Wolfgang
23.01.2013, 23:58
Schönen guten Abend,
wer weiß es, wer glaubt es? - Das Danziger Haupt war in früheren Kriegszeiten hart umkämpft, konnte doch dort die Danziger Weichsel abgeriegelt werden sodass der Handel Danzigs mit Polen -überwiegend mit Getreide und Holz- unterbunden werden konnte.
Heute ist das eine sehr friedliche Gegend. Die Weichsel strömt der See zu, der Abzweig zur Elbinger Weichsel, die in das Frische Haff mündet -in früheren Zeiten der Hauptarm des Stromes- ist still gelegt und durch riesige Schleusentore abgeschottet.
Heute war ich da. Vor genau 10 Jahren, im Januar 2003 war dort die Weichsel das letzte Mal durchgehend zugefroren. Seitdem warte ich Jahr für Jahr darauf, dass dies wieder geschieht. Nicht dass ich es dann wagen würde, dort von einem Deich zum gegenüberliegenden zu laufen, nein, so wagemutig bin ich nicht. Denn geschlossenes Eis heißt nicht, eine durchgehende dicke Eisfläche vorzufinden. Es sind nur Schollen, übereinander geschoben, miteinander verbacken, zu Bergen aufgetürmt, im Sonnenlicht weiß und schattenlos gleißend, aber tückisch, gefährlich für Jeden, der glaubt über sie laufen zu können. Jedes Jahr fordert die scheinbar gefrorene Weichsel ihre Opfer.
Heute war ich da. Kilometer Null der Elbinger Weichsel. An den Schleusentoren. Dann unten an der Stromweichsel. Es war ein Erlebnis. Unglaublich. Wie immer wieder. Und nur für den so umfassend verständlich, begreifbar, der Mutter Weichsel kennt, sie im Winter erlebt hat oder einst erleben durfte.
Heute: Die Elbinger Weichsel dick zugefroren. Auf der Stromweichsel bzw. der Danziger Weichsel, wie sie auch genannt wird, dichtes, sehr dichtes Treibeis. Keine großen Schollen, aber das kann sich von heute auf morgen ändern. Etwa fünf Meter vom Ufer her in den Strom hineingewachsenes Eis. Es ist phaszinierend, schier unglaublich: Die Wirklichkeit, die Atmosphäre, das was den Augenblick ausmacht, es ist kaum zu sehen, nein, es hilft sogar, die Augen zu schließen. Andere Sinne sind gefragt. Das Eis, draußen, das treibende, es ist geräuschlos. Hörbar geräuschlos. Aber wirklich hörbar, gefangen nehmend, beunruhigend, elektrisierend, das sich am gefrorenen Ufer entlang schiebende Eis. Es knirscht, es knackt, es rauscht, es mahlt, es raschelt, es knallt beim Brechen, es summt, es singt und fast jeder Ton kündigt sich vorher an. Es ist zu erraten, was hörbar sein wird und trotzdem bleibt immer die Spannung ob es das dann auch wirklich so eintreffen wird.
Mein Gott, wie schwach entwickelt ist doch unsere Fähigkeit, Naturwunder in Worte zu fassen. Und obwohl es heißt, ein Bild sage mehr als tausend Worte, wie schwach ist doch auch die Aussagekraft eines Bildes gegenüber dem was Wirklichkeit ist: Offenen Sinnes dort an der Weichsel stehen, siehen, hören, riechen, träumen - und das zu erleben nicht nur als Summe der einzelnen Empfindungen, nein, sondern als Multiplikation, als Potenzierung der einzelnen Sinneseindrücke. Ich kann das nicht beschreiben, und auch die Bilder können nur einen schwachen Abglanz dessen bieten, was Wirklichkeit ist.
Wem erzähle ich das? Nichts erzähle ich Jenen, die hier lebten, aufwuchsen, ihre Wurzeln über Generationen hinweg hatten und einen siebten Sinn für die Geheimnisse und Wunder der Natur entwickelten.
Aber: Ich bin glücklich feststellen zu dürfen, dass dieses Erbe meiner Eltern in mir nicht vollkommen verloren ging.
Herzliche Grüße aus dem winterlichen Werder
Wolfgang
wer weiß es, wer glaubt es? - Das Danziger Haupt war in früheren Kriegszeiten hart umkämpft, konnte doch dort die Danziger Weichsel abgeriegelt werden sodass der Handel Danzigs mit Polen -überwiegend mit Getreide und Holz- unterbunden werden konnte.
Heute ist das eine sehr friedliche Gegend. Die Weichsel strömt der See zu, der Abzweig zur Elbinger Weichsel, die in das Frische Haff mündet -in früheren Zeiten der Hauptarm des Stromes- ist still gelegt und durch riesige Schleusentore abgeschottet.
Heute war ich da. Vor genau 10 Jahren, im Januar 2003 war dort die Weichsel das letzte Mal durchgehend zugefroren. Seitdem warte ich Jahr für Jahr darauf, dass dies wieder geschieht. Nicht dass ich es dann wagen würde, dort von einem Deich zum gegenüberliegenden zu laufen, nein, so wagemutig bin ich nicht. Denn geschlossenes Eis heißt nicht, eine durchgehende dicke Eisfläche vorzufinden. Es sind nur Schollen, übereinander geschoben, miteinander verbacken, zu Bergen aufgetürmt, im Sonnenlicht weiß und schattenlos gleißend, aber tückisch, gefährlich für Jeden, der glaubt über sie laufen zu können. Jedes Jahr fordert die scheinbar gefrorene Weichsel ihre Opfer.
Heute war ich da. Kilometer Null der Elbinger Weichsel. An den Schleusentoren. Dann unten an der Stromweichsel. Es war ein Erlebnis. Unglaublich. Wie immer wieder. Und nur für den so umfassend verständlich, begreifbar, der Mutter Weichsel kennt, sie im Winter erlebt hat oder einst erleben durfte.
Heute: Die Elbinger Weichsel dick zugefroren. Auf der Stromweichsel bzw. der Danziger Weichsel, wie sie auch genannt wird, dichtes, sehr dichtes Treibeis. Keine großen Schollen, aber das kann sich von heute auf morgen ändern. Etwa fünf Meter vom Ufer her in den Strom hineingewachsenes Eis. Es ist phaszinierend, schier unglaublich: Die Wirklichkeit, die Atmosphäre, das was den Augenblick ausmacht, es ist kaum zu sehen, nein, es hilft sogar, die Augen zu schließen. Andere Sinne sind gefragt. Das Eis, draußen, das treibende, es ist geräuschlos. Hörbar geräuschlos. Aber wirklich hörbar, gefangen nehmend, beunruhigend, elektrisierend, das sich am gefrorenen Ufer entlang schiebende Eis. Es knirscht, es knackt, es rauscht, es mahlt, es raschelt, es knallt beim Brechen, es summt, es singt und fast jeder Ton kündigt sich vorher an. Es ist zu erraten, was hörbar sein wird und trotzdem bleibt immer die Spannung ob es das dann auch wirklich so eintreffen wird.
Mein Gott, wie schwach entwickelt ist doch unsere Fähigkeit, Naturwunder in Worte zu fassen. Und obwohl es heißt, ein Bild sage mehr als tausend Worte, wie schwach ist doch auch die Aussagekraft eines Bildes gegenüber dem was Wirklichkeit ist: Offenen Sinnes dort an der Weichsel stehen, siehen, hören, riechen, träumen - und das zu erleben nicht nur als Summe der einzelnen Empfindungen, nein, sondern als Multiplikation, als Potenzierung der einzelnen Sinneseindrücke. Ich kann das nicht beschreiben, und auch die Bilder können nur einen schwachen Abglanz dessen bieten, was Wirklichkeit ist.
Wem erzähle ich das? Nichts erzähle ich Jenen, die hier lebten, aufwuchsen, ihre Wurzeln über Generationen hinweg hatten und einen siebten Sinn für die Geheimnisse und Wunder der Natur entwickelten.
Aber: Ich bin glücklich feststellen zu dürfen, dass dieses Erbe meiner Eltern in mir nicht vollkommen verloren ging.
Herzliche Grüße aus dem winterlichen Werder
Wolfgang