Artikel aus dem Danziger Hauskalender 1970:
Danziger Speichernamen
Wer einmal durch Danzigs Speicherviertel wanderte, der wird so mancherlei absonderliche Namen, Steinfiguren und auch Hauszeichen an den Speichern festgestellt haben. So finden wir noch eigenartige Namen wie „Rotes Herz", Feuriger Wagen", König David", „Simson", „Schabbel", „Palmbaum", „Kaffeebaum", „Schmiedewarm", „Morian", „Das alte Testament", „Weißer Engel", „Das Hufeisen", „Marienbild" oder Speicher mit den Namen von Tieren, wie „Elefant", „Papagei", „Der schwarze Bock", „Zwei Raben," „Roter Leu", „Weißes Ross", „Steinbär", „Hungriger Wolf", „Weißer Schwan," „Falke", „Weißer Bär", „Adebar", „Rehkopf", oder Städtenamen wie „Marienburg" „Thorn", „Lübeck", „Wloclawek", „Weichselmünde" usw. Auch Namen wie „Der Türke", „Der Ungar", „Der Rote", oder poetische Bezeichnungen wie „Eintracht", „Friede" und „Drei Ringe" sind zu nennen.
Auf einigen Gebäuden ist noch das Jahr ihrer Erbauung beigefügt, so z. B. „Der Deutsche Speicher", der vermutlich 1600 erstmalig errichtet und 1738 neu erbaut wurde, bei den Speichern „Die Granate" und „Großer Könitz", die beide im Jahre 1810 erbaut wurden und dem großen Brande, der in der Nacht zum 2. November 1813 173 Gebäude auf der Speicherinsel einäscherte, entgangen sind. Der Schaden, der in der so genannten Franzosenzeit durch diese Brandkatastrophe angerichtet wurde, betrug rund 4 Millionen Taler.
Bekanntlich war diese Brandkatastrophe, durch die die Franzosen den größten Teil ihres Proviants verloren, mit der Anlass dazu, dass noch im selben Monat General Rapp vor den preußischen und russischen Belagerungstruppen kapitulieren musste. Von den Speichermarken, d. h. von den eigentlichen Hauszeichen und Bildwerken, die früher wohl jeden einzelnen Speicher kennzeichneten, waren nur wenige erhalten. Man fand aber an einigen Speichern an der Mottlau solche Figuren, z. B. an dem Speicher „Weißer Bär" einen aus Stein gehauenen Bär, und am Speicher „Adebar" einen steinernen Storch auf einem Sockel. Nicht immer war es nämlich gelungen, die oft lustigen Bildwerke, die meist über oder neben den Eingängen ihren Platz fanden, vor der Zerstörung bei Abbruch zu retten.
Es ist bekannt, daß derartige Hauszeichen oder Hausmarken nicht allein auf den Speichern, sondern noch früher auf den Wohngebäuden in der Stadt und auf dem Lande angebracht wurden. Die des Schreibens meistens unkundigen Hofbesitzer kennzeichneten ihr Eigentum, wozu auch die bewegliche Habe, besonders das Vieh, gehörte, durch das Hantgemal oder Handgemal, altdeutsch bumark. Die mit diesen Marken gekennzeichneten Besitztümer waren nach altdeutschem Recht das freie Stammgut eines freien Mannes, das sich im Mannesstamm fort erbte. So wurden die Hausmarken zunächst Familienzeichen, besonders auf dem Lande. Auch im Danziger Landgebiet findet man sie viel und treten an Stelle des Namens, so dass z. B. in Kirchen die Plätze nicht mit den Familiennamen, sondern mit der Hofmarke gekennzeichnet sind.
Das Anwendungsgebiet der Haus- und Hofmarken erweiterte sich immer mehr, namentlich bei den Gewerbetreibenden und Kaufleuten wurde die Marke zum Kennzeichen der von ihm hergestellten oder vertriebenen Waren. So entwickelte sich aus der Hausmarke das Kaufmannszeichen, das die Kaufleute auf ihren Waren anbrachten, um dadurch ihr Eigentum und ihre Herkunft zu bekunden.