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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Baptistenkirche in Danzig vor 1945



Ulrich 31
26.03.2013, 21:51
Hallo in die Runde,

weiß jemand von Euch, wo die Kirche der Baptistengemeinde in Danzig vor 1945 lag? Ich würde mich freuen, Genaueres zu dieser Kirche zu erfahren.

Bisher ist es mir leider nicht gelungen, zweifelsfreie Angaben zur Lage dieser Kirche zu erhalten. Aus dem ausführlichen Bericht über die Danziger Straße "Schießstange" von Dieter Priebe (http://home.versanet.de/~dieter-priebe/schiessstange.htm) geht hervor, dass die dortigen Häuser Nr. 16, 17 und 18 vor dem Krieg im Besitz der Baptisten waren und 1943 das Haus Nr. 16 an die evangelische Kirche ging. Diese Angaben lassen aber nicht erkennen, ob jene Häuser der Danziger Baptistengemeinde als Kirche dienten.

Weiter ist mir nur bekannt, dass die Baptistenkirche in Danzig während des Krieges zerstört wurde. Deshalb übernahm die polnische Baptistengemeinde von Gdansk 1946 die in Schidlitz unzerstört gebliebene Jakob-Hegge-Kapelle am Hagelsberg als ihre erste Kirche (in Langfuhr folgte dann ihre zweite Kirche).

Für jede hilfreiche Information zu dieser für mich offenen Frage wäre ich sehr dankbar.

Viele Grüße
Ulrich

Bartels
26.03.2013, 22:30
Hallo Ulrich,

der Hausmeister Adolf Raak der Baptistengemeinde wohnte Schießstange Nr. 17 (Adressbuch 1937/38) - die zwei Prediger hatten andere Anschriften. Eine Kirchenadresse ist nicht verzeichnet.

1942 sind für Nr. 16 vier und für Nr. 17/18 21 Mietparteien aufgelistet.

Ulrich 31
27.03.2013, 12:34
Hallo Rudolf,

danke für Deine Recherche. Die Anzahl von 21 Mietparteien in den Häusern Schießstange Nr. 17 und Nr. 18 schließt m.E. aus, dass sich dort die gesuchte Baptistenkirche befand.

Dennoch scheint sie in jener Nähe ihre Adresse gehabt zu haben. Das ist zumindest den Angaben in Meyers Großem Konversations-Lexikon, 6. Aufl. 1908, zu entnehmen. Dort findet sich im Band 4, zwischen den Seiten 506 und 507, auf dem Stadtplan von Danzig im Feld A3 die Angabe "Baptist K." mit Kreuz nahe der Angabe "Schießstange", und hierauf wird im zugehörigen "Namen-Register zum Plan Danzig" unter "Kirche, - Baptisten-" hingewiesen.

Jetzt fehlt also nur noch eine zuverlässige Quellenangabe für die tatsächliche genaue Adresse der gesuchten Baptistenkirche.

Mit besten Ostergrüßen
Ulrich

Wolfgang
27.03.2013, 13:37
Schönen guten Nachmittag,
hallo Ulrich,

anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Baptistengemeinde gab es eine interessante Publikation mit einem recht aufschlussreichen Titel: "Festschrift zur Jubelfeier des 50jährigen Bestehens der Baptistengemeinde Danzig-Schießstange 17 (1875-1925)".

Autor: Hugo Strehlow, 1925, Burau-Verlag, 79 Seiten

Ich denke, Schießstange 17 könnte doch auch als Adresse für die Kirche in Betracht kommen. Diese Festschrift besitze ich leider nicht.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Wolfgang
27.03.2013, 14:24
Kleiner Nachtrag noch:Im "Familiengeschichtlichen Wegweiser durch Stadt und Land, Heft 6, Die Freie Stadt Danzig Stadt- und Landgebiet", 1937, Seite 8, wird als Adresse der Baptistengemeinde ebenfalls Schießstange 17 angegeben. Möglicherweise befanden sich die Bet- bzw. Kirchenräume tatsächlich unter dieser Adresse.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Ulrich 31
27.03.2013, 17:01
Hallo Wolfgang,

hab vielen Dank für Deine klärenden Hinweise. Mit der in den zwei von Dir genannten Veröffentlichungen (1925 und 1937) übereinstimmenden Adressangabe Schießstange 17 für die Baptistenkirche der Freien Stadt Danzig wird es demnach wohl seine Richtigkeit haben. Mich hat zwar Rudolfs Angabe von den vielen Mietparteien irritiert, doch es könnte u.U. sein, dass es sich dabei anteilig um das Vorderhaus Schießstange 17 handelte, während die Kirchenräume sich in einem extra Gebäude im Hof hinter dem Vorderhaus befanden. Solche Konstellationen (Vorderhaus = Mietwohnungen o.a., Hofgebäude = Gotteshaus) sind nicht unbekannt; so in Berlin z.B. die Lage der derzeit größten Synagoge von Deutschland in der Rykestraße im Ortsteil Prenzlauer Berg.

Soweit nicht anderes bewiesen wird, gehe ich jetzt also davon aus, dass die Baptistenkirche in Danzig vor 1945 die Adresse Schießstange 17 hatte und durch Kriegseinwirkung zerstört wurde.

Schöne Ostergrüße aus Berlin
Ulrich

Marc Malbork
27.03.2013, 23:51
Guten Abend,

hier noch ein Stadtplaneintrag. In A3 "Baptist-K.", vor dem 1.Weltkrieg. Sieht in der Tat nach Hinterhaus Schießstange aus:

http://images.zeno.org/Meyers-1905/I/big/Wm04506a.jpg

Wolfgang
27.03.2013, 23:57
Ohhh, genau Ecke Knast, da wo heute ein Wachtturm steht. Da muss ich auch ein paar aktuelle Fotos haben. Morgen werde ich mal danach schauen.

Morgen früh bin ich da übrigens. Und dann mach ich mal ganz aktuelle Fotos.


Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Bartels
28.03.2013, 11:01
Hallo Ulrich,

hier die Gebäudesituation 1945, demnach hat die Kirche den Krieg unbeschädigt überstanden (der Buchstabe g findet sich nicht in der Legende des bekannten Plans).
Die Kirche liegt allerdings jetzt an der Trasse der Strasse 3. Mai (damals in Planung).

Schiesstange 1945 (https://plus.google.com/u/0/b/100147343425867767023/100147343425867767023/posts/NkVAWCNHmqF) Bei der Diasshow-Ansicht mit dem schwarzen Rand kann man unter "Optionen" die Originalgrösse des Ausschnitts herunterladen.

NB: Schräg gegenüber dem Vorderhaus lag der alte Friedhof (Haus-Nr. 5) der Freireligiösen Gemeinde (Plan 1905 "deutsch-kath.") Die Gemeinde hatte die Hausnummern 3 und 4 a/e. Der neue Friedhof lag Zigankenberger Weg 4.

Ulrich 31
28.03.2013, 12:32
Hallo Rüdiger,
danke für den Stadtplan von 1905 mit prima Vergrößerungsmöglichkeit. Es ist derselbe Plan, der sich auch in dem von mir unter #3 genannten Lexikon befindet. Aber erst die günstige Vergrößerung lässt zutreffende Rückschlüsse auf die damalige Lage der Baptistenkirche (Hofbereich) zu.

Hallo Wolfgang,
auf Deine aktuellen Fotos bin ich schon gespannt, besonders im Hinblick auf Rudolfs Information, dass die betr. Kirche den Krieg unbeschädigt überstanden hat.

Hallo Rudolf,
dass ist ja toll, dass Du den von Dir erwähnten Plan mit dem hier gezeigten Ausschnitt gefunden hast. Vielen Dank dafür und besonders für die sich daraus ergebende, mir neue Information, dass die betr. Kirche den Krieg unbeschädigt überstanden hat.
Ich wäre Dir besonders dankbar, wenn Du mir diesen Plan mit einem größeren Ausschnitt, der auch noch die Umgebung der Jakob-Hegge-Kapelle zeigt, und mit seiner Legende zugänglich machen könntest.

Schöne Ostertage wünscht Euch mit besten Grüßen
Ulrich

Bartels
28.03.2013, 14:47
Hallo Ulrich,

hier der Forum-Link zum Plan: http://forum.danzig.de/showthread.php?9627-Danzig-1945-47 (Das grosse PDF hat 27,2 MB).

Es lässt sich allerdings nur folgende Aussage treffen: Die Kirche (wie 1905) stand 1945-47 noch. An gleicher Stelle stand 1984 und 2000 (anderer Stadtplan) ein Gebäude bzw. Gebäudeteil, möglicherweise ein Um- oder Neubau. - Der Gebäudeteil gehörte 2000 nicht zum Knast - oder gibt es heute zwei verschiedene Strafanstalten an diesem Ort?

Ebenfalls schöne Ostertage - auch an alle Mitleser

Wolfgang
28.03.2013, 17:24
Schönen guten Nachmittag,
hallo Ulrich,

heute Morgen war ich ziemlich unter Zeitdruck sodass ich lediglich aus dem fahrenden Auto einige Aufnahmen machen konnte. Aber ich habe ja auch noch einige andere Fotos, aufgenommen am 07.04.2011 über die Kellerfundamente und -mauern des Schützenhauses hinweg auf Gefängnis Schießstange. Es gibt da nur EIN Gefängnis das von hohen Mauern umgrenzt ist.

Google Maps bietet aber noch ganz andere Möglichkeiten, nämlich Satellitenaufnahmen (und natürlich auch Street view): Schießstange (http://goo.gl/maps/C2QxS) - dort wo das Flachdachgebäude steht, müsste die Schießstange 17 gewesen sein. Und das liegt auf dem heutigen Gefängnisgelände.

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Ulrich 31
28.03.2013, 20:00
Hallo Rudolf und Wolfgang,

nach Euren weiteren Recherchen und Überlegungen (vielen Dank dafür!) verdichten sich die Fakten:
- Die betr. Kirche befand sich im Hof hinter dem Wohnhaus Schießstange 17.
- Die betr. Kirche stand 1945-47 noch.
- 1984 und 2000 ist an gleicher Stelle ein verändertes oder anderes Gebäude zu sehen.
- Dieses neue Gebäude liegt lt. Google Maps (aktueller Stand) innerhalb der Gefängnismauer.
- Die Aussage von Rudolf, dieses Gebäude gehörte 2000 nicht zum Knast, fragt deshalb nach einer Begründung.
- Da die Baptisten-Gemeinde von Gdansk nachweislich ab 1946 die von der Schießstange nicht allzu weit gelegene Jakob-Hegge-Kapelle am Hagelsberg als ihre erste Kirche wählte (oder zugewiesen erhielt), ist zu vermuten, dass die ehemalige Baptistenkirche in der Schießstange 17 schon damals für eine andere Verwendung, die jetzige, vorgesehen war. Genaue Angaben zu dieser Geschichte fehlen uns bisher allerdings hier im Forum, aber vielleicht finden wir sie ja noch.

Viele Grüße
Ulrich

Wolfgang
28.03.2013, 21:11
Schönen guten Abend,
hallo Ulrich,

noch eine kleine Erläuterung: Das HEUTIGE Areal des Gefängnisses Schießstange ist wesentlich größer als das frühere. Heute läuft die frühere Straße "Schießstange" durch das Gefängnis und dieses erstreckt sich mit seinen Mauern auch bis an die frühere Nordpromenade (bzw. an den Horst-Hoffmann-Wall).

Ich weiß nicht, wann das Gefängnisareal erweitert wurde und wann dort vorhandene Bauten abgetragen und durch neue ersetzt wurden. Vielleicht bekommen wir noch ein bisschen Klarheit :)

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Bartels
28.03.2013, 21:13
Einen schönen guten Abend,

über den Standort und den Zustand heute hinter der Mauer sind wir uns einig. -

Ein Stadtplan von 2000 zeigt an der Strzelecka (Neue Strasse): Areszt Sledczy

Der Stadtplan von 2000 zeigt an der Kurkowa (Schießstange): Sad Wojew. -

Zu "Sad Wojew." gehört südlich der Kurkowa der ehemalige Standort der Baptistenkirche;
die Gebäude nördlich der Kurkowa gehörten damals nicht zu "Sad Wojew." -
heute liegen sie innerhalb der Knastmauer, damals waren sie keine Amtsgebäude und Kurkowa noch eine öffentliche Strasse.

Bartels
29.03.2013, 16:52
Ertappt! Die polnische Stadtplanmacher haben

- Areszt Śledczy (Untersuchungsgefängnis) und

- Sąd wojewódzki (Woiwodschaftsgericht), seit 2000:
Sąd okręgowy (Bezirksgericht)

auf dem sonst sehr guten Plan einfach vertauscht.

Der Knast, auch "Kurkowa" genannt, hat sich also nach 1945 über die Grundstücke der Baptisten bis an die neue Trasse des 3. Mai ausgedehnt und weitete sich nach 2000 über die Grundstücke und den Friedhof der Freireligiösen (ehemals Deutsch-Katholiken) jenseits der Kurkowa (Schießstange) aus.

NB1: Ehemals Nordpromenade (Horst-Hoffmann-Wall) und heute "3. Mai" haben einen anderen Verlauf.

NB2: Ich hoffe, dass ich die von Ulrich geschätzte Präzision damit erreicht habe.

NB3: In Danzig möchte ich nicht Untersuchungshäftling sein.

NB4: Merke: Traue nie einem Danziger oder Frankenthaler Stadtplan,
(den Du nicht selbst gefälscht hast. - Ein Stadtplan der Frankenthaler CDU unterschlägt das Hallenbad!)

Ulrich 31
29.03.2013, 17:49
Hallo Rudolf,

Präzision bestens erreicht! Gratulation! Ich werde Dich demnächst für die Lösung schwieriger Kriminalfälle empfehlen. Wie hast Du das denn mit der Vertauschung herausgefunden? - Würdest Du denn gerne in Frankenthal Untersuchungshäftling sein? Hast Du aus Danzig Berichte, wie es dort solchen Personen ergeht, oder sind es mehr Deine Eindrücke von den äußeren Bedingungen, die Du aus den Google-Maps-Bildern abliest?

Herzliche Grüße
Ulrich

Bartels
29.03.2013, 18:01
Hallo Ulrich,

ich dachte mit der Abkürzung "Sad Wojew." würde ich mit dem Übersetzer Probleme haben und habe deshalb heute mal bei Wikipedia (poln.) "Sad Wojew" eingeben; usw.

Eine Tanzstundenfreundin ist praktisch im alten Frankenthaler Knast aufgewachsen. Als dann der neue gebaut wurde, gab es einen Tag der offenen Tür. Ob es heute noch welche gibt? Eine Steinmetzin aus Langfuhr hat dort Kunstwerke geschaffen. - Die Google Luftbilder reichen mir als Eindruck. - Der Vater vom heutigen Frankenthaler OB war Chef vom Knast, hatte aber seine Wohnungen jeweils ein paar Hausnummern weiter.

Marc Malbork
29.03.2013, 21:01
Mit Blick auf St.Katharinen und Pilsudski war auch schon da:

http://wolneforumgdansk.iq.pl/viewtopic.php?t=1188&highlight=areszt+%B6ledczy&sid=7ef3e8d83109f0c97888cf08d2fe974d (http://wolneforumgdansk.iq.pl/viewtopic.php?t=1188&highlight=areszt+%B6ledczy&sid=7ef3e8d83109f0c97888cf08d2fe974d)

Bartels
29.03.2013, 21:28
Danke Rüdiger,

vom Knast haben wir damit jetzt die besten Bilder. - Zur Baptistenkirche 1905/1945 gibt es bei Dawny-Gdansk wohl nichts.

Ulrich 31
29.03.2013, 22:41
Auch von mir besten Dank, Rüdiger, für diese genauen Informationen zum Knast in Danzig. Nach diesen Einblicken wird Rudolfs Abneigung gegen einen Aufenthalt dort umso verständlicher.

Aber, Rudolf, vielleicht würdest Du gegen diese neuen Knastbedingungen in der Nähe von Berlin weniger Einwände haben:
- http://www.tagesspiegel.de/berlin/neue-haftanstalt-zehn-quadratmeter-mit-licht-fuer-jeden-haeftling/7967386.html.
- http://www.tagesspiegel.de/kultur/gefaengnisarchitektur-die-neue-menschlichkeit/7976108.html.

Viele Grüße
Ulrich

Ulrich 31
29.03.2013, 23:07
Nachtrag für Rudolf:

Für den Fall des Falles hier aber noch Einblicke in den Edel-Knast "Halden Fengsel" in Norwegen, das humanste Gefängnis weltweit > http://www.newslab.cz/de/halden-fengsel-veznice/. Siehe auch www.haldenfengsel.no/portal/.

Ich hoffe, es kommt nicht dazu!
Beste Grüße
Ulrich