Die Deutschen nach 1945 in Danzig
Ich glaube, es ist ganz sinnvoll, daß ich ein neues Thema beginne.
Ein nettes "Hallo" in die Runde und vielen Dank für die Antworten.
Besonders möchte ich den "oliv´schen Heinz" ansprechen. Du hast diese Zeit ebenso wie meine Großmutter bis 1958 miterlebt. Gibt es denn halbwegs verläßliche Zahlen über die Daheim-Gebliebenen ??? Ich habe zwar Bücher über Danzig aus polnischen Druckereien Ende der 60-er Jahre, erstaunlicherweise auf Deutsch geschrieben, die aber reine Propaganda darstellen und wenig hilfreich sind.
Konntet Ihr Deutschen Euch treffen, Kontakte halten oder war das alles verboten ???
Mein Großvater Konrad Gdanietz arbeitete als Metzger in Oliva und die Familie wohnte in der Georgstraße 13 ( liegt die in Oliva ???).
Während des Krieges fanden sie Unterschlupf in Wenzkau und noch lange nach 1945 muß er regelmäßig mit der Bahn nach Oliva zur Arbeit gefahren sein. Mit meiner Oma ( geb. Bieschke aus Zoppot) besuchte ich dann auch ab 1969 in Oliva das Schloß, den Park und die Kathedrale. Für mich - mit meinen Kinderaugen - waren das immer wunderschöne Ferien. Alle Verwandten sprachen deutsch, nur die Kaschuben in Wenzkau nicht und so einen Sandstrand wie auf Hela habe ich bis heute nirgendwo mehr gesehen.
Die Realität der Erwachsenen sah ganz anders aus - das weiß ich heute - und dies will ich erkunden.
Mir wird´s beim Schreiben auch manchmal so komisch - ich habe es wohl geerbt.
Viele Grüße von Michael
Daheim gebliebene im Forum
Guten Abend,
ich bin im Forum die einzige nach 1945 hier gebliebene Deutsche. Meine Erlebnisse vom Januar 1945 bis zum Kriegsende das ist eine andere Geschichte, die ich auch mal erzaehlen werde. Am Kriegsende wohnten meine Mutter, Schwester und ich in der Nikolaikirche, wohimn uns die Russen hingejagt haben. Am 9. Mai konnten wir nach Hause gehen., leider stand es nicht mehr. Wir sind in eine Molkerei eingezogen und dann legten sich meine Mama und Bruder gleich hin. Sie hatten Thyfus und nirgens war
etwas zum essen. Ich bin in den Wald gelaufen, wusste dass da eine Militaerkueche war, gefunden habe ich einen Klumpen Fett.Ich habe aber auch eine Bekannte getroffen, die zeigte mir welche Blaetter ich sammlen muss umd daraus eine Suppe zu kochen. Ich war ja schon fast 12 Jahre alt. Diese Suppe mit dem gefundenen Fett hat uns das Leben gerettet. Meine Mutter und Bruder wurden gesund. Wir sind umgezogen, wohnten zusammen mit zwei alten Damen, die bald nach Deutschland gefahren sind, und die uns den Schrank voller Bettwaesche, Tischdecken und Pullovers
geschenkt haben. Das war unsere zweite Rettung, die Sachen habe ich auf dem Flohmarkt in Danzig fuer Brot getauscht. Wir brauchten nur die noetigste Kleidung, warteten nur auf unseren Papa der in Norwegen in Gefangenschaft war und dann wollten wir auch nach Deutschland fahren. Spaeter gab es Pilze und neben einer Fischraecherei, die gerade eroeffnet wurde Pomuchelkoepfe. Diese Fischsuppe hat gut geschmeckt. Aber Papa kam nicht, dafuer aber die Milizer um uns rauszuschmeisem. Bis meine Mutter die Mutter eines dieser Rausschmeisser gebeten hat uns etwas. Zeit zu geben weil wir auf unseren Papa warten. Wir wussten nicht mal ob er lebt. Mein Vater ist wirklich Anfang Dezember gekommen und das war der Moment, der ueber mein ganzes leben bestimmt hat.
Weitere schreibe ich morgen.
Herzliche Gruesse
Regina
Berichte der älteren Generation
Hallo Miriam, ich lese deine sachlichen Beiträge recht gerne.
Du schreibst von Brücke bauen, zwischen jungen und älteren Menschen.
Ich habe die schlimmen Kriegsjahre mit erlebt und würde gerne, jüngeren Menschen aus dieser Zeit berichten. Es müßte nur ein erkennbares Interesse der Jüngeren an die ältere Generation heran getragen werden.
Das meine ich!
Ich bin Jahrgang 1937 und habe ein sehr intaktes Lasngzeit Gedächnis.
Zwei Beiträge, welche diese Erlebnisse widerspiegeln habe ich schon vor
längerer Zeit eingestellt.
Es sind so enssenzielle Eindrücke, die vergißt man sein Leben lang nicht.
Sollen die Jüngeren sich melden und Fragen stellen. Ich bin gerne bereit, diese mit zu beantworten.
Noch einen schönen Sonntag. Erhart
in Danzig nach 1945 und danach im Westen
Hallo ins Forum,
auch ich habe bis 1950 in Langfuhr mit meiner Mutter u. meinem Opa gelebt. Ein Kind das zu deutscher Zeit im Oktober 1944 geboren wurde.
Meine Mutter hat sich bis nach Dirschau zu Familie durchgeschlagen.
An viele Hauswände in Danzig wurden Nachrichten geschrieben damit Familienmitglieder sich finden konnten.- Mein Opa wurde am Ende des Krieges aus dem KZ Buchenwald von den Amerikanern befreit. Er ein sehr kranker Mann nur noch 45kg schwer schlug sich durch nach Danzig in der Hoffnung Familie zu finden. Meine Oma war einen Monat vor meiner Geburt gestorben mit nur 51 J. Von den Aufregungen der Verhaftung hat sie sechs Schlaganfälle erlitten. -Mein Opa hat als Dolmetscher u. Zollbeamter zum Glück auch polnisch gesprochen. Meine Mutter hatte polnisch statt Französisch in der Schule gelernt. Das war sehr hilfreich als nun die Polen in Danzig Einzug hielten. Und mich lehrte die Mutter nicht die deutsche Sprache aus Angst vor Represalien der Polen. Hätte mich ja als Kleinkind verplappern können was zu Unannehmlichkeiten geführt hätte. Es gab solche Fälle wo selbst die Kinder von Polen verhauen wurden wenn sie deutsch sprachen. Zwei meiner Onkel konnten kein polnisch und kamen jeden Tag zerschlagen nach Hause u. weinten bitterlich zu Hause. Statt wieder in ihrem Beruf als Schiffsmakler zu arbeiten schleppten sie nun Kohlensäck im Danziger Hafen. So erging es den meisten in Danzig verbliebenen Deutschen.
Endlich kam eine Nachricht über das Rote Kreuz, dass mein Vater nach vielen Jahren der Gefangenschaft in Sibirien nach Westdeutschland gelangt war. -Nach vielen Bemühungen gelang es meiner Mutter eine Ausreise dorthin zu bekommen. Wir nahmen Abschied von meinem Großvater den wir nie mehr wiedersahen. Er starb dann 1954.- Mit dem Zug durch die ehem.DDR gelangten wir nach einer Woche Fahrt dann in Friedland . Jetzt waren wir endlich im Westen. Dann kamen wir in die Nähe von Frankfurt/Main. Dort erwartete uns Armut . Wir wohnten in einer Mansarde im dritten Stock die eigentlich für solche Mädchen die mit Amerikanern gingen vorgesehen war. Der Bürgermeister des Ortes wollte uns den Zuzug zum Vater verwehren obwohl er in St.Petersburg geboren war. Seine Worte waren: soll ihre Frau doch hingehen wo sie herkommt. Die Toilette war über die Straße in einer Ruine. Mein Vater kämpfte auch um seine Wiedereinstellung zur Polizei. Vorher arbeitete er als Tellerwäscher bei den Amerikanern. Dort traf er im Büro zum Glück auf einen Schulkameraden aus Danzig der ihm diese Stelle besorgte. Hier hast Du Essen für Dich u. Deine Familie waren seine Worte. Endlich dann im Jahr 1952 bekam der Vater die Einstellung als Polizeibeamter. Unser Glück nun endlich zusammen zu sein dauerte nur sechs Jahre weil mein Vater mit nur 39Jahren im Jahr 1958 an Darmkrebs verstarb. Die vielen Jahre der Gefangenschaft hatten wohl dazu beigetragen.
Jutta
Ja, so haben wir gelebt, gespielt usw
Liebe Miriam, lieber Michael und Interessierte.
ich habe es zugesagt und werde nun versuchen, meine Kindheit, ab ca. dem 5.-8. Lebensjahr aufzuzeigen. Ich werde mir große Mühe geben, dass die Fantasie nicht Oberhand gewinnt.
Ich war der 3. von vier Brüdern im Hause Joniszus.
Durch eine schwere Erkrankung meiner Mutter nach meiner Geburt, wurde ich von meinem Omchen, sowie von 2 Tanten, die noch ledig waren und bei ihrer Mutter lebten, großgezogen. Es war eine herrliche Zeit. Erchen, wie man mich liebevoll nannte, war der "Prinz." Was möchtest du trinken, Milch oder Kakao? ist das auch nicht zu heiß? komm, lass Omchen mal Pusten, wenn man einmal Weh' hatte.
Dann starb Omchen und ich kam zur eigentlichen Familie zurück. Das war der Schüsseldamm 25.
Hier war ich einer von Vieren. Denn in meiner Abwesenheit, hatte sich mein jüngerer Bruder Hartmut, dazu gesellt. Das bekam man auch gleich nach der ersten Euphorie des Wiedersehens zu Spüren. Nur das, was die Großen damals mit mir machten, bekam der Jüngste von mir umgehend zurück.
Aus diesem und anderen Gründen, war meine Anwesenheit nicht gerade das, was man als Erwünschenswert ansah. Dieses Gefühl wurde ich auch mein Leben lang nicht mehr los.
So weit die Overtüre.
Die Wohnung bestand aus 2 1/2 Zimmern, für nunmehr 6 Personen.
Toilette eine halbe Etage tiefer. Ich erinnere mich noch immer an das zurecht geschnittene Zeitungs-Papier, welches hier genutzt wurde, und seine letzte Ruhe fand. Geschlafen wurde zu Zweit in einem Bett. Selbst da herrschte nicht einmal Ruhe. Es wurde weter gekäbbelt. Das war für mich alles neu und belastend.
Sonntagmorgens durften wir dann zum Papa ins Bett. Der rauchte sein Pfeifchen und erzählte uns die tollsten Räuber-Pistolen. Also, eines stand fest, unser Papa muß ein Held sein.Was der alles überlebt hat!
Nun kam auch für meinen Vater dieser komische Brief. Mama weinte, konnte es aber nicht verhindern, dass Papa dahin mußte, wo noch viel mehr Helden waren.
Wir verabschiedeten ihn und gingen bedrückt nach Hause. Lange noch haben die Erwachsenen mit den Taschentüchern gewunken.
Zu Ostern 1944 wurde ich Eingeschult. Meine Schule lag an der Radaune, nach -"Pferdetränke"- wie die Strasse hieß. Ab ging es mit Tafel und Griffelkasten. Stolz kam man nach Hause. Man gehörte ja nicht mehr zu den Kleinen.
Dieses Vergnügen hatte ein jähes Ende. Kurz darauf wurden wir Evakuiert.
So lernten wir Neuteich kennen. Mit all' seinem "Für und Wider." Der Bauer, bei welchem wir Quatier fanden, hieß Bergmann. Der Orts-Teil Neuteich-Abbau. Das war für Stadtkinder natürlich ein großes Erlebnis. Pferde, Kühe, Schweine und Geflügel, alles hautnahe erleben. Na wenn das nichts ist. Außerdem, konnte man gelegentlich auch mal mit einem Pferdewagen mitfahren. Bloß, weder die Kutscher, noch die Melker so wie das weibliche Personal verstand von uns niemand. Es waren ausnahmslos "Kriegsgefangene" bzw. Internierte. Halina allerdings, die aus der Küche, ließ uns Kindern immer einmal etwas zu kommen, wenn niemand in der Nähe war. Die Herrschaften wurden nur mit "gnäddigge Frau bzw. gnäddigger Cherr angesprochen.
Darauf legte man schon einen gesteigerten Wert. Wo käme man sonst hin?
jetzt begann eine schwierige Zeit für uns Jungens. Morgens hin, - mittags zurück der Weg zur Schule.(Man hatte mich im Forum einmal korrigiert als ich von 5 Km einfachem Weg sprach.) Ich bin danach wieder einmal dort gewesen und bin zu der Feststellung gekommen, dass es nicht viel weniger war, von dort wo wir hausten.)
Es gab keine befestigten Wege wie heute. Alles entweder nasser, schmieriger Boden, oder im Sommer heiß und trocken.
Es war für einen Erstklässler sicherlich kein Spaziergang.
Das ging so bis zum Herbst 1944. Dann hieß es, hier wird es bald gefährlich, wir müssen zurück nach Danzig.
Also Klamotten packen und zurück. Da blieben allerdings auch wiederum Schulfreunde, Nachbars-Kinder Tiere und der schöne Stroh-Staken, von welchem wir unseren Mut beweisen konnten. "Wer ist feige"? hieß die Parole,- und dann sprang man runter.
Ich kann mir heute vorstellen, dass Mama nicht gerade glücklich war, wenn sie unsere Kleidung sah.
Nun waren wir wieder in Danzig.
Die Frage eines jungen Mitgliedes war, "was hat man gespielt"?
Da gab es eine ganze Menge. Aus Wäsche-Klammern und einer Mause-Falle z. B. wurde eine Festung gebaut. Die Mause-Falle war gespannt, die Festung darüber gebaut. Wollte jetzt jemand fremdes die Burg besetzen, konnte man sie vorher schön in die Luft jagen, wie es in unserem Jargon hieß.
Ein anderes Spiel. Überall gab es zwischenzeitlich zestörte Fensterscheiben. Dann wurden kleine bunte Scherben gesucht, und man versuchte ein schönes Mosaik herzustellen. Einen tollen Erfolg konnte man auch erleben, wenn man dem Anderen den Granatsplitter ablungern konnte, der einem selber gefiel. Man musste nur lange genug sagen, dass der überhaupt nicht schön aussieht. Deckel von der Zigarrenkiste hoch, Splitter rein und man konnte wieder weiter tauschen.
Der Schulunterricht viel dann bald ganz ins Wasser. Entweder es wurde tatsächlich zu gefählich durch die Angriffe, oder einige "Genossen" ahnten was bald auf sie zu kommt und machten sich aus dem Staub. Es wird wohl von Beidem etwas stimmen.
Der Bunker wurde für uns zu einem festen Wohnsitz. Zwar sehr wenig Platz, aber relativ sicher. Zum Spielen auf die Strasse kamen wir zwar auch noch, aber Mama war es dabei sicherlich auch nicht wohl. Beim ersten Sirenen Geheul, waren wir dann wieder unten.
Eine erfolgreiche Beschäftigung bestand auch darin, den anderen Bruder zu Entlausen. Wäsche-Wechsel, oder- ab in die Badewanne - gab es schon längst nicht mehr.
Unser Bunker erhielt einige Volltreffer und immer wieder saß man da und hielt die Hand des Anderen. Es nahm zwar nicht die Anspannung von einem, aber man spürte den Bruder, oder die Mutter.
Irgend wann viel dann der Strom ganz aus und es mußte mit Handpumpen Frischluft in den Bunker gepumpt werden. Das kann man sich so vorstellen. 4 Personen, je Seite 2, pumpen so, wie man es von der Land-Feuerwehr kannte. Nun besuchten uns unsere Befreier. Eine Truppe von Mongolen, denen auch nicht gerade der Mut aus den Augen leuchtete. Die machten aber auch den Eindruck, als hätten sie Alkohol im Blut. Vielleicht ein Mutmacher.Sie hatten Maschin-Gewehre dabei und zählten die Patronen. Uns wurde bange. Vielleicht sahen diese für uns so fremde Menschen darin ihren Sinn erfüllt. Sie Verließen den Bunker wie sie gekommen sind. Hinterließen aber eine große Menge Toter. Ich habe mir von Erwin Völz sagen lassen, dass wir zusammen diejenigen waren, die diese Situation überlebt haben. Etwa 75 von mehreren Hundert Menschen.
Die Luftschächte, von denen ich schon gesprochen habe, waren für uns Lebens-Retter. Durch diese Schächte, in denen es eingelassene Sprossen gab, verließen wir dieses Chaos. Oben angekommen waren Lotzen nötig, um den Weg aus diesen Trümmern zu finden. Strassen oder Häuser zur Orientierung gab es nicht mehr. Wir landeten auf dem Bischofsberg und haben erst einmal flach da gelegen und waren froh, es bis hier geschafft zu haben. - Fortsetzung folgt -
Dankbarkeit und innere Wut
Liebe Beate,
nicht nur dir. Wohl auch denen, die dieses grausame Abenteuer überlebt haben.
Nur mit teilweise anderen Vorzeichen.
Wir aus der Erlebnis-Generation sind froh, es geschafft zu haben, zu überleben. Ich bin traurig und verärgert darüber, dass Deutschland der Drittgrößte Waffen- und Kriegsmittel Exporteur ist.
Der große Gewinn geht wieder nur in die Taschen Derer, die schon einmal
Waffen produziert und exporttiert haben, mit denen wir dann Schlußendlich
auch noch auf die Kappe bekamen.
Das Kapital regiert die Welt und wir sind braves, billiges Werkzeug und werden noch zur Wahl gebeten.
Das ist meine Meinung. Erhart
Zitat:
Zitat von
Beate
Danke schön allen für eure Schilderungen. Gegensätzliche Gefühle entstehen bei mir beim Lesen: ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, dass ich das nicht erlebt habe und hoffentlich auch nie erleben werde, eine unheimliche innere Wut auf alle Verursacher von Kriegen und Hilflosigkeit, weil augenscheinlich kaum einer daraus lernen will...wie sonst könnte es heute noch Kriege geben...
Liebe Grüße Beate
Hallo Jutta, Erhart, Rudolf
Ich sage Danke für eure Erlebnis-Schilderungen
Wie Beate schon schrieb,
ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, dass man den Krieg
nicht erlebt hat und hoffendlich nie erleben werden.
Viele Grüsse
Ingrid
Fortsetzung und Ende meines Erlebnis-Berichtes.
Nun werde ich einmal versuchen, wieder das Fahrwasser zu finden und die angefangene Geschichte zu Ende zu bringen.
Das wir Zuflucht auf dem Bischhofsberg fanden, war mehr da durch bedingt, dass alle dort hin strömten.Weniger ein geplantes Ziel. Man war ja nur ein Teil der Menge, die sich dort hin begab. Der Mensch ist wohl doch ein Herden-Tier. Speziell, in einer Panik-Stimmung. Das ist mir erst später bewußt geworden.Der Bischhofsberg war die ersten Tage und Nächte unser Asyl, wenn man so will. Ein Asyl, ohne Rechte.
Was sich dort in den ersten drei Nächten abspielte, kann man sich gar nicht vorstellen. In betrunkenem Zustand fielen Russen über die Frauen her. Egal, ob sie schrien, ob Kinder dabei waren oder nicht, die ersten drei Tage, bzw. Nächte, hatten sie Narren-Freiheit. Das wurde von den meist jungen Soldaten auch reiflich genutzt.
Meine drei Brüder und ich, wir deckten unsere Mutter mit unseren Körpern zu, so lange die Gefahr bestand. Sie ist auch diesbezüglich verschont geblieben.
Dann wurde ein Dach über den Kopf gesucht. Ich weiß nicht mehr, wo wir überall landeten. Schließlich fanden wir eine Bleibe in der Steuben -Strasse 10. Für mich war diese Gegend unheimlich, da auf der anderen Seite ein Friedhof war. So etwas flößte mir immer Unbehagen, um nicht zu sagen, Angst und Ehrfurcht ein.
Aber auch dort blieben die Frauen nicht ganz verschont. Nur man wußte zwischenzeitlich, dass wenn man Kommissar rief, dampften die Vergewaltiger meistens ab. Da hätten sie wohl Schwierigkeiten zu erwarten, wenn man sie verhaftet hätte.
Irgend wann trieb meine Mutter eine Wohnung auf dem Heinrich Scholtz Weg auf. Dort konnten wir ziemlich ungestört leben. Wir hatten polnische Nachbarn und wurden in Ruhe gelassen. Das die deutsche Bevölkerung generell von den Polen aus den vorhandenen Wohnungen herausgeworfen wurden, kann ich nicht bestätigen. Mag auch so etwas gegeben haben. Man hörte ja vieles. Auch pfantasievolle Geschichten. Nicht alles entsprach der Wahrheit. Ist wohl menschlich.
Wir Jungens durften des polnischen Nachbarn,deutsche Kuh hüten. Meine Mutter bekam dafür abends 1 Liter Milch. Mich trieb der Hunger in die Stadt und so ließ ich Kuh eine Kuh sein, und weg war ich. Ich war Schnurren und abends wenigstens nicht so hungrig wie die Anderen Familien-Mitglieder. Nur gab es ein Problem, das war die deutsche Kuh des Polen. So sind die Neubesitzer, meine Mutter und 2 Brüder auf die Suche gegangen, bis sie die Kuh fanden. Die hatte wiederkäuend im Gras gelegen und sich durch so einen Typischen Rülpser verraten. Ende gut,-alles gut.
Ich durfte die Kuh nicht mehr hüten, nur noch die älteren Brüder. Dafür hatte ich aber etwas mehr im Magen als die. Aus einer Konserven-Dose hatte ich mir ein kleines Eimerchen mit Henkel gemacht. Damit stand ich bei den Russen und ergatterte, mal Kascha, mal etwas Suppe. Heute würde ich sagen, das war auch mehr als primitiv, was der einfache Soldat da geboten bekam. Kascha war so etwas wie dick gekochte Graupen. Darüber gab es einen schuß Raps-Öl. Dieses war meistens "ranzig". Also eine Zumutung aber das hat unsere Dankbarkeit den Russen gegenüber nicht geschmälert. Manches mal gab es dann noch ein Stückchen Komis-Brot dazu. Das war ganz dunkel und schmeckte wie gebackener Sauerteig.
Aber was zählte das? wieder einen Tag überstanden. u. s. w.
Ende September sind wir dann per polnischem "Rotes Kreuz" in den Westen gekommen und fanden bei Mutters Schwester in Braunschweig Unterschlupf. Der Abtransport war, wie hier schon mehrfach geschildert. In Fieh -Waggons, später dann auf solchen flachen -Stück-Gut Waggons-und so begann der 2 wöchige Weg in eine ungewisse, aber unterm Strich wohl bessere Zukunft. Einen schönen Abend, Erhart vom Schüsseldamm