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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zeitzeugen: Generation Kriegskinder



Wolfgang
13.04.2011, 01:00
Schönen guten Abend,

"Spiegel online" bringt einen sehr interessanten Artikel über die Generation "Kriegskinder": http://www.spiegel.de/flash/0,5532,25351,00.html

Sehr, sehr lesenswert!

Viele Grüße aus Danzig
Wolfgang

vklatt
13.04.2011, 12:05
Hallo Wolfgang,

danke für den Link. Es sind wirklich sehr interessante Artikel.

Viele Grüße
Vera

jonny810
13.04.2011, 12:24
Ich habe mit dem Lesen begonnen und musste aufhören.

Habe wieder einmal bestätigt bekommen, dass diese Themen meinem Seelenleben eher schaden.

Und das nach so vielen Jahren. Traurig aber wahr.

Belcanto
13.04.2011, 13:45
Erhart
Mir geht es genau so!
Gruß
Belcanto

Orika
13.04.2011, 21:10
Sehr berührend, die Artikel... auch wenn ich es mir nicht wirklich vorstellen kann, wie es war. Ich denke an meine Eltern, die beide als kleine Kinder (drei und viereinhalb) mit auf die Flucht mussten, und schlimme Dinge erlebt haben. Die bewusste Erinnerung fehlt, aber das Unterbewusstsein hat es abgespeichert.

jonny810
15.04.2011, 09:37
Hallo an die Jüngeren Mitglieder,

es ist für mich auffallend, dass dieser Beitrag vom Wolfgang, von euch nicht kommentiert wird.
Dieser Beitrag ist sehr zutreffend, und erspart Mitgliedern der Erlebnis-Generation darüber zu sprechen.

Gibt es dafür eine Erklärung?

wenzkauer
15.04.2011, 10:11
Hallo Erhart,
wenn ich solche Texte lese, bin ich schnell an meiner persönlichen Grenze angekommen. Auf der Internet-Seite der deutschen Minderheit gibt es auch einige Berichte, die mich still werden lassen. Ich muß dann eine Pause machen und stelle mein ganzes Interesse, auch hier im Forum in Frage. Jedesmal komme ich jedoch zum selben Resultat, "nein, du wendest dich nicht zu den schöneren Dingen im Leben, sonderst wühlst hier weiter". Die Themen bringen auch sehr viel Freude und trotzdem sage ich mir immer wieder, das "Verborgene " muß auch sein. Das viele meiner Vorfahren absolut nicht darüber reden, verstehe ich erst heute.
Erhart, viele der Erlebnis-Generation ersparen sich darüber zu sprechen und viele der Jungen ersparen sich das zu lesen.
Ich versuche die goldene Mitte zu finden.
Viele Frühlingsgrüße aus Schweden Michael

jonny810
15.04.2011, 13:06
Hallo Michael, hast einerseits Recht. Andererseits beklagen sich viele jüngere Mitglieder darüber, dass die Eltern darüber nicht reden möchten, oder , dass man niemanden mehr hat, den man fragen könnte.
Die Berichte , die eingestellt wurden, entsprechen in dem Teil den ich gelesen habe, ziemlich genau den Punkt.
Ich bin leider nicht in der Lage, mir alles durchzulesen.
Wir waren, 4 Jungen und die Mutter, die das erlebt haben. Alles Gute

Heibuder
15.04.2011, 13:31
Ach Erhart, zu dieser Thematik "Kriegs- und Kriegsendeerlebnisse" hat es doch schon viele viele Beiträge und Kommentare seit den Anfängen dieses Forums gegeben, wie auch Hinweise auf zig Bücher von Überlebenden und Zeitzeugen.

Sie alle zusammen, die Darstellungen und Schilderungen in alten Filmen, TV-Sendungen, Fotos, Büchern, Foren etc. sind m.E. die "Pfeiler einer Plattform" wie dieses Forum, auf der man zusammenkommt, um sich auszutauschen,
um inneren Frieden zu finden und letztendlich die Vergangenheit zu bewältigen.
Um dann aber in die Zukunft zu schauen und den Kindern und Enkeln lehren, es nie mehr so weit kommen zu lassen!

Helga +, Ehrenmitglied
15.04.2011, 14:12
"Gibt es dafür eine Erklärung? "

Hallo Erhart,

ja, die gibt es. Ich habe mich zu díesem Thema schon oft geäußert, z. B. zu dem Buch "Unvergänglicher Schmerz" u.ä., dass ich mich nur wiederholen würde. Das ist mein Grund.

Christkind
15.04.2011, 14:47
Unverständliche Jugend!
Wie schnell ist man aus Erlebnisgeneration von ihr als "ewiggestrig" abgestempelt, wenn man nicht allen Berichten voranstellt: Ja,ich bin nicht ohne Grund vertrieben worden.
Und dann die andere Jugend, die wieder an die Nazi-Parolen anknüpft: Ja, wir holen uns alles wieder zurück.
Manchmal stehe ich dazwischen und denke:Hat denn diese Rumballerei gegeneinander niemals ein Ende?
Warum ist es so schrecklich schwer, in Polen seine deutsche Identität behaupten, es öffentlich bekennen zu wollen?
Oder ist diese Annahme von mir eine Fehlinterprätation der heftigen Reaktion auf Sätze, wie:Bekenne dich zu deiner deutschen Volkszugehörigkeit ( bei der Volkszählung, die demnächst stattfindet).
Überhaupt: Was ist "ewiggestrig"?
Für mich ein Unwort des 21. Jahrhunderts.
Nichts ist ewig, und schon lange nicht gestrig.
Alles wiederholt sich, sagt man.Aber nie im gleichen Körper.
Heute bin ich schon gar nicht mehr die, die ich gestern war.
Deshalb verweigere ich mich der Schublade "Die Ewiggestrigen".
Ich bin am Grübeln, ob ich mich auch einer Rückblende verweigern soll. So, wie es ja auch schon manche tun.
Wozu, wenn doch oft genug der böse Finger erscheint:Pass auf, was du schreibst!
Michael, hast du die goldene Mitte gefunden?
Du bist ein Suchender,ein Fragender,einer, der Antworten verdient.Ich tendiere zum
stillen Schulterzucken.
Und denke nach.:confused:

_____
Schöne Grüße, Christa

elfirohde
15.04.2011, 15:34
Ja, Helga, das Buch "Unvergänglicher Schmerz" sogar mit einer Dedikation von Peter Poralla, habe ich, aber es lesen, nein das kann ich nicht. Es geht wohl vielen so - die, die Zeiten, genau wie ich, miterlebt haben.
Gruss/Elfi

Helga +, Ehrenmitglied
15.04.2011, 16:54
Hallo Elfi,

das kann ich gut verstehen, mein Vater konnte es auch nicht lesen. Nach all den Jahren war es ihm zu nah, zu schrecklich die Erinnerung. Aber ich konnte es lesen. Voller Neugier - zunächst - dann aber mit Tränen und Trauer. Ich bin ein Nachkriegskind, es waren nicht meine Heimat, nicht meine Erlebnisse, aber die auch meiner Familie. Ich habe diese wunderbare Buch bis heute nicht zu Ende gelesen, weil es selbst für mich als nichz unmittelbar Betroffene nur stückchenweise geht.

Und was heißt schon ewiggestrig Christa. Ich kann sehr viele Gefühle der betroffenen Generationen verstehen. Auch das da immer noch - nach all der Zeit - Trauer ist, Bitterkeit vielleicht, Tränen. Immer noch. Wer will es verdenken nach solchen Berichten, besser gesagt Erlebnissen.

Dass es nun heute andes ist, das Andere anerkannt ist, Danzig heute Gdansk ist, ist so und wird auch so bleiben, hat aber mit diesen Gefühlen nichts zu tun. Man kann in der heutigen Zeit gut und gerne leben und trotzdem ab und zu wehmütig oder sehnsüchtig zurück blicken, denke ich.

Wolfgang
15.04.2011, 18:01
Schönen guten Nachmittag,
hallo Christa,

ist es wirklich so, dass man generell und pauschal als "ewiggestrig" dargestellt wird wenn man ganz einfach nur über den Verlust der eigenen Heimat erzählt? Gibt es wirklich eine andere Jugend, die sich alles wieder zurückholen will? Ist es wirklich "so schrecklich schwer, in Polen seine deutsche Identität behaupten, es öffentlich bekennen zu wollen?" Muß man dazu "Mut" haben?

Auf alle vier Fragen antworte ich NEIN! Es mag bei den zwei ersten Fragen vereinzelt Fälle geben, in denen selten auch einmal ein "ja" als Antwort möglich ist, aber kann es nicht sein, dass dann mitunter subjektive Gefühle die Fakten überlagern?

Auch wenn das Wort "ewiggestrig" als Unwort angesehen wird: Gibt es denn nicht tatsächlich "Ewiggestrige", die die Zeiten zurückdrehen wollen? Wurden denn nicht diese Forderungen nach einem Danzig, das wieder deutsch werden muss, heftig kritisiert? Und weniger die Forderung, sich "mutig" zu seinem Deutschtum zu bekennen? Obwohl auch eine solche Forderung suggeriert, man müsse dazu Mut haben...

Es gibt hier in Danzig kaum mehr irgendjemanden, der irgendwelchen "Mut" dazu aufbringen muss. Das ist Vergangenheit, ewiggestrig, und heute Unsinn.

Meine Erfahrung ist -und sie ist mitunter auch traurig, teils verstörend-, dass viele Menschen -und zwar sowohl Junge als auch Alte- nichts darüber hören wollen. Der Kreis Jener, die aber sehr genau zuhören, die tief mitfühlen, die mehr wissen wollen, wird immer größer. Das zeigt nicht nur unser Forum, in dem der Altersdurchschnitt nach meiner Schätzung deutlich unter 40 Jahren liegt, sondern auch das riesengroße Interesse an Publikationen und Fernsehsendungen, die sich mit dem Verlust der alten Heimat befassen.

Viele Grüße aus dem heute sonnigen Danzig
Wolfgang

jonny810
15.04.2011, 20:56
Hallo Heibuder- Wolfgang.

Ich weiss, du bist ein gebildeter, intelligenter Mensch.

Ich bin aber erst seit 2008 Mitglied des Forums. Das vorab.

Was alles vor meiner Zeit gelaufen ist, weiss ich nicht. Ich weiss aber, dass wir

a. zwei individuelle sind Menschen sind, und
b. kenne ich deine Mentalität nicht.

Für mich stand als Kind schon fest, nie zum Militär zu Gehen. Ich habe es geschafft.

Lieber bin ich ein Bergmann geworden und habe eine Familie gegründet - und war für sie immer ansprechbar.
Als Bergmann war man zur damaligen Zeit vom Wehrdienst befreit. Den Wehrpass habe ich noch heute.

Das Wort Kriegs-Helden kann ich 65 Jahre danach noch nicht positiv bewerten. Man war doch erst dann ein Held,
je mehr man so genannte Gegner oder Feinde umgebracht, oder gefangen genommen hat, oder?

Dafür gab es dann Orden und Auszeichnungen, welche von einigen Menschen gesammelt und gezeigt werden. Ja, das gibt es.

Ich habe mir nie Kriegs-Filme angeschaut und in meinem Leben noch keine Uniform getragen. So wird es auch bleiben.

Wenn man mal gesehen hat, was Deutschland alles verloren hat, ich denke dabei nicht nur an Menschen die ihre Pflicht erfüllen mussten,
auch an die vielen Kinder und Frauen, die tot in den Strassengräben lagen, ist man , wenn man so geformt ist wie ich,
sein Leben lang traumatisiert.

An anderer Stelle hatte ich schon einmal über viele verschiedene Erlebnisse gesprochen.
Ich möchte das auch nicht so breit treten, das würde zu weit führen.

Ich bewältige heute meine unschöne Jugendzeit, durch das Schreiben von Gedichten, oder andere Hobby's, die ich pflege.

Es gibt sicherlich Helden, ich gehöre nicht dazu.

wenzkauer
15.04.2011, 21:46
Hallo Christa,
die goldene Mitte finde ich nur manchmal. Das hängt eben auch von der Person ab, mit der man es zu tun hat. Kürzlich erlebte ich folgendes beim kennenlernen auf einem Lehrgang. Wichtig ist mir dein Nachname, fast noch wichtiger der Vorname samt Konfession und die Herkunft der Familie, am besten den Namen des Dorfes und die genaue Lage. Achja, das war schon immer eine polnische Ecke und fortan war das vorbei mit der goldenen Mitte. Die Schublade war für mich bestimmt.
Hinterher war das alles nur Spaß...und sind wir mal ehrlich, spult sich dieses Denkmuster nicht in jedem von uns ab?
Viele Grüße von der anderen Seite der Ostsee Michael

susannefreter
20.04.2011, 00:17
Hallo zusammen,

wollte mich als "Jüngere" auch mal zu Wort melden.
Mein Zeitzeuge ist mein Onkel, der 1939 in Danzig geboren wurde. Von ihm habe ich Geschichten gehört, die mir Schauer über den Rücken laufen ließen.
Seine Kindheit -eine einzige Katastrophe- würde heute jeden Psychotherapeuten auf den Plan rufen. Ich frage mich immer, wie man danach ein "normales " Leben führen kann, wenn denn möglich.
Ich weiß, dass er kein Einzelfall ist und brauche deshalb nicht auch noch andere Gruselgeschichten aus der Kriegszeit.

Belcanto
20.04.2011, 10:39
Hallo Susanne
Da hast mit deiner Einschätzung recht. Ein "normales Leben", zu führen, kann nur jeder für sich, individuell beantworten. Ich werde werde immer noch von Alpträumen geplagt. Ist das normal? Mit Sicherheit, konnte wir Kinder nach dem Krieg keine Hilfe in Anspruch nehmen, und so schleppen viele diese traumatische Ereignisse bis heute mit sich herrum.

vklatt
20.04.2011, 11:51
Das Lesen solcher Artikel oder Berichte hier im Forum oder im Fernsehen geben mir die
Möglichkeit meine Erlebnisse aufzuarbeiten.
Wenn es während des Krieges im Radio Nachrichten oder Durchsagen gab, mußten wir
Kinder immer den Raum verlassen. Ich denke, es ist nicht gut, wenn die Geschenisse einen so ohne Vorwarnung überrollen. Die Eltern konnten sich schon seelisch darauf vorbereiten. Wir wurden morgens um vier aus dem Bett getrommelt, weil es hieß, die
Russen kommen. Meine Mutter mit mir, meine älteste Schwester mit ihren beiden kleinen Kinder, zwei Tanten mit zusammen vier Kindern sind gemeinsam aus Nickelswalde geflüchtet. Es gab für uns Kinder keine Erklärungen während der Flucht, egal was passierte. Auch nach dem Krieg hat niemand mit uns über unsere Erlebnisse gesprochen und soviel ich weiß, auch die Erwachsenen nicht miteinander.
Wir waren eine größere Gruppe und doch war jeder allein. Ich habe nie einen von uns weinen sehen, der Schock über die Erlebnisse war wohl zu groß.
Wenn ich jetzt zumindest teilweise, denn alles schaffe ich nicht, solche Berichte lese, denke ich, hilft es mir meine Vergangenheit aufzuarbeiten. Denn jetzt kann ich weinen und das erleichtert.
Als ich mit meinen erwachsenen Söhnen darüber sprechen wollte, hatten sie kein Interesse.
Umso mehr erfreue ich mich an allem Schönen in der Natur, an schöner Musik/Gesang,
und an den schönen Gedichten hier im Forum.

Viele Grüße
Vera

Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem
Römer 12.21