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Wolfgang
21.02.2012, 23:37
Aus den Tiegenhöfer Nachrichten, 1987 (die kompletten Jahrgänge der Tiegenhöfer Nachrichten sind vom "Gemeinnützigen Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder e.V." unter www.tiegenhof.de (http://www.tiegenhof.de) zur Verfügung gestellt worden.

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Erinnerungen an Fürstenwerder
von Dr. Hans Aron Hamm

Immer wieder bin ich aufgefordert worden, manches von dem zu Papier zu bringen, was vor allem deshalb größeres Interesse verdient, weil mein Heimatdorf Fürstenwerder, im Gebiet der ehemaligen Freien Stadt Danzig gelegen, seit 1945 polnisch wurde.

Inzwischen gibt es eine Flut von Veröffentlichungen ehemaliger Danziger, die, auch wenn sie nach Lage der Dinge persönlicher Natur sein müssen, Licht in Zusammenhänge brachten, die zunächst tabu waren. Sie führten dazu, die Erfahrungen der Kriegsgegner 1939-1945 doch recht einseitig zu sehen.

Wie kann man denn überhaupt an eine möglichst gerechte Würdigung menschlichen Zusammenlebens im Dorf Fürstenwerder herangehen? Ich möchte mit einer Art Bestandsaufnahme der landwirtschaftlichen Betriebe und ihrer Bewohner beginnen.
Fürstenwerder war - wie manche Ortsgründung in Verfolg der sog. Ostkolonisation – ein Straßendorf. Die Dorfstraße zog sich in nord-südlicher Richtung die Elbinger Weichsel entlang. Diese war ein stehendes Gewässer, diente Dampfern für den Personenverkehr und trug breite Schiffe für den Transport z.B. von Getreide nach Danzig, dem Hauptumschlagplatz für den Export z.B. von Holz.

Nun - beim Rückblick auf die landwirtschaftlichen Betriebe soll von Norden her mit dem Hof von Cornelius Franzen begonnen werden. Wie der überwiegende Teil der Hof- und Grundbesitzer in Fürstenwerder war C. Franzen Mennonit. Seinen Betrieb hatte er gekauft, das war die Regel. Ein Höferecht, nach dem z.B. entweder der jüngere oder der älteste Sohn den Betrieb weiterführt, gab es nicht. Das blieb dem 1933 konzipierten Erbhofrecht vorbehalten. Es gab genügend Widerstand hiergegen. Gelegentlich verloren „weichende Erben“ nicht unbeträchtliche Teile ihres Erbes. Cornelius Franzen hat es nicht leicht gehabt, von seinen Nachbarn anerkannt zu werden. Familiäres Leid - seine Frau starb an der Geburt ihres - ich glaube des sechsten - Kindes -, trug das seine dazu bei, dass man zu wenig voneinander
wusste. Für die Jugend bildete die „Badestelle“, dem Hof Franzen gegenüber auf
der Dammseite der Elbinger Weichsel gelegen, eine im Sommer gern genützte Chance für sportliches Schwimmen, aber auch der allgemeinen Körperpflege.

Unmittelbarer Nachbar von C. Franzen war mein Onkel Johannes Heinrich Hamm, der jüngste Bruder meines Vaters Aron Hamm. Der Hof war nicht groß. Mein Großvater hatte ihn 1898 auf Vorschlag und durch Vermittlung von Onkel Heinrich Mekelburger, der später in Altfelde, Kr. Marienburg, sesshaft war, erworben. Der wirtschaftlich Energischere meines Großelternpaares Hamm war die Großmutter, Louise, eine geborene Esau. Die liebe Großmama soll einmal beim Besuch meiner Eltern nach meiner Gesundheit gefragt haben, dann aber auch nach der der Schweine. Die Auskunft meiner Eltern befriedigte sie nicht ganz, dem Enkel ging es nicht ganz gut. Indessen soll die alte Dame geäußert haben: „Der Jung' wird es schon schaffen, Hauptsache ist: die Schweine sind gesund!“ Ich war ihr ältester Enkel, ein lebhaftes Kerlchen, das seine Omama und seinen Opapa - wir nannten die Großeltern dreisilbig - zu nehmen wusste. Nach dem Verkauf ihres Hofes an Onkel Hans zogen die Großeltern Hamm in das sog. Rentierhaus, meinem Elternhaus gegenüber auf der anderen Seite der „Chaussee“, einer befestigten Straße nach Tiegenhof, gelegen. An diesem Rentierhaus musste ich vorbei, wenn ich um die Mittagszeit aus der Schule kam. Da wurde ich eingeladen, am Mittagessen teilzunehmen, zumindest gab es ein oder zwei Stückchen Kuchen, die Oma aus der Speisekammer holte. Diese goldene Kinderzeit war zu Ende, als Omama Anfang April 1925 nach einem 3. Schlaganfall starb. Opapa blieb zurück. Er hat mir immer wieder Gutes tun wollen, auch wenn bares Geld in der Ende der 20er Jahre eintretenden Wirtschaftskrise knapper wurde. Onkel Hans konnte nicht allen Anforderungen gerecht werden, auch wenn er seinem Vater rechtlich und finanziell verpflichtet war. Der Liebe des Enkels zum Opapa
tat das keinen Abbruch. Mein Großvater hatte eine große, ruhige Hand. Ich fühle sie heute noch manchmal. Onkel Hans hat seinen Hof bewirtschaftet so gut er konnte. Die sehr rege „Tante Meta“ - sie lebt heute noch - hat ihm sehr geholfen. Sie schenkte ihm 6 Kinder, 4 Jungs und 2 Mädchen.

Die verwandtschaftlichen Kontakte zwischen meinen Großeltern und den Familien der beiden Söhne Aron und Hans kulminierten im Besuch aus Anlass der Weihnachtstage. Am Heiligen Abend war jede Familie unter sich. Am 1. Feiertag fand sich alles bei den Großeltern im Rentierhaus ein, am 2. Weihnachtstag ging es zu Onkel Hans, um dort zu schauen, was der Weihnachtsmann gebracht hatte. Dies war wechselseitig der Fall. Wir legten als Kinder großen Wert darauf, dass diese Besuche ihre Reihenfolge behielten. Beeinträchtigt wurden die an sich frohen Stunden für uns Kinder nur durch das Gedichtaufsagen. Opapa sah jedoch gern über Unebenheiten beim Deklamieren seiner Enkel hinweg. Er war einer der vier Laienprediger unserer Mennonitengemeinde Fürstenwerder und neigte immer zum Ausgleich.

1902 wurde er gewählt, er blieb es bis 1932. Ohne seine Frau mochte er dann die
intellektuelle Disziplin nicht mehr aufbringen, die nun einmal für die Vorbereitung
der Predigten notwendig war. Er war eben Landwirt, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Der Nachbar in der weiteren Reihenfolge von Nord nach Süd war Richard Vorbusch, vormals Eduard Harder. An den Hof von Vorbusch schloss sich der Betrieb von Otto Andres an. Im Altenteil, unmittelbar neben Vorbusch, wohnten Eltern und vier, z.T. erst spät heiratende bzw. unverheiratete Schwestern. Die Bewirtschaftung der umfangreichen Ländereien von Otto Andres erfolgte von einem für diesen Zweck zentral gelegenen Hof im freien Feld. Otto Andres war ein sehr begabter Landwirt. Er hatte eine sogen. Höhere Landbauschule besucht. Vor allem war er ein hervorragender Ackerwirt. Für die leistungsfähige Rinderherde sorgte ein Melker, der, ohne seinen Chef zu fragen, entschied, welches eben geborene Stierkalb der Zucht erhalten werden sollte. Ein liebenswerter Mensch war Otto Andres' Ehefrau Friedel, sie stammte aus Siebenbürgen, war dort Lehrerin gewesen und folgte ihrem Verlobten nach dem 1. Weltkrieg nach Fürstenwerder.

Die Reihe der Nachbarn wurde dann von unserer Familie fortgesetzt. Mein Vater hatte den Hof 1912 vom Pflegevater seiner Frau, Hermann Wienß gekauft. Beim Übergang eines Grundstücks an den Nachfolger wurde zunächst ein größerer Betrag bar angezahlt, das Restkaufgeld wurde hypothekarisch eingetragen und verzinst. Die Großeltern zogen 1912 nach Danzig. Beim Währungsschnitt 1923 verloren sie "über Nacht" ihr Kapital. Mit unvorstellbarer Sparsamkeit - wenig barem Geld - und wöchentlich aus Fürstenwerder gelieferten Lebensmitteln haben sie sich in Danzig halten können. Großvater Wienß ist Ende 1932 in Danzig gestorben, die Großmutter ging zu meinen Eltern nach Fürstenwerder, sie starb dort im Sommer 1944.

In einem landwirtschaftlichen Betrieb sind Wohnort und berufliche Wirkungsstätte untrennbar miteinander verbunden. Vom Betriebsleiter bis zum Stubenmädchen arbeiten alle Arbeitskräfte Hand in Hand. Geprägt wurde das Miteinander durch die fast ausschließliche Zugehörigkeit der Hof- und Grundbesitzer zur Mennonitengemeinde. Bernhard J. Harder, einer unserer mennonitischen Autoren, sagt in seiner Schrift „Alexandertal“, der letzten deutschen Mennonitensiedlung in Rußland: „Der Gemeindesinn war nicht allein im kirchlichen Bezirk vorherrschend, er fand Anwendung in der gesamten Lebenshaltung.“

In dieser Welt bin ich mein Leben lang zu Hause gewesen, auch im Hause meiner Großeltern Wienß in Danzig, später in der Pension von Frau Luise Reimer, die ihre mennonitischen Zöglinge zu den Andachten in die Mennonitenkirche mitnahm. Dort hörte ich oft den Prediger Mannhardt, später seinen Nachfolger Erich Göttner, der mich auch als knapp 16jährigen in Danzig getauft hat.

Mennoniten sind beruflich tüchtige Leute gewesen, sowohl als Landwirte als auch als Kaufleute. Ihre Anspruchslosigkeit ließ sie in der Regel zu leidlichem Wohlstand kommen. Auch ohne Prädestinationslehre fühlten sie sich in ihrer äußeren Lebenshaltung in Gottes Hand. Gottvertrauen bewahrten sie auch in Zeiten, die ihnen Schweres brachten. Das traf u.a. auch auf jene Familienangehörigen zu, die vor - von heute gerechnet - rund 150 Jahre - nach Russland auswanderten. Als Kind habe ich in der Wohnung meiner Großeltern Wienß in Danzig den Erzählungen über unsere russländischen - nicht russischen - Verwandten gehört.

Man kann sich nur schwer vorstellen, wie unsere ostdeutschen vorkriegszeitlichen Landwirte heute in glaubensbrüderlicher Verbundenheit ihre Betriebe führen würden. Nur zu einem kleinen Teil sind sie nach der Vertreibung beruflich Landwirte geblieben, überwiegend haben sie gar nicht mehr beginnen können, selbständige Landwirte zu bleiben. Der Grund und Boden für einen Neubeginn im Westen fehlte einfach, auch für eine Pachtung. Es bleibt die strahlende Erinnerung an die innere Unabhängigkeit, die in einer immer arbeitsteiligeren Welt abnehmen muss.

Wir waren immer eine glückliche Familie. Eine optimistische Grundnatur ließ uns Widrigkeiten überwinden, zu denen das Abbrennen der Wirtschaftsgebäude - Stall und Scheune - im Oktober 1923 z.B. gehörte. Die Versicherungssumme - ausgezahlt nach der Währungsreform - deckte nur einen Bruchteil des Schadens. Für den Wiederaufbau stellte die Lebensversicherungsanstalt Westpreußen Mittel zur Verfügung, die sie dann - 1930 - kündigte; für meinen Vater sehr schmerzlich. Von 1923 bis 1929 ging es dann wirtschaftlich noch aufwärts. Man konnte auch als Landwirt recht gut von einer prosperierenden Volkswirtschaft leben. Diese Entwicklung legte den Grundstein zu meiner schulischen Entwicklung in Danzig.

Unser Nachbar in südlicher Richtung war Walter Wiebe, ein Waidmann, Vater von 10 Kindern. Sein landwirtschaftlicher Betrieb war mit einer der ältesten in der Gemarkung Fürstenwerder. Walter Wiebe war ein guter Landwirt, der große Flächen mit Weißkohl bebaute und gute Erträge hatte. Die Männer der Familie Wiebe schossen gern. Walter tötete z.B. unseren „Gripto“, einen sehr edlen Schäferhund.

So konnten auch mennonitische Nachbarn einander auf sehr törichte Weise Schaden
zufügen. „Amtsrat“ Johannes Wiebe war der Vater von Walter Wiebe. Sein Hof lag ähnlich wie der von Otto Andres jenseits der nach Tiegenhof führenden Chaussee im sogen. Feld, daher „Feldsche Wieb“ genannt. Er war ein gemütvoller Mensch, er hätte niemals einem seiner Nachbarn den Hund getötet.

Wenn man der eingeschlagenen Richtung der Dorfstraße folgt, grenzt an den Hof von
Walter Wiebe der Betrieb der Gebrüder Schulz, Neffen meines Großvaters Wienß. Vordem gehörte das ansehnlich Anwesen dem Hause Pohlmann. Der praktischen Landwirtschaft gewannen die „Pohlmänner“ wenig Freude ab, sie jagten lieber, auch auf Fische sollen sie mit einem Kleinkalibergewehr geschossen haben. Auch ein dem Betrieb gegenüberliegendes Gasthaus gehörte ihnen. Das Haus Pohlmann war nicht mennonitisch, wohl aber Bruno und Gustav Schulz, ihre Nachfolger, die stets als Gebrüder Schulz bezeichneten Nachbarn. Bruno Schulz wurde Nachfolger von „Amtsrat“ Wiebe, Gustav war praktischer Landwirt und einer der beiden Diakone der Mennonitengemeinde Fürstenwerder. Folgt man weiter dem Weg durch's Dorf, kam man zum Großen und Kleinen Bruch. Zwischen beiden stillen Teichen führte ein als „Fang“ bezeichneter Pfad hindurch. Die Gewässer gehörten zum Betrieb Gebrüder Schulz, danach kam das Gebiet des katholischen Pfarrhauses und gegenüberliegend der katholischen Kirche und Schule.

An das Pfarrhaus schloß sich der Hof von Ernst Schneidewind an, ein Vorlaubenhof, ähnlich dem von Walter Wiebe, dann unserem und zwei weiteren, dem vom Deichrentmeister Schulz und Gustav Wienß, dem jüngsten Bruder meines Großvaters Wienß. Dieser „Deichrentmeister“ Gustav Schulz war der ungekrönte König von Fürstenwerder. Für die damalige Zeit konnte er - ohne Studium o.ä. - einfach alles. Zum ersten war er ein guter Landwirt. Sein Anwesen war das erste in der sogen. Bauerntrift. Hier gab es dann noch den wesentlich kleineren Hof von David, später Franz Heidebrecht. Gustav Schulz ließ seine Kinder gut ausbilden. Er selbst bediente in der Mennonitenkirche die Orgel. Gern spielte er Schach. Er soll sich einmal auf dem Rückweg von der Kirche so intensiv mit einigen Spielzügen beschäftigt haben, dass er in einen Wassergraben fiel. Durch seine überragende Persönlichkeit, - das Amt des Deichrentmeisters war dem eines Deichhauptmannes vergleichbar - hatte
er Kontakte zum Landrat des Kreises Marienburg. Dieser war die kommunale Aufsichtsbehörde.

Fürstenwerder - der klangvolle Name lässt schon darauf schließen - war immer
nicht gerade etwas Besonderes, aber etwas Eigenes. Gustav Schulz übersah alles, Persönliches und Fachliches. Als er bald nach dem 1. Weltkrieg starb, hatte er insoweit keinen adäquaten Nachfolger. Der Hof wurde von seinem jüngsten Sohn Gustav bewirtschaftet. Dieser starb vergleichsweise früh im Januar 1925. Das verantwortungsvolle Erbe trat Willi Schulz an.

Vielleicht darf hier unser Dorfgasthaus van Bergen erwähnt werden, es lag jenseits der Straße. Es hatte keinen Saal für Tanzlustbarkeiten, die fanden im "Etablissement"
Grindemann statt. Dieser lag auf der unserem Dorf gegenüberliegenden Seite der Elbinger Weichsel im Dorf Schönbaum. Das Gasthaus van Bergen war der in unserer Heimat gelegentlich anzutreffende Dorfkrug. Dort fanden Sitzungen der Organe unserer Gemeinde statt, vor allem die monatlich stattfindende Sitzung der Molkereigenossenschaft. Pächter dieser Genossenschaft war Otto Ingold,ein Schweizer, der mit niedrigen Schweizer Zinsen ein etwaiges finanzielles Auf und Ab ausgleichen konnte. Den Sitzungsteilnehmern wurde ein mit Butter bestrichenes Stück Käse als Unterlage gereicht für den späteren Genuss von Bier und „Machandel“ der Fa. Stobbe in Tiegenhof. Machandel ist ein klarer Wacholder-Schnaps, der in der Regel gut vertragen wird.

In der Weihnachtszeit gab es dann - ebenfalls im Dorfgasthaus - eine Marzipan-Verlosung, Verwürfelung sagten wir, ein bescheidenes Vergnügen. Für die Wirtschaftsführung waren Wege vorgezeichnet. Man wusste Namen und Telefonanschlüsse von Kaufleuten für Getreide und Vieh. Eine nützliche Kontaktstelle war die sogen. Börse, eine unverbindliche Zusammenkunft der Nachbarn ohne Tagesordnung.

Doch zurück zu unseren Dörflern. Es stehen noch aus: Gustav Wienß, Hermann Klaßen und Ernst Dyck, vormals Johannes Janzen. Gustav Wienß war - ich schrieb es schon - der jüngste Bruder meines Pflegegroßvaters Hermann Wienß, ein persönlich und fachlich gediegener Mensch. Sein Nachbar war Hermann Klaßen. Dieser wog in seinen besten Jahren 365 Pfund, die Zahl war leicht zu behalten: 365 Tage hat das Jahr. Ich komme zum letzten Nachbarn in Richtung Rotebude, dem Ortsausgang von Fürstenwerder, Ernst Dyck. Er war geachteter Laienprediger unserer Mennonitengemeinde, Nachfolger meines Großvaters Aron Hamm.

Wenn man die Strecke des eigenen, nunmehr 73jährigen Lebens überblickt, gibt es doch einige zusammenhängende größere Zeitabschnitte, in die ich mein Leben einordnen möchte:

a) die Zeit nach dem 1. Weltkrieg. Es waren für die Landwirtschaft allgemein gute Jahre. Wissenschaftler haben von einer „goldenen Zeit“ gesprochen. Sie ging zu Beginn der 30er Jahre mit der Weltwirtschaftskrise zu Ende.
b) 1933 kam der Nationalsozialismus. Danzig war eine Freie Stadt. Sie war politisch und verwaltungsmäßig vergleichsweise unabhängig. Man konnte sich manches, vor allem für die Landwirtschaft Positives, aussuchen
c) Der Ausbruch des 2. Weltkrieges unterbrach die Entwicklung,am 1.9.1939 wurde der Reichsgau Danzig-Westpreußen geschaffen
d) Das Ende des 2. Weltkrieges war das Ende, besser, der Untergang meiner Heimat, das Ende meines Heimatdorfes Fürstenwerder, so wie es bis dahin bestanden hatte.
Die Landwirte in Fürstenwerder haben sich in diesen vier größeren Zeitabschnitten durchaus unterschiedlich verhalten.

Zu a) In dieser Zeit nach 1919 gab es kaum Probleme. Gelegentlich gab es Absatzschwierigkeiten für die Produkte. Die Verbindungen zum Deutschen Reich brachten dennoch Erleichterungen.
Zu b) Die Einstellung zum Nationalsozialismus war von Nachbar zu Nachbar verschieden. Die Betriebe waren teilweise hoch verschuldet. Insofern begrüßten die Landwirte alle Maßnahmen, die ihnen das Wirtschaften erleichterten. Zu diesen gehörte ein Bündel von Entschuldungsmaßnahmen. Diese korrespondierten mit dem Erbhofgesetz, das im Deutschen Reich nach 1933 eingeführt wurde. Die Landwirt konnten davon ausgehen, dass die Betriebe erhalten blieben.
Zu c) Unsere Nachbarn sind nicht gern Soldat geworden, haben sich aber Pflichten nicht entzogen. Schon früh machte sich in unserer bäuerlichen Welt eine wachsende Skepsis über die Aussichten hinsichtlich des Kriegsendes breit. Das Leben indessen ging weiter. In einer Diktatur gibt es für den einzelnen kein Rechte mehr.
Zu d) Die Heimatvertriebenen brachten den Mut auf, unter ganz anderen wirtschaftlichen Voraussetzungen als „Zu Hause“ staatliche Förderungsmaßnahmen für den Existenzaufbau, gleich welcher Art, zu nutzen. Man sprach von der „Sicherheit in der Unsicherheit“.

Leider ist nicht allen Landwirten aus Fürstenwerder die Flucht in den Westen gelungen. Cornelius Franzen mit seiner Tochter, Ernst Schneidewind und Ernst Dyck haben, soviel ich weiß, beim Untergang der Goya am 16.4.1945 in der Ostsee den Tod gefunden. Hermann Klaßen soll bei Kriegsende in Fürstenwerder umgekommen sein.

Wolfgang
24.02.2012, 09:47
Schönen guten Morgen,

der Verfasser des Erinnerungsberichtes Dr. Aron Hamm ist aufgewachsen in einem Vorlaubenhaus zu dem es ein separates Thema gibt: Vorlaubenhaus Hamm in Fürstenwerder (http://forum.danzig.de/showthread.php?6219-Vorlaubenhaus-Hamm-in-F%FCrstenwerder)