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Helga +, Ehrenmitglied
14.04.2008, 22:25
PABLO NERUDA 1950
Die Ruinen am baltischen Meer


Gdansk, kugeldurchbohrt vom Krieg,
irrzerfetzte Rose,
zwischen deinem Meeresruch
und dem hohen fahlen Himmel
ging ich inmitten deiner Ruinen einher,
ein Gespenst unter Gespenstern,
zwischen Trümmern von orangenem Silber.
Eindrangen die Nebel mit mir,
die eisigen Schwaden,
und umherschweifend entwirrte die Straßen ich,
die häuserlosen, menschenlosen.

Ich kenne den Krieg
und dieses Antlitz augen- und lippenleer,
diese gestorbenen Fenster, ich kenne sie,
sah sie in Madrid, in Berlin, in Warschau,
doch dieses gotische Schiff
mit seiner roten Ziegelasche am Meer,
an der Pforte der alten Fahrten -
merkantiles Antlitz am Bug,
grüner Kutter der eisigen Meere -,
mit seinen herzzerreißenden Wunden,
seinen Mauerstümpfen,
seinem vernichteten Stolz,
sie drangen in meine Seele
wie Schneeböen, Staub und Rauch,
wie etwas, das erblinden macht und verzweifeln.

Das Haus der Gilden, mit seinen gestürzten Emblemen,
die Banken, in denen das Gold in Europas Kehle fiel,
klirrend,
die roten steinernen Uferdämme,
wo ein Strom von Getreiden
gleich einer Erdenwoge
des Sommers Duft herübertrug,
alles war Staub, Berge zerstörter Materie,
und der Wind des eisernen Baltischen Meeres
wehte in die Leere.