Fernsehfilm "Die Flucht"- authentisch oder Klischee?

Hallo, wie ich sehen kann wird sich in diesem Forum auch rege über die Darstellung geschichtlicher Ereignisse in den Medien unterhalten. Nun wollte ich Eure Meinung zur Umsetzung des ARD 2 Teilers "Die Flucht" hören. Authentische Darstellung oder klischeebehaftetes Melodram?

Hallo Andreas Lilienthal,
ich habe den Film "Die Flucht" nicht angesehen, ich will nicht sehen wie meine Mutter, ihre Geschwister und Eltern litten."Kalte Heimat" das Buch von Andreas Kossert kann ich nur empfehlen. Mein Mann und ich sind Kinder von Vertiebenen, auch in uns sind noch Spuren des Verbrechens "Vertreibung 1945 in Deutschland" hinterblieben. Ich glaube nicht das im Film oder Buch, die reine Wahrheit angesprochen wird. Zeitzeugen dürfen heute in Ost oder West darüber sprechen, leider sind viele nicht mehr unter uns. Grüße aus Sachsen von Sylvia Leipe

Hallo Lilienthal_25,
ich habe beide Teile gesehen. Mir haben sie gefallen. Beide Teile beleuchten
eigentlich recht deutlich die Umstände der damaligen Zeit. Der Film zeigt
viele Handlungen, die so durchaus vorstellbar waren. Die unterschiedlichen
Positionen zum NS-Regime in Familien, Denunziantentum genau wie menschlicher Umgang und Unterstützung werden gezeigt. Festhalten an alten, überlebten
Traditionen, Hilfsbereitschaft in unterschiedlicher Ausprägung alles dies wird
gezeigt.
Dies meint Geigersohn

Hallo Geigersohn, bist du der Überzeugung, dass die Ereignisse in dem Film authentisch dargestellt werden oder kommt es durch den Film eher zu einer Verschiebung des Opfer-Täter-Verhältnis? Diesen Anschein könnte man doch durchaus haben, oder? Was hälst du bzw. was haltet ihr allgemein von der Darstellung geschichtlicher Ereignisse in sogenannten Dokudramen? Ich würde eher behaupten, dass durch die Erzeugung von Stereotypen zu viele Klischees bedient werden!

Hallo Andreas,
welche Klischees wurden Deiner Meinung nach bedient?
Geigersohn

Zum Beispiel das Bild der großmütigen Großgrundbesitzer, welche selbstlos, lieber Ihre Belegschaft in Sicherheit bringen, anstatt sich selbst oder das Bild der verrohten Horden von Sowjetsoldaten, welche jede deutsche Frau vergewaltigten. Dadurch könnte sich doch das Opfer-Täter- Verhältnis durchaus beim Rezipienten verschieben?

Hallo Andreas,

ich glaube ein Film kann nie die ganze Wirklichkeit zeigen. Es gab bestimmt genauso eigennützige Großgrundbesitzer wie auch Sowjetsoldaten die menschlich blieben. Ich glaube alle menschlichen Abgründe und "Gutmenschen" darzustellen mag unmöglich sein in der Kürze eines Filmes. In solchen Zeiten wie damals, zeigten sich die Charaktere vollkommen ungeschminkt. Das ist ähnlich wie mit Menschen die zu viel Alkohol getrunken haben, da kommt in meinen Augen auch der wahre Charakter durch.

Zu dem Täter-Opfer-Verhältnis denke ich jedoch, Täter bleiben Täter auch wenn sie vorher Opfer waren. Das macht das Verhalten nicht besser wenn ich zum Täter werde und vorher Opfer war. Vor Gericht hätte es einen Einfluss auf das Strafmaß aber nicht ob jemand schuldig oder unschuldig ist. Mensch zu sein darf nicht davon abhängig sein, ob ich mich "nur" rächen will sondern sollte immer Grundlage des Handels sein.

Herzliche Grüße

Uwe

Ich weiss weder wer das Drehbuch geschrieben hat, noch die Regie geführt hat.

Möchte aber behaupten, niemand von denen hat die Realität erlebt.

Wenn ich mich irren sollte, zerreisst mich nicht gleich, aber selbst wenn, dann haben diese Leute immer noch die Aufgabe,

für hohe Quoten zu sorgen. Ausserdem sind 66 Jahre ins Land gezogen. Da ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass die

Geschichte nicht mehr ganz authentisch ist.

Ausserdem möchte ich, als jemand der vieles miterlebt hat, so etwas im Film gar nicht noch einmal vorgeführt bekommen.

Man würde an Alles erinnert, und sicherlich auch zu viele Fehler entdecken, die so ein Film in sich birgt.

Dieser Spielfilm hat ein historisches Ereignis zum Inhalt, und sein Ziel war wohl weniger Aufarbeitung als mehr spannende Unterhaltung.
Deshalb verwundert mich der Einwurf von Täter- Opfer-Relation.
Warum das? Wer sich näher mit den Geschehnissen beschäftigen möchte,erhält sicher mehr Hintergrundwissen bei Dokumentationsfilmen, in denen Betroffene über ihre Erlebnisse berichten.
Auch davon gibt es verschiedene. „Kriegskinder“ oder „Wolfskinder“.Und auch Filme über die letzten Kriegswochen.Oder auch schriftliche Aufzeichnungen und Tagebücher.
Wer den Exodus selbst erlebt hat, wird sicher noch viel mehr die Angst in Erinnerung haben, bis hin zur stumpfen Ergebenheit in das Schicksal.Keiner wusste, wohin es ging.
Die Wirklichkeit war schlimmer.
Und die Horden, die vergewaltigend wochenlang durch ihr erobertes Gebiet zogen,die hat es gegeben.
Oh ja, das taten auch deutsche Landser, aber der Film schildert einen Zeitabschnitt und Geschehnisse in Deutschland.Deshalb finde ich die Sorge, ob die Leiden der Deutschen zu stark herausgearbeitet wurden, unangebracht.
Es sind in einer spielerischen Handlung verarbeitete Einzelschicksale,von Schauspielern nachempfunden.
Mehr kann ja ein Spielfilm nicht bieten, der sich mit Flucht und Vertreibung der Deutschen befasst.
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Mit Grüßen von Christa

Auch ich hatte beim Ansehen dieses Films so ein untergründiges Bauchgefühl : kann man das so verfilmen, wird es nicht auf viele den Eindruck machen, daß vieles Klischee ist ? Aber ich gebe Christkind recht, daß ein Spielfilm eben auch Handlung und Spannung zeigen muß, um angesehen zu werden Was die Opfer-Täter-Rolle betrifft : wer von diesen Bauern und Kätnern, die sich auf die Flucht begaben war denn Täter im eigentlichen Sinne. Ja, sie haben wohl, gerade in Ostpreußen, in großer Zahl die NSDAP gewählt, aber sie deshalb pauschal Täter zu nennen ist wohl etwas verwegen. Sie sind tatsächlich zu Opfern geworden, auch wenn viele das nicht hören wollen. Selbst Täter können zu Opfern werden . Die Frage ist doch, bereuen sie im Augenblick ihrer Opferrolle ihre Täterschaft ? Oder bleibren sie selbstgefällig und uneinsichtig. Das werden wir nie feststellen. Trotz allem fehlt der große Film über die Flucht so vieler Menschen 1945, auf den wir wohl vergeblich warten. Gruß von Ada