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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hochwassergefahren



Wolfgang
21.10.2012, 12:20
Schönen guten Morgen,

kürzlich, am 05.10.2012, besuchte ich in Włocławek (Leslau), einer zwischen Danzig und Warschau an der Weichsel gelegenen Großstadt, eine Konferenz über von der Weichsel ausgehende Hochwassergefahren auf der als Referenten hochkarätige Wissenschaftler und hohe Amtsleiter geladen waren.

Sie zeigten dramatische drohende Gefahren auf, die von der Weichsel ausgehen. Katastrophal geschädigt ist durch Erosion in einigen Bereichen das Weichselbett. Die Folgen sind schier unabwendbar und können nur durch schnelle und riesige Investionsmaßnahmen gemildert werden durch die aber die "wilde Weichsel" fast vollständig gebändigt wird.

Im Unterlauf der Weichsel, also im Großraum Danzig sind als erste Etappe für 190 Millionen Zloty Schutzmaßnahmen vorgesehen von denen rund 160 Millionen von der Europäischen Union zugesteuert werden.

Vorgestern war ich wieder auf dem Weichseldeich spazieren. Er schließt den weiten Außendeichbereich ab und eigentlich müsste alles getan werden, diesen pflegen und zu schützen. Eine dichte, niedrige, stark verwurzelte Vegetation ist der beste Schutz vor Erosion. Hochwasser kann immer kommen und die Folgen für Danzig, aber auch bis nach Elbing wären katastrophal.

Aber wie sieht der Deich aus? Wild bewachsen, selten gemäht, erst recht nicht abgegrast, übersäht mit Maulwurfslöchern. An anderen Stellen, u.a. auch zur Mündung zu, Biberbauten. Was mich vorgestern besonders irritierte, war die Zerstörung der Grasnabe am Deichfuss. Dort ist die empfindlichste Stelle des Deiches, dort fängt die Zerstörungsarbeit des Hochwassers zuerst an.

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Bauern hatten den Außendeichbereich abgemäht und fuhren nun mit ihren schweren Treckern direkt am Außendeichfuß. Die Grasnarbe ist dort zerstört und kann sich nun im Herbst / Winter auch nicht regenerieren. Sollte es im Frühjahr zu Hochwasser kommen, ist dort eine Gefahrenquelle.

Wozu riesige Millionenbeträge für Schutzmaßnahmen, wenn das nicht mit massiver Information der Leute einhergeht?

Viele Grüße aus dem stets hochwasserbedrohten Werder
Wolfgang

Wolfgang
21.10.2012, 14:22
Schönen guten Nachmittag,

in einer kurz vor der Leslauer Konferenz in Dirschau stattgefundenen Konferenz über den Ausbau von Wasserwirtschaftswegen habe ich mitbekommen, dass es ACHT Behörden gibt, die für das Wasser zuständig sind. Ich glaube auch mitbekommen zu haben, dass es dort mitunter heftige Kompetenzgerangel gibt.

Natürlich kann man versuchen, Öffentlichkeit herzustellen. Resultat ist meist ein Sturm im Wasserglas. Ob dabei irgend etwas herauskommt? Die Vergangenheit zeigt, dass dies bei Weitem nicht immer der Fall ist.

Grundsätzlich sind hier an allem was schief läuft, zuerst die Politiker schuld. Oder die Behörden. Der einfache Bürger in der Regel nie. Und solange die Politiker auch weiterhin immer an allem schuld sein werden, ist es auch sehr fraglich, ob der einfache Bürger bereit ist, Verantwortung zu zeigen oder zu übernehmen.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

MeinEichwalde
21.10.2012, 14:33
Hallo Wolfgang

alles lachhaft ! Seit Jahrhunderten gibt es Deichhauptleute, und die Deichbauer. Und die Wachtbuden. Das ist, seit ich die "Tiegenhöfer Nachrichten" lese, eines der Hauptthemen der Tradition bei den Werderanern der Landsmannschaft WEstpreussen.Sigurd van Riesen aus einer seit Jahrhunderten ansässigen Mennonitischen Familie ist Kopf der Städtepartnerschaft Hennef undTiegenhof.Er ist Sachverständiger und sehr aktiv. By the way:"DEr SChimmelreiter", die Standardlektüre eines jeden norddeutschen Schülers bezieht sich auf die Werderdeiche "unserer Heimat". Theodor Storm bezieht sich erst in zweiter LInie auf die Nordsee.
Die Götterburg in LIessau, war das Lokal wo sich die Deichhauptleute gerne trafen.
Die Tätigkeit der Wachen ist sicherlich in Polen professionell gehandhabt, genau wie sie das von uns übernehmen mußten, sonst wären sie ja schon seit 1945 verloren gewesen.Allerdings ist die Weichselmündungsregion wohl heute von europäischem Interesse.
Deshalb interessieren die Pläne, die auf der Leslauer Tagung vorgestellt wurden im europäischen Masstab ja schon.Es gibt wie ich mal hörte einen europäischen 30 Jahre Plan für die Region. Ein schönes Thema, ich bin gespannt wer sich rannwagt. Ich hab ja jetzt nur ein wenig schwadroniert.....
LG Delia

Wolfgang
21.10.2012, 14:53
Schönen guten Nachmittag,

aus bisher gehörten Referaten -die ich leider nur teilweise verstand-, aber auch aus gezeigten Schautafeln, gehen Gefahren hervor, die von den Wissenschaftlern als katastrophal, dramatisch, fatal und teils auch als unabwendbar bezeichnet werden. Vierzig Jahre Versäumnisse haben irreparable Schäden hinterlassen. Ich werde mal einige der abfotografierten Schautafeln zeigen und Jene von Euch, die ein bisschen Polnisch beherrschen, können sich dann Eindrücke von der Situation machen.

Geplant sind jetzt aber -u.a. auch um die Fließgeschwindigkeit der Weichsel herabzusetzen- den Stromlauf mit Stauwerken zu versehen, die dann auch Energie liefern werden. Die jetzt vorgesehenen Vorhaben sind nur noch Notmaßnahmen, die zwar drastische Eingriffe in den Naturhaushalt verlangen, aber -obwohl Umweltschützer sicherlich Protest laufen werden- gemacht werden müssen. Die größte Gefahr liegt darin, dass sich unbedingt notwendige und unaufschiebbare Schutzmaßnahmen weiter verzögern.

Aber die Weichsel ist ja nur ein Gefahrenpunkt. Eine weitere Gefahr bildet auch das Frische Haff mit seinen Stauwassern bei Winden aus nördlichen Richtungen.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Bartels
21.10.2012, 14:58
Na dann hoffen wir mal,
dass Archiv und Bibliothek eine Treppe hoch untergebracht sind.


NB: Mein Onkel an der Elbe hat als erstes das Familienarchiv in Sicherheit gebracht,
dann das Museum,
während seine Wohnstube regelmässig "abgesoffen" ist ...

mottlau1
21.10.2012, 17:39
Hallo Wolfgang,
Du schriebst dies: Aber wie sieht der Deich aus? Wild bewachsen, selten gemäht, erst recht nicht abgegrast, übersäht mit Maulwurfslöchern. An anderen Stellen, u.a. auch zur Mündung zu, Biberbauten. Was mich vorgestern besonders irritierte, war die Zerstörung der Grasnabe am Deichfuss. Dort ist die empfindlichste Stelle des Deiches, dort fängt die Zerstörungsarbeit des Hochwassers zuerst an.

Also gegen wilde Bewachsung koennte man doch die allbekannten Rasenmaeher : die Schaafe wie in Norddeutschland an den Deichen einsetzen-oder? Habe keine Ahnung was am besten waere aber erinnere mich gut als ich mehrmals Urlaub in Dagebuell usw. verlebte.

Schönen Sonntag wünsche ich Dir und Familie. Hier bei uns ist es für diese Jahreszeit angenehm warm und viel Sonnenschein.

Viele Grüße Jutta

Uwe
21.10.2012, 18:14
Hallo Wolfgang,

Dein Fazit in # 3 über die Schuldigen ist doch allgemein üblich, egal ob in Polen, in Deutschland oder in Griechenland. Warum sich auch Gedanken über das eigene Verhalten machen, der grundsätzlich Schuldige steht doch voher schon fest. ;)

Herzliche Grüße

Uwe

Wolfgang
21.10.2012, 18:27
Schönen guten Nachmittag,
hallo Jutta,

ja, Schafe wären ideal. Ich habe hier in Nordpolen bisher aber noch nirgendwo Schafe gesehen. Und dabei wären sie die idealen Deichschützer. Gras kurz halten und damit zu einer stärkeren Verwurzelung beitragen, unerwünschten Pflanzenbewuchs wegfressen, Boden sanft verdichten und düngen... - alles ideal. Ich weiß nicht warum es hier nirgendwo Schafe gibt.

Aber diese Fragen werde ich noch stellen :)

Viele Grüße aus dem Werder

Wolfgang
21.10.2012, 18:31
Schönen guten Nachmittag,
hallo Uwe,

gut, die deutschen Politiker müssen auch Einiges einstecken -häufig nicht zu Unrecht-, aber hier ist ein Politiker häufig ein Sinnbild alles nur vorstellbaren Schlechten, inklusive Raffgier und Inkompetenz. Auch das mag nicht vollkommen unbegründet sein, aber wie Du schon aufzeigst, lebt es sich relativ bequem damit, da man sich keine Gedanken über eigenes (Fehl-) Verhalten machen muss.

Viele Grüße aus dem heute ganztägig herbstnebligen Werder
Wolfgang

radewe
22.10.2012, 03:28
Betr.: Bild #1

Leider gibt es häufig diese Bilder an Hochwasserschutzanlagen,
daran ändert sich auch nichts wenn für den Deichbau 190 Millionen Zloty verpulvert werden.

Ok. ein neuer Deich sieht schick aus, hat vielleicht eine befahrbare Berme zur Unterhaltung der Deichflächen, einen Deichverteidigungsweg, Entwässerungsgräben usw.
Wichtig ist: "Erntefahrzeuge haben im Bereich des Hochwasserschutzes nicht zu suchen“.
Vielleicht würde sich etwas ändern wenn die Bewohner, aus dem von Hochwasser bedrohten Gebieten, in die Pflicht genommen/beteiligt werden.
Ich meine, ab einer bestimmten Gefahrenstufe sollen wehrpflichtige Bewohner an Deichabschnitten als Beobachter eingesetzt werden, wie es z.B. im niedersächsischen Deichgesetz §6 festgeschrieben ist.

Die neuen Bewohner des Danziger Werder müssen die Pflichten hinein wachsen, aber auch bereit sein Erfahrungen von den ehemaligen Bewohnern übernehmen.

In den "Tiegenhöfer Nachrichten" Ausgabe November / Dezember 1977, Seite 13 (unten) "das Werder“ steht ein wunderbarer Aufsatz über die "ehemalige" Deichordnung.
http://www.tiegenhof.de/TN18.pdf

In der Elbniederung hat noch heute folgende Aussage eine hohe Bedeutung:
Wer nicht will deichen, muss weichen!

Grüße von Hans-Werner aus Hamburg

MeinEichwalde
22.10.2012, 10:06
Ja Hans Werner wegen solcher Texte bin ich dem Land dort verbunden, sie sind so kraftvoll, und eindringlich. Für uns geschrieben doch wohl... So schreibt man heute nicht mehr und was haben wir doch für ein Glück dass wir diese Literatur heute im Netz haben. Sie führt zum Thema und motiviert zur Beschäftigung und zur Tat.
IN diesem Falle sich mit dem Hochwasserschutz 2012 zu beschäftigen und zur Lage im Werder in dieser Hinsicht.

DAnke dass Du Dir die Mühe gemacht hast, dies aus den TN rauszusuchen.
Die nächste Nummer von 2012 erscheint ja auch bald.
LG Delia

MeinEichwalde
22.10.2012, 11:11
hier kann man noch sehen wie das Thema Deichen und Deichbau im Werdermuseum heute dargestellt ist. Als Installation von Spezialwerkzeugen und Kleidung, und auch der GEschichte des Deichens
http://www.zph.org.pl/16-Zbiory
Leider ohne deutsche Angaben.
Alles Liebe
Delia

Wolfgang
22.10.2012, 17:49
Schönen guten Nachmittag,
hallo Delia,

wo siehst Du unter dem angegebenen Link irgendwelche Hinweise zur Geschichte des Deichens?

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

MeinEichwalde
23.10.2012, 10:08
Hallo
ja stimmt, war Einbildung : die Säcke hatte ich für Sandsäcke gehalten und auch die Schippen der Männer links hinten für SChaufeln von Deicherbauern. Das kam von meiner Assoziation mit dem StadtWappen von Tiegenhof, wo auch der Deichbauer mit Schippe und Rohrkolben mit drauf ist. Der hat aber natürlich auch die Kanäle und Entwässerungsgräben geschippt und in Ordnung gehalten.
Ich kann die Beschriftungstafeln der Museumsinstallation auch niche entziffern auf der Abbildung. Aber in den weiteren Museen der Region zum Beispiel des Meeresmuseum in Dirschau dürfte doch das Deichbauen dargestellt sein. War jemand von Euch mal in Dirschau im Museum.
LG Delia

Peter von Groddeck
31.01.2013, 12:19
Liebe Liste,
Ein Hochwasserbericht meines Großonkels Wilhelm von Groddeck aus Marienwerder (Kwidzyn) Ende der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts
Einmal in den Osterferien stürzte Hans Jacobi früh morgens in mein Zimmer: „Der Schwanländer hat schon sein Vieh auf die Höhe getrieben. Der Damm kann jeden Augenblick brechen! Kommst Du mit nach Kurzebrak (Korzeniewo)?“ Wir also los, ohne jemand davon zu sagen. Bald holte uns der planmäßige Postwagen ein; wir hingen uns mit den Händen an seinen Kasten und sind so im Posttrab bis Kurzebrak, eine Meile (Anmerkung: ca. 7,5 km), gelaufen. An der Weichsel riesiger Betrieb: Hunderte von Wagen hatten schon Reisigfaschinen und Mist zur Verstärkung und Ausbesserungen des Deiches herangebracht. Viele hundert Männer waren an schwerer Arbeit eifrig tätig. Das Wasser reichte schon zum Überschwippen bis zum obersten Rand der Dammkrone. Die Weichsel war durch Überflutung des linken nur durch kleine Sommerdeiche geschütztes Ufer fast ½ Meile (ca. 3,8 km) breit. Sie trieb Eisschollen von Größen bis zu einem Quadratkilometer, die mit ungeheurer Wucht alles umdrückten, was ihnen im Wege stand. An einer Stelle hatten sie den Deich zur Hälfte weggepflügt und einen Friedhof aufgewühlt. Bei diesem Schauen waren wir schon nahe an Mewe (Gniew) heran, als wir merkten, dass die Mittagszeit vorüber sei. Nun pürschten wir uns durch die aufgeweichten Niederungswege allmählich an den Fuß der Höhe. Da fiel uns ein, dass dort im Rothof unsere Konfirmandenschwester Thereschen Dyck wohne. Wir beschlossen, da vorzusprechen, um zu versuchen, unsere bellenden Mägen etwas zu beruhigen. Der Hof lag ganz still; an allen Gebäuden waren die Türen geschlossen. Am Wohnhaus aber lag ein großer Kahn mit Rudern, durch lange Kette am Fenster des hohen Giebels befestigt. Auf Klopfen wurden wir hereingelassen und von Thereschen begrüßt. Den Alten interessierte unser bericht von der Weichsel. Alles Getier war auf die Höhe gebracht. Die Zimmerdecken waren durch festgekeilte Baumstämme gestützt. Die drei Zurückgebliebenen hatten sich auf längeres Kampieren im Dachgeschoss eingerichtet und für alle Fälle den Kahn bereit gestellt. Nun diesmal brach der Damm nicht. Daheim fanden wir die Familien in großer Sorge und Aufregung.

Wolfgang
27.10.2013, 12:13
Schönen guten Morgen,

vor praktisch genau einem Jahr berichtete ich schon einmal über die Zerstörung der Grasnarbe am Deichfuß zwischen Schönbaum und Nickelswalde. Den Sommer über konnte ich sehen, dass die sonst so üppig auf dem Vorland wuchernde Vegetation dort sehr sparsam blieb. Denn auch im Sommer fahren dort schwere Traktoren.

Nun wird das letzte Heu eingebracht. Ich frage mich, warum jetzt? Die gepressten Ballen lagen auf dem Außendeich etliche Wochen. Nun, nachdem Wiesen und Wege nach lang anhaltenden intensiven Regenfällen vollkommen durchweicht sind, zerstören schwere Fahrzeuge die kritischste Stelle eines Deiches: Den Deichfuss. Der Boden ist dort mitunter einen halben Meter tief aufgewühlt. Man muss sich eins vor Augen halten: Dies hier sind keine modernen Deiche sondern Deichanlagen die vor rund 120 Jahren mit damaligem Ingenieurswissen angelegt wurden. Der ganze Deich besteht aus dem Aushubmaterial des neu gegrabenen Weichselbettes, also aus Sand mit Lehmanteilen. Verteidigungswege gibt es nicht. Die Deiche weisen hier sowohl wasser- als auch landseitig sehr steile Böschungen auf. Landseitig folgt der Deichböschung gleich ein Sickergraben. Ich vermute, dass der Deich hier zehn Meter hoch sein kann.

In diesem Abschnitt kommen hier zwar nur selten Hochwasser vor, die bis zum Deichfuß reichen, aber das kann nur für die Vergangenheit gesagt werden. Ich werde jedenfalls nervös wenn ich sehe, dass hier zwar in einer ersten Maßnahme rund 160.000.000 Zloty (83% werden von der EU finanziert) in den Hochwasserschutz investiert werden, aber die banalsten Deichkontrollen unterbleiben.

Im letzten Jahr habe ich versucht, etwas anzustoßen, aber mich dann nicht mehr weiter darum gekümmert. Dieses Mal werde ich hartnäckig fragen und nachhaken. Denn es geht auch um meinen Schutz.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Waldschrat
27.10.2013, 14:59
Der Advent kommt und plötzlich, so ganz unerwartet, steht Weihnachten vor der Tür. Wie konnte das passieren?

Das Denken dreht sich meist um den Profit "in diesem Moment". Wenn ein Bauer 5 Minuten sparen kann, indem er irgendwelche Wege fährt, dann tut er das. Was interessiert ihn das Allgemeinwohl? Und mehr kann man auch vom Amt nicht erwarten.

Was in zwei Jahren sein wird, interessiert sowieso niemanden. Wenn wir die USA nicht verstehen, weil deren Denken nur bis zum nächsten Quartalsbericht reicht, dann können die Amerikaner stolz auf Polen verweisen. Das dauert noch mindestens eine Generation.

Herr, lass' Hirn regnen!

Inge-Gisela
27.10.2013, 18:45
Abgesehen von dem anderen Dilemma habe mich schon manches Mal in regenarmen Zeiten gefragt, warum die Heuballen auch in Deutschland nicht eingefahren werden. Nasses Heu, wenn es dann vor sich hinmodert, kann man eigentlich auch nicht mehr gebrauchen oder wo kriegt man es dann noch trocken? Oder der Bauer ist mit anderen Arbeiten total eingespannt. Gruß Inge-Gisela

Waldschrat
27.10.2013, 21:11
Ich habe mich mal erkundigt. Die Gefahr dass die Weichsel überläuft ist praktisch vernachlässigbar gering, es sei denn die Dämme brechen. Da müssten aber sehr viele Faktoren zusammen kommen und es gab ja in der Tat zwischenzeitlich einige Investitionen und Ausbaggerungen. Aber noch im Jahre 1997 (da gab es eine Hochwasserwelle) gab es für die Einwohner in Olszynka Evakuierungspläne. Olszynka liegt unter dem Meeresspiegel.

radewe
27.10.2013, 21:43
Guten Tag Wolfgang,

wenn ich Deine Fotos #16 sehe bekomme ich eine Gänsehaut.

Vor einem Jahr haben wir bereits dieses Thema „Hochwasser“ ausführlich diskutiert und scheinbar hat sich „bei Euch“ nichts geändert. Warum auch?? Die EU zahlt ja, sie hat zwar vor Jahren für ihre Mitgliedsländer eine Richtlinie zum Hochwasserschutz erarbeitet und Fördermittel bereitgestellt ……. eigentlich sollte die Verwendung überwacht werden.

Nach den Erfahrungen mit dem Hochwasser, im den vergangenen Jahren, ist Hochwasserschutz und Deichverteidigung in vielen D.-Bundesländern ein sensibles Thema geworden. Gesetze, Verordnungen und Verbote sind bei uns die Regeln in den Hochwasserschutzgebieten. Wenn z.B. ein freilaufender Hund den Mindestabstand zum Deich-/Böschungsfuß nicht einhält ist es bereits eine Ordnungswidrigkeit (er könnte nach dem Pinkeln kratzen und so die Grasnarbe beschädigen).

Hier ein Link: „Hochwasserschutzanlagen/Deichordnung für Hamburg“, der § 8, Verbote und Beschränkungen könnte Dich interessieren.
http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?nid=9&showdoccase=1&doc.id=jlr-DeichOHA2003pP8&st=lr

Grüße von Hans-Werner aus Hamburg

Wolfgang
28.10.2013, 00:10
Schönen guten Abend,
hallo Hans-Werner,

Du schreibst, Du bekämst eine Gänsehaut beim Anblick meiner Fotos. Ich werde wirklich nervös wenn ich daran denke was passieren kann.

Fakt ist, dass KEINER der hier nach dem Krieg Angesiedelten je einen Deichbruch am Unterlauf der Weichsel erlebt hat. Und fast Jeder hier sagt, Überschwemmungen durch Deichbruch gäbe es nicht. Es gibt keine über Generationen hinweg erlebte Gefahren mit solchen Hochwassern mehr. Und wer nur ein "Überlaufen" der Weichsel für vernachlässigbar gering hält, hat möglicherweise noch nicht verstanden welche Gefahren wirklich drohen. Die Weichsel wird nicht überlaufen. Zumindest nicht hier am Unterlauf der Weichsel.

Wir haben hier Sanddeiche. Fast 120 Jahre alt. Außer ein paar Flickarbeiten dort wo die Wehrmacht Ende des Krieges die Deiche sprengte wurde bis vor Kurzem kaum etwas getan. Wer in Danzig lebt, lebt weit weg. Und hat vielleicht gar nicht mitbekommen, dass es im Mai 2010 höchste Deichbruchgefahr an mehreren Stellen gab. In Letzkau und Käsemark zur Danziger Seite hin, in Schöneberg Richtung Osten. Ich berichtete mehrfach über Hochwasser, u.a. in Hochwasser in Käsemark (http://forum.danzig.de/showthread.php?5948-K%E4semark-Weichselhochwasser-in-K%E4semark) und Hochwasser am Schöneberger Weichseldeich (http://forum.danzig.de/showthread.php?5903-Hochwasser-am-Sch%F6neberger-Weichseldeich) sowie Der moderne Schimmelreiter (http://forum.danzig.de/showthread.php?5908-Der-moderne-Schimmelreiter).

Wie gesagt, überlaufen wird die Weichsel nicht. Aber es gibt auch heute noch viele Gefahren, die bisher glücklicherweise in der jüngeren Zeit nicht zu Katastrophen führten. Dass dies behördlicherseits auch so gesehen wird, zeigen die umfassenden Hochwasserschutzmaßnahmen die hier für 190.000.000 Zloty ausgeführt werden.

Worin bestehen die Gefahren?

- In lang anhaltenden Hochwassern wie Mai/Juni 2010 in denen die Deiche vollkommen durchnässt und unberechenbar werden. Sie werden weich und wabbelig wie Pudding. Wenn das Hochwasser lange genug auf den Deich einwirkt, dann können bei solch alten Deichen "Brüche" auch dann auftreten wenn das Wasser unterhalb der Deichkrone steht. Extreme Schwachstellen stellen die Deichfüße dar, denn dort wirkt das Wasser am längsten und zerstörerischsten ein. Dort wird dann Erdreich, hier also lehmiger Sand, ausgespült und fortgewaschen was nicht nur zu einer Deicherosion führt sondern auch zu verstärktem Wasserdruck der den Deich schneller durchweichen lässt.
- Jedwede Verletzungen des Deiches bzw. des Deichbewuchses
- Winterhochwasser mit schwerem Eisgang. Riesige Eisplatten können den Deich "abrasieren"
- Eisstau im Strombett und in der Weichselmündung

Wenn es hier keine Gefahren gäbe, dann frage ich mich warum bereits in der I. Etappe 190.000.000 Millionen investiert werden. Warum werden dann beidseitig der Weichsel (u.a. in Einlage und Schönbaum) riesige Beton-Spundwände von der Deichkrone aus in den Deich getrieben? Ich hörte, sie sollen über zehn Meter tief reichen. Wenn also keine Gefahren bestehen, warum?

All solche ergänzenden Hochwasserschutzmaßnahmen nützen aber nichts wenn es an Gefahrenbewusstsein mangelt und die Deiche an ihren empfindlichsten Stellen nachhaltig geschädigt werden.

Ich zeige noch einige Fotos:

- die Käsemarker Brücke mit Hochwassermarkierungen, aufgenommen beim letzten größeren Hochwasser im April 2012. Dort ist auch die Hochwassermarkierung von 1884 zu sehen, das Hochwasser, dass zum Bau des Weichseldurchstiches führte.
- Betonspundwandarbeiten zwischen Schmerblock und Einlage

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Alter Danziger
28.10.2013, 10:38
Auf den Bild 2 sieht mir aus wie ein Bohrer mit Betonpumpe. Und Bild 3 wie eine Verfüllung von einer Rinne mit Beton. Was für eine Technik ist das?

Ist das sowas wie eine Betonbohrpfahlwand? Oder wie gehen die da 10m tief in den Sanddeich rein ohne das da immer wieder Sand nachkommt? Und wenn der Deich da 10m hoch ist wie soll das funktionieren wenn die nur 10m reingehehen? Das Wasser geht doch unter der Wand durch wenn das nur sandiger Lehm ist.

Alter Danziger

Waldschrat
28.10.2013, 11:10
Ich glaube da kam was in den falschen Hals. Ich habe nicht ausdrücken wollen, dass keine Gefahr ist. Im Gegenteil. 1997 befürchtete man kurzzeitig ein Überlaufen. Diese Gefahr ist gering. Aber nur diese. Die Hauptgefahr besteht in der Unterspülung/Dammbruch. Einiges ist schon investiert worden, aber ein Bewusstsein für solche Dinge existiert im Volk nicht.

Hier im Land herrscht Egoismus pur. Was interessiert mich der Nachbar? Was interessiert mich das Allgemeinwohl? Wenn ich 5 Minuten sparen kann, dann sind das 2zl mehr in meinem Portemonnaie, die ich weniger an Sprit verbrauche. Nur das zählt.

radewe
28.10.2013, 12:27
Die Ostsee Anrainer-Staaten, federführend Rostock und Danzig, suchen nach neuen Wegen im Deichbau. Die Experten streiten über Sinn und Unsinn der Ergebnisse. Das Schlagwort welchen an den Küstenländern die Runde macht ist „Implementierung“ (was es auch heißen mag). Für den zukünftigen Deichbau soll es bereits Material aus Mischungen `Flugasche und Textilien` geben, aber auch Baggergut („Hafen“:confused:? - Schlick) soll nach einer Lagerung von drei bis sechs Jahren im Deichbau Verwendungen finden. Es erinnert an einer modernen Entsorgungsanlage für den unbeliebten Schlick:mad:.

Vermutlich stellt das Foto von Wolfgang ein polnisches Experimentierfeld da, die Ergebnisse dieses „kühnen“ Experiments interessieren mich sehr.

Grüße von Hans-Werner aus Hamburg

MeinEichwalde
28.10.2013, 12:47
Naja, meinem Eindruck nach ist das WErdermuseum eine Anlaufstelle, die die Bevölkerung sensibilisieren soll in diesem Fragen.
Polen ist eine Demokratie mit freier Presse. besonders die facebookseite kann jeder von uns mit Fragen bestücken und bekommt sicher eine Antwort.
Sigurd van Riesen der Initiator der Partnerschaft von Hennef und Tiegenhof war GEschäftführer der DWA und involviert mit allen europäischen WasserbauIngenieuren.
,Eine KOntrolle wie gesagt muss auch von unserer Gruppe ausgehen, indem man sich einmischt ganz im klassischen demokratischen Sinne.Abgeordneten facebook Seiten bestücken. Und Bürgermeister interviewen. Nur zu !
Auch Michael Pauls von der Tiegenhöfer Gruppe ist anrufbar. Und gibt sicher gerne über die Bemühungen des vEreins in dieser Hinsicht auskunft.
Jammern hat noch nie geholfen. Unsere polnischen Foristen ihr alle vor Ort. Nicht Angst haben, anrufen !
LG Eure Delia

Wolfgang
28.10.2013, 14:05
Schönen guten Nachmittag,
hallo "Alter Danziger",

die Deiche werden hier sicherlich nicht mit Betonbohrpfahlwänden verstärkt. Das wäre viel zu teuer und könnte auf die vielen Kilometer Deichsicherungsarbeiten gar nicht bezahlt werden. Ich denke mehr, dass dort eine Schlitzwandfräse zum Einsatz kommt die auch sofort Spezialbeton einbringt. Leider habe ich das Raupenfahrzeug nicht bei der Arbeit gesehen. Womit ich aber ein bisschen Schwierigkeiten habe, ist mir vorzustellen wie der Schutz funktioniert. Denn um Unterspülungen zu vermeiden müsste die Wand doch bis in wasserundurchlässige Schichten geführt werden. Außerdem würde doch, wenn diese Wand als Wasserbremse dient, der wasserseitige Deichteil wesentlich stärker durchnässt und damit instabiler. Oder wird das aufgewogen durch die größere Stabilität des landseitigen Deichteils?

Schade, dass ich (noch) nicht ein bisschen mehr über modernen Deichbau und Sanierungsmaßnahmen weiß. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. :)

Aber vielleicht haben wir ja hier im Forum Spezialisten, die darüber was sagen können.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

radewe
28.10.2013, 22:06
Die erneuten Beiträge „Hochwassergefahren“ kamen gerade zu dem Zeitpunkt als über Norddeutschland Orkanböen zwischen 150 – 200 km/h tobten.
Unwillkürlich musste ich an Wolfgangs Beitrag „ der moderne Schimmelreiter“ denken.
Es ist nicht auszumalen wohin die Besatzung dieser im Beitrag erwähnten/gezeigten Fahrzeuge und das Zelt hin geblasen währen.
http://forum.danzig.de/showthread.php?5908-Der-moderne-Schimmelreiter&p=36129&viewfull=1#post36129

Eine ruhige Nacht wünscht Hans-Werner aus Hamburg