Grosseltern gesucht

[Carasena]

Guten Abend,

meine Mutter ist 1934 in Danzig geboren und hat dort in einer Pflegefamilie in der Straße "Rammbau" bis Sommer 1945 gelebt.
Ihre Kindheit war bisher absolutes Tabu-Thema, bis ich mir jetzt endlich ein Herz gefasst habe und mich "traute", sie zu befragen. Die Aussage, dass
sie ihre Eltern nie kennengelernt hat, hat mich schockiert, den Grund, warum sie nicht bei ihnen aufgewachsen ist, konnte (oder wollte?)
sie nicht sagen. Von der Existenz ihrer beiden älteren Brüder erfuhr sie erst Mitte der 60er Jahre, einer der beiden hatte seine Geschwister über den Suchdienst des Roten Kreuzes ausfindig gemacht. Einer der Brüder, zu dem sie den Kontakt danach aufrecht erhalten hat, starb vor 4 Jahren, der zweite Bruder verschwand irgendwann kommentar- und spurlos. Ich habe im Internet recherchiert, und ich habe herausgefunden, dass er vermutlich 2002 in Dallas verstorben ist.
Da es sonst keinerlei weiteren Kontakt zu irgendeiner Verwandtschaft meiner Mutter gibt, hoffe ich, auf diesem Weg eventuell Informationen über meine Großeltern zu bekommen. Das einzige, was ich weiß sind ihre Namen: Meta und Herbert Schmidtke. Und dass sie in Danzig gelebt haben. Das ist nicht viel...
Und mich würde natürlich interessieren, was 1934/35 der Grund gewesen sein könnte, dass drei Kinder einer Familie nicht bei ihren Eltern aufwachsen konnten/durften, wäre theoretisch auch denkbar, dass meine Großeltern jüdischen Ursprungs sind und sie 34/35 Danzig verlassen haben? Zu der Zeit konnten Juden doch noch illegal ausreisen, aber ließ man dann seine Kinder zurück?
Ich bin ziemlich erschüttert, dass es in dieser Familie wohl einen extremen Bruch gegebn haben muss und habe mir nie vorstellen können, dass mich dieses "Unwissen" einmal derart belasten könnte.
Vielleicht gibt es hier jemand, der eine Idee hat, wie und wo ich weitersuchen könnte?

Vielen Dank,
Carasena

[Wolfgang]

Schönen guten Abend,

die Gründe für das Aufwachsen in einer Pflegefamilie dürften zumindest teilweise auch heute noch gleich bzw. ähnlich sein. Seinerzeit könnten vor allem eine festgestellte Nichteignung der leiblichen Eltern (soziale Verwahrlosung, Missbrauch, Misshandlung, kriminell, sexuelle Orientierung u.ä.) maßgebend gewesen sein.

Es stellen sich jedoch auch noch einige Fragen: Ist es sicher, dass eine zwangsweise Wegnahme der Kinder (behördlicher Beschluss bzw. Anordnung) vorlag oder könnte auch eine freiwillige Weggabe möglich gewesen sein? Wurden die Kinder freiwillig/zwangsweise zur Adoption freigegeben? Behielten sie ihren Familiennamen? Wurden die Kinder zeitgleich an Pflegefamilien übergeben? In welchem Alter? Wo haben die Eltern der Kinder zum Zeitpunkt der Übergabe der Kinder an Pflegefamilien gewohnt? Waren es nur drei Geschwister? Sind über sie nähere Daten (u.a. Geburtsdatum) bekannt? Wurden bereits Kopien der originalen Standesamtsgeburtseinträge besorgt und sind darauf evtl. Nebenbemerkungen notiert?

Im Einwohnerbuch 1936/37 ist ein Bürogehilfe Herbert Schmidtke im Langfuhrer Eschenweg 13 vermerkt, einem auch heute noch stehenden Wohnblock (Jesionowa 13) mit seinerzeit etlichen Mietparteien: https://www.google.de/maps/place/Jes...da3e89!6m1!1e1

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

[sarpei]

Hallo Carasena,

bei der Durchsicht der Danziger Adressbücher ab 1934 habe ich grundsätzlich immer nur einen 'Schmidtke, Herbert' gefunden:

1934, 1935, 1936/37, 1937/38 jeweils als Bürogeh[ilfe], Eschenweg 13
1939, 1940/41: kein Eintrag
1942: als Assistent Lgf. Adolf-Hitler-Str. 132


Viele Grüße

Peter

[Karin K]

1930 wurde in den Zeitungen ein Fleischer Herbert Schmidtke in Neufahrwasser genannt. Am 5.1.1930 im Danziger Zentralorgan für Handel und...: Sterbefälle Standesamt Neufahrwasser: Sohn des Fleischers Herbert Schmidtke, 4 M 3 T alt. Mehr habe ich im Moment leider nicht.

Der Fleischer kann durchaus später zum Bürogehilfen geworden sein, das Alter des verstorbenen Kindes passt ja durchaus in deinen Suchzeitraum.

[Bartels]

Herzlich willkommen im Forum Carasena,

möglicherweise ist der Tod des Sohns, 4 Monate 3 Tage alt, im Jahre 1930 ein Hinweis. - Hier eine Sterbeurkunde mit Todesursache zu haben, wäre sicherlich hilfreich. - Die Gründe für eine Pflegefamilie sind vielfältig und oft weniger dramatisch als in #2 angegeben.

Hatte der Texaner in Dallas Kinder? - Oft ist der Austausch mit lebenden Verwandten sehr spannend.

Sehr unwahrscheinlich ist: "dass [die] Großeltern jüdischen Ursprungs sind und sie 34/35 Danzig verlassen haben" Zu der Zeit (bis nach Kriegsausbruch!) konnten Juden in Danzig noch legal ausreisen. - Wenn das Geld nicht reichte, haben sie eher ihre Kinder alleine ins Ausland geschickt! Siehe Forums-Suche: Kindertransporte

[Malgorzata K]

Hallo Carasena,
Du koenntest in dem Standesamt Gdansk die Geburtsurkunde deiner Grossmutter bestellen, und auch bitten, die Heiratsurkunde von ihren Eltern ( Herbert und Meta), falls das Datum an der Geburtsurkunde notiert ist, zu finden. Falls Du das Standesamt schreibst, koenntest Du auch um alle Bemerkungen an den Urkunden fragen. Es sind manchmal viele Informationen da. Auch, wenn ein Kind adoptiert wurde, muessen irgendwelche Bemerkungen ( Gerichtsurteil) bemertkt werden.
Gruesse,
Małgorzata

[Malgorzata K]

Entschuldige, Du kannst natuerlich GU von deiner MUTTER geb. 1934 bestellen ( und beide Namen angeben).
Gruesse,
Małgorzata

[Carasena]

Hallo und guten Abend zusammen,
danke erstmal für die vielen Antworten und Eure Mühen.

Zu Euren Fragen: Meine Mutter Helga Brigitte Schmidtke, (geb. 24.7.1934) lebt noch, kann und will über Einzelheiten ihrer Vergangenheit nicht sprechen bzw. sie sagt, dass sie nichts über ihre Eltern und die Umstände weiß. Da komme ich also nicht weiter, zumal sie mein ganzes Leben nie darüber sprechen konnte. Ihre Brüder Heinz (genannt Henry) Schmidtke, (geb. 23.9.1931) und Manfred Schmidtke (geb. 31.12.1929 oder 1932 (?)) scheinen auch in Pflegefamilien gelebt zu haben - was hätte ein Grund sein können, nur das jüngste Kind von zuhause wegzuschicken? Meine Mutter wusste bis Mitte der 60er Jahre auch gar nicht, dass sie zwei Brüder hatte. Den Familiennamen Schmidtke haben alle drei Geschwister offensichtlich behalten.
Tja, das sind nicht besonder viel Informationen, fürchte ich...

Schöne Grüße,
Carasena

[Wolfgang]

Schönen guten Abend,

ich verstehe eine Aussage nicht: "Ihre Brüder Heinz (genannt Henry) Schmidtke, (geb. 23.9.1931) und Manfred Schmidtke (geb. 31.12.1929 oder 1932 (?)) scheinen auch in Pflegefamilien gelebt zu haben - was hätte ein Grund sein können, nur das jüngste Kind von zuhause wegzuschicken?"

Sind nun alle drei in Pflegefamilien aufgewachsen oder nur das jüngste Kind? Es ist müßig über die Ursachen zu spekulieren, wenn man nicht weiß, ob das Aufwachsen in Pflegefamilien zwangsweise durch behördlichen Beschluss bzw. gerichtliches Urteil geschah oder ob die Kinder freiwillig weggeben wurden. Wie bereits mehrfach gesagt: Vielleicht findet sich darüber etwas auf den Geburtsurkunden.

In meine Recherchen würde ich auch einbeziehen, ob es weitere Kinder gab und vor allem das Schicksal von Herbert und Meta Schmidtke (Stichwort: Kirchlicher Suchdienst, Stuttgart).

Schöne Grüße aus dem Werder
Wolfgang

Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang

[Bartels]

Hallo Carasena,


in jedem Fall behalten Kinder in Pflegefamilien ihren eigenen Familiennamen. - Ich kenne da zwei Familien, wenn die auf Reisen gehen, gibt es immer Aufsehen an jeder Grenze: Jedes Familienmitglied hat einen anderen Familiennamen im Reisepass ...