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Thema: Steegen und Stutthof

  1. #1
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard Steegen und Stutthof

    Aus "Unser Danzig", Nr. 15 vom 05. August 1962, Seiten 12-13

    Steegen und Stutthof
    von Kurt Bartels

    Die meisten Fremden träumten von Zoppot, dieser Krone unter den Seebädern an Danzigs Küste, wenn sie an einen Badeort dachten. Und in der Tat: Zoppot war schön. Es konnte mit vielem aufwarten, das die Binnenländer, und nicht nur diese, anzog.

    Da war der Seesteg, an dem die Schiffe des "Seedienst Ostpreußen" festmachten. Für den Beschauer ein ständig wechselndes neues Bild, von dem er sich nur schwerlich trennen konnte. Bei internationalen Segelregatten traf sich hier die große Welt. Am Abend wurden das weit über Danzigs Grenzen hinaus bekannte Spielkasino oder auch die Waldoper aufgesucht. Ja, den Badegästen wurde hier schon etwas geboten, und die Kurverwaltung sorgte dafür, dass es keine Langeweile gab. Auch in Brösen und Glettkau herrschte ein fröhlicher Badebetrieb. Doch zu jeder Krone gehören Perlen, und von diesen -den kleineren, ruhigeren Ostseebädern- soll hier die Rede sein.

    Ihrer gab es viele in der Danziger Bucht. Die beiden schönsten, östlich der Weichsel, waren wohl Steegen und Stutthof. Die Badegäste, die diese Orte aufsuchten, waren überwiegend Naturfreunde oder Genesende, die nach einem arbeitsreichen Jahr oder nach einem Krankenhausaufenthalt Kräfte sammeln wollten. Ja, und wohl jeder von ihnen ging gestärkt in das Alltagsleben zurück. Der Wald, das Rauschen der Kiefern, die dem fast adriablauen Himmel entgegenwuchsen, ließen sie alles andere vergessen. Hier wurden sie eins mit der Natur, die Gott uns gerade hier so reichlich offenbarte.

    Oft habe ich selbst stundenlang im Farn gelegen, das Gesumm der tausend Insekten aufgenommen, den Jubelruf der Vögel gehört. Von Ferne drang das Rauschen der Ostsee an mein Ohr. Hoch über den Kiefern der weite blaue Himmel. Ich hatte mich, die Zeit und die Welt vergessen, dachte an nichts, war selbst ein Stück dieses Waldes, dieses herrlichen Fleckchens Erde geworden. Ich war unendlich glücklich und zufrieden, und erst die länger werdenden Schatten riefen mich zurück in die Wirklichkeit. So ist es vielen ergangen. Wer einmal bei uns gewesen war, kam immer wieder zurück. Es gab Familien bei uns im Orte, die immer wieder seit Jahrzehnten dieselben Sommergäste aufnahmen.

    Wer in unsere Badeorte kam, dem war es nicht zu viel, erst einen Waldmarsch bzw. Waldspaziergang von etwa 30 Minuten zu unternehmen, bevor er die Ostsee erreichte. Unsern Badegästen war es direkt eine Wohltat. Wohl waren die sandigen Wege des zwei bis vier Kilometer breiten Waldstreifens in der Sommerhitze oft auch ermüdend, aber der Wald lud ja geradezu zur Rast ein. Nur ein paar schritte vom Wege gediehen saftige Blaubeeren, die labten und erquickten. Im Schatten eines Baumes wurde schnell ein Nickerchen gemacht, und dann wanderte man weiter, der Ostsee entgegen. Als Kinder kam uns dieser Weg allerdings als Strapaze vor, denn wir hatten doch noch nichts für beschauliche Ruhe übrig, weil das Wunder der Natur noch nicht so in uns aufgegangen war, und wir nur an das Baden und Toben im Wasser dachten. So waren wir denn manchmal auch recht mürrisch und quengelig. Wenn dann aber vor den Dünen das Rauschen der Brandung zu hören war, beflügelten sich unsere Schritte, und alle Müdigkeit war sofort verflogen.

    Die Ostsee, dieses faszinierende Bild, war für uns die Belohnung nach dem Waldmarsch. Wir konnten es gar nicht erwarten, den breiten, sandigen Strand herunterzutollen und uns in die Fluten zu stürzen. Bei einem Klassenausflug hatten die Lehrer es oft nicht leicht mit uns. Das langsame Abkühlen, bevor wir ins Wasser durften, sahen wir als unnötig an und benahmen uns auch dementsprechend. Es bedurfte so manchen Verweises des strengen, aber doch so gütigen Herrn Wiens, um uns im Zügel zu halten. Herr Schröder, die Sportkanone unter unsern Lehrern, passte dann beim Baden, wie eine Glucke auf ihre Küken, auf uns auf. Die Jahre vergingen, wir wurden größer und verständiger, und wir lernten schauen. Nicht nur nach der Natur, sondern auch nach kleinen Mädchen. Der Wald, die Dünen und alles andere Schöne war ja wie geschaffen für Liebende. Fast jedes Pärchen hatte seinen Platz, der kaum jemals von eines anderen Menschen Fuß betreten wurde. Es gab Sonneninseln und Räuberhöhlen - und der Wald schwieg...

    Nicht zu vergessen sind die Sommernachtsfeste in der Steegener Strandhalle. Dann herrschten dort Jubel und Heiterkeit, und zwei Kapellen spielten zum Tanz auf. Wer hier an Sonntagen einen Platz oder gar einen Tisch für sich haben wollte, der musste schon fast am Vormittag da sein. Der Badebetrieb zu bei den Seiten der Strandhalle war enorm, an Wochenenden waren hier Tausende von Menschen. Wer dem Gedränge aber entfliehen wollte, der wählte den Strand zwischen den Ortschaften. Hier konnte er den Badefreuden ungestört nachgehen. Unsere Sommergäste erholten sich nur in dieser Stille, kamen andere hinzu, so respektierte man den Wunsch des Einzelnen und ließ sich mit den Strandutensilien ein paar hundert Meter weiter nieder. Viele konnten sich nicht vorn Strande trennen und badeten noch während der Dunkelheit.

    Wenn die Sonne wie ein Glutball im Wasser versank, war es jedoch höchste Zeit, an den Heimweg zu denken. Im Eilschritt ging es durch den dämmrigen Wald nach Hause, wo wir bei Muttern heißhungrig das zurückgestellte Abendbrot verzehrten. Wir hofften, dass der nächste Sonntag wieder ein Sonnentag sein würde, um die Badefreuden am Strande der Danziger Bucht voll auskosten zu können.

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    Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung des "Bundes der Danziger" in Lübeck.

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    Das ist die höchste aller Gaben: Geborgen sein und eine Heimat haben (Carl Lange)
    Zertifizierter Führer im Museum "Deutsches Konzentrationslager Stutthof" in Sztutowo (deutsch/englisch)
    Certyfikowany przewodnik po muzeum "Muzeum Stutthof w Sztutowie - Niemiecki nazistowski obóz koncentracyjny i zagłady"

  2. #2
    Forum-Teilnehmer Avatar von waldling +6.8.2023
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    Standard AW: Steegen und Stutthof

    Guten Abend liebe Forumer,
    im Oktober 2012 war ich in Sztutowo (Stutthof). Eine beeindruckende Zeit durfte ich dort verleben, kurz aber intensiv, mit Kontakten zu den dort lebenden Menschen. Neben den bedrückenden Erlebnissen im Konzentrationslager, bekam ich einen kurzen, aber nachhaltigen Eindruck von wunderbaren Natureindrücken, wie meine Mutter sie beschrieb. Ich lade euch zu meinem Album Stutthof ein. Obwohl so ein Foto natürlich nie die subjektive Stimmung wiedergeben kann.

    Ich wünsche allen einen schönen Abend und eine gute Nacht!
    Uwe

  3. #3
    Forum-Teilnehmer Avatar von Bartels
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    Standard AW: Steegen und Stutthof

    Danke Uwe,

    für die Einladung zu den schönen, ausgesuchten Fotos!

    Hier der direkte Link zum Album Stutthof von Uwe / waldling: http://forum.danzig.de/album.php?albumid=304
    Beste Grüsse
    Rudolf H. Böttcher

    Max Böttcher, Ing. bei Schichau (aus Beesenlaublingen & Mukrena);
    Franz Bartels & Co., Danzig Breitgasse 64 (aus Wolgast);
    Familie Zoll, Bohnsack;
    Behrendt, Detlaff / Detloff, Katt, Lissau, Schönhoff & Wölke aus dem Werder.
    Verwandt mit den Familien: Elsner, Adrian, Falk.

    http://bartels-zoll.blogspot.de/2012/07/ahnentafeln-zoll.html

  4. #4
    Forum-Teilnehmer Avatar von waldling +6.8.2023
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    Standard AW: Steegen und Stutthof

    Guten Abend Rudolf,
    bitte, sehr gerne und danke für den Link!
    Uwe

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