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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Poguttke: Poguttke im Mond - Weltraumflug mit Adolf Schaweiter



Wolfgang
13.09.2012, 00:10
Veröffentlichung in unserem Forum mit freundlicher Genehmigung des Bundes der Danziger, Lübeck.

Aus „Unser Danzig“, November 1999, Seiten 31-32

Rentier Poguttke erzählt
Danziger Stammtischgespräche von Fritz Jaenicke
Poguttke im Mond
Weltraumflug mit Adolf Schaweiter
(Erschien am 9. November 1929)

Anfang November 1929 erregte auch in Danzig der Film "Frau im Mond" Aufsehen. Ein dramatisches Ringen zwischen Forscher-Idealismus und Mammonismus symbolisierte sich in seinen vier Gestalten: dem Professor Manfeldt, den das Mondgold in den Tod lockte, dem gierigen Walt Turner und dem später nach dem Raketenflug auf dem Monde zurückbleibenden jungen Paar, der von Gerda Maurus dargestellten Astronomiestudentin Friede und dem kühnen Ingenieur Helius. Trotz des Aufwandes an technischen Mitteln, trotz spannender Handlung vermochte das sensationelle Werk nicht ganz zu überzeugen, und die Kritik wies den begeisterten Lobesstimmen gegenüber auf mannigfache Unwahrscheinlichkeiten hin, die die Gesamtwirkung beeinträchtigten. Wie auf viele andere Filmfreunde machte die "Frau im Mond" auch auf Poguttke und Schaweiter starken Eindruck.

Also, meine Härren, Sie reden ja auch von - also halb Danzich is mondsichtich! Vonne "Frau im Mond" behäxt! Und allermeist mein Freind Adolf. Der hat ja diräktemang jezittert im Kientopp. Und draußen packt er mir vore Brust und saacht: "Franz, wir zwei beid werden mal historische Päseenlichkeiten! Unsre Jeburtstage stehn mal ins Läxikong!"

"Was nitzt das", sag ich, "wänn de Leit unsre Jeburtstag wissen, die schänken uns doch nuscht nich!"

"Franz!" saacht er, und de Augen funkeln ihm, "sag mir als Fachmann, als Maurerpolier: du kännst doch unserm Milchkannenturm, dem winscht doch mancher aufem Mond. Was meinst, wänn der so mecht als Wältraumschiff nachem Mond fliejen, ob der dabei mecht kaputt jehn?"

"Nei", sag ich, "eher jeht der Mond kaputt!"

"Bong!" schreit er, "abjemacht! Wir liejen! Wir holen auch Gold vom Mond. Wir kommen zurick und lassen fier das Gold ne neie Milchkannenbrick bauen! Der Milchkannenturm is das Wältraumschiff wie es im Buch steht! Kick ihm dir doch an!"

"Du bist schucher oder duhn!" saacht ich bloß. Aber er red't und red't und bedeit' mir das und tut, und wie wä das nu noch in diwärse Lokaleteeten jenau beredt hätten, da dacht ich schließlich: "Hm, ne Idee weer das all! Dänn weer uns miteins jeholfen!"

Ahmds im Bätt simmelier ich und griebel und simmelier, und je mehr ich griebeln tu, dästo mehr sag ich mir: das jeht am Änd! Meine Ollsche hat all jegurjelt, all ihrem falschen Wilhelm abmontiert und spijänstert all inne Nachtjack rum, da bin ich immer noch bei die Bähandlungen mang Adolf und den Magistrat und weiß was und fieberhafte Spannung, und was soll ich Ihn sagen, meine Härren?: die Sache is jeschmissen! Poguttke und Schaweiter fliejen von Danzich nachen Mond! Prost!

Ich kann Ihn sagen: so de lätzte Minuten!

Alles färtich. De Raketen sind unten einjebaut untern Milchkannenturm. Prowjant is västaut. Alles da von Bärchstiebel bis Schnupptabak, Machandel bis zu de mitjenommne Einladungen zum Danzjer Schaufänsterwättbewärb. Ich hab' sogar noch heimlich en Kinderwagen besorcht, zwei Dutzend Windeln, zwei Veilchenwurzeln und en Teddybeer. Dem kann ma doch immer mitbringen, ob es nu en Jungchen oder'n Marjällchen is… Wieso das? Na, Se ham doch dem Film jesehn: der Härr Inschenjeer Helius und das Freilein Studiosus Velten sind doch aufen Mond jeblieben. Was fragen Se da so dammlich? Ma muß doch auch was Praktisches mitbringen. Prost! -

Na, aber nu jings los. Adolf und ich stehn oben in unser Wältraumschiff und kicken oben raus aus'n Milchkannenturm. Und unten vleicht ne Mänschheit! Bloß de Milchkannenbrick war abjespärrt. Drieben auf Mattenbuden stand der Männerjesangväein mit de neie goldne "Fumfzich" an de Fahne, und Stange dirijiert grad nach de Melodie vonne Danzjer Hymne dem achtstimmigen Chor: "Guter Mond, du jehst so stille." Mich fallen de Riehrungstreenen auf de Pulswärmer, wo mich meine ohnmächtje Ollsche noch als Abschiedsjeschänk inne Hand jedrickt hat.

Vonne Dächer winken sie all mit de Schnupptiecher, jefilmt werd' wä von hinten und vorn, de Glocken fangen an zu leiten, de Sirenen heilen, ein Mann hat de Schupokätt durchbrochen und will noch mein Reisejepäck jejen Diebstahl väsichern, de Hunde bällen, de Autos tuten, de Straßenbahnen klingern wie wisch ich, da kemmt der große Mommang: ein Schlach heert ich noch vonne Rathausuhr – dänn gab's en Knall und en Ruck, als weer das Munitzjonslager äxplodiert! Wä waren abjeschossen und sausten mit'n Milchkannenturm ab nach'n Mond!

Wie ich noch aus'm Fänster wollt winken, sah ich noch, wie unten en Brauereiwagen vor Schräck inne Mottlau aast und wie uns das Leichtflugzeich noch zum Abschied zuopelt' und uns bewillkommnickt'. Dänn väsank de Erd' . Wir sausten! Im Wältraum! Junge, Junge!

Ne ganze Weil laach ich auch ohnmächtich und jappst, wie wä aus de Erdatmospheere rausaasten. Wie ich dänn de Augen aufschlag, streiben sich mich de Haare, dänn ich sah, daß wä en blinden Passaschier hahm! Tjawoll! Mein Hund Brummer! Der schleicht grad hoch ieber mir anne Däck lang wie sone Flieg' - Schwerkraft war doch nich mehr - und miest, kajihnt und will raus. Ausjerächent hier im Wältraum bei elftausend Meter Jeschwindichkeit und weit und breit kein Latärnenfahl! Im neechsten Mommang streiben sich mich noch mehr de Haare, wie pletzlich hinter son Sauerstoffbehälter mein Freind Adolf mit'n Kopp nach unten reinjeschwebt kemmt, mit de Bein nache Hängelamp angelt und jammert: "Mänsch, Franz, ich krieg' dem Machandel nich aus de Buddel raus!"

Was blieb uns iebrich, wo doch alle irdische Bähältnisse aufem Kopp jeställt waren, als de Buddel zu zäkeilen? De Glassplitter blieben inne Luft stehen, der Machandel auch. Wä hahm ihm schließlich mit'n Leffel mißd ässen.

Nanu Eelkopp jespielt, Radjo jeheert, wo grad der Abflug vons Wältraumschiff Milchkannenturm dick und breit äzeehlt wurd, was wä ja sälberst wißden, Feifchen jeraucht, aus'n Fänster jekickt. Da war de Erd grad zu sehn mit Nord- und Siedamerika wie aufen Globus, na, das kannt wä auch vonne Jeographie aus de Schul. Schließlich, um was Vänimftjes zu machen, zooch ich mich de Bixen aus. Die blieben einfach inne Luft stehn. Komisch, aber bequem. Ich sätzt mir nu aufem Bätt und neeht mich de Hosenknepp wieder an, die waren neemlich bei dem aasjen Ruck beim Abschuß abjerissen.

Dänn aber stellt ich dem Wäcker auf ne halbe Stund vore Landung aufem Mond, leecht mich noch en reinen Kragen und en Schimisättchen zurächt und haut mir dänn hin.

Dauert nich lang, wäckt mir Adolf. "Mänsch, Franz, komm, kick, der Mond! Alles eine Bärchlandschaft! Mach aber fix, ich dänk: sicher is sicher: wä werden doch lieberst mit'n Fallschirm vorher abspringen, dänn so mit den Milchkannenturm mang die Fällakes reinzuaasen da unten .. . "

Na, ich eins achtzehn mir anjehost, Schnurrbart jebirst, Schlips um, Dscheckätt, Reibich aufjesätzt, Fallschirm umjeschnallt, Blumentoppf wächjerickt, aufem Fänsterbrätt raufer und mit Adolf zusammen rausjehoppst! Schon schweben wä, und unser Milchkannenturm saust von uns wäch diräktemang auf son Mondfäld zu mit ne aas'je Fixichkeit wie sone Flintenkugel. Adolf välangt nu grad Feier fier ne Ziehgarätt, weil er so aufjereecht is. Ich stäch en Streichholz an und jeb ihm. Und wie wä danach wieder so im Schweben aus unsre Heeh runterkicken, wo daß wä dänken, daß unser Wältraumschiff, der Milchkannenturm, längst jelandet sein muß, da werd wä beide ganz blaß, dänn da seh wä unten bloß ne Staubwolk und en großes Loch, und unser Wältraumschiff is gonn! Wäch! Na, das Jeschäft war richtich! "Der is durchem Mond durchjeschossen und aufe andre Seit' wieder raus!" saacht ich, "nu hahm wä's!" Prost!

Wä betraten de Mondoberfläche bei scheensten Sonnenschein, obwohl es Nacht war, aber ich war in de dusterste Laune. Auf See ohne Schiff is all faul, aber nu erst aufen Mond .. .

Alfold klämmte sich das Monokel ein und kickte sich um. De Landschaft is da sone Kreizung zwischen Heibud und Tirol. Sand und Bärchpartien. "Tadelloses Jelände fier de Danzjer Wochenändhausjenossenschaft!" meinte Adolf. Was ich darauf ihm antworten tat, will ich hier nich sagen, das kenn' Se im Jötz vom Bärlichingen sälbst nachlesen. Ich mißd doch immer an meine armen Hund dänken, wo nu da mit das Wältraumschiff durchem Univärsum schifft' und dabei so neetich raus mißd. Und Zigarren hätt ich auch nich bei mich. Die stachen in mein leberzieher. Und der hing im Milchkannenturm. Es war mochumsch! Ob ich vleicht inne Fahrt war!

Aberst nu dänken Se sich unser Glick: Unser solider Milchkannenturm war nich wäch! Der war bloß durchem Mond durchjesaust. Dabei hätt mein Hund mang die Maschinerie rumjepärdelt und richtich de Rickstoßraketen abjefeiert, und wie wä au fe andre Seit vom Mond kommen, da steht unser Milchkannenturm da, diräktemang "Nec temere, nec timide"! Ganz wie in Danzich: "Hier steh ich, ich kann nich anders!"

Na, nu erstmal fix dem Hund rausjelassen. Der war vleicht gnietsch ... Kimmert sich garnich viel was von wejen Mond oder so, sondern ställt sich erst mal an son großen Goldklumpen und bleibt da erst mal - Bein hoch - ne halbe Stund stehn. Derweil kemmt en Mann an, dem wo das Rasieren sehr nottat. Is es Härr Inschenjeer Helius. Der hätt sich mißd en Vollbart stehn lassen, weil se ihm nich sein Rasierapparat dajelassen hätten. Das erste, was er saacht, war: "Na ändlich!" Und dänn välangt er erst mal ne Zigarätt, die waren ihm neemlich ausjegangen. Was sein Freilein Frau war, die war ganz unglicklich, daß se sich dem Bubikopp nich nei konnt aufondulieren lassen. Se war auch äntteischt, daß wä kein Lippenstift nich mithätten. Dajejen war se aber mächtich froh ieber dem Kinderwagen. Dänn mit die zwei Zwillinge da egal durchem Sand schläppen, das is ma nich so einfach! Die kleinen Pränters waren soweit ganz munter, se hätten bloß Darmkatarr, weil se de lätzte Zeit nuscht wie Ölsardinen jekricht hätten. Das waren de lätzten Konserven. Da konnt wä ja nu aushälfen. Dänn aber kam der feierliche Mommang, wo wä de Danzjer F1agg' hissten und das Land sozusagen offizjäll im Besitz fier Danzich nahmen. Die beid Zwillinge ähieIten dadurch das Danzjer Staatsbirjerrächt. Uns zu Ehren wurden se "Adolf" und "Franz" jenannt. Am Bausenator schickten wä en Funktelegramm: "Wohnungsnot fier Danzig behoben. Jejen Ästattung jeringer Unkosten offerieren hervorragendes Baujelände fier großziejigen Besiedlungsplan. Im Mond. Härzlichen Glickwunsch!"

Weehrend dänn die Dame - war doch da kein Standesamt, da wißd ma immer nich, ob ma "gneedje Frau" oder "gneedjes Freilein" sagen sollt - na, aber, weehrend sie nu mit die Kinder spazieren fuhr, hahm wir drei dänn das Gold einjeladen. Solang nu Vollmond war, war das ja ganz scheen. Wä waren bald ganz braun gebrannt. Aber wie nu der Mond anfing abzunehmen, da wurd' es mit den Platzvähältnisse mulmich! Es wurd immer änger. De Grundstickspreise fingen an zu steijen wie mang Neigarten und Schidlitz, und de Tämperatur fing an zu fallen. Ich mißd mich meine Ollsche ihre Pulswärmer anziehen. Da kricht ich orntlich Heimweh nach meine Ollsche. Wänn se mir auch schließlich jätz wieder anjebrannte Wruken vorjesätzt hätt, ma bangt sich doch. -

Vonne Rickfahrt is nich viel zu sagen. Se kenn' dem Betrieb ja von dem Film. Is ja alles ziemlich einfach. Bloß fier mir war's nich. Ich litt an Schlaflosichkeit. Kunstick: die Zwillinge blärrten meist in eine Tuhr, die wollten woll nich aufe Erd. Und ich konnt nich jeraten mit WindeIwaschen. Ihre Mama und ihr Pappa, die waren ganz värickt aufs Tanzen. Adolf mißd egal de Gramola aufdrehn und dänn jing das nu: "Wänn du einmal dein Härz väschänkst" und "In eine kleine Konditorei", oder was weiß ich. Und ich konnt mir derweil da innen Wältraum amisieren von wejen die kleinen Kreeten trockenlejen. Äbarm Se sich!

Kenn' Se sich dänken, wie mich en Stein vom Härzen fiel, wie unser Milchkannenturm nach die mochumsche Mondfahrt wieder jenau an seine Ställ in Danzig landen tat. Ich iebergab de Zwillinge ihre Mama und saachte: "De Treene quillt, de Erde hat mir wieder! Jätz will ich mir aberst erst mal ausschlafen!" - "Na, wänn das man ändlich tun mechst", belkt darauf meine Ollsche ihre Stimm neben mich aus'm Dustern, "du schnarchst, steehnst, redst, fummelst, ajierst da all stundenlang rum inne Kissen mitten inne Nacht! Du bist woll mondsichtich?"