überhaupt bei allen die es lesen werden obs überhaupt von Interesse ist, waren
unsere Familien nicht mit dem Erlebten ja auch Überstandenen waren Sie nicht Traumatisiert? gedemütig? gar Verängstigt , vielen hat die Kraft gefehlt um über das
Erlebte zu sprechen, erst nach Jahren wollten Sie den nach Kriegsgebohreren Kindern etwas über sich erzählen! war bei allen Neugierde vorhanden? oder galt es
doch die Eltern sollten doch nicht immer Plattsprechen bzw. Ihr Heimat dialekt die Mitbewohner würden es ja nicht Verstehen! oder fehlde einfach die Zeit um
zuzuhören den Erwin, Klaus, oder sonstige Freunde hatten gerade ein neues Fahrad bekommen welches Ihnen die Elten oder Großelter vom Lastenausgleich als
letzte Erinnerung Geschenkt hatten. Der Schluß wir wollen keine Zeit zurückdrehen Gott sei Dank können wirs auch nicht,aber vieleicht wäre es angebracht das jeder von uns für sich, in seinem Herzen ein Denkmal setzen würde, ja ein Denkmal für seine Familie und so lange wir lebenuns dran Erinnern.
mit freundliche Grüßen v.Heinz Mandey

wenzkauer
03.04.2011, 20:09
Hallo Heinz,
auch mich haben deine Zeilen angesprochen und besonders der Abschluß berührt. Jeder von uns wird nicht ein Denkmal in seinem Herzen tragen, dafür ist die Ahnungslosigkeit zu groß. ABER, eine 20jährige Studentin aus Schweden(Enkelin einer Danzigerin) schrieb ihre Diplomarbeit über die Kaschuben in und um Danzig.
Mein jüngster Sohn (12) fragt mich intensiv zu diesen Themen aus. Donald Tusk ist in unserem Kreis ein großes Thema, besonders seine Herkunft. Es bleiben immer Menschen, die eure Erinnerungen weiter geben werden.
Ihr hattet keine Seelsorger, die wie heute bei jedem größeren Verkehrsunfall helfen, um über das Erlebte zu sprechen.
Jedoch ist es falsch zu glauben, keinen interessiert diese Geschichte und es wäre Schnee von gestern.
Ich persönlich mag nur nicht, wenn mir "Heimattheater" erzählt wird. Bei Dir Heinz habe ich diesbezüglich keine bedenken.
Dir noch einen schönen Restsonntag Viele Grüße Michael

jonny810
04.04.2011, 20:14
Kartoffelsupp-Kartoffelsupp, die ganze Woch Kartoffelsupp, die ess' ich nicht.

Wer der älteren, - kennt nicht diesen Vers.
Ich glaube, das ist ein Relikt aus unserer Kinder-Zeit.
Wenn es auch nicht gab, was da hineingehörte, ein schöner Kringel Fleischwurst, aber Kartoffeln hatten wir meistens.
Ein bisschen Porree und eine kleingeschnittene Zwiebel zum Anbräunen, das bekam man immer noch, in der Markhalle.
Also was lag näher? mal mit ein wenig Essig, mal ohne. Soll noch jemand behaupten, die Tafel war nicht abwechslungsreich.

Ähnlich verhielt es sich mit Wrucken. Der Topf wurde voll gemacht, und was nicht aufgegessen wurde, das gab es am nächsten Tag.
Ein paar Speckschwarten waren dann schon etwas Besonderes. Es sollte ja nach Geräuchertem schmecken. Das gehört sich bei Wrucken so.

Ja liebe jungen Freunde, viele der Älteren werden das bestätigen können.
Das zog sich hin, bis ungefähr zur Währungs-Reform 1948.
Von da an ging es immer ein wenig mehr den Berg hinauf.
Bis zum heutigen Wohlstand, mit den vielen übergewichtigen Kindern, und den noch nie da gewesenen, vielen Diabetikern.

Unsere Mütter waren auf ihrem Gebiet einfach Künstlerinnen. Wir waren zwar alle weniger korpulent, aber bedeutend gesünder.


In der heutigen Zeit gibt es Frauen, die kochen entweder dreierlei zum Mittag, oder die Kinder bekommen so viel Geld, dass sie sich
teilweise schon selbst beköstigen. DÖNER, BIG MAC und so weiter.
Aber zurück zur "GUTEN ALTEN ZEIT".
Gab es Ware, fehlte teilweise das Geld um einzukaufen. War genügend Geld vorhanden, fehlte die Ware oder die so genannten Bezug-Scheine
oder Lebensmittel-Marken. Irgendwo hat es immer geklemmt.
Dann hat man Schlange gestanden, weil es heute etwas gab, was auch immer. Im Winter mit den wärmeren Klamotten des Bruders.
Bis man endlich dran kam, hieß es - leider ausverkauft.
Dann bist du durchgefroren nach Hause gegangen, ein Pottchen Kaffee getrunken und ab ging es, in die Schule.
So war es. Trotz alle dem behaupte ich, es war eine harte Lehrzeit, die aus uns das gemacht hat was wir sind.
Nicht immer leicht zu Handhabend, aber um einiges an Erfahrung reicher, als viele andere Menschen.

Auch mich wollte man 1958 zum Soldaten machen. Ich ging lieber in die Grube und brauchte keine Waffen anrühren.

Allen einen schönen Abend...