Mich beschäftigt schon lange das Thema „Stutthof und sein Konzentrationslager“. Meine Mutter ist in Tiegenhof geboren und mit 6 Jahren nach Stutthof gezogen. Hier ist sie aufgewachsen. Ihre Verbindung zu Stutthof ist ihr Leben lang, wie wohl bei den meisten Vertriebenen, sehr stark geblieben. Für mich hat dieser Ort etwas sehr bedrückendes, obwohl ich im letzten Jahr in Stutthof viele positive Erfahrungen gemacht habe. Es ist für mich ein wenig so, als wenn ich mich im Dunkeln bewege. Von Zeit zu Zeit geht das Licht an und ich erlebe die Ostsee, den Wald, das Rauschen und die Weichsel. Die enge Verbindung Stutthofs mit dem KZ wird wohl für mich, von der Stimmung her, immer ambivalent bleiben. Ehrlich gesagt, ist das auch der Grund, warum es mich nicht so sehr dahin treibt. In meiner Familie wurde nach dem Kriege zu viel geschwiegen, verdrängt und verleugnet. Im hohen Alter von 90 Jahren, schon dement, sitzt meine Mutter im Sessel, schüttelt den Kopf und sagt:“Wie konnte so etwas nur geschehen?!“. Ohne das ich sie drauf angesprochen hatte, wie aus dem Nichts. Sie erzählt mir Dinge aus dem Nazi-Alltag, sehr dosiert, von Menschen in SS-Uniformen, von Machtmissbrauch, von erwachsenen dummen Menschen, von Gewalt und von Kindern, die keine Ahnung hatten, was da vor sich geht. Von der Firma Epp, die Munition herstellte und KZ-Häftlinge benutzte, und die nach dem Krieg nichts mehr davon wissen wollten. Von E. Foth, dem Vermiete meiner Großeltern, der nach dem Krieg hingerichtet wurde. Und von dem Suizid ihres Vaters in der Scheune auf dem Hof. Die Liste ist lang und noch lange nicht zu Ende, denn letztendlich wendete sich das Blatt und das Leid war nun auf der anderen Seite. Es fällt mir schwer, die so positiven Erlebnisse meiner Mutter und deren Freundinnen, als genauso positiv zu sehen.
So jetzt habe ich etwas den Faden verloren.
Ich denke, es wird mit allen Orten so sein, die ein KZ besaßen. Man bekommt diesen Geruch nicht mehr raus. Du rennst durch den Ort und hast immer diesen Geruch in der Nase. „Alle“ reden über diesen Ort immer nur im Zusammenhang mit dem KZ oder haben es zumindest im Hinterkopf. So auch mit Stutthof. Google doch mal nach Stutthof. Unangenehm, sicherlich immer nur subjektiv. Aber ehrlich, wie geht es euch, die das hier lesen? Es gibt zig Sichtweisen, ich weiß, es ist nur ein kleiner Einblick meiner Stimmung zu Stutthof und ein kleiner Aufarbeitungs-Versuch, den ich ja schon einige Jahre betreibe .
Während eines Seminars an einem Ort der Stille, wurde in diesem Dorfe eine alte Halle genutzt, die in der Nazi-Zeit als Versammlungshalle gebraucht wurde. Obwohl ich in dieser Woche sehr „mittig durch die Gegend flog“ , war doch immer wieder dieser Geruch da. Mittlerweile gehe ich sehr versöhnlich mit dem Thema um, aber der Geruch bleibt, immer mal wieder.
Einen schönen Tag!
Uwe