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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mrongovius- ein Gelehrter, der in Danzig lebte, lehrte, wirkte



Beate
21.12.2011, 19:41
Einen schönen guten Abend allen!

Hier (http://forum.danzig.de/showthread.php?7720-Zug-und-Autofahrt-Berlin-Danzig-Berlin-2011) wurden ja bereits einmal die Tafeln an dem 1577 fertig gestellten Gebäude der Johannesschule in der Häkergasse erwähnt. Mittlerweile habe ich mehr über Christoph Mrongovius in Erfahrung bringen können und habe deshalb dafür ein eigenes Thema eröffnet. Denn: noch ein Gelehrter, der in Danzig gelebt hat…
Christoph Coelestin Mrongovius (*19.7.1764 Hohenstein/Ostpreußen, +3.6.1855 in Danzig) war ev. Pfarrer, Lehrer, Schriftsteller, Philosoph, Sprachwissenschaftler und Übersetzer
Die kleine Tafel erinnert an die Schule selbst, die größere, polnischsprachige an Mrongovius, der im Schulgebäude sein Arbeitszimmer eingerichtet hatte und hier mehrere Jahrzehnte an seinen zahlreichen Veröffentlichungen arbeitete. Vor der Danziger Universität findet man seine Statue und eine weitere Ehrung erfuhr er durch die Umbenennung der Stadt Sensburg (Zadzborg) in Mragowo.

9245
Übersetzung der Tafel:
In diesem Haus arbeitete 43 Jahre
Krzysztof Celestyn
Mrongowiusz
Gelehrter, Lehrer und Prediger
Verbreiter und Verteidiger des Polentums
in Danzig, Pommern und Masuren

Mrongovius war von Jugend an mit der in Masuren gesprochenen polnischen Sprache vertraut, nach dem Schulbesuch in Saalfeld folgte das Studium in Königsberg.
Er war einer der größten Polonisten seiner Zeit, verbreitete polnisches Kulturgut in Masuren, Danzig und Pommern. (s. Tafel)
In seiner Heimat Masuren, in die Siedler evangelischen Glaubens, die im katholischen Königreich verfolgt wurden, eingewandert waren, kämpfte er gegen eine drohende Germanisierung und für den Erhalt der polnischen Sprache. Die polnische Sprache und die evangelische Konfession schlossen einander in Masuren nicht aus, diese Besonderheit wurde bis zur Reichsgründung von 1871 respektiert und vor allem von den masurischen Pfarrern gepflegt, u.a. von Christoph Mrongovius und Gustav Gisevius. Beide setzten sich für den Erhalt der polnischen Sprache und gegen eine drohende Eindeutschung ein. Im Laufe der Zeit optierte Mrongovius wie auch Gisevius für Polen, sein Name wurde zu Krzysztof Celestyn Mrongrowiusz polonisiert.
Zwischen 1790 und 1796 war Mrongovius am „Collegium Fridericianum“ als Lehrer für die polnische und griechische Sprache in Königsberg tätig. 1797 wechselte er als polnischsprachiger Prediger an die St. Annen – Kirche zu Danzig, wo er auch 1798 zum Pastor dieser Kirche berufen wurde.
Von 1812 bis 1817 war Mrongovius in Danzig auch als Lehrer für Polnisch tätig. Die äußeren Bedingungen für das Polnisch lernen waren territorial und zeitlich unterschiedlich. In den Gebieten, in denen aufgrund der geschichtlichen Entwicklung Deutsche und Polen zusammen lebten (Breslau, Danzig, Thorn und Königsberg) war der Bedarf und das Interesse entsprechend groß, so dass an den Gymnasien Polnischunterricht eingeführt wurde. Mrongovius unterrichtete in Danzig vermutlich insbesondere am Akademischen Gymnasium. An der Johannesschule, die zu der Zeit noch keinen gymnasialen Status hatte, war Polnisch kein Unterrichtsfach.
Ab 1823 war er Mitglied der Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften in Warschau und ab 1827 der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde in Stettin. 1852 wurde er mit der Medaille der Historisch-Literarischen Gesellschaft in Paris geehrt und 1853 erhielt er den preußischen Orden des Roten Adlers.
Einige seiner veröffentlichen Werke:
Polnisches Lesebuch (1794), Handbuch der hochpolnischen Mundart (1794), Polnische Sprachlehre für Deutsche (1805), Ausführliches Polnisch-deutsches Wörterbuch, 2 Bd. (1828), Ausführliche Grammatik der polnischen Sprache (1837), Polnisch- deutsches Stammwörterbuch und Nomenklatur (1838),
Er übersetzte auch zahlreiche philosophische Werke ins Polnische und war bis 1798 auch Lektor der polnischen Sprache in mehreren Verlagen.

Ich denke, Mrongovius ist es wert, auch hier im Forum erwähnt zu werden.

Forumsteilnehmer Klaus Hinz danke ich vielmals für die Mitarbeit an diesem Artikel.


Schöne Grüße Beate

Ulrich 31
15.01.2012, 23:42
Liebe Forumer,

spät, aber sehr herzlich bedanke ich mich bei Beate und bei Klaus Hinz (alias Klausy) für ihren gemeinsamen Artikel, den Beate so schön ins Forum gesetzt hat.
Dieser Beitrag beleuchtet die Person und das Wirken eines bedeutenden Gelehrten, Lehrers und Predigers,
Christoph Coelestin MRONGOVIUS (Krzysztof Celestyn Mrongowiusz, 1764-1855) - M. -, der mir bisher unbekannt war. Dass ich nun, erst durch meine neue Teilnahme am Forum, von ihm erfahren habe, freut mich in ganz besonderer Hinsicht. Das Haus in der Häkergasse nämlich, das Beate fotografiert hat und das sie durch Nachfrage im Forum zu M. führte, hat für mich auch eine ganz persönliche Bedeutung. In jenem Haus befand sich in früherer Zeit die Johannesschule, und diese war der Vorläufer des späteren Realgymnasiums St. Johann im ehemaligen Franziskanerkloster in der Fleischergasse, das ich von Sexta bis Quarta (1941-1944) besuchte und das vor meiner Zeit von Angela Merkels Großvater Willi Jentzsch geleitet wurde (siehe dazu das Forum-Thema "Hat Angela Merkel Wurzeln in Danzig?").
Die Gedenktafel am beschriebenen Haus in der Häkergasse weist M. als "Verbreiter und Verteidiger des Polentums in Danzig, Pommern und Masuren" aus. Dieser korrekte, nicht gefärbte Hinweis lässt über die Geschichte Polens nachdenken.
Durch die sukzessive Aufteilung Polens unter Russland, Österreich und Preußen (1772, 1793 und 1795) gelangte ein beträchtlicher Bevölkerungsanteil an Polen (bis zu 10 Prozent) unter die Oberhoheit des Königreichs Preußen, anschließend, ab 1871, unter die des Deutschen Kaiserreichs. Erst 1918, durch den Versailler Vertrag, erhielt Polen wieder seine Souveränität zurück. In den von Preußen annektierten polnischen Gebieten hatten die dort lebenden Polen insbesondere nach 1830 bzw. 1863 durch den reaktionären Kurs in den preußischen Ostprovinzen einen schweren Stand. Zunehmende "Germanisierungsbestrebungen" verschlechterten ihre Situation. Insbesondere der umstrittene Kanzler Bismarck, der nicht nur die Katholiken durch seinen sog. "Kulturkampf" demütigte, zeigte sich auch allen "Fremden" gegenüber intolerant, so auch gegenüber den in seinem Machtbereich lebenden Polen, die er zum Teil sogar des Landes verwies.
Gegen diese "Germanisierungstendenzen", zu denen auch die Verdrängung der polnischen Sprache gehörte, wehrte sich Mrongovius.

Ein anderer, der sich nicht nur für die Katholiken, sondern auch für die Polen in Preußen einsetzte, war der große parlamentarische Gegenspieler von Bismarck, Ludwig WINDTHORST (1812-1891). Dieser kleinwüchsige, fast blinde Jurist wurde selbst von Kaier Wilhelm II. verehrt und postum besonders gewürdigt: Sein Trauerzug durfte die Kaiserdurchfahrt in der Mitte des Brandenburger Tores benutzen.
Zur näheren Information über diesen Mann, der mir auch erst durch das letzte, traditionelle Weihnachtsrätsel im berliner "Tagesspiegel" bekannt wurde, nenne ich diese Links:
www.ludwig-windthorst-stiftung.de/download/070919VortragBecker.pdf und
www.ludwig-windthorst-stiftung.de/download/070919VortragJanus.pdf .

In der kürzlich beendeten Ausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin, "Tür an Tür, Polen - Deutschland, 1000 Jahre Kunst und Geschichte", wurde das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und Polen speziell beleuchtet. Die Ausnahmesituation von Danzig wurde darin leider nur sehr eingeschränkt dargestellt.

Mit nochmaligem Dank an Beate und an Klaus Hinz grüßt
Ulrich

Beate
16.01.2012, 01:24
Guten Abend, Ulrich,

schönen Dank für Deine weiteren Informationen, für die weitere Ergänzung des geschichtlichen Hintergrundes!

Ich freue mich, dass das Foto mit so viel "Leben" erfüllt werden konnte, ich danke allen dafür!

Herzliche Grüße Beate


...und nun gebe ich auch die Hoffnung nicht auf, dass ich noch erfahren werde, was mein Profilbild zeigt, aufgenommen in einer Gasse um die Marienkirche... :D

cortés
05.02.2012, 21:10
Wer noch ein Bild ansehen möchte:

http://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_C%C3%B6lestin_Mrongovius

Viele Grüße

Rogan