Der alte Jägerhof in Prinzlaff
09. Dezember 2006
„Da ist ein junger Deutscher, drüben, auf der anderen Seite der Elbinger Weichsel, in Prinzlaff, und der hat einen alten verfallenen Bauernhof, ein Vorlaubenhaus, gekauft, komplett abgerissen und wieder neu aufgebaut!“ Zbigniew Ptak, ein polnischer Freund in Fürstenwerder (Zulawki) machte mich mit dieser Aussage neugierig. In Prinzlaff? Dort, wo ich demnächst selber bauen werde, hat ein Deutscher ein Vorlaubenhaus neu entstehen lassen? Ich hake nach, erfahre, dass es der „Jägerhof“ sein soll. Sofort fällt mir das 1924 erschienene heimatkundliche Werk „Das Weichsel-Nogat-Delta“ ein, in dem Otto Klöppel die bekanntesten und schönsten Vorlaubenhäuser des Danziger Werders vorstellte. Auch dort ist vom Prinzlaffer „Haus Jäger“ die Rede. Diesen Hof muss ich sehen!
Mit meiner Frau fahre ich von Prinzlaff (Przemyslaw) Richtung Nickelswalde (Mikoszewo), biege am Ortsende ab Richtung Freienhuben (Izbiska). Hier muss das Haus irgendwo stehen, links der schmalen Landstraße. Mehrere alte Gehöfte sind hier zu finden, aber keiner scheint neu errichtet. Wir fahren ein ganzes Stückchen, drehen um, und plötzlich wird mir beim Anblick gestapelter Dachziegel vor einer auf den ersten Blick etwas unscheinbar wirkenden Fassade plötzlich bewusst, dass dies hier der „Jägerhof“ sein muss. Das Gehöft wurde im 18. Jahrhundert als Winkelhof gebaut und zeigt ein typisches Beispiel wie damals Vorlaubenhäuser gebaut wurden.
Wir stellen stellen den Wagen ab, gehen die schmale Auffahrt hoch, fotografieren. Eine massive alte Eingangstür öffnet sich, ein jüngerer Mann kommt heraus, den meine Frau auf polnisch fragt, ob dies der Jägerhof sei. Er bestätigt dies kopfnickend und dann stellt sich heraus, dass er der Eigentümer Thomas Hattig ist. Ich sage ihm, ich kenne das Haus aus der Dokumentation “Das Weichsel-Nogat-Delta“ und schon sind wir im Gespräch. Er lädt uns ein, das Haus zu besichtigen, zeigt uns alte Fotos und beginnt zu erzählen. Er stamme aus Berlin, habe in Warschau gearbeitet, aber seine Frau und ihn habe es hierher ins Danziger Werder gezogen. Er sei Architekt und nachdem er den Jägerhof gesehen habe, hätte er diesen einfach kaufen und renovieren müssen. Eigentlich könne man aber von einer Renovierung nicht sprechen, denn das gesamte Haus sei bis zu den Fundamenten hin komplett von Hand abgetragen worden. Historiker und Handwerksspezialisten des kaschubischen Skansen-Freilichtmuseums aus Sanddorf im Kreis Berent hätten alle Arbeiten durchgeführt. Jeder abgetragene Stein, jeder Balken, sei für den Wiederaufbau mühsam und sorgfältig gereinigt worden. Nur die Baumaterialien, die wirklich nicht mehr verwendet werden konnten, seien ersetzt worden. Beim Wiederaufbau seien keine modernen Baumaschinen zum Einsatz gekommen, sondern alles sei von Hand mit Muskelkraft unter Verwendung alter Werkzeuge und Einsatz traditioneller Techniken geschaffen worden. Es sei sehr, sehr schwierig gewesen, Handwerker zu finden, die dazu in der Lage waren. Aber alle hätten viel Begeisterung bei diesem Vorhaben gezeigt.
Er führt uns durch das Haus, zeigt uns alle Räumlichkeiten, die heute allen Komfort aufweisen. In der Mitte des Hauses die traditionelle „schwarze Küche“, ein dunkler, fensterloser quadratischer Raum um einen gewaltigen Kamin herum, der in früheren Zeiten nicht nur Kochzwecken diente sondern im Winter das ganze Haus heizte. Thomas Hattig sagt, auch der Kamin sei komplett neu errichtet worden. Heute wird diese „Küche“ als kleiner Arbeitsraum genutzt. In einem der Schlafzimmer zeigt er stolz auf alte Türmalereien: Sie hätten sich unter dicken Farbschichten verborgen, die sorgfältig abgetragen wurden. Die Innenwände aus massivem Holzgebälk schaffen eine behagliche Atmosphäre, die lichten Fenster lassen viel Sonne ins Haus. Das ganze Haus zeigt, mit wieviel Liebe und Sorgfalt zum Detail gearbeitet wurde.
Thomas Hattig strahlt. Er weiß, was er geschaffen hat. Ich frage ihn, ob es denn nicht zu viel Arbeit gewesen sei. Seine Antwort überrascht. Er habe nun auch in Steegen (Stegna) ein uraltes Haus gekauft, das genauso renoviert würde. Ihn interessiere die Geschichte des Werders, seiner Bewohner und der alten wunderschönen Bauten. Und nun erfahre ich auch, warum wir gleich so gut in Gespräch gekommen waren. Nachdem ich anfangs die „Weichsel-Nogat-Delta“-Dokumentation erwähnt hatte, sagt er mir nun, dieses Buch mit seinen Zeichnungen sei eine wertvolle Hilfe bei der Rekonstruktion gewesen. Aber er würde noch gerne mehr über dieses Haus wissen. Im letzten Jahr sei ein Besucher vorbei gekommen, der im Jägerhof vor dem Krieg wohnte. Leider seien weder er noch seine Frau da gewesen, nur die Handwerker, und die hätten nicht nach Namen und Adresse gefragt. Aber vielleicht würde sich der Betreffende ja noch einmal melden.