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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wer einmal einen Ausflug (nach Kobbelkampe) tut, ...



Wolfgang
04.03.2012, 20:23
Schönen guten Abend,

tja, wer einmal einen Ausflug tut, der kann etwas erzählen ... :)

Heute Nachmittag nahm ich mir als momentaner Strohwitwer -meine Frau ist auf einer Veranstaltung für Kieferorthopäden in Warschau- vor, einen kleinen Ausflug nach Kobbelkampe, besser gesagt zwischen Kobbelkampe und Bodenwinkel zu unternehmen, dort wo die Königsberger Weichsel in das Frische Haff mündet.

Ruck, zuck, meinen Schäferhund "Maja" (Majeczka) auf die Ladefläche des Sharans verfrachtet, und dann gings los. Über Nickelswalde komme ich nach Steegen und erstmals dort, auf dem Weg nach Stutthof bemerke ich "Straßenkontakt" wenn ich über eine Bodenwelle oder durch ein Schlagloch fahre. Ich vermute, dass sich wieder mal ein kleiner Ast oder sonst irgend etwas unter dem Wagen verfangen hat, nehme mir vor, beim nächsten Halt nachzuschauen.

Ich komme nach Stutthof, folge der alten Danziger Straße Richtung Königsberger Weichsel, biege kurz vor ihr links ab. Wir haben heute traumhaftes Wetter, kristallklarer blauer Himmel, eine frische Brise aus Nordwest, Temperatur knapp über Null, also nicht zu kalt. Die strohfarbene Landschaft -alle Wiesen, das Schilf- leuchtet in warmen Farben die in seltsamem Kontrast zum eiskalten Blau des Himmels stehen.

Bis Kobbelkampe ist der Weg noch recht anständig. Asphalt, kaum Schlaglöcher, auch wenn bei Gegenverkehr die Geschwindigkeit deutlich reduziert werden muss. Direkt nach dem Ortsschild "Kobyla Kepa" (Kobbelkampe), dort finden sich gerade mal drei, vier Häuser, führt die Straße "bergauf", den Deich hoch - vielleicht 1,5 Meter :)

Eine kleine Anmerkung muss ich doch los werden. Gestern war ich mit meiner Mutter in Tiegenhof einkaufen. Auf der Rückfahrt sagte ich ihr, ich liebe das Werder, die flache Landschaft, die einen ungehinderten Blick bis an den Horizont erlaubt. Ich fände es spannend, sagte ich meiner Mutter, so viel Abwechslung zu sehen. Meine Mutter schaute mich fast entgeistert an, und sagte nur, sie fände die Landschaft so ziemlich langweilig. Tja, meinte ich dann, bei mir kommt das "Werderkind" eben stärker durch als bei Dir!

Hinter Kobbelkampe, der Weg führt permanent ganz direkt an der Königsberger Weichsel entlang, ist "Tote Hose". Zwar wunderschön leuchtende Farben, machmal ein herrliches tiefdunkles Blau der Königsberger Weichsel -wenn man mal einen Blick über den Deich erhascht-, aber noch keine Gänse, Komorane, Schwäne, Störche. Der Weg wird abenteuerlich. Betonplatten, aneinander gelegt. "PENG" macht es das erste Mal, kurz darauf ein zweites Mal "PENG". Irgend etwas schlägt gegen den Wagenboden. Gut, der Weg ist zwar wie seit Urzeiten schlecht, aber die Betonplatten liegen fest, ich kann kaum einen Kontakt mit ihnen gehabt haben. "PENG" ein drittes Mal und dr, drr, drrr, drrrr - der Motor geht aus, lässt sich nicht mehr starten. Ich mitten auf der "Hauptstraße" nach Bodenwinkel, glücklicherweise keine Gegenverkehr, auch keiner hinter mir - wer wollte denn bitteschön auch schon kommen? :)

Ich steige aus, schau was unter dem Auto los ist, und bekomme einen Schreck. Die Benzinleitung hängt nach unten, der Benzinfilter dicht über der "Straße", undicht, es tropft. Gut, da lässt sich wenig machen. Zuerst würge ich den Wagen mittels Anlasser von der Straße halbwegs weg, auf einen Streifen braun vertrockneten Grases. Dann Wagenheber raus, das Auto ein bisschen hochgebockt, und das Malheur wird vollkommen sichtbar. Die Halterung für den Benzinfilter ist gebrochen, er hing an der Benzinleitung nach unten, hatte mehrfach Kontakt mit den Betonlatten, ist aufgeplatzt wie eine zerdätschte Konservendose. Glücklicherweise habe ich ein langes Stück dicken Drahtes mit mir und kann die nach unten hängende Konservendose halbwegs so fixieren dass auch kein Benzin mehr ausläuft.

"So ein Schiet", denke ich mir, aber trotzdem kein Problem. Rufe ich halt mal geschwind meinen Freund Zbyszek an, der vorbeikommen oder einen Abschleppdienst organisieren soll. Oder vielleicht meine Frau. Oder vielleicht lieber nicht, weil ich von ihr garantiert zu hören bekomme "ich hab's Dir schon hundert Mal gesagt, so wie Du fährst, passiert bestimmt mal was!" Ich suche das Handy, finde es nicht. Weder in den Hosentaschen, noch in der Hemdtasche und auch nicht im Anorak. Dann fällt mir ein, es liegt zu Hause, am Ladegerät.

Verflucht und drei, jetzt muss ich auch noch los laufen um Hilfe zu bekommen! Ich schnappe mir Maja, meinen Schäferhund -irgendwer muss ja auf mich aufpassen wenn meine Frau nicht mit mir ist :) - und marschiere los. Richtung Stutthof. Nach einem kleinen Weilchen komme ich an ein relativ neues Haus. Direkt vor dem Gebäude etliche Sandsäcke am Deich. Ich stelle mir wieder mal vor, wie das alles absäuft, wenn es bei starkem Nordost einen Haffstau gibt, der mit Urgewalt das Wasser zwei Meter über Normal Null in die Königsberger Weichsel drückt. Dann ist aber Land unter! Ob dann die Sandsäcke nutzen? Das Wasser geht dann bis hinter Stutthof.

Ich gehe zu dem Haus, klingel, eine junge freundliche Frau öffnet. Ich frage sie auf polnisch ob sie deutsch oder englisch spricht. Nein. Nu ja gut, muss ich eben polnisch sprechen. Und ich werde auch verstanden. Ich sage, ich hätte Probleme mit meinem Wagen, da oben -ich zeige mit der Hand die Richtung (überflüssigerweise, es gibt nur eine), und ob sie vielleicht einen Autoservice oder Abschleppdienst rufen könne. Moment, Moment, sagt sie, ich rufe meinen Mann. Kurz darauf kommt er, freundlich, neugierig, hilfsbereit. Was denn sei, fragt er. Ich sage ihm, dass es Probleme mit der Benzinleitung gäbe. Er sagt, er wolle sich das ansehen. Wir stapfen durch die herrlich frischkalte Vorfrühlings-Werderlandschaft zum Auto. Er schaut es sich an, sagt er habe in Stutthof eine Autowerkstatt, und er könne mich dorthin abschleppen. Vielleicht könne er das auch gleich reparieren.

Er läuft zu seinem Haus zurück, kommt mit seinem Wagen, fährt vorsichtig an mir vorbei, nimmt mich (bzw. meinen Wagen) an einem schier armdicken Hanftau an den Schlepphaken. Und dann geht's los, durch die Prairie, querfeldein (rückwärts geht's ja nicht mehr), auf verschlungenen Treckerpfaden zurück nach Stutthof. Mir wird angst und bange, das Tau zwischen unseren Autos ist gerade mal zwei Meter kurz, und wenn der Jung abrupt abbremsen sollte, dann sitz ich ihm im Arsch, weil mangels Motor der Bremskraftverstärker nicht arbeitet. Aber nichts passiert. Er fährt schnell, aber immer dann wenn ein Bremsmanöver bevorsteht, vermindert er schon lange vorher die Geschwindigkeit.

In Stutthof angekommen fährt er sofort zur Werkstatt. Wir schieben den Sharan in eine Fahrzeughalle, er bockt ihn auf, schaut sich alles an, geht kurz weg, kommt einen Moment später mit einem neuen Benzinfilter, löst die Klemmen am alten, montiert den neuen, lässt den Wagen wieder von der Hebebühne. "Ile?", wieviel?, frage ich? Hundert Zloty! Es ist kaum zu fassen. Ich habe dem guten Mann den Sonntag Nachmittag vermasselt, er schleppt mich ab, repariert den Wagen mit einem neuen Benzinfilter und will dann gerade mal knapp 25,00 Euro haben. Ich falle ihm zwar nicht um den Hals, aber ich ziehe ein ganzes Stück mehr Geld aus der Hosentasche.

Ich frage ihn dann noch nach seiner Visitenkarte. So viel Hilfsbereitschaft muss öffentlich gemacht werden. Der gute Mann heißt:
Michal Nowak in Stutthof
Tel. 509 457 242

Wenn mal einer von Euch Probleme mit dem Wagen im Werder haben sollte, Michal Nowak hat meine Empfehlung.

Herzliche Grüße aus dem frostigen Werder
Wolfgang

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
04.03.2012, 21:09
Hallo Wolfgang
Zitat ...Oder vielleicht meine Frau. Oder vielleicht lieber nicht, weil ich von ihr garantiert zu hören bekomme "ich hab's Dir schon hundert Mal gesagt, so wie Du fährst, passiert bestimmt mal was!"

Mhhh .. evtl. hat Deine Frau ja doch ein wenig recht.......???!
Naja .... hat sich Alles erstaunlich gut erledigt.
Viele Grüße nach Danzig -- und immer für "Notfälle" das Handy einpacken.
Hans-Jörg

stazki
04.03.2012, 21:12
Hallo Wolfgang,

jetzt wird es aber Zeit für ein werdertaugliches Off-road-Gefährt, orrer?

Michal Nowak ist im Notfalladressbuch notiert... zum Glück gibt es in Polen noch sehr viele hilfsbereite Menschen!!!

Gruß aus dem frühlingshaften Niederschlesien

Heinz

Wolfgang
04.03.2012, 22:16
Schönen guten Abend,

wer mich kennt weiß, dass mich so ein kleiner vorübergehender Totalausfall eines Autos nicht bremsen kann.

Schließlich war ich auf dem Weg in eins meiner kleinen persönlichen Paradiese. Es gibt ja nicht nur ein Paradies, es existieren viele! Wir müssen nur die Augen dafür haben. Einer meiner Lieblingsplätze stellt die Mündung der Königsberger Weichsel ins Frische Haff dar. Selbst im Juli und August, wenn die Strände im Werder hoffnungslos überlaufen sind und man auf hundert Metern Strand manchmal zwei, drei Touristen findet, verirren sich hierher vielleicht zwei, drei Touristen am Tag. Gut, vielleicht kommen auch noch zwei, drei Angler dazu, die dann aber meistens im Boot. Um es kurz auszudrücken: Hier herrscht himmlische Ruhe. Selbst wenn Ihr alle kommen wollt, wird noch immer himmlische Ruhe herrschen. Eine Hälfte verirrt sich wahrscheinlich, weitere 20% bleiben im Blott stecken, andere 10% kommen gar nicht so weit weil es ihnen vorher so gut gefällt, dann kommen noch 10% deren Autos den Geist aufgeben weil sie nicht mit den Betonplatten zurecht kommen. Aber dann, den restlichen 10% offenbart sich etwas Einmaliges: Geballte Natur, einmalige Farben, das wunderbare weite Haff bis hin zu den Elbinger Höhen, quakende Frösche, Gänse, Enten, Hühner, Schwäne, riesige Kormoranschwärme. Es ist ein Land zum Innehalten, zum Träumen, zum Ruhefinden.

Ich habe auch heute wieder, wie immer wenn ich dort bin, Bilder aufgenommen. Es sind visuelle zweidimensionale Eindrücke, die sich mir in Wirklichkeit multidimensional offenbaren. Denn die bekannte dritte Raumdimension ergänzt sich durch Geräusche und Gerüche. Und noch etwas, etwas was jede Dimension sprengt: Dort findet sich ein Platz für das Glücklichsein, ein Platz, sich jedweder Fesseln zu entledigen, ein Platz Eins zu werden mit der Natur - wenn man sich darauf einlassen möchte. Es ist ein Plätzchen Paradies für Einsame und Zweisame. Natürlich auch für Familien, aber Jenen erschließt sich die malerische Landschaft und die wuchtige Natur auf eine andere Art, die aber jeder für sich selber entdecken muss.

Hier nun einige Aufnahmen aus dem Vorfrühling. Ich liebe dieses Mündungsgebiet zu jeder Jahreszeit, auch wenn der/die Eine oder Andere Gründe dafür finden mag, zu sagen der März, der April, der Mai, der Juni, der Juli, der August, der September, der Oktober, der November, der Dezember, der Januar oder der Februar sind schöner. Aber das hängt natürlich auch vom Wetter ab.

Für mich sind Wetter und Jahreszeiten schietegal: Jedes Wetter und jede Jahreszeit haben ihre eigenen typischen Reize.

Viele Grüße aus dem eiskalten und sternenklaren Werder
Wolfgang

Wolfgang
04.03.2012, 22:30
Noch ein kleiner Hinweis: Wenn Ihr die Photos vergrößert sehen wollt, könnt Ihr ZWEI Mal auf das entsprechende Anhangbild klicken und Euch offenbart sich das Paradies bildschirmfüllend.

Viele Grüße
Wolfgang

Waldschrat
05.03.2012, 11:42
Das mit dem Herrn Nowak ist eine gute und wichtige Information für die Leute im Forum. Und man sollte noch mehr solcher Tipps veroeffentlichen. Ich weiss auch eine gute Autowerkstatt: in Chełm ist die Firma 'Carman'. Die arbeiten zuverlässig.

Wolfgang
12.04.2012, 23:47
Schönen guten Abend,

am letzten Montag waren wir auch wieder einmal in Kobbelkampe, an der Einmündung der Königsberger Weichsel ins Haff. Der Wind war frisch, war rauh, und draußen auf dem Wasser waren kleine kurze gischtgekrönte Wellen zu sehen.

Mich phasziniert immer wieder der Blick über Schilf und Wasser auf die Elbinger Höhen. Succase, Cadinen, Tolkemit und Frauenburg sind in der Ferne auszumachen. Bald werden hier auch wieder die ersten Segler unterwegs sein.

Viele Grüße aus dem nächtlichen Werder
Wolfgang

UtaK.
13.04.2012, 02:09
Hallo Wolfgang,

Vielen Dank für die schönen Bilder!

Uta K.

RRose
13.04.2012, 09:30
Guten morgen Wolfgang,

Das sind ja wirklich sehr schöne Bilder! Da kann ich es verstehen, dass Du trotz der Strapazen, die der Bau und das übrige Leben in Polen (z.Bsp. ärztliche Versorgung) Dir und Deiner Familie bereiten, in Deine Heimat gezogen bist.
Auf den Bildern sieht man Dich ja auch wieder ohne Bart... Obwohl ich sagen muss, dass Dir der Bart sehr gut gestanden hat:-)

Herzliche Grüsse aus dem verregneten Brandenburger Land!


Christina

Wolfgang
23.08.2013, 22:22
Und auch Kobbelkampe verleitet zum Träumen.

Merkwürdigerweise herrschte dort heute Stille: Keine Frösche, keine Vögel... - nur der das Schilf wiegende Wind. Nicht einmal ein Kormoran war dort zu sehen.

Und die Wolken, ja, die Wolken!

Aber auch das ist schön.

Ein Plätzchen wie ich es liebe.

War jemand von Euch bereits dort?

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

P.S.: Vor ein paar Jahren sah ich dort sogar einen Seeadler

stazki
08.09.2018, 22:37
23483 Bieber bei der Arbeit an der Königsberger Weichsel/Wisła Królewiecka

Beate
09.09.2018, 22:13
Hallo Heinz,

für Otto Normalverbraucher (und dazu zähle ich mich) ein Bild, das man allenfalls noch im Zoo sieht!:)
Wunderbar, danke schön!

Fröhliche Grüße, Beate

stazki
11.09.2018, 21:50
Mit dem Fahrrad durch die Kobbelkampe... ein Erlebnis besonderer Art 23486Kobbelkampe 3

Alte Geschichte neben der Gegenwart 23487

waldling +6.8.2023
11.09.2018, 22:10
Moin, Cousin,

danke für die Fotos! D.h., du bist da grad in Kobbelkampe. Viel Freude bei den Ortsbegegnungen. Wirst du noch nach Bernsteinen suchen? Vielleicht magst du bei der Gelegenheit noch einige Fotos vom Strand von Sztutowo machen. Da kann man sich ja gar nicht satt sehen.

Viel Vergnügen noch!
Uwe

stazki
11.09.2018, 22:27
Eine vom Wetter begünstigte Fahrradtour von Kąty Rybackie/Bodenwinkel durch die Kobyla Kępa/Kobbelkampe nach Stutowo/Stutthof 23488 Blick auf die Königsberger Weichsel kurz vor der Mündung auf´s Haff

23489immer am Damm zur Königsberger Weichsel entlang...
23490ein Neubau inmitten der Kampe
23491Blick zurück oder nach vorn?

23492geschafft bei Wasserstand normal?

stazki
11.09.2018, 22:44
Dobry wieczór Uwe,

die schönen Tage an der Ostsee sind nun schon paar Tage vorbei... inmitten der Masuren gibt es mal wieder "Verbindung zur Welt", die ich nützen wollte einige Eindrücke (Bilder) loszuwerden. Im Werder haben wir Stutthof mit dem Fahrrad nur gestreift, den Strand kenne ich garnicht. Bernsteinbröckchen suchen wir in Mikoszewo/Nickelswalde... dieses Jahr leider vergeblich... alles schon abgeräumt durch die zig´tausenden Erholungssuchenden dieses besonderen Sommers.

waldling +6.8.2023
12.09.2018, 13:13
Dzień dobry, Heinz,

danke für die Fotos.

Herzliche Grüße
Uwe