Esskultur

Donnerstag, 04.04.2002, 14:00 Uhr

Ja, von Esskultur sollte ich eigentlich nicht sprechen, wenn ich mich über Fast Food auslasse. Mit McDonalds auf dem Hauptbahnhof fing es vor ein paar Jahren an und in der Zwischenzeit haben sich die Schnellimbisse über die ganze Stadt verbreitet. Ob Pizza, Döner, Burger: die neue Esskultur hat nicht nur Freunde bei Touristen gewonnen, die auf polnisch nichts anderes sagen können als "BigMac, Cola". Auch unter polnischen Jugendlichen scheint es "in" zu sein, Fast Food zu mampfen, natürlich herunter gespült mit einem One-Way-Pappbecher brauner Zuckerbrause, obwohl das gleiche Getränk im Geschäft nebenan flaschen- oder dosenweise für die Hälfte des Preises erhältlich ist.

Ein wenig aus dem üblichen Rahmen scheint das "Restauracja Sphinx Grill Bar" zu fallen. Mit auffallender Optik und lauter Musik bildet es den Blickfang auf dem Langen Markt nahe des Grünen Tores. Mich macht es neugierig, was die bunten Reklametafeln mit den Pharaonen und Sphinxen an dem alten Patrizierhaus zu bedeuten haben. Über dem Eingang heißt es ebenso schreierisch wie selbstbewusst: "Best Food by Tom Malton". Auf den einen Blick ins Innere ermöglichenden Schaufensterscheiben steht geschrieben, es gebe "Air Conditioning" und die Preistafel neben der Open-Air-Theke sagt, ein Spinx-Menue sei schon für schlappe 8 Sloty zu haben.

Nun ja, dann mal nix wie los. Ich schiebe ordentlich Kohldampf und ein "Vegetarian Burger" klingt ja gar nicht übel. Draußen ist es mir aber doch zu frisch, der kräftige Frühlingswind lässt die Nase triefen. Ich betrete das "Restaurant", gehe zur Imbisstheke. Wie von einem ägyptischen Skorpion gestochen, kommt einer der Sphinx-Burger-Brutzler angeschossen und weist mich ausgestreckten Armes vor die Tür. "Sphinx Burgers only outside" schimpft er kopfschüttelnd. Schon wieder als Tourist ertappt! Gut, sage ich mir, gegen triefende Nasen gibt es Tempos und Hunger kannst Du auch in der Kälte stillen. Ich stelle mich vor das Ausgabefensterchen und sage auf polnisch "Sphinx-Burger, Cola" und zeige mit dem erhobenen Daumen der rechte Hand, dass ich nur einen einzigen haben will. Auf englisch kommt dann die Frage, ob ich den "Vegetarian Sphinx Burger" mit "chicken" oder "pork", also mit Hähnchen- oder Schweinefleisch haben möchte. Gut, denke ich, das ist ja was ganz was Neues, und bestelle den vegetarischen Burger mit "Chicken", denn wenn ich schon auf englisch gefragt werde, muss ich ja nicht unbedingt auf polnisch antworten.

Der Burger-Bräter schneidet einen riesigen Pappfladen auf, wirft ihn für zehn Sekunden auf die Herdplatte, stopft den lauwarmen Lappen in eine wasserdichte Tüte, nudelt mit einer Salatzange eine Öffnung in den blassen Teig, kleidet dieses Loch mit einem welken Salatblatt aus, schmeißt anschließend einen Schwung grob geschredderten Rotkohl hinein, lässt eine ebenso große Portion Sauerkraut folgen und drückt dann ein wenig gebräuntes Gockelgekrümel in die Masse. Darüber kommt dann eine Kelle weißer Soße, die, wie sich später geschmacklich vermuten lässt, aus irgendeinem Mischmasch aus Mayonnaise und Joghurt bestehen muss. Zur Krönung knallt er einen schmatzenden Schwall bräunlichroten Tomatenketchups über seine Schöpfung. Bewaffnet mit einer Plastikgabel und einem Schwung Servietten nehme ich das aus Burger und Cola bestehende Menue in Empfang und trolle mich Richtung Artushof, wo ich auf einer Bank Platz nehme.

Mama mia, hoffentlich schmeckt’s nicht so wie es aussieht! Bereits nach wenigen Häppchen schelte ich mich selber. Kulinarischer Kulturbanause heiße ich mich. Du hättest wissen müssen, dass ein Burger, vor allem ein vegetarischer mit Chicken, der zudem im Phantasienamen noch die Bezeichnung Sphinx führt, gar nix sein kann.

Bääähhh...

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P.S.: Ich will nichts zurück nehmen, denn so war es wirklich gewesen. Aber in der Zwischenzweit wurde ich einmal von meinem Freund Zbyszek eingeladen - und ich konnte nicht ablehnen. Ich bestellte angesichts der gemachten Erfahrungen einen Salat - und der war wirklich knackig und gut.