Eben fielen mir mal wieder meine ersten Minuten in Zoppot ein, die ich gerne mitteilen möchte.
Im Herbst 91 fuhr ich mit meiner Oma (geb. 1918) mit dem Auto von Berlin nach Zoppot. Wir waren relativ planlos gestartet, hatten vorher keine Unterkunft gebucht. Wir kamen am Abend im Dunkeln von Gdingen kommend in Zoppot an. Meine Oma - die seit 1944 bis auf einen kurzen Besuch mit einer Reisegruppe in den frühen 80ern nicht mehr in Zoppot gewesen war - orientierte sich sehr schnell sehr gut. Wir hielten die Augen nach einem Hotel offen. Großmutter lotste mich von der al. Niepodległosci (A.-H.-Straße) unter der Bahn hindurch Richtung Innenstadt. Die ehemalige Seestraße war damals schon Fußgängerzone. Ich meinte eher im Scherz, so, jetzt musst du mich schon zu einem Hotel führen, du bist hier die, die sich auskennt. Oma übernahm vom Beifahrersitz aus die Navigation. Es ging über die Mackensenallee, die Eisenhardtstraße auf die Südstraße und dann zum Grand Hotel. Zoppot war damals im Herbst 91 eine eher dunkle, leicht neblige und auf mich trostlos wirkende kleine Stadt. Da standen wir nun vor der imposanten Auffahrt vor dem Hotel, das ich zwar als grau, aber hell erleuchtet in Erinnerung habe. Ich schaute Oma an, zeigte ihr den Vogel und meinte, das können wir uns nicht leisten. Ich hatte - damals 25-jährig mit entsprechend wenig Geld - meine Oma zu der Reise eingeladen. Großmutter meinte, geh doch mal rein und frage, wo wir nach einem günstigeren Hotel Ausschau halten können. Ich also auf die Auffahrt gefahren (mit einer alten Citroën DS - sehr stilvoll!), Auto abgestellt und an die Rezeption marschiert. Die befand sich direkt links vom Eingang. Ich fragte auf Englisch, was ein Doppelzimmer im Hotel kosten würden. Mir wurde eine fünf- oder gar sechsstellige Złoty-Summe genannt, ich rechnete kurz um und kam auf etwa fünfzig D-Mark. Ich dachte, ich hätte mich um eine Stelle vertan und fragte, ob sie den Preis auch in Dollar nennen könnte. Fünfunddreißig Dollar. Okay, das war im Budget drin. Ich sagte, dass ich gerne ein Zimmer hätte und dass ich meine mich begleitenden Großmutter holen würde. Wir mussten dann beide unsere Pässe vorlegen. Bis dahin fand die gesamte Kommunikation mit der Empfangsdame auf Englisch statt. Diese schlug den Pass meiner Oma auf, blickte meine Großmutter lächelnd an und meinte dann auf Deutsch: »Willkommen zu Hause, Frau Gallinat!«. Meiner Oma standen vor Rührung die Tränen in den Augen. Mir passiert das heute noch manchmal, wenn ich diese Geschichte zum Besten gebe.
In den folgenden Tagen fand ich Zoppot übrigens nicht mehr grau und trostlos. Seither war ich fünf weitere Male da und inzwischen fühle ich mich dort fast schon zu Hause.
