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Wolfgang
18.04.2008, 11:59
Spaziergang am Strand von Adlershorst / Orlowo


Sonntag, 04. Mai 2003

Hier zieht es mich immer wieder hin. Es ist eines der reizvollsten Plätzchen in der Danziger Bucht. Adlershorst. Bereits der Name lässt aufhorchen, weckt Interesse, macht neugierig. Adlershorst! Der Name verspricht Natur. Heute möchte ich ein bisschen weiter laufen, um den berühmten Steilhang herum Richtung Gdingen.

Wir kommen mit dem Wagen aus Danzig, fahren über Zoppot, biegen auf Höhe des neuen Einkaufszentrums Klif rechts ab Richtung Seesteg und Strand. Hier ist im Mai letzten Jahres mein Opel Omega gestohlen worden, aber heute fahren wir mit einem Wagen mit polnischem Kennzeichen, das zudem auch besser gegen Diebstahl geschützt ist. Wir parken das Fahrzeug und machen uns auf den Weg durch eine hoch über dem Strand gelegene gepflegte Grünanlage und sehen, als wir uns dem Meer nähern, den leuchtend weißen fast 70 Jahre alten Seesteg von Adlershorst. In wunderbaren Farben der Nachmittagssonne strahlt dahinter der Steilhang von Adlershorst. So wird er auch auf alten Ansichtskarten genannt, obwohl es eigentlich "Kliff an der Hochredlauer Kämpe" heißen müsste. Ich bleibe einen Moment stehen, muss einfach stehen bleiben, um in Ruhe dieses wunderschöne Bild auf mich wirken zu lassen, um es aufnehmen zu können. Viele Menschen sind unterwegs, viele Familien. Sie suchen Erholung in der Natur. Wir gehen zum Seesteg, schauen ins Wasser, dorthin wo wir vor gerade mal zwei Monaten sich in leichtem Wellenauf und -ab übereinander schiebende Eissplitter beobachteten und den von ihnen hervorgerufenen zart klingenden Töne lauschten. Weiter draußen auf dem Seesteg scheint es trotz Sonne ein wenig frischer. Der Blick auf die Steilküste ist einzigartig. Wir drehen uns um, gehen zurück. Als hier vor 175 Jahren der Fischer Johann Adler ein Wirtshaus baute, hatte er sich wirklich an einem der herrlichsten Plätze nieder gelasssen.

Wir halten uns rechts, überqueren einen kleinen Bach, um gleich darauf zum Strand zu stapfen, hinunter zu den Fischerbooten, die nur ein kleines Stückchen an Land gezogen sind. Seeschwalben waten im flachen Wasser, picken nach fressbarem. Ausflügler liegen im Sand, wärmen sich. Verwitterte Baumstämme, gelblich, manche in leichtem silbergrau, das dichte Wurzelwerk dem Boden entrissen, schaffen selbst am Strand einen Hauch von rauher Wildnis. Vor uns ein Warnschild, das Weitergehen untersagt. Wir ignorieren es wie alle anderen Spaziergänger auch. Am gesperrten Weg liegen abgerutschte Bäume kreuz und quer übereinander geworfen. Wir suchen uns einen Stamm aus, setzen uns hin, schauen auf das Meer, das in allen Schattierungen von dunkelblau bis grauschwarz vor uns liegt. Hela ist am Horizont als heller Streifen auszumachen. Eine kleine Yacht kreuzt gegen Nordwestwind, entfernt sich von uns. Die Segelsaison wurde dieses Wochenende in Gdingen eröffnet. Direkt über uns, in vielleicht 30 Meter Höhe, spielen kleine Kinder an der Abbruchkante. Es sieht so aus als ob sie jeden Augenblick abstürzen könnten. Die Eltern schauen zu. Ein kleines Motorboot zieht Richtung Zoppot, klatscht offensichtlich immer wieder hart auf Wellenkämme und -täler. Im Wasser liegen Findlinge jeder Größe. Sie leuchten benässt in schillernden Farben, ziegelrot, grau, schwarz und grüner Algenbewuchs wirkt in anschwellendem Wasser schwerelos. In den Stamm auf dem ich sitze ist eingeritzt "Wojtek 10.07.97". Er muss hier also schon sechs Jahre liegen. Ich schaue mir den Steilhang näher an. Er besteht aus Sand, fest verbacken, sieht graubraun aus, teils gelb. In ihm stecken große Findlinge. Irgendwann werden auch sie in die Tiefe stürzen und die Steinsammlung bereichern. Wir stehen auf, uns treibt es weiter. Im Wasser vor uns glänzt unter weiteren Findlingen in allen Rotschattierungen ein pechschwarzer herzförmiger Stein. Nach Umrunden des Kliffecks bemerke ich eine dicke schwarze Schicht, die den Hang waagrecht durchzieht. Es ist Torf. Trockener unter den Fingern zerbröselnder Torf. Wie alt mag diese Schicht sein? Sicherlich ist sie vor der letzten Eiszeit entstanden.

Wir kommen Gdingen näher. Der Steilhang wirft Schatten, der steife Nordwestwind macht sich unangenehm bemerkbar. Gdingen liegt im warmen Sonnenschein und nur ein kleines Stückchen auf dem Meer spiegeln sich herrliche Farbenspiele. Das Sonnenlicht wird vom frischen Laub der auf der Höhe stehenden Buchen gefiltert und reflektiert in warmen Lindgrün von der Wasseroberfläche. Nur wenige Meter weiter leuchtet das Meer tiefblau. Uns wird es nun doch zu kalt und wir drehen um. Der Wind im Rücken macht uns weniger zu schaffen. Es ist ein wunderschöner Spaziergang. Ich werde ihn bei gutem Wetter im Hochsommer wiederholen und dabei ganz sicher neue Eindrücke auf- und mitnehmen.

Adlershorst. Ein Traum. Ein Traum, der bei einem Spaziergang Wirklichkeit wird.