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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Jungfer/Marzęcino] Das Dorf Jungfer und die Ukeleifischerei



Wolfgang
22.03.2013, 23:40
Aus "Unser Danzig", Nr. 02 vom Februar 1994, Seite 28

Das Dorf Jungfer und die Ukeleifischerei
von Herta Pfaue

Für alle, die in Jungfer geboren wurden und dort groß geworden sind, war es das schönste Dorf des Werders. Eine seiner Besonderheiten, die es nur dort gab, soll heute in unsere Erinnerung gerufen werden: die Ukeleifischerei. Der Ukelei ist eine Karpfenart. Die Ukeleifischerei wurde im Frühjahr bis etwa Mitte April je nach Witterung und im Herbst bis zum Zufrieren der Gewässer betrieben, und zwar in der Hauptsache um der Schuppen willen, die verwertet wurden. Die Schuppen am Bauch und bis an den Rücken der Ukeleie haben einen besonderen Glanz, den man zur Fabrikation von Perlen benutzte.

Etwa um das Jahr 1900 begannen die Herren Kamke aus Jungfer und Jäger aus Elbing zusammen damit, die Verwertung der Ukeleischuppen für die Perlenfabrikation geschäftsmäßig aufzuziehen. Nachts fuhren die Fischer mit den Sickenkähnen zum Fischen heraus. Der Leiter der Fischerei war der bereits verstorbene Fischer Martin Karsten. Jeder Kahn hatte fünf Mann Besatzung. Gefischt wurde in den Gewässern vor der Schleuse, in der Lake, in der alten Tiege und im sogenannten Aalgraben.

In den Anfängen wurden die Ukeleie in einer Baracke geschuppt, der sogenannten "Schupperbude" auf dem Bollwerk an der Lake (Grundstück der Familie Rucks). Später hat die Familie Kamke das Geschäft allein fortgeführt; von da ab wurden die Ukeleie in einem eigens dafür vorgesehenen Speicher geschuppt. Frauen und Mädchen und in den Weihnachtsferien auch wir Kinder saßen an langen Tischen und schuppten die Fische. Ich selbst erinnere mich daran, in den Jahren 1917 und 1918 - ich war damals 11 Jahre alt - auch in den Weihnachtsferien mitgegangen zu sein. Früh um 6 Uhr wanderte man in eisiger Kälte, dick vermummt, mit einer Laterne, in der ein Licht brannte, auf die Kaldau hinaus. Die Fische wurden auf lange Tische geschüttet, rechts und links davon standen Bänke und hinter den Bänken standen große Weidenkörbe, in die man die geschuppten Fische warf. Die großen Ukeleie wurden sofort aussortiert und in besondere Körbe geworfen. Jeder bekam eine vorher genau abgewogene Untertasse, in welche man die Schuppen abstrich.

Die Frauen, die das schon jahrelang machten, waren natürlich sehr fix dabei, und ihre Teller füllten sich bald mit silbern glänzenden Schuppen. Wir Kinder konnten das nicht so schnell; für uns blieben auch meistens die kleineren Fische, während die Erwachsenen mit geübtem Griff immer die großen Fische schuppten. Gegen 9 Uhr morgens war die Arbeit meistens getan, die Teller wurden wieder gewogen, und jeder bekam sofort den Lohn ausgezahlt, je nach Menge der Schuppen. Dann kamen die Schuppen in durchlässige Beutel (Seitücher) und wurden an eine Stange gehängt. Durch Drücken mit den Händen wurde der Schleim entfernt; später machte man dieses mit Pressen. Dann wurden die Schuppen gesalzen und in kleinen Holzfässern oder Blechbüchsen zum Versand gebracht.

Die weitere Verarbeitung der Schuppen zu wunderbaren Perlenketten geschah teilweise in Gablonz im Sudetenland, in Berlin und auch in Paris. Dort wurde den Schuppen durch Spezialverfahren der Glanz genommen und in Perlen geblasen.

Die Ukeleie selbst wurden aber auch verwertet. Die "Großen" wurden schockweise an die Bewohner von Jungfer und Umgebung verkauft. Sie schmeckten gekocht und auch gebraten sehr gut. Die "Kleinen" wurden teils an die Schweine verfüttert, aber auch als Dünger auf die Felder gefahren. In späteren Jahren war in Jungfer eine Fischdarre eingerichtet worden, wo die Fische dann sofort getrocknet wurden.

Das Schuppen der Ukeleie und die weitere Verarbeitung der Schuppen zu Perlen war ein sehr seltenes Gewerbe, das leider nach dem großen Fischsterben, etwa im Jahre 1922, fast völlig aufhörte und später überhaupt nicht mehr betrieben wurde.

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