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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sander: Die Danziger Ruderei



Wolfgang
03.01.2013, 14:46
Aus "Unser Danzig", Nr. 18 vom 20. September 1962, Seite 9

Das sportliche Danzig bis 1933
von Robert Sander

Die Ruderei
Da in den Danziger Gewässern unerschöpfliche Möglichkeiten vorhanden waren, konnte die Ruderei den ältesten Danziger Sportklub aufweisen. Schon in den 80er Jahren wurde die "Viktoria" gegründet, die ihre Anregung in der engen Geschäfts-Verbindung zu Hamburg hatte. Ihr erstes Bootshaus an der Kuhbrücke, das später das Heim der Schüler-Ruderei wurde, ersetzte sie durch einen repräsentablen Neubau auf der Kämpe gegenüber dem Fischmarkt. Aus der "Victoria" ging 1891 der Danziger Ruderverein hervor, der sein schönes Bootshaus mit einem schlanken Leuchttürmchen am Hafeneingang auf der Kämpe am Kielgraben erbaute. Die Silberschränke dieser beiden Klubs in den Festsälen dokumentierten manchen sportlichen Sieg, Danziger Ruderer starteten auf vielen Regatten und schlugen sich gut. Von ihnen seien die Victorianer Paul Schönemann (vermachte in seinem Testament 100.000 Mark für ein Hallenbad), Jacob Merdes (Turnführer und Begründer des Frauenruderns) Gustav Corinth, Erich Karkutsch und die Vereinsmänner Max Sommerfeld (deutscher Einer-Meister), Otto Gericke, John Axt, Otto Fast, Carl Domanski genannt.

Auf solcher Tradition entwickelte sich im Freistaat frohe Nachfolge, die hier nur kurz gewürdigt sein kann. Ruderklub "Hansa" mit Bootshaus auf dem Gelände der früheren Johannsen-Werft Strohdeich, der "Akademische Ruderclub" mit Bootshaus an der Aschbrücke und der polnische "Club Wioslarski", der sich ein kleines aber hübsches Bootshaus am Steindamm baute.

Der Verband Danziger Rudervereine hatte seine klassische Rennstrecke vor Weichselmünde. Auf den hohen Wällen der alten Festung wurde eine Tribüne gebaut, von der man die ganze Rennstrecke, 2000 Meter, übersehen konnte. Keine andere deutsche Regatta-Strecke besaß eine solche Übersicht. Für die Feststellung genauer Zeiten wurde ein Telefon-Relais verlegt.

Eines Tages um 1910 herum kam ein Danziger Ruderer, der in Hamburg in Stellung war, in seinen Ferien in die Heimat. Der verlud auf dem Deck des Dampfers, mit dem er heimfuhr, einen eichen geklinkerten Kanadier und stellte ihn beim Ruderverein ein. Solch Fahrzeug war damals ganz neu, zum ersten Mal streichelten Paddelschläge den Wasserspiegel der Mottlau. Als er wieder nach Hamburg fuhr, blieb sein Boot in Danzig und sollte Stammvater einer Kinderschar werden, die nach dem Weltkrieg riesenhaft wuchs. Zuerst zögernd, da Holzboote noch teuer waren, dann aber unaufhaltsam, als die Industrie Faltboote und Zelte lieferte
und das "Camping" entdeckt wurde. Da gab es bald mehr Paddler als Ruderer. Die Sorge um die Boote zeitigten einen Zusammenschluß nach dem anderen. Dem "Kanuclub Danzig" (der sich dann an den Ruderverein anlehnte und sein Bootshaus auch an der Kämpe errichtete) folgten "Wanderpaddler" (Bootshaus Breitenbuck-Brücke), Post-Sportverein (am Steindamm), Schupo und andere.

Der tote Mottlau-Arm am Steindamm, an dem wir in unserer Jugendzeit noch Holzfelder mit sägenden Männern sahen, wurde Paddler-Eldorado. Neben den Bootshäusern taten sich Bootsverleiher mit Lagerständen für Paddler auf, die abseits von strenger Klub-Disziplin aufs Wasser wollten. (Im Kanuklub durfte z.B. nur im Vereinsdress mit Klubstander im Bug gepaddelt werden, und jeder gab die ehrenwörtliche Erklärung, in seinem Boot nur Schwimmer zuzulassen.) Es waren die von den Sportlern "wilde Paddler" Getauften. Nicht alle waren aber "Wilde". Diese kletterten mit Kind und Kegel ins Boot, ersetzten die Kenntnis der im Hafen nun einmal erforderlichen Wasserstraßenordnung durch Musik und die Bootslichter durch Lampions und ließen abends bei der Heimfahrt hören: der Tag war nicht alkoholfrei gewesen. Ja, es war nicht immer leicht, die Strompolizei musste schließlich eine Nummerierung der Boote vorschreiben. Das Sportamt tat, was es konnte, und hatte die Freude, dem Kanu-Verband in dem Schilfgebiet der Messina-Inseln eine Kanustation auszubauen, die das Ziel vieler Wochenendfahrten und Ferienrasten wurde.

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Wolfgang
03.01.2013, 14:51
Aus "Unser Danzig", Nr. 9 vom 05. Mai 1963, Seiten 12-14

Danziger Ruderei
Früher - Heute - Morgen
von Robert Sander

Sieht man vom Turnen ab, das in Danzig in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts den ersten vereinsmäßigen Zusammenschluss erlebte, sind Rudervereine die ältesten Sportorganisationen von Danzig. Schon Ende der siebziger Jahre regte sich dieser Sport, Anfang der achtziger Jahre entstand der Ruderclub "Victoria", aus dem dann 1891 der "Danziger Ruder-Verein" hervorging. Die enge Handelsverbindung Dan-zigs mit Hamburg, wo schon früher sportliches Rudern blühte, spielte dabei mit. Rudern ist nun einmal ausgesprochener Mannschaftssport, der für seine Boote Unterkommen benötigt. Und unsere Heimat mit dem herrlichen Wasserrevier im Weichsel-Nogat-Delta (und dazu die Mottlau) bis zum Haff bot unzählige Gelegenheiten, von der nahen Ostsee ganz abgesehen. So schlossen sich an die beiden Danziger Alters-Vereine bald neue, denen nach 1920 die steigende Zahl der Paddelklubs folgte. Wo irgend möglich, sah man Bootshäuser mit regem Sommertreiben. Danzig war eine Ruderer-Stadt. Der Verband Danziger Rudervereine vertrat die sportlichen Belange und rüstete jeden Sommer die große Regatta vor Weichselmünde, deren Hauptrennen sogar mit einem Wanderpreis des deutschen Kaisers ausgezeichnet war. Die besten norddeutschen Mannschaften haben in Danzig um ihn gekämpft, die Danziger waren ihnen gleichwertige Gegner. Einmal siegreich im "Kaiser-Vierer" gerudert zu haben, ist dem Verfasser eine liebe Erinnerung.

Das ist nun alles mit der ganzen Danziger Sportgeschichte vorbei. Als früheren Vorsitzenden des Verbandes Danziger Ruder-Vereine hat mich jetzt manche Anfrage alter Ruderer ereilt, die Einzelheiten wissen wollten. Zudem war es mir auch vergönnt, selbst in Danzig an den heutigen Hafengewässern Umschau zu halten und dabei doch noch manches zu sehen, was die Zerstörung unserer lieben Heimat überdauert hatte, auch mit Männern zusammenzukommen, die die Ruderertradition aufrecht erhalten und weiterführen. Ich erfuhr, dass heute Pläne Gestalt annehmen, die den alten Verband schon vor Jahrzehnten beschäftigten. So die Anlage einer erstklassigen Rennstrecke vor Heubude anstelle der vor Weichselmünde, die durch den Schiffsverkehr nach Neufahrwasser immer sehr beeinträchtigt war.

Als das Feuer auf Danzig fiel, da brannten auch die meisten Bootshäuser: Danziger Ruder-Verein und Kanuclub auf der Kämpe, Polnischer Ruderclub am Steindamm, Schüler-Ruderverein an der Kuhbrücke (altes Victoria-Bootshaus), Damen-Ruderbund, Akademischer Ruder-Verein an der Aschbrücke. Auch von den Paddelbootshäusern, wie z. B. Post- und Wanderpaddler fand ich keine Spur mehr.

Was ging damit an Bauten und Inventar, an kostbarem Bootsmaterial, Gig- und Rennbooten, vom Einer bis zum Achter, verloren! Das stattliche Bootshaus des Danziger Ruder-Vereins auf der Kämpe gegenüber Brabank, ein Wahrzeichen an der Einfahrt zum Innenhafen, mit dem schlanken Türmchen, der Veranda vor dem Festsaal, von der aus man auf Strohdeich, den alten "Milchpeter" und die Werften schaute. Oder auf das neue, zwar kleine, aber architektonisch gelungene Haus des Polnischen Ruder-Vereins am Steindamm in der Nachbarschaft der vielen Paddlerunterkünfte. Oder das reizende Heim, das sich der Damen-Ruderbund am Bassin der Aschbrücke gebaut hatte mit schmuckem Vorgarten, in dem mancher gesellige Tee kredenzt wurde.

Die Danziger Ruderei wurde zwar von den "Aktiven" getragen, konnte aber ohne die "Passiven" nicht bestehen, jener Schicht solider Großkaufleute, von denen so mancher in jungen Jahren selbst den Rennriemen geführt hatte. Einer der ihren, der an der Getreidebörse des Vorsteheramts der Kaufmannschaft hoch angesehene Max Sommerfeld wurde deutscher und später holländischer Einer-Meister, war ein bekannter Turner und Schwimmer (und mein unvergessener Sportmentor). Der Großkaufmann, einstige Schlagmann und spätere Vorsitzende der "Victoria", Paul Schönemann, hinterließ ein Legat von hunderttausend Mark als Grundstein für ein Winter-Schwimmbad (das dann in der Inflation zu Papier wurde, weil man zu lange über den geeigneten Platz beriet). Waren nicht viele Inhaber großer Firmen Ruderer? Ich nenne: Berenz, Bahrendt, Cornicelius, Corindt, Classen, Fast, Gerike, Hardtmann, Karkutsch, Machtans, Neiß, Rabe, Schepke, Siede, Unruh, Thomsen, Wieler und habe sicher noch manchen vergessen. Lauter Namen, die in der Danziger Geschichte der neunziger Jahre etwas bedeuteten.

Stilistisch wurde in Danzig gut gerudert in Anlehnung an die norddeutsche schwunghafte Art, die von Hamburg kam und dort von den guten Londoner Klubs übernommen war. Ein Ruderanfänger, der geglaubt hatte, er käme gleich im schönen Mahagoniboot aufs Wasser und könne sich an der "Langenbrücke" bewundern lassen, der sah sich doch getäuscht. Er musste vor den "Instruktoren" manche Stationen passieren. Im "Kasten" erlernte er das Handhaben der "Riemen", "Wasserarbeit" und das "Aufscheeren" (flach übers Wasser führen). Dann wartete das schwere Schulboot auf ihn, wo er erst auf festem, dann auf Rollsitz auf Körperhaltung gedrillt wurde, von Kopf bis Fuß. Immer waren strenge Kritiker um ihn herum, bis er es heraus hatte, den Rollsitz richtig zu benutzen, sich nach dem Vorgehen ordentlich aufzurichten, keine "Kiste schieben", kurz dahinter zu kommen, dass man mehr mit den Beinen als mit den Armen sportlich rudert. Endlich war dann die Qualifikation erreicht, im schmucken Gigboot zu rudern. Für viele, wohl die meisten, war mit diesem Gesellenstück die Ruderausbildung abgeschlossen, sie konnten sich schon mit Anstand auf dem Wasser zeigen, Wanderfahrten rudern. Das genügte den meisten auch. Die hohe Schule, die Benutzung der subtilen Rennboote, dieser Spitzenleistungen der Bootsbauerei (die ersten bezogen wir noch aus England, dann aber wurden die deutschen gleichwertig und besser), die kam erst mit dem Regatta-Training. Und dazu verschrieben sich die Klubs im frühen Frühjahr, wenn das Eis von der Mottlau verschwand, erfahrene Ruderlehrer als Trainer, der Danziger Ruder-Verein sogar mehrfach aus England. Dann begann hartes gewissenhaftes Training mit ausgefeilter Schulung erst im Gigboot, vom Zweier in den Vierer, dann im Achter, dann im Rennboot bis zur Regatta. Das war hohe Zeit der Ruderei, fit zu machen zum Tage des Rennens, die Kunst der Trainer. Um die Trainingsleute drehte sich dann die ganze Sorge der Vereine. Es gehörte viel Idealismus dazu, um den harten Anforderungen eines Rudertrainings zu genügen, aber nie habe ich gehört, dass es an jungen Ruderern gefehlt hätte, wenn die Klubleitungen sie zum Vortraining luden, aus dem dann die engere Auswahl folgte. Siegreiche Mannschaften (ihre Preise gehörten ihrem Verein und zierten die Glasschränke in den Versammlungsräumen) blieben gern für das nächste Training beieinander, Kameradschaften fürs Leben wurden geschlossen. Ruderei war eben Mannschaftssport und blieb Männersache. Langsam regte sich auch die Weiblichkeit; aus einer Riege der "Victoria", die der alte Rennruderer und Turner Jacob Merdes leitete, entstand unter der energischen Leitung von Margarete Marckfeld der Damen-Ruderbund.

Bei solchen Vorbereitungen sah man, da die Boote im Innenhafen stets den Blicken vieler ausgesetzt waren, wenn sie die Mottlau-Gewässer entlang flitzten, meist guten Stil. In Körperhaltung, Ruderführung, Schaufeldeckung, Einsatz. Ein "Gruß-Comment" verband die Boote des Verbandes. Das ausfahrende Boot musste das einfahrende zuerst grüßen, der Steuermann legte die Hand an die Mütze. Steuermannlose setzten einen Schlag aus zu leichter Verneigung. Jeder Verein hatte seine Stileigenheiten, die der Kundige schon sah, wenn das Boot noch gar nicht heran und die Klubfahne hinter dem Steuermann am Heck (ohne die nicht gefahren werden durfte) zu erkennen war. Vielfach waren die Riemenblätter auch farbig gehalten, der Danziger Ruder-Verein z.B. rot mit gelbem Stadtwappen.

Von solchem Leben ist heute nur noch zu erzählen. Das einzige Bootshaus aus dieser Zeit, das heute noch, wenn auch reichlich beschädigt und verfallen, an der Mottlau zu sehen ist, gehörte der "Victoria" auf der Kämpe etwa gegenüber dem "brausenden Wasser". Mit seinen drei Danziger Giebeln ein charakteristisches Bauwerk in eindrucksreicher Umgebung, weitläufig für seinen Zweck eingerichtet. Eine Freitreppe führte hinauf zum großen schönen Festsaal, an den sich die Veranda anschloss, von der die Blicke über das Flussgetriebe, zum Fischmarkt, Krantor und den anderen Danziger Wahrzeichen schweifen konnten. Diese Platzwahl war ideal. Von diesem Bootshaus blieb noch soviel übrig, dass sein Ruderbassin im Unterschoß von den heutigen Ruderern für ihr Wintertraining benutzt werden konnte. Doch seine Tage sind gezählt, es liegt für die heutige Dreistädtestadt zu entlegen und soll abgebrochen werden. Ein neues Ruderbassin ist bereits im Bau. In der Großen Allee, auf dem kleinen Exerzierplatz, steht heute, sozusagen als Pendant der "Sporthalle" (heute Theater) die Schwimmhalle, die wir alten Ruderer so ersehnten. Dort baut man das Ruderbassin an. Es liegt am großen Durchgangsverkehr.

Die Danziger Ruderei ist an der Mottlau erstanden und will auch wieder an ihre historische Stätte. Die heutige Ost-West-Achse durch die alte wieder errichtete Rechtstadt bietet Gelegenheit dazu. Der Verkehr zur Niederstadt führt heute nicht mehr über Langgasse und Langermarkt, sondern wird über Vorstädtischen Graben, Winterplatz, Speicherinsel zur Reitergasse und weiter geleitet. Die beiden Mottlau-Arme an der Speicherinsel sind mit massiven Fahrbrücken überspannt.

Diese beiden Fahrbrücken lassen aber nur kleinere Fahrzeuge, keine Seeschiffe, mehr durch und haben daher die Hafenverhältnisse zwischen Thornscher und Aschbrücke sehr geändert. Es ist dort still geworden. Wir können uns an unsere Jugendtäge in den achtziger Jahren erinnern, als es dort nicht viel anders war. Da fror hier im Winter alles schön zu, und auf dem Bassin an der Aschbrücke entstand eine große Natur-Eisbahn, die der Magistrat verpachtete und die Arbeiter von nahen Holzfeldern, die im Winter nichts zu tun fanden, in Ordnung hielten. Manches Eisfest ist dort gewesen. Das letzte 1903, das der Ruder-, der Tennis- Verband und der Ballspiel- und Eislauf-Verein zum ersten Mal streng sportlich ausschrieben und durchführten mit Schnell- und Kunstlaufen, letztere aber nur Kür. Eine 500-Meter-Bahn mit zwei Wechselkurven war markiert, und auf ihnen wurde zu Zweien auf Zeit gestartet. Genau wie es auch noch heute geschieht. Alle Rennen waren gut besetzt. Unsere Zeiten konnten sich sogar sehen lassen, es wurden schon Rennschlittschuhe benutzt, die aus Schweden kamen. Ich weiß das alles noch genau, denn ich siegte damals über 1.500 Meter, und meine Schwester mit meinem späteren Schwager starteten im Paar-Kunstlauf. Nach 1903 ging diese winterliche Sportstätte aber ein, denn der Handel beanspruchte das Ufergelände für den Export, und Eisbrecher hielten im Winter die Fahrrinne für die Dampfer offen.

Jetzt soll das Gelände an der neuen Brücke, also etwa die Wasserseite der zertrümmerten Lastadie, wieder dem Rudersport übergeben werden. Ein modernes Bootshaus mit Schwimm- und Ruderbassin, Gartenanlagen und Cafe und anderen Anlagen, auch für Körperbehinderte, sind vorgesehen. Die Sache sei "auf gutem Wege", meinte mein Gewährsmann. Das ist heute, da die Ruderei nicht mehr nur auf eigene Kraft angewiesen ist und der Sport staatliche Förderung erhält, von Belang!

Abschied nehmen mussten im Sommer 1962 die Ruderer von einer Stätte historischer Tradition, der Rennstrecke vor Weichselmünde. Anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Polnischen Ruder-Klubs sind dort im Sommer 1962 noch in zweitägiger Regatta 43 Rennen in allen Bootsgattungen mit über 700 Ruderern ausgetragen worden. Aber die Regatta ist noch älter, über 60 Jahre, und wurde für die damaligen ostdeutschen Vereine zum ersten Mal 1895 ausgetragen. Ihr Initiator war Max Sommerfeld, der auch den ersten Einer-Sieg errang. "Victoria" brachte den Senior-Vierer heim, "Danziger Ruder-Verein" den Stadtpreis der Junioren mit Sander am Schlag. Die erste Rennstrecke verlief: Start von Neufahrwasser, wo die Werft des Hafenbaues Booten und Ruderern einen schönen "Sattelplatz" bot, bis Ziel Legan ("Branntweinspfahl"). Aber sie hatte Mängel für Zuschauer, die von den Rennen fast nur die Endspurts sahen, und wurde daher umgedreht. Jetzt mussten die Boote jedoch zum Start fast 3 Kilometer hinauf bis Legan rudern. Dazu kam, dass der Verkehr auf der Haupt-Hafenstraße nicht einfach durch eine Regatta stillgelegt werden konnte. Durch ein schwieriges Pausen-Abkommen mit Kaufmannschaft und Lotsenamt wurde dem zwar Rechnung getragen, aber die Lage blieb immer heikel. In den Rennpausen durchfurchten die Steamer in beiden Richtungen die Strecke und erzeugten oft Rauhwasser. Nicht alle Steuerleute wußten dem bei der Bergfahrt durch Beidrehen zu begegnen, die zierlichen Rennboote nahmen Wellen über und kamen manchmal halb vollgeschlagen zum Start, wo die patschnassen Mannschaften erst mal "auskippen" mussten. So etwas hob den Mut nicht gerade. Aber sonst war die Rennbahn gut ausgestattet, der Verband der Rudervereine baute gleich hinter dem Ziel einen praktischen "Sattelplatz". Am besten hatten es die Zuschauer. Auf dem Weichselmünder Festungswall wurde ihnen eine Tribüne geboten, von der man bis zum Start sehen konnte. Eine eigene Telefonanlage mit Beobachtungsstationen berichtete zur Tribüne über den jeweiligen Stand der Rennen. So war die Regatta jährlich ein Volksfest, das Tausende anzog.

Jedoch Klagen der Ruderer, Forderungen der Schifffahrt, Werften und Marine wurden dringender. Die Regatta musste entfernt von den großen Schiffen gelegt werden. Es war aber schwer, eine 2000-Meter-Strecke, günstig für eine größere Zuschauermenge, zu finden. Unsere Blicke gingen zur "Toten Weichsel" Vor Heubude, wo sich uns eine ideale schnurgerade Strecke bot, an der wir uns schöne Anlagen dachten, ergänzt durch das Volksbad Heubude, wohin die Danziger so gerne fuhren. Wie oft haben wir da draußen beratschlagt und geplant! Aber da lagen an den Ufern die riesigen Holztraften, Reichtum unserer Stadt, da standen Schneidemühlen, die ihn verarbeiteten. Manche von ihnen schon untätig, denn Polen sandte keine Traften mehr weichselabwärts, sondern schnitt seine Hölzer selbst. Alles blieb noch ungewiss. Und dann kam der Krieg und das Ende.

Er hat auch an der Krakauer Kämpe radikal aufgeräumt. Die Hölzer und Bauten sind dahin, die Ufer frei, und nun ist eine Rennstrecke vorhanden, breit, gerade und still mit Start an der Krakauer Kämpe und Ziel vor der Eisenbahn-Drehbrücke. Die alten Haltepfähle der Traften sind entfernt, Bagger machten die Wassertiefe überall gleichmäßig. "Sattelplatz" der Ruderer sowie Schiedsrichtertribüne stehen am Ufer zwischen Plehnendorfer Chaussee (heute Elbinger genannt) und Toter Weichsel. Dort entstehen Grünanlagen. Mein Gewährsmann teilte mit, dass von 1963 ab dorthin die Ruderregatten verlegt werden. An der Chaussee, der Ausfallstraße in das Werder, ist beiderseitig Baugebiet. Danzig dehnt sich nicht nur nach Zoppot und Gdingen aus, sondern auch östlich. Mehrere Hochhäuser, eins mit elf Stockwerken, stehen schon am Eingang dieser Straße.

Danziger Ruderei - gestern und heute und morgen! Sportliche Arbeit nur im olympischen Gedanken, seelische Kräfte in körperlicher Betätigung. Möge es stets so bleiben!

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Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

Weitere Verwendungen / Veröffentlichungen bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung durch den Rechteinhaber:
Bund der Danziger
Fleischhauerstr. 37
23552 Lübeck

Bei vom Bund der Danziger genehmigten Veröffentlichungen ist zusätzlich die Angabe "Übernommen aus dem forum.danzig.de" erforderlich

Insel2008
04.01.2013, 02:15
Guten Morgen Wolfgang und erstmal ein erlebnissreiches Neues Jahr 2013.
Vielen Dank für Deine Einstellungen hier, komme mit dem Lesen garnicht nach.
Wenn ich endlich meinen Drucker mit Scanner installiert und hier die Freigabe zum Einstellen von Bildern habe, dann kann ich auch ein Rudererbild von Danzig dazugeben.
Wünsche angenehmen Januar.

Hans-Joerg +, Ehrenmitglied
04.01.2013, 17:55
Hallo
Hier dazu einiger " Ruder - Daten " aus Danzig....
Viele Grüße
Hans-Jörg

Rahmenbauer14, + 1.11.2021
04.01.2013, 19:34
Hallo und hier eine gelaufene Ansichtskarte vom 7.6.1912 betr. Danziger Ruderer

12706

wünsche ein schönes kommendes Wochenende

Rainer

J.Langfuhr
04.01.2013, 20:57
Dank an Wolfgang für das tolle Thema!

In der Tat erzählte unsere Mutter immer mit Begeisterung vom Rudern. Diese Liebe zum Rudern hat sie an uns weitergegeben. Auch unser Nachwuchs rudert inzwischen fleissig, allerdings auf dem Wannsee.

LG

J.Langfuhr

Ulrich
05.01.2013, 01:32
Hallo, danke für den Abdruck, Wolfgang und die "Ruder-Daten", Hans-Jörg.
Was ich an Sanders 2. Ruderbericht vermisse:
Er geht nicht auf die Zeit des Nationalsozialismus ein, sein glorifizierender Bericht verkennt, dass der Danziger nationalsozialistische antijüdische Rassismus auch im Danziger Rudersport seine Spuren hinterlassen hat. So wurden Juden und Nachkommen von Juden - zumindest vom ehrwürdigen Ruderclub "Viktoria" ist das bekannt, über ihre Herkunft befragt und nur in Sonderfällen, das heißt, bei besonders guter sportlicher Leistung, im Verein belassen. Der Verbleib im Sportverein war umso wichtiger, als ein Vereinsausschluss zur sozialen Isolation der ganzen Familie beitrug.
Schade, dass gerade Robert Sander, der gewiss viel von diesen Vorgängen wusste, so wenig zur weniger ruhmreichen Geschichte des Danziger Rudersports beitrug.

Einen schönern Gruß

Ulrich

Wolfgang
07.01.2013, 20:34
Schönen guten Abend,
hallo Ulrich,

ich weiß nicht warum Robert Sander in seinem Artikel nicht die Juden erwähnte die Mitglied der Ruderclubs waren. Es ist nicht möglich, ihn zu befragen - längst gehört auch er zu Jenen, die uns Geschichte nur mehr per geschriebenem Wort überliefern.

Trotzdem: Robert Sander war nie ein Vertreter des Nazi-Regimes, im Gegenteil, er vertrat die Juden Danzigs und half wo immer er auch konnte. Und das ist überliefert...

Viele Grüße aus dem Danziger Werder und in großem Respekt vor Robert Sander
Wolfgang

Ulrich
07.01.2013, 23:59
Hallo Wolfgang,
danke für die Entgegnung.
Mir ist bewusst, dass Robert Sander viel für die Danzger Juden getan hat. Auch als Geschichtsschreiber der Judenverfolgung ab 1939 in Danzig ist er super. Du hast ja dankenswerterweise seine entsprechenden Berichte aus "Unser Danzig" unter "Auswanderer in fünfjähriger Odyssee" ins Forum gegeben. Was Sander z.B. über das Ghetto in der Mausegasse schreibt, erweitert unsere Kenntnisse, die wir von der Danziger Judenverfolgung der letzten Tage haben, wie sie von Echt und Lichtenstein berichtet wird.

Es ist genau das, seine umfassende Kenntnis über das antijüdische Pogrom einerseits, sein Schweigen über die antijüdischen Vorgänge im Rudersport, wo er sich ja auch auskannte, andererseits, was mir ein Rätsel ist.

Einen schönen Gruß
Ulrich

Ulrich
08.01.2013, 02:01
Hallo nochmal:
Ergänzen möchte ich, dass schon mit der Einführung des sogenannten "Arierparagraphen" auch in Danzig, "Nichtarier", Juden und Nichtjuden mit einem oder zwei jüdischen Großeltern, qua neu-aufgenommene Statuten aus nicht jüdischen Sportvereinen herausgeworfen wurden - es sei denn, sie waren aufgrund außerordentlicher sportlicher Leistungen für die N-S-Propaganda nützlich. Das galt auch für den ehrwürdigen Danziger Ruderclub "Viktoria".
Einen schönen Gruß
Ulrich

Inge-Gisela
08.03.2013, 16:09
Hallo,
nachdem mir in meinem 2 Bilderrätsel die Antwort insoweit beantwortet wurde, dass mein Foto "Clubhauseinweihung Herbstregatta 1924 des R.C.V. 14. September 1924", wohl Danzig betrifft, gehe ich davon aus, nachdem ich hier über die Vereine gelesen habe, dass es der Regattaclub Viktoria e.V. sein könnte. Weiß jemand, wo dieses Haus dann stand? Gruß Inge-Gisela

Bartels
09.03.2013, 13:27
Hallo Inge-Gisela,

der Ruder Club Victoria hatte ein grosses Clubhaus mit drei Giebeln auf dem Bleihof (siehe Bericht Sander und Adresse bei Hans-Jörg).

Es ist zu vermuten, das 1924 ein zweites, viel kleineres Club- und Bootshaus eingeweiht wurde, das nur für den Regattabetrieb da war:

Also direkt an der Regattastrecke vor Weichselmünde.

Mit bestem Gruß
Rudolf H. Böttcher