Poguttke: Der ausgegrabene Goethe

Der ausgegrabene Goethe
von Fritz Jaenicke

Was meinen Se, meine Härren? Ich seh so väschnuppt aus? Kunststick! Bei das Wätter de Woch! Äbarmung! Und dänn soll ich zu Haus nich mal heizen, Meine 0llsche ribbelt sich vleicht auf da. Wie ich huck und im Ofen will anstächen, und der Sturm steht so aasich aufen Schornstein und treibt dem Rauch inne Stub, kemmt se Ihn rein wie sone Bräms, hurrjees, hurrjees! Ich sollt mir nich so hahm, wänn mich kalt weer, sollt ich aufem Hof jehn Holz klein machen! Dänn wird mich all warm werden, ohne dass ich Heizung väquasen tu! - Grochchen, bitte, Herr Oberchen!

Na, ich im Holzstall, will hacken. Is das Beil so stumpf. Jeh ich rum beim Nachbar, dass er mir auf sein Schleifstein schleifen lässt. Is der grad mit sein Jung mit'n Handwagen anjekommen. Aus Ohra-Niederfäld. Katoffel hätten se jeholt. Kricht er mir beim Ärmel und saacht: "Mänsch, Poguttke, fein dass kemmst. Ich muss dich mal was zeijen. Da wirst staunen!"

Nu bind't er dem Sack auf und holt Ihn' vleichtne Katoffel raus: son Dubbas! Wie sone ieberlebensgroße Wruck! Und dänn noch son Dings dran wie ne Nas und Augen. "Is das nich en richtjer Kopp?" meint er. "Aber ja", sag ich, "Mänsch, das is, wart' mal, wem eehnt der Kopp doch? Mänschenskind, Jeethe! Sprächend eehnlich! So vonne Seit je sehn jenau wie Jeethe. Glattemang. Wie er auf unser Paneelbrätt steht ieberm Soffa inne gute Stub! Ich hab ihm neilich man wieder missd frisch brongzieren, de Fliejen hätten ihm im Sommer wieder so volljemacht!"
"Das missd doch eijentlich inne Zeitung rein!" meint er. "Aber klar", sag ich, "da missen se sich doch de Finger nach läcken inne Redaxjon! Das is doch hochinträssant. Ausjerächent jätz inne Jeethewoch."

Wo soviel immer von im Blatt stehn tut: Da känn se jätz en tadelloses Bild bringen, "Jeethe und Ohra-Niederfäld". Da steht ganz Danzich Kopp! Is ja unbezahlbar!"

"Na", meint er. "Franz, du verstehst dir ja darauf. Nimm de Katoffel, bring se hin, dass se en Bild bringen und das fein ausputzen, und dänn kenn' se doch noch gleich mein Bild mit abdrucken. Ich hab die Katoffel mit den Jeethekopp doch ausjebuddelt!" Und damit schickt er sein Jung rein, er sollt ne Fottegrafie aus'm Album rausholen von ihm und ne Zeitung, um die Kartoffeln mit den Jeethekopp einzuwickeln fier mir.

Na, ich mir fix Stiebel anjezogen, Dschäkett und Mitz. Garnich erst de Ollsche was jesaacht, wo da inne Kich rumkietert und klarrt mit ihre Kirbisseinmacherei, und leifich abjehaut: nache Zeitung, dass se das man fix kricht. Ich dänk doch, die fallen mir ummen Hals und belohnen mir firstlich. Ach ja doch! So siehste aus! - Woll mal erst mal "prost" sagen. Prost!

Also wissen Se, die sind ja in sone Redaxjon heutzutag wie mit Sänfspirtus klistiert! Das jeht Ihn' da ja alles so aasich fix und leifich und in eine Hätzjacht und auf zwei Telefone zu gleiche Zeit jered't und notiert und diktiert und jetippt und jescheddert und wieder am Telefon, da kenn' Se wischisch werden bloß vons Zusehn.

Wie ich nu ändlich son Dokter da en Monumangchen mang seine Telefoniererei soweit zu halten krieg, dass ich mit ihm reden kann, meint er: "Bitte, fassen Sie sich ganz kurz! Wir sind sehr eilig! Bitte, so kurz wie möglich!"

Na, ich dänk, meinetswejen, was der Mänsch braucht, muss er haben, wil mir nu so kurz fassen, dass es kirzer nicht jeht, wickel fix meine Riesenkatoffel aus, halt se ihm stolz vore Nas und sag: "Jeethe!"

Der kickt knapp de Katoffel an, dänn kickt er mir an, kneift de Augen so hintre Brill, kickt nochmal de Katoffel an, dänn wieder mir und zieht sone krause Stirn, worauf ich ihm dem Kartoffelkopp noch mehr hinhalt und sag: "Jeethe, aufsehnärejende Ausgrabung aus Ohra-Niederfäld!"

Da meint er: "Ich sehe, Herr Poguttke, dass Sie drüben im "Lachs" gerade sehr erfolgreich gefrühstückt haben! Leider aber haben wir hier keine Zeit, diese interessante Schnapsunterhaltung..." Da unterbrachen ihm die Telefone, er stirzt darauf los, winkt mir, ich sollt abhauen, und draußen war ich mit mein Katoffel-Jeethekopp.

Wie ich nu draußen in die Vorhall sag, das weer doch unäheert, weehrend ich die Katoffel wieder einwickel, da meint jen Hausmeister, was da draußen in son Glaskasten sitzt, und ei'm anmälden tut: "Ach, du meine Jiete, Härr Poguttke, Sie hahm auch ne Riesenkatoffel jebracht? Ich trau mir ja kaum noch rein bei die Härren, das jeht ja jätz bloß egal in eine Tuhr die Tage mit Riesenkatoffeln, Riesenpetersiljenwurzeln, Riesenkohlrabis, bliehende Eppelbeime, Riesenwruken und was weiß ich! Wä kennen doch de Zeitung nich mit all die Katoffel- und Wruckenabnormeteeten voll drucken."

Wie ich so drauf abhaut, kam noch son ganzer Schwung Leit' mit, die was da auch mit sone Pakete jewart' hätten. Die hätten auch Katoffeln in väschiedne anormale Greeßen und Jestalten, Petersilien von drei und vier Fund und so weiter. Unten besah wä uns das alles und zagelten dänn alle zusammen de Breitgass' hoch, und wie nu grad wieder son aas'jer Rejenschauer einsätzt, liefen wä'n Nothafen an, um innen Restorang en Grochchen zu trinken. Und wer sitzt da drin und spielt Eelkopp? Mein Freind Adolf Schaweiter. Der saacht gleich: "Nanu, Franz, fiehrst du hier en Demonstratzjonszuch an?"

Wie wä nu de Tische zusammenjerickt und unsern Groch hätten - erst hätt wä auf dem Schräck noch im Stehn en Machandelchen jenehmicht-, äzeehl ich nun von wejen de Zeitung und so, dass se, statt sich zu freien ieber sowas Inträssantes, ei'm da rauskomplemäntieren tun, als wänn ma duhn weer.

Wie wä nu Adolf fragen, was er dazu sagen tut zu sowas, da meint er: "Aber, meine Herren, nuscht is einfacher! Wo se doch sone zahlreiche Schicksalsjemeinschaft mit gleiche Inträssen sind, da bilden Se ebend ne Partei! Sag wä mal de "Partei der anormalen Katoffelkeppe" oder "Partei der Knollenfrucht-Abnormeteeten-Zichter".

Da unterbrach ihm son Langer mit de Brill und meint, da missd er seitens seine Kollejen als Obstzichter soffort äkleeren, dass sie sich abspalten wirden, dänn bei ihnen handelt es sich um zum zweiten Mal bliehende Eppelbeime, was mit jeweehnliche Knollenfrichte nuscht nich zu tun hätt'.

Darauf sag ich: "Was is dänn nun schon Großes dabei, wänn en Appelbaum zum zweiten Mal bliehen tut? Das ist doch gar nich zu vägleichen mit sone Riesenkatoffel mit Jeetheportreet, wie ich se hier hab!"
Da wird ja son junger Mänsch, was ne dreifindije Petersilienwurzel hätt, kreehen: "Die dimmsten Bauern hahm de dicksten Katoffeln!"
Das macht mir natierlich fuchtich, und ich frag ihm ganz ruh'ch und heeflich: "Sie hahm woll lang nich Ihr eig'nes Jeschrei geheert, Sie Schnoddernas'?".
Darauf schreit Ihn' der Leidack: "Puhst dir man nich so opp!"
"Was?" sag ich, "Was heißt hier "Dir"? Du jehst nach Schul! Wänn Se mich hier dammlich wollen kommen, feier ich Ihn' vleicht hier meine dicke Bauernkatoffel vore Fräß, und wänn dem Jeethe de Nas' abbricht..."

Schon wird er ja aufspringen und jejen mir mit seine Riesen-Petersilie losjehn und ausholen wie mit sone Bollefreit. Aber da hätt all jen Wirt eins achtzehn son Tammchen unters Biffeh vorjeholt und war miteins mang uns mang und meint: "Meine Härren, lassen Sie das unterwejens! Sie sind hier nich im Parlamänt, Se' sind hier innen anständjes Lokal!"
"Sehr richtig!" saacht Adolf, "Behärzijen Sie, meine Härren, in die Danzijer Jeethewoche immer das große Dichterwort: "Wir wollen sein ein einich Volk von Briedern, in keiner Not uns trännen und Jefahr!"
"Bravo!" meint dazu ein son Dicker, beställt ne Lage und äkleert dänn, er hätt dem greeßten Kirbiss und missd unbedingt Listenfiehrer in de neie Partei werden.

Schon kreeht son kleiner Dinner mit son grienlichen Kossenbart: "Ich protästiere! Ich habe weder Katoffeln noch Wrucken noch Petersilje, ich hab' hier in den Pappkartong mit die einjepiekte Lecher en lebenden Zitronenfalter! Das is auch en anormales Härbstnaturwunder! Und wänn das bei die neie Partei nich im Namen und im Programm mitbericksichtigt wird, seh ich mir zu mein Bedauern jezwungen, eine eijene Partei zu grinden!"

Darauf meint Adolf wirdich wie son Opapa: "Aber, meine Härren, bloß keine Aufrejung nicht. Se kennen doch sämtliche Inträssen bequem und einich unter ein' Hut bringen, indem sie die begrießenswerte Neigrindung einfach nännen "Abnormeteeten-Partei!"
Nu kenn' ich doch aber dies Leidack-Kreet von Adolf. Ich dirf ihm doch bloß ankicken. Und wänn er dreist son ärnstes und ehrbares Jesicht macht' wie sone Reicherflunder, märkt ich doch, dass der Labs uns alle vähohnepiepeln tat. Und wie nu de Kohlrabigrupp grad hinterm Billjard ne Besprächung abhält und de anormale Petersilienzichterjemeinde sich ieher ne Resolutzjon kabbelt, da sag ich: "Belach de ganze Abnormeteeten!", zahl mein Groch und Machandel, trink aus, nehm und jeh. Prost!

Zu Haus jeb ich mein einjewickeltes Paket meine Ollsehe. Wie die es aber auswickelt, is es nich mein Ohra-Niederfälder Jeethe-Katoffelkopp, sondern ieberlebensgroßer Wrukenzwilling. Hab ich mir natierlich mang die diwärse Abnormeteeten vägriffen. Nu hätt ich's! Kocht meine Ollsche heit Wrukensupp! Aber eisern. Und ich mussd se ausleffeln.

Das kemmt von de wilde Parteigrinderei. Aebarmung!