PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die Juden in der Freien Stadt Danzig



cortés
18.03.2012, 18:56
Buch: Die Juden in der Freien Stadt Danzig: Integrations- und Ausgrenzungsprozesse zwischen 1919 und 1933

Autorin: Kamila Kozlowska
Broschiert: 122 Seiten
Verlag: AVM - Akademische Verlagsgemeinschaft München; Auflage: 1. Aufl. (3. Januar 2011)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3863067053
ISBN-13: 978-3863067052

Die vorliegende Arbeit stellt die bewegliche Geschichte der Juden in der Freien Stadt Danzig dar. Es wird betont, dass es bis 1933 Freundschaften zwischen Juden und Christen gab, die über die politische Gesinnung hinausgingen. Der Zeitabschnitt bis 1933 grenzt absichtlich diese Periode von der des Antisemitismus ab.

Über die Autorin:
Kamila Elzbieta Kozlowska, geb. 21.08.1983; studierte Geschichte/Germanistik und Slavistik an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg/Br.

Poguttke
19.03.2012, 09:26
Scheint interessant zu sein und trifft auf jeden Fall den Kern, denn trotz der Wahlmanipulationen der Nazis hat sich ja die Hälfte der Danziger klar gegen die NSDAP entschieden. Und viele haben sie ja auch nur aus wirtschaftlichen Erwägungen gewählt. Auf vielen Klassenaufnahmen sieht man auch Kinder die barfuß sind, mit Uniform war man schick und wurde nicht mehr ausgegrenzt. Die Propaganda hat damals perfekt funktioniert, für wenig Geld konnte man einen Volksempfänger erwerben. Entsprechend wurde dann der Gulden abgewertet, denn der betriebene Aufwand war natürlich nicht umsonst. Aus meiner Sippe weiß ich von einer Verlobung die aus rassischen Gründen aufgehoben wurde, das war aber wohl später als die Rassegesetze eingeführt wurden. Richtigen Antisemitismus konnte ich in meiner Familie nicht ausmachen, eher Sympatien. So wurde auch weiterhin bei Juden eingekauft, meine Mutter mußte dann als Göre Schmiere stehen, daß das niemand mitbekommt. Mein Urgroßvater hat Ärger bekommen, weil er wenn Beflaggung angesagt war die alte deutsche Flagge raushängte, er war ja im ersten Weltkrieg an der Westfront. Nach 1939 sollte er einer jüdischen Familie die in unserm Haus wohnte kündigen, weil ein SS-ler sie haben wollte, was er aber verweigert hat. Daraufhin hat man ihm die Essenmarken gestrichen. Als mein Vater auf Fronturlaub kam und das erfuhr, hat er sich bei der Kommandantur beschwert, woraufhin mein Urgroßvater wieder Essenmarken bekam. Ja, es ist nicht einfach sich gegen ein totales System zu wehren wie wir ja auch am Beispiel DDR gesehen haben. Bei den Wahlen erreichte Honnecker 97%, das 40-jährige Bestehen wurde mit vielen Fahnen bejubelt, und 1 Jahr später hat man das System zum Teufel gejagt.

Ulrich
19.03.2012, 21:51
Hallo Cortez, danke für den Buchtipp. Ich werd das Buch lesen. Du schreibst darüber: "Es wird betont, dass es bis 1933 Freundschaften zwischen Juden und Christen gab, die über die politische Gesinnung hinausgingen". Ein eigentümlicher Satz. Natürlich gab es vor 1933 Freundschaften zwischen Christen und Juden, daran hat doch nie jemand gezweifelt. Es gab gab auch Ehen zwischen beiden, die auch in der Zeit des Nationalsozialismus weitergingen, bzw. erst dann geschlossen wurden. Ich bin auf das Buch echt gespannt.
Lieber Poguttke, muss das sein, immer wieder? Es ist richtig, es gab in Danzig länger als im Reich auch andere Parteien, Danzig war Vertriebenenschleuse für zahlreiche polnische und russische Juden - Aber Danzig ist auch die Stadt, die zahlreiche ihrer deutschen und polnischen jüdischen Mitbürger willig ihren Nazis überlassen hat, ob in der Reichskristallnacht, ob in den "Arisierungen" (rassistisch motivierten Enteignungen, von denen Samuel Echt ansatzweise berichtet, die jedoch noch nicht aufgearbeitet sind, ob früh in der Vertreibung der jüdischen Markthändler, ob später in der Vertreibung aller anderen Danziger Juden, ob in der Ermordung hunderter Danziger.
Danzig ist auch eine der Städte mit einem Dernkmal für die jüdischen Kinder, die der Judenhetze entgingen. Bei allem Respekt für den Urgroßvater: Es gab nicht nur solche Danziger und Nazi-Danziger: Es gab auch die verfolgten, arisierten, ermordeten Danziger.
Und dann die Parallele mit der DDR, die ist ja wohl voll daneben. Für Danziger Juden werden die Russen vermutlich Befreier gewesen sein, so wie sie es für Ausschwitz tatsächlich ja auch waren.
Gleichwohl einen schönen Abend noch und schönen Gruß
Ulrich

Poguttke
20.03.2012, 07:34
Ja Ulrich, ich denke es muß sein, sonst würde ich es ja auch nicht machen. Denn wie man allgemein sehen kann greift ja die Nazi-Propaganda bis heute und wird als Geschichtsfälschung beibehalten. Ich habe mich sehr ausführlich mit den Verbrechen auseinandergesetzt und versucht zu verstehen wie es dazu kommen konnte und inwieweit wir Danziger uns hier schuldig gemacht haben. Aus dem europäischen Blickwinkel betrachtet unterscheiden wir Danziger uns eben nicht von allen anderen Staaten die von den Deutschen besetzt wurden. Diese Sichtweise steht konträr zu jener, die immer wieder betont, wie von den Nazis propagiert, daß wir Danziger Deutsche sind.