Gestern Morgen, fünf Uhr dreißig. Alle Fenster sind von außen beschlagen. Ein dichter Film feinster Kondenswassertröpfchen verhindert die Sicht auf die Werderlandschaft. Fahles Licht dringt in die Stube.
Ich öffne das Fenster, werfe einen Blick nach Osten zur aufgehenden Sonne, auf das im frühen Morgendunst liegende lichte Birkenwäldchen hinter den noch nicht abgeernteten Feldern, auf dunkle Bäume und dichtem dazwischen wucherndem Strauch- und Buschwerk, auf die im Schatten des alten Deiches ruhende Elbinger Weichsel.
Über kurzhalmigem Roggen schwebt friedlich Morgennebel, erste Sonnenstrahlen versuchen ihn sanft zu durchdringen. Licht und Schatten gehen behutsam miteinander um, spielen ein zärtliches Spiel, lassen den nebligen Dunst entfliehen. Über der Elbinger Weichsel verharren Reste, wollen sich nicht lösen von dem stillen Gewässer.
Vom an der Hauswand befestigten Flaggenstock hängt still die Danziger Flagge. Ich hatte sie gestern Abend versehentlich nicht eingezogen. Doch nun lässt die aufgestiegene Sonne das Flaggenrot hell und warm aufleuchten vor dem noch leicht diesigen Blau des Werderhimmels. Ein Tautropfen lugt neugierig von einer Flaggenspitze. Zwischen Tuch und Hauswand hängt in Bögen luftiges Spinnengewebe. Erste Anzeichen eines nahenden Altweibersommers?
Stille wird hörbar. Es herrscht vollkommene Ruhe, nicht der leiseste Laut ist vernehmbar.
Behutsam schließe ich das Fenster, öffne es erneut in Kippstellung. Vereinzelt, in dünnen Bahnen, rinnen Kondenswassertropfen die Scheibe hinab, lassen erste Blicke durch das Glas zu. Der Werdersommertag beginnt vielversprechend und verheißungsvoll.