Der untergegangene Friedhof in Orloff
Mittwoch, 06. Februar 2002
Die kleine umzäunte Kirche in Orloff (Orlowo) liegt direkt an der von Tiegenhof (Tujsk) nach Neuteich (Nowy Staw) führenden Strasse. Das einschiffige Gebäude - fast wie eine fensterlose Trutzburg wirkend - krönt mittig ein weißes Holztürmchen. Zugang zum Gotteshaus findet der Gläubige über einen schwarzbraunen hölzernen Vorbau an der Stirnseite der Kirche. Der Eintritt wird jedoch durch ein chromglänzendes Vorhängeschloss verwehrt.
Die Kirche ist von einer gelbgrünen Rasenfläche umgeben. Hinter dem alten Gebäude ein rundes Hinweisschild, schwarze Schrift auf gelbem Grund, polnischsprachig. Adam, mein Begleiter, sagt, hier befinde sich ein Friedhof. Die Tafel weise darauf hin, dass nichts verändert werden dürfe.
Im hintersten Eck, teils unter Gestrüpp und Unrat, überwuchert, zugewachsen, Fragmente von Grabsteinen. Zerschlagen, zersplittert, hingeworfen. Kein Zaun zum angrenzenden Bauernhof, für den dieses Eckchen Müllkippe ist. Abgefahrene Traktorenreifen, entleerte Kanister, verbogene Dachrinnen, Wellblech. Dazwischen steinerne Bruchstücke. Es ist früh im Jahr, kein wucherndes Sommergrün hüllt einen Mantel des Schweigens und Vergessens über die entweihte Stätte.
Bedrücktes Schweigen. Als wir wieder im Auto unterwegs sind unterbreche ich die Stille, frage Adam, meinen polnischen Verwandten, wem es zu verdenken sei, wenn er angesichts dieser Bilder Trauer und Bitterkeit in sich spüre. Das sich meiner Frage anschließende Schweigen bleibt bedrückend.