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Insel2008
10.10.2012, 02:25
Hallo, war mal wieder auf der Suche und habe Abbildungen (s.u.) gefunden, die Euch vielleicht interessieren. Nächtlicher Gruß, Insel

http://pbc.gda.pl/dlibra/docmetadata?id=21497&from=latest
Atlas zur Zeitschrift für Bauwesen, Jg. 42, H. 1-12 (1892)
Der Dünendurchbruch der Weichsel bei Neufähr i. J. 1840 und die Entwicklung der neuen Weichselmündung von 1840 – 1885, Abbldg. 19 u. 20

Desgleichen. Übersichtsplan vom Bauinspector Koßsach a.d. J. 1840 und Darstellung der Weichselmündung bei Neufähr in d. J. 1887/88 u. 1890
Abbldg. 21 u. 22

Vorrichtungen für die Unterhaltung u. Prüfung der neuen Weichselbrücke bei Dirschau
Abbldg. 68 u. 69

sarpei
15.02.2016, 17:35
aus Preußische Provinzialblätter 1840, Band 1:

Der Dünendurchbruch bei Neufähr in der frischen Nehrung, am 1. Februar 1840
von W. F. Zernecke
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Nachdem die Weichsel in den ersten Tagen des Decembers 1839 zugefroren war, kam das Eis schon gegen Ende desselben Monats bei Krakau, Warschau und Thorn in Bewegung, blieb jedoch in den unteren Stromgegenden unverändert. Am 21. Januar 1840 begann nach vorangegangenem 14tägigem Thauwetter abermals bei Krakau der Eisgang. Am 30. Januar Mittags kam das Eis bei Dirschau, am 31. Januar Abends 6 Uhr in der Stromgegend bei Danzig und Weichselmünde in Gang. Bis gegen 10 Uhr traten keine Hindernisse ein; die Eistafeln zeigten eine ungewöhnliche Festigkeit, lagerten sich zum Theil unzerbrochen auf den Außendeichen und an den Deichufern. Von 10 bis 11 Uhr war, soweit es sich in der Finsterniß nach dem Rauschen von Eis und Wasser beurtheilen ließ, der Abfluß langsamer und schon damals mußte gefürchtet werden, daß sich unterhalb Hemmnisse gefunden hatten. In der That war die vor der alten Nordermündung liegende Sandbank von Eisblöcken bedeckt und umringt worden; auch bei Legan, Ganskrug und der Rückforter Schanze traten Stopfungen ein und auf der Strecke vom Triangel (Plöndorfer Wachbude) bis gegen Weslinten und Neufahr, packte sich auf einer Stromlänge von 700 Ruthen eine große Eismasse bis auf den Grund zusammen, welche jeden weitern Abfluß von Wasser und Eis unmöglich machte. Das Wasser der Weichsel stieg fortwährend oberhalb dieser letztgebachten Stopfung und stand gegen 3 Uhr Morgens nur noch 1 Fuß 4 Zoll bis 1 Fuß 8 Zoll unter der werderschen Deichkrone, deren sofortige Überstürzung erwartet werden mußte.

Während die Eiswachmannschaften die niedrigsten Stellen des Deichs durch Mistkasten zu erhöhen suchten, sah man plötzlich auf dem gegenüber liegenden Ufer in der Gegend von Bohnsack (Nehrung) die Feuersäulen (die Zeichen des Durchbruchs) brennen und bei deren Scheine eine Menge Menschen, unter lautem Jammergeschrei, rechts und links entfliehn. Die Abmahlmühle bei Bohnsack, im Anfange des Deichs der neuen Binnen-Nehrung, war weggerissen und eine Deichstrecke von 30 Ruthen ging bald darauf auch fort. Wasser und Eis stürzten nun in die 80 Hufen kulmisch enthallende, neue Binnen-Nehrung, welche von dem übrigen Theil der Nehrung durch einen Querdamm (den sogenannten alten Damm) getrennt ist, dessen Überströmung den Abzug des Wassers und Eises durch die ganze Gegend bis Stutthoff und von da ab in das frische Haff zur Folge gehabt haben würde. Diese Überströmung erfolgte jedoch nicht, vielmehr wälzten sich die Eismassen hinter einigen, auf der Ostseite von Neufähr, zunächst Bohnsack, gelegenen Hütten hinweg, sodann gegen die westlich, zum Theil auf einer Sandanhöhe gelegenen Grundstucke und gleichzeitig gegen die Seedüne.

Ein Marktbesucher, welcher um 4 Uhr Morgens die niedere Düne entlang, unmittelbar an der Ostsee, nach Danzig fuhr, bemerkte auf dieser Stelle, welche vorher auch stets feucht gewesen sein soll, auffallende Nässe, kam jedoch noch ohne Schwierigkeit hindurch. Etwa um 7 Uhr Morgens fand ein Andrer, der gleichfalls nach der Stadt/ahren wollte, daß das Wasser wirklich durch die Dünen strömte und im kurzen waren nicht nur diese, sondern auch die an ihrem Fuße liegenden Hütten dergestalt unterwaschen, daß schon um 4 Uhr Nachmittags das Häuschen des Schulzen Dalleske in die See trieb und bald darauf die Hütten von Peter Krause, Buckrim, Martin Hoffmann, Maaß Erben und die Doppelkathe von Simon Wegner und Wittwe Zielte nachfolgten. In den Dünen war bis Sonnenuntergang ein Spalt von etwa 30 Ruthen Breite entstanden, welcher am Morgen des 2. Februars auf 100 Ruthen, in den nachfolgenden Tagen auf 140 bis 150 Ruthen vergrößert wurde. Anfangs ging der Stromzug meistens in der Richtung nach Osten, dergestalt, daß ein unzerstört gebliebener Stall des Dalleske mehre Tage auf einer Insel in brandender Fluth stand und lebhaft an das Zöllnerhäuslein in Bürgers Liede: "Vom braven Manne", erinnerte. Später ging die Strömung mehr westlich, dergestalt, daß das eben erwähnte kleine Grundstück etwa am 8. Februar wieder auf fast trocknem Boden stand. Auf der Ostseite des Durchbruchs bildete sich aus den weggerissenen Dünen eine große Sandbank, auf der Westseite blieb der Abzug des Wassers und Eises, welches mit unerhörter Heftigkeit bis zum 7. Februar hinausstürzte, ungehemmt. Die Eisstopfung von Neufähr bis Triangel gewann inzwischen durch neuen Frost an Festigkeit und ließ fast keinen Tropfen Wasser mehr durch, dergestalt, daß unterhalb derselben der Wasserstand 3 bis 4 Fuß niedriger wurde, als bei Neufähr und der Wasserspiegel dem eines ruhigen Teichs glich.

Die Deiche bei dem rothen Kruge (Werder) und Bohnsackerweide (Nehrung) oberhalb dem neu gebildeten Weichselarm wurden von dem starken Strome sehr angegriffen und langsam zerstört; dem Eindringen des Wassers in das Land ward durch Nothdämme gewehrt, welche fertig waren, ehe der alte Deich theilweise brach. Die Grundstücke des rothen Krugs in Weslinken, des Dammverwalters Klaaßen in Bohnsackerweide und des Lingenberg in Bohnsack kamen dem Umsturz nahe; der Tischlerkrug ging in die Ostsee; alle Faschinenwerke, die seit mehr als zwanzig Jahren zur Deckung der Ufer angelegt waren, verschwanden spurlos, und es bildeten sich Tiefen von 30 bis 40 Fuß. Eine Anzahl Pfähle, Überbleibsel alter Uferbefestigungsversuche, wurden, gleich Zahnstochern, in die Luft geschnellt und in die See getrieben. Fortwährend fand sich viel frisches Grundeis und nach 9 Tagen (während sonst die Weichsel nur 2 bis 3 Tage Grundeis braucht, um stehn zu bleiben) war der Fluß mit Ausnahme weniger Stellen wieder zugefroren. .Wir haben also einen abermaligen Eisgang zu erwarten, welcher, wenn die Regel zutrifft, daß das Eis in demselben Mondsviertel fortgeht, als es entstanden, zwischen dem 2. und 9. April eintreten dürfte.

Der Spalt in den Dünen ist seitdem ohne besondere Veränderung geblieben. Nachdem die Weichsel auf den Sommerwasserstand gelangt ist, finden sich in der neuen Weichsel fortwährend 12 bis 20 Fuß Wasser. Von den Dünen stürzt wenig mehr nach, da das Bette des neuen Flusses ziemlich regelmäßig gebildet ist und fernere Unterwaschungen nur bei höherem Wasserstande eintreten können.

Nach dem Urtheil aller Sachkundigen kann von Zumachung des Dünenspalts nicht die Rede sein, weil nicht nur solche Arbeit überaus kostspielig wäre, sondern auch dadurch die jetzt von der Natur selbst dargebotenen, bedeutenden Vortheile muthwillig zerstört werden würden. Es sei erlaubt, hier ausführlicher zu sein : Der Abfluß des Hochwassers und Eises im Frühlinge wird durch die neue Weichsel sehr erleichtert, welche auf einer Strecke von einer Achtelmeile in der natürlichen Richtung des Stroms nach Norden eben so viel Fall hat, als bisher auf einer Entfernung von 1 1/2 Meilen, in einem stets krummen, durch Weichselkampen gehemmten Flusse. Eben so wird der Abzug des Schneewassers aus den untern Gegenden des Werders zunächst Danzig fortan sehr befördert.

Die Rückforter Abmahlschleuse öffnete sich schon am 3. Februar, während oft erst 14 Tage nach dem Eisgange wegen hohen Wasserstandes die Schöpfmühlen in Gang zu kommen pflegten. Die Deiche des untern Werders vom Kneipaber Thor bis Weslinken verlieren alle Bedeutung, werden weder kostspieliges Schaarwerk, noch Eiswachen erfordern. Die noch tiefer unterhalb liegenden Gegenden, das Dorf Weichselmünde, seit 1829 stets im heftigsten Angriff, der Holm, der Holländer, der Schuytendamm, der Broschetische Weg mit seinen angrenzenden Wiesen, die Stadt Danzig selbst, sind vor großer Überschwemmung vom Strom aus geschützt. Wenn sich, wie zu vermuthen, die alte Weichselausmündung (das sogenannte alte Fahrwasser, die Norderfahrt, welche die Festung Weichselmünde von Neufahrwasser trennt) schließt, und auch sogar, wenn diese Stelle offen bleiben sollte, bildet sich von dort bis Weslinken ein sicheres Hafen-Bassin, 1 1/2 Meilen lang. Dieses wird durch Schleusen und einen Kanal oberhalb geschützt, durch Baggerung von dem jetzt vielleicht zunächst Neufähr in die Weichsel gegangenen Sande befreit, und kann einer Versandung nicht mehr ausgesetzt, noch vertieft werden, dergestalt, daß künftig große Schiffe nach der Stadt gehen und hier volle Ladung annehmen dürften, wozu freilich eine Veränderung in dem Boden der Hafenschleuse zu Neufabrwasser nothwendig sein würde.

Wunderbar hat der Himmel durch diesen Dünenbruch nicht nur den Werder und den besten Theil der Nehrung vom sichern Untergange gerettet, sondern auch für Danzigs Schiffahrt und Handel, die Quellen des Wohlstandes, Großes gewirkt. Was Menschenhände kaum hätten ausführen können, was vor zwanzig Jahren auf einer weniger geeigneten Stelle beabsichtigt, aber wegen der großen Kosten abgelehnt worden, hat in wenigen Stunden die Vorsehung geschaffen und vollendet!


Viele Grüße

Peter

vklatt
20.02.2016, 13:23
Guten Tag Peter,

danke für deine Fleißarbeit, die du hier wieder geleistet hast. Bin erst jetzt zum Lesen gekommen.
Ich bin immer ganz erschüttert, wenn ich lese was meine/unsere Vorfahren für ein schweres Leben hatten.
Ich bekomme eine immer tiefere Bindung zu ihnen und dem Land.

Ein schönes Wochenende wünscht dir Vera

sinus
20.02.2016, 20:08
Für alle Suchenden:
gleich Seite 48 öffnen!

Gruß
sinus