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krista
17.11.2012, 14:04
Vom Riesen Tullatsch und dem Pfarrturm.
Von Elsa Faber v. Bockelmann

Habt ihr euch nicht gewundert, dass der Danziger Pfarrturm keine Spitze hat? Was?
Vielleicht hat es der liebe Gott nicht erlaubt, denn dann würde es ja ein Loch
im Himmel geben. Vielleicht haben auch die Menschen kein Geld gehabt, um
weiterzubauen. Der alte Pfarrturm lacht für sich. Er weiß warum.
Da ist nämlich Tullatsch dran schuld. Das war der allerletzte der Riesen. Er
lebte damals noch, als man am Turm baute. Angst hatten die Danziger nicht vor
ihm, denn er hauste in einer eisigen Höhle ganz, ganz oben in Norwegen, und das
ist weit fort. Nur die Seeleute, die von dort herüber kamen, erzählten
Wunderdinge von ihm. Wie er aussah, wusste eigentlich niemand, denn alles machte
sich aus dem Staube, wenn man ihn von ferne sah, doch das er mit einem Schritt
über den Langen Markt weggehen konnte, war eine ausgemachte Sache. Manche
erzählten, sein Gesicht wäre so rund und rot wie die Sonne wenn sie am
tiefsten steht! Seine Augen sind so groß wie Mühlenräder, sein Mund so breit
wie ein Backofen und seine Nase - du liebe Zeit, die wäre wie eine
Kirchenglocke so dick. Aber erst seine Fußspuren, eine ganze Fischerkate
hätte darin Platz.

Also gerade war das Mauerwerk zum Pfarrturm fertig, und morgen wollte man
anfangen, ein hohes, spitzes Dach darauf zu setzen. Hei! War das ein Leben! Es
wimmelte nur so von Zimmerleuten und Handwerkern. Von oben konnten sie bis zum
Meer sehen. Aber - o Schreck - was sahen sie da? Eine Riese, dreimal so groß wie
der Leuchtturm, stapfte durchs Meer über Hela hinweg gerade in die Danziger
Bucht und kam mit Riesenschritten näher. Das konnte niemand anders als der
Tullatsch sein. Hast du nicht gesehen, rannten sie die vielen vielen Treppen
hinunter, und das war keine Kleinigkeit - hatten doch die Treppen 365 Stufen.
Der Turmwächter, der tags zuvor in sein Stübchen gezogen war, tutete aus
Leibeskräften nach allen vier Himmelsrichtungen in sein blitzblankes
Horn:"Achtung! - Tullatsch kommt! - Gleich ist er da! - Gefahr! - Trara! Trara!"
Dann aber sauste auch er herunter, dass die Rockschöße nur so flogen. Er nahm
immer drei Stufen auf einmal oder noch mehr. Nur der Baumeister war oben
geblieben, und das gehörte sich auch so. Unten in der Stadt zogen die
Zugbrücken nur so in die Höhe. die Mutigsten luden die größte Kanone auf
dem Walle, aber dann liefen auch sie fort. Auf den Straßen war es still, wie
nachts um zwölf Uhr. Nur auf dem Fischmarkt stolperten hastig einige Weiber
durcheinander, sie hatten viel wegzuschaffen.
Aber schon dröhnte und donnerte es und Tullatsch stand mit dem einen Fuß auf
dem Langen Markt und mit dem anderen tief in der Mottlau, dass das Wasser
platschte. Die Fischweiber kreischten auf, denn das Wasser war über den Rand
getreten und schwemmte sie alle fort. Gut, dass sie immer so viele Röcke
anhaben, die blähten sich im Wasser auf, und das sah furchtbar komisch
aus. Tullatsch musste so lachen, dass Türme und Häuser nur so wackelten. Jetzt
zog er langsam seinen Fuß aus dem Wasser, sorgsam fischte er sie mit seinen
riesigen Händen aus dem Wasser und setzte sie behutsam auf die Dächer zum
trocknen. Seht da, haben mir die kleinen Menschenkinder einen Stuhl gebaut,
freilich ein bisschen breiter dürfte er sein, aber es geht auch so, und damit
zog er sein dickes Wams aus, und legte es als Kissen unter. Dann setzte er sich
behaglich nieder, der Turm krachte und ächzte. Tullatsch wartete. Warum habt
ihr denn solche Angst vor mir? Ihr wisst gar nicht, wie gerne ich euch Menschen
habe, und ich kann doch auch nicht immer so mutterseelenallein sein", und dabei
kullerte ihm eine dicke, dicke Träne herunter. Ich hab mich ja so gefreut, dass
ihr mir einen so feinen Stuhl hingestellt habt, und nun lässt sich keiner
sehen. Ei, da fällt mir ein, dass ich euch etwas Schönes schenken kann, schaut
mal her!"
Aus seiner linken Hosentasche holte er mit geheimnisvollem Gesicht ein Spielzeug
nach dem anderen heraus, d.h. Riesenspielzeug, alles aus Stein gehauen und
zentnerschwer. Vögel, Krokodile, Soldaten, eine Schildkröte, einen Hirsch,
Löwen, Eidechsen, Sonne, Mond und Sterne kamen zum Vorschein, ein wirklicher
König war auch dabei. Dann griff er ganz tief in seine rechte Hosentasche und
langte eine ganze Handvoll riesiger Steinkugeln hervor. Und das ist für die
Kinder, ich habe als Kind auch damit gespielt. Die Augen des Baumeisters wurden
immer grösser, aber zum Schluss musste er laut lachen, denn die Steinkugeln
waren grösser als die größte Kanonenkugel. Und was wollen wir mit den Sachen
machen? Guter, guter Tullatsch, erlaubt mir, dass ich der Stadt sage, wie gut
ihr es mit uns meint. Das gab ein Aufsehen! Rasselnd fielen die Zugbrücken
nieder. Alle Menschen strömten durch die Gassen.
Inzwischen hatte sich der Bürgermeister die goldene Kette umgehängt und die
Ratsherren zogen die Sonntagskleider an, um Rat zu halten. Da der Baumeister so
mutig gewesen und auch der größte Künstler in der Stadt war, soll er allein
entscheiden was mit den Geschenken des Riesen gemacht werden soll. Ganz außer
Atem kam er oben an. „Tullatsch! Haben die sich gefreut und nun hör mal zu. All
deine Geschenke wollen wir ganz oben auf die Giebelhäuser setzen, da können
wir sie immer sehen und werden dich nie vergessen. Du musst uns helfen, sonst
wird es furchtbar teuer, wir brauchen ja hundert Arbeiter und noch mehr.“ Tullatsch strahlte nur so vor Freude, und nun ging‘s los. Die Löwen kamen vor den Arthurshof. Der Vogel Greif kam hierhin, die Schildkröte auf das Dach in der
Heiligengeist-Gasse, die Soldaten auf den Stockturm. Ja, und der König, der kam
auf die Rathausturmspitze weil er sich mit dem Mantel so fein nach dem Wind
drehte. Er war aus blankem Gold. Tullatsch rann der Schweiß von der Stirn. „Und
was machen wir mit den Steinkugeln?" "Die legen wir vor die schönsten Häuser.“
Nun war alles verteilt, Oh, wie herrlich sah die Stadt aus.
Jetzt kam der Abschied, und der war sehr feierlich. Jedes Mal wenn der
Baumeister seine Mütze schwenkte, wurden unten Kanonenschüsse abgegeben. Der
Wirt vom Lachs ließ ein großes Fass herbei rollen, das leerte Tullatsch gierig
auf einen Zug. Die Tonne aber warf er in die Ostsee, wo sie noch heute herum
schwimmt. Alle Glocken läuteten, und der Bürgermeister hielt eine Rede, von
der Tullatsch freilich nichts verstehen konnte, aber er machte sein huldvollstes
Gesicht dazu.
Ja, und dann - wanderte der Riese fort. Zum Spaß fuhr er mit seinen beiden
Händen noch einige Male durch die Mottlau und warf so viel Fische über die
Stadt, dass sie für acht Tage genug hatte. Es war wie ein Wolkenbruch, und eh'
die Danziger zur Besinnung kamen, war Tullatsch schon über alle Berge.
Niemand hat ihn seither wiedergesehen, so oft man auch nach ihm ausschaute. Zur
dauernden Erinnerung an unseren Freund Tullatsch ließ man den Turm so, wie er
damals war. So ist er bis heute geblieben.
Ihr wisst warum.
Manche von den ganz Gescheiten sagen, es habe niemals Riesen gegeben.
Wir aber wissen's besser.

Ulrich 31
17.11.2012, 15:13
Hallo krista,

bitte nicht enttäuscht sein: Dieses schöne Märchen von Elsa Faber von Bockelmann hat schon vor 2 Jahren Christa ins Forum gestellt (siehe http://www.forum.danzig.de/showthread.php?344-Der-Riese-Tullatsch&highlight=Riese+Tullatsch).
Es lohnt also immer, vor einem eigenen Beitrag sich mit geeigneten Stichwörtern in der Suchmaske abzusichern.
Im vorliegenden Fall ist es aber trotzdem schön, an dieses Märchen erinnert zu werden. - Danke!

Viele Grüße
Ulrich

krista
17.11.2012, 16:13
Hallo Ullrich -

meinen Beitrag hatte ich damit begonnen:

"Am 28.2.2005 hat Georgine Kretschmar das Märchen vom Riesen Tullatsch bei Danzig L eingestellt. Vielleicht möchtet Ihr es noch einmal lesen." Und dann folgte das Märchen. Der Anfang taucht hier leider nicht auf.

Viel Grüße
-Krista-

Bartels
17.11.2012, 21:30
Danke Krista,

zur Weihnachtszeit haben wir Kinder das Märchen immer auf Schallplatte angehört -
Rückseite: Die Glocken von St. Marien ...

Ulrich 31
17.11.2012, 23:41
Hallo Krista,

das ist ja merkwürdig und schade, dass der Beginn Deines Beitrags nicht erschienen ist. Durch Deinen jetzigen Hinweis steht nun fest: Über dieses Märchen vom Riesen Tullatsch konnten sich die Leser vom Forum Danzig inzwischen sogar dreimal freuen. Dreifach hält besonders gut, und deshalb herzlichen Dank an alle drei, die diese schöne Geschichte hier zu lesen gaben.

Viele Grüße
Ulrich

krista
18.11.2012, 01:00
>das ist ja merkwürdig und schade, dass der Beginn Deines Beitrags nicht erschienen ist.<

Es ist wohl eher so, dass ich es irgendwie "vermasselt" habe, denn es fehlt ja nicht nur die Einleitung sondern auch zum Abschluss der Gruß. Ich gehe jetzt erst mal frustiert ins Bett.

Gute Nacht
-Krista-

Stejuhn
18.11.2012, 11:36
Hallo Christa,

vielen Dank für die Sage vom Riesen Tullatsch. Ich habe sie mir, Dein Einverständnis vorausgesetzt, ausgedruckt und zu meinen Unterlagen "Alles über Danzig" abgeheftet.
Wir haben sie im Familieverband gelesen und finden, dass diese Art vom Märchen sehr schön ist und keinesfalls, wie es ja heute vielerorts gemacht wird, negativ (brutal, beängstigend usw.) behaftet werden kann. Nein, zeigt sie doch auch Kindern, dass man vor "Großem" keine Angst haben muss.

Viele Grüße
Sigrid

krista
18.11.2012, 15:17
Guten Tag -

bin z.Zt. dabei, meine alten Disketten mit Beiträgen aus Danzig L noch einmal anzusehen. Die Beiträge sind noch aus der Zeit, als Waldemar seine Zusammenfassungen - ordentlich nach Themen sortiert - einstellte. Das bringt mir sehr viel Freude. Und wenn ich hier etwas davon - zugegebenermaßen wohl nicht ganz korrekt - einstelle, wollte ich niemanden damit verletzen, oder irgendwelche Lorbeern für mich einheimsen, oder gar irgendjemanden damit ins Abseits schubsen. Wenn es nun doch passiert ist, kann ich mich dafür entschuldigen, was ich hiermit tue.

Richtig ist, dass ich mit zunehmendem Alter, manches vergesse - oder übersehe - einfach nicht zur Kenntniss nehme, was ich aber wohl doch ernsthafter beachten sollte. Und das ist mir einfach zu anstrendend.

Schön, dass Sigrid und Rudolf es - trotz der kleinen "politischen Unkorrektheit" - gern gelesen haben.

Schönen Sonntag noch
-Krista-

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
18.11.2012, 15:46
Ach Krista
Mach Dir doch keine Gedanken .... wir werden alle älter !!!
So genau muss man es doch nicht nehmen !
Vielen Dank !!!
Viele Grüße
Hans-Jörg

krista
18.11.2012, 17:36
Hallo Hans-Jörg -

zwischen meinen "Schätzen" gibt es auch mehrere Beiträge von Elfi über die St. Antoniuskirche in Brösen. Der Kuratus Paul Schütz schreibt über die Kirche (1.5.1921 und im Ostermonat 1926). Sicher hast Du das schon. Wenn nicht, laß' es mich wissen.

Beste Grüße
-Krista-

waldkind
18.11.2012, 17:36
Hallo Krista,

ich fand es schön, dass Märchen zu lesen. Hans-Jörg hat recht, wir werden älter und fragen uns dann "Wie war das nochmal mit dem Riesen in Danzig?"
Mir hat das Märchen Freude bereitet. Ich liebe nämlich Märchen, Sagen und Legenden und freue mich über deinen Beitrag, auch wenn andere ihn schon gebracht haben.

Meine Güte,wie oft hat hier schon jemand was gesagt, was ein anderer chon vorher sagte? Sei also nicht gefrustet. Im Gegenteil,wenn du wieder eine schöne Geschichte hast, erzähle sie uns. Ich freue mich drauf.

Herzliche Grüße vom wk.

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
18.11.2012, 17:42
Hallo Krista
Klar habe ich ... es gibt ein kleines Buch über diese Kirche... unsere Familie hat am Bau mitgewirkt ...........!
Viele Grüße
Hans-Jörg

Stejuhn
18.11.2012, 22:24
Hallo Christa,

Mensch bin ich froh:D, dass Du genau so menschlische Schwächen hast, wie ich. Dann fühle ich mich nämlich nicht ganz so unzulänglich.
Außerdem hatte Dein Vergessen für mich überhaupt etwas sehr Positives! Ich kannte nämlich den Riesen Tullatsch nicht, somit auch keine Sage. Durch Dich habe ich erst davon erfahren und ich freue mich sehr darüber.
Liebe Grüße
Sigrid

Stejuhn
18.11.2012, 22:28
Hallo Christa,

ich meinte natürlich menschliche und nicht menschlische.

Liebe Grüße
Sigrid

Uwe
18.11.2012, 22:54
Nun weiß ich also auch woher das zweite Worte kam und bedeutete wenn meine Oma schimpfte. Nun weiß ich wer Tullatsch ist und Lorbas kannte ich schon lange. Jetzt fehlt mir noch das dritte Wort "Labommelcrem" (Schreibweise könnte anders sein). Weiß jemand um dessen Bedeutung?

Herzliche Grüße

Uwe

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
18.11.2012, 23:10
Hallo Uwe
Also " Labommel" ist glaube ich so etwas wie ein " Lümmel".... ( ähnlich Lorbas..)
Viele Grüße
Hans-Jörg

Uwe
18.11.2012, 23:43
Hallo Hans-Jörg,

ihr Spruch war dann immer beim schimpfen "Tullatsch, Lorbas und Labommelcreme" ..... wobei ich letzteres Wort nur vom hören kenne.

Herzliche Grüße

Uwe

Ulrich 31
18.11.2012, 23:43
Hallo Uwe und Hans-Jörg,

hier findet Ihr "Labommel" in einer witzigen Ostpreußen-Geschichte am Anfang von Absatz 10: http://www.ostpreussen-humor.de/inhalt/witulski.htm.

Gute Nacht!
Ulrich

Uwe
18.11.2012, 23:47
Danke Hans-Jörg und Ulrich,

villeicht war Creme auch so etwas wie "Kram" auf plattdütsch und ein eigenständiges Wort?

Herzliche Grüße

Uwe

Stejuhn
19.11.2012, 09:01
Guten Morgen Uwe,

im Danziger "Missingsch" ergänzt und überarbeitet von Karl-Heinz Jessner -03.2000-, wird ein Labommel mit Herumtreiber oder Lausejunge übersetzt.

Viele Grüße
Sigrid

Geigersohn
19.11.2012, 16:29
Hallo Uwe,
kann es sein, dass sie vielleicht auch " Labommelkreet " gesagt hat?
Das scheint mir wesentlich logischer.
Schöne Grüße von Geigersohn

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
19.11.2012, 17:04
Toll
Das könnte die Lösung sein .... Uwe war sich ja nicht ganz sicher mit der " Schreibweise" ....haha
Viele Grüße
Hans-Jörg

Uwe
19.11.2012, 21:39
Super Geigersohn das könnte es wirklich sein! :D Habe es ja nie von meiner Oma selbst gehört oder kann mich nicht erinnern, war ja erst 5 Jahre alt als sie starb. Und was heißt nun "Labommelkreet"????????????????? ;)

Herzliche Grüße

Uwe

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
19.11.2012, 21:49
Ach Uwe
Wenn " Labommelkreet" auf Dich gemünzt war...... naja
Labommel ~ Lausejunge
Kreet ~ schlechte Person
Ohjeh
Viele Grüße
Hans-Jörg

krista
20.11.2012, 02:09
Das habe ich auch auf meinen alten Disketten gefunden. Rudi hat es irgendwann einmal bei Danzig L eingestellt.
Gute Nacht
-Krista-

Danziger Sprachkurs
Von Poguttke stammt folgender Danziger Sprachführer
erschien am 23.05.1936 in den Danziger Neuesten Nachrichten.

Danzich ruft!so jeht de Mahnung
raus ins Land vom Bersteinstrand
dänn meist hat ma keine Ahnung
nich vom scheenen Danzjer Land!

Daß ma´s weithin kricht zu wissen
durch de "Neisten",scheint mich gut,
eins bloß tu ich hier vämissen:
wie der Danzjer reden tut.

Nich bloß mit Natur und Bauten
lockt de Stadt vom Weichselstrand,
nei,mit trauten Heimatlauten
auch wo auswärts unbekannt.

Weil nu dies doch inträßieren
kennt dem ein´und andern schon,
mecht bescheiden ich riskieren
hier ´ne Danzjer Sprachläxion.

Hält sich wer fier sprachenkundich
wunder wie in Deitsch wärsiert,
wird sein Wortschatz hier erst fundich
der Volländung zujefiert.

Reich und plastisch,kurz und drastisch
urjemietlich und jesund
tut sich träffend (nie bombastisch)
Danzjer Art im Volksmund kund.

Kommt ein dwatscher Zroh mal her hier,
ouhst sich auf und macht vleicht Schmus,
schon "Moin Gommas,kick,ei er dir!"
heert er forts als Danzjer Gruß.

Ma scheniert und ziert nich groß sich,
nich am Schild,nich inne Ohr,
is wo´n Bowke eierbooßich
bringt er mochumsch so dies vor:

"Leidack!Luntrus!Labs!Lachodder!
Tullas und Labommelkreet!
Woart,äck schmiet di glicks em Modder!
Schaber nich und holle Freet!"

"Unnosljes Schorf,väfeier
Dir!Väzink dir Abselwat!
Mach,daß wäch kemmst,sonst bescheier
ich dir vleicht de Karbenad!"

Also teent es laut furioso,
wänn ein Sohn Jedanias zirnt,
wo sich mit en Bochert wo so
wejen Marjäll väzwirnt.

Aber sinnich auch und innich
teent des Einjebornen Laut,
wänn en Mottlauspucker minnich
traut der Braut im Auge schaut.

Und mit sießer,schmeichelnd leiser
Inbrust bringt er zart es raus:
"Trautstes Zruchelchen! Mien Schleiser!
Komm jipp en Machandel aus!"

Wo der Mottlau Wellen rauschen
Weichselwärts am Heekertor
kann man Fillosofen lauschen
voll beschaulichem Humor.

Wo(den Pfriem im Munde)ruckweis
Tiefsinn eisern unjehemmt:
"Korkle,spie molmang de Uckleys,
äck well kecke,ob et schwemmt!"

Tut der Fremdling weiterjehn,
wo´s nach Eppel riecht und Fisch,
lärnt er glatt im Handumdrehen
tausend Worte Danzjerisch!

Wo ma mang de Mottlauwogen
de Pomuchelnätze hängt,
wird vom fleißjen Filologen
reichstes Wissensgut jeschänkt.

Danzjer Fischfrau`n!En Kapitel
fier de Forschung riesengroß!
Was ich hier davon vämittel,
is en kleines Nippchen bloß:

"Scheene Flinderchens,Madamchen!
Olle Goy,puhst di nich op!
Ed´ard,komm doch mal mit´s Tammchen,
jipp dem Labs hier oppen Kopp!

Reicheraalkes,wolt´er ruscheln!
Holt da wer dem Schien nich her?
Nich daß nachher die benuscheln
jehn tust anne Krantorfähr.

Sonst mach sauber ich de Fleck dir!
Duhnaskreet,nimm dir zusamm´!
Nimm de Kipp,ställ in de Äck ihr!
Scheene Flinderchens,Madam!"

Staunend heert ma dem enormen
Danzjer Sprachschatz ringsumher,
hat doch solche Ausdrucksformen
weder Sanskrit,noch Homer!

Tja,der ollen Häldengriechen
Rednerruhm is glatt väwälkt,
dänn sie mißden sich väkriechen,
wänn ne Danzjer Fischfrau belkt!

Weitres sei nu man väschwijen,
dänn sonst weer de Spannung gonn,
sälsbt muß ma´s zu heeren kriejen,
dänn sonst hat ma nuscht nich von.

Also,wänn ihr klug und weise,
glaubt mir:keinem nich tut´s leid:
jehts von wejen Sommerreise,
Danzich ruft!Ihr wißt Bescheid!

Vieler Sorjen wird ma ledich,
tut als froher Gast ma ziehn
forts nachs Nordische Venedich,
wo der Reicherflundern bliehn!

Mach noch so wild ihm rings umtoben
der Gassenstreit im Spuk der Zeit,
ihm scheint jen hälles Turmlicht oben
wie Leuchtturmglanz aus Ewigkeit!

Er fiehlt im Härz,im sorjenmieden,
nei Glaubensmut und Hoffnungstrost:
der Sturmfahrt folcht der Hafenfrieden!
Kopp hoch!Es wird all werden!Prost!
________________________

Bartels
20.11.2012, 11:22
Ein schönes Thema ...

"Leidack! Luntrus! Labs! Lachodder!
Tullatsch und Labommelkreet!
Woart,äck schmiet di glicks em Modder!
Schaber nich und holle Freet!"

________________________

Elsa-Faber-von-Bockelmann: Hier im Forum mit Link zu Wikipedia (http://forum.danzig.de/showthread.php?8330-Elsa-Faber-von-Bockelmann)

Geigersohn
20.11.2012, 11:48
Zu diesem Vers dürfte kein Bedarf für eine
Übersetzung erforderlich sein. Oder etwa doch?
Dann traut Euch und macht - de Frät opp -!
Dies wünscht Geigersohn,
der wenig von seinen Elter gehört hat,
aber versucht durch Nachschlagen bei
"Missingsch" und " Plattdütsch, min Moadersproak"
immer sicherer zu werden.

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
20.11.2012, 14:38
Ohjeh
Wenn ich diese Ausdrücke wieder höre/ lese ... was war früher auf mich gemünzt (?) ..verrate ich nicht !
Viele Grüße
Hans-Jörg

Stejuhn
20.11.2012, 20:02
Guten Abend,

oooooooooooh, da werden aber Kindheitserinnerungen wach.
Ich verrate aber auch nicht welche!

Viele Grüße
Sigrid

Uwe
20.11.2012, 21:49
Liebe Sigrid,
lieber Hans-Jörg,

jetzt aber "Botter bi den Fisch"! ;)

Herzliche Grüße

Uwe

krista
21.11.2012, 12:14
Guten Tag -
in dem Gedicht von Hugo Arendt werden die Danziger Ausdrücke erklärt. Ich kann nicht sagen, wer es wann wo eingestellt hat. Aber für sooo wichtig halte ich es auch gar nicht. Der Autor ist wichtig.

Beste Grüße
-Krista-
Heimatluft Hugo Arendt
Es ist schon immer so gewesen:
„Die Sprache“, sie bezeugt dein Wesen.
Ja, sie beweist, ob du ganz echt,
ob einer gut ist oder schlecht.
Die Liebe und die Heimattreue,
beweist sie täglich uns aufs neue.
Auch in der fernen, fremden Welt,
der Danziger treu zur Heimat hält,
an seiner Mundart hält er fest,
ob er nach Norden, Süd und West
verschlagen ist. Nichts kann ihm rauben
den Heimatsinn, den Heimatglauben.
Drum höre die vertrauten Worte,
die ich dir sag an diesem Orte:
N'en feinen „Pinkel“ nennt man „Zror“,
gar mancher kam uns „mochumsch“ vor.
Die Straßenbahn war eine „Lor“,
für Ohra sagt ein Danz'ger „Or“.
Ein „Tammchen“ war ein dicker Stock,
ein „Scheckert“ ein pickfeiner Rock.
Ein Hochseedampfer war ein „Stiemer“,
für Knüppel sagt man „Ochsenziemer“ .
Ein „Schleiser“ war des Danzigers Braut,
„betonn ihm“, sagt man, wenn man haut.
Der „Bochert“ band sein „Beffchen“ um,
und „schucher“ war so viel wie dumm.
„Schrubber“ hießen schöne Beine,
ein „Drussel“ war ein Stückchen Leine.
„Angströhr“ war der Zylinderhut
und „Bottermelk“ kein Danz'ger Blut.
77
Ein „Blitzkopp“ war ein Polizist,
ein Schimpfwort war „du altes Mist“.
Hat dir der „Eduard“ gejuckt,
wurd' ein „Machandelchen“ geschluckt.
Ein „Bohnchen“ war' ne gute Stell',
ein schmuckes Mädchen hieß „Marjell“.
Ein „Kissert“ war ein böser Hund,
ein „Fellak“-Stein wog an fünf Pfund.
Den „Deffert“ kennt der Taubenmann,
am „Dubbas“ war schon etwas dran.
Ein „Gnussel“ war ein kleiner Kerl,
'ne „Butterblum“ 'ne Strohhutperl.
Ein „Flittchen“ war ein leichtes Mädchen,
ein „Schien“ ein Polizist im Städtchen.
'ne „Flirr“, das war ein großes Loch.
„Ei er dir“, sagt, kennt ihr das noch?
„Halbmast“ hieß eine kurze Hose,
ein „Kuli“ war ein Leichtmatrose.
Mit einer „Kuff“ fuhrst du einmal,
ein „Krimmchen“ war ein Kriminal.
Ein „Loui“ war ein Messerheld
aus Schidlitz, Emaus, Niederfeld.
Ein Fröschlein war 'ne alte „Pogg“,
ein „Pfläumert“ zierte deinen Kopp.
Mit „Schleifchen“ liefst du auf der Bahn,
'ne „Lomm“, das war ein Oderkahn,
ein „Leschak“ ein recht dummer Mann,
ein „Pracher“ war ein Bettelmann.
Zu Schuhen sagt der Danziger „Trittchen“
und für 10 Pfennig sagt er „DittChen“.
Ein „Wichstopp“ war ein Hochzeitshut,
er hat „ne Wonz“ sagt man für Wut.
Ein „Vatermörder“ war ein Kragen,
und „Ollsche“ hörte man oft sagen.
'Ne Glocke war 'ne alte „Zrimmel“ ,
ein „Lorbass“ war ein Danziger Lümmel. Ein Lorbass
„Unnosel“ war ein frecher Mann,
ein „Zagel“ hing am Hunde dran.
Ein „Zinkhahn“ hat ein kleines Haus,
der „Zaster“ ging uns manchmal aus.
Ein „Ruschelbruder“ war ein Dieb,
„Spektakel“ hat wohl niemand lieb.
Ein „Zobel“ war wohl jede Katz,
ein „Stauer“ war am Hafenplatz.
Ein „Stuchel“ war ein kleiner Fisch,
für Angst sagte man einfach „Schiss“.
Ein „Pfänder“ war 'ne Pulle Fusel,
und Glück, das nennt der Danz'ger „Dusel“.
Zum „Rummel“ gingen Männer, Fraun,
um dort den „Lukas“ gut zu haun.
78
„Solinger“ nannte man das Messer,
auf ohrsch klingt auch „Zachling“ besser.
'Ne „Glibber“ war 'ne Bahn aus Eis,
was jeder Danziger Junge weiß.
Ein' „Schniefke“ nahm wohl jeder Mann,
der „Lange Heinrich“ war ein Kran.
Ein „Dudd“, das war ein falscher Zopp,
manchmal flog dir 'ne „Klipp“ an' Kopp.
Ganz dicken „Modder“ nannt man „Blott“,
Bindfaden hieß bei uns stets“ Bott“ .
Kartoffeln hießen „Bulwen“ gar,
„ei er dir“ mit de „Lochzigarr“.
„Doppelte Neunkraft“ machte jung,
mit „Zislawäng“ kamst du in Schwung.
„Moi gammas“ hab' ich Sie getreten?
Komm, lass uns einen noch „verlöten“!
Genug mit diesem Sprachgewirr,
sonst haut' mir einer noch 'ne „Flirr“
in meinen Danziger „Bregen“ hier.
Verbeugung: „Ich verfeier mir!“

Uwe
23.07.2023, 10:35
Hallo,

lese erst jetzt den Text von Bartels und nun weiß ich auch wieder alles was meine Oma gesagt hat wenn jemand nicht so nett war.

Luntrus! Labs! Lachodder!
Tullatsch und Labommelkreet!

Das genau hat mir meine Mutter erzählt. Danke für die Vervollständigung Bartels!

Herzliche Grüße

Uwe