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Wolfgang
13.04.2008, 02:32
Frühlingsausflug nach Heubude

Sonntag, 03. Februar 2002

Gestern erst war ich in Danzig angekommen. Der Himmel war klar gewesen, die Temperaturen trotz frischen Windes fast frühlingshaft. Heute morgen, im Frühstückssaal des Novotel, wirken intensiv leuchtende Farben beim Blick auf die Rückseite der Milchkannengasse auf mich ein. Ich wende ein wenig den Kopf und im warmen Sonnenlicht begrüßt mich der Milchkannenturm. "Hallo", scheint er zu sagen, "wir haben zwar erst Anfang Februar, aber heute musst Du raus, einen Ausflug machen". Spontan fasse ich den Entschluss nach Heubude (Stogi) zu fahren.

Einen Steinwurf vom Novotel entfernt liegt die Straßenbahnhaltestelle Richtung Heubude. Die Karte löse ich beim Fahrer, reiche ihm durch ein kleines Fensterchen in die Fahrerkabine Münzgeld, erhalte eine Fahrkarte und das Wechselgeld zurück. Los geht die Fahrt, gleich rüber über die Neue Mottlau, links liegt der gelb gestrichene Ziegelbau der früheren Infanteriekaserne. Am Langgarter Tor geht's vorbei, aus der Stadt raus. Die Umgebung wird ein wenig eintöniger, dann geht's rüber über die Breitenbachbrücke, wo die Straßenbahn einen scharfen Bogen nach rechts macht und die hohen Mietskasernen hinter sich lässt. Ich kann noch einen kurzen Blick auf die im Schatten der Hochhäuser liegenden Doppelhäuschen aus der Vorkriegszeit in der Röttgerstrasse werfen, dort wo mein Urgroßvater Ferdinand Trosin (der Großvater Rudi Tietzmanns) lebte.

Es geht rumpelnd weiter, über freie Flächen. Zur Linken lagen die Rieselfelder die sich zwischen der Festung Weichselmünde und Heubude erstreckten. Mir geht gerade durch den Kopf, dass diese zweigleisige Straßenbahnstrecke in diesem Jahr ihr 75-jähriges Betriebsjubiläum begeht. Nach dreieinhalb Monaten(!) Bauzeit wurde sie gerade noch richtig zur Badesaison am 01.07.1927 in Betrieb genommen. Unfassbar, wenn ich mir Bauzeiten heutzutage durch den Kopf gehen lasse.

Wir passieren einen schmalen Kanal, ein fast stehendes Gewässer, dessen Namen ich nicht kenne. Zahlreiche Schrebergärten zur Rechten. Am Ortsrand von Heubude ein fünfstöckiger Mietsblock, gelbgrün, danach ein Ziegelbau in dem sich eine Schule befindet. Links ein Blick in die Ackerstrasse. Auf allen höheren Gebäuden Mobilfunkantennen, wie in Danzig auch. Wir durchfahren Heubude, nach einer Rechtskurve nach dem Ortsausgang der Heidsee, auf ihm ein Boot mit zwei Anglern. Zu beiden Seiten der Straßenbahn Buchen und Birken. Wir kommen in die kiefernbestandenen Dünen. Rechts der Straßenbahn die Strasse zum Strand, daneben ein Weg mit flanierenden Spaziergängern. Nun ist gleich Endstation, der Strand wartet. Der Parkplatz ist voller Autos. Ich gehe schnellen Schrittes zum Strand, überhole alle anderen Mitfahrer aus der Straßenbahn.

Und jetzt: Der Strand! Wunderschön, glasklares Wasser, kreischende Möwen, zwei Schwäne ziehen majestätisch ihre Kreise. Eine frische Brise, hier direkt am Meer, lässt spüren, dass es noch sehr früh ist im Jahr. Trotzdem eine warme Sonne am tiefblauen Himmel, unzählige Familien, Spaziergänger. Es ist einfach schön. Ich sitze ein wenig im Windschatten, lasse Stunden vergehen, erhole mich. Wie herrlich muss es doch hier im Sommer sein.

Am Nachmittag, auf dem Rückweg lasse ich mir weiterhin Zeit. Die Erfrischungsbuden sind vernagelt, manche auch mit eingeworfenen Scheiben. Vandalismus, der einen Schatten auf diese wunderbare Umgebung wirft. Direkt am Weg vom Strand zur Straßenbahn, oben, auf den Dünen, eine Strandhalle, ein Betonbau in grellschreiendem Blau. Am Fuß der Düne reger Verkehr promenierender Spaziergänger. An der Straßenbahnhaltestelle 200-300 Wartende. Ich habe mich strategisch geschickt positioniert, stehe direkt vor der Mitteltür eines Waggons der haltenden Straßenbahn, ergattere einen Sitz, bin froh, da meine Knie schmerzen. Kinder, Jugendliche drängen sich vor, drücken Alte beiseite, besetzen alle freien Sitzplätze. Die Jungen sitzen, die Alten stehen - vor wenigen Jahren in Danzig noch ein undenkbares Bild.

Es geht zurück. Es war ein schöner Frühlingstag. Ich komme etwas müde aber erholt im Novotel an.