Alter Wein in neuen Schläuchen kann durchaus munden. Nicht aber die Neuausgabe des HB-Bildatlas Danzig - Ostsee - Masuren.

Bereits vor 2 1/2 Jahren schrieb ich einen Verriss über die seinerzeitig schlampig aufgemachte Neuausgabe. Nun kommt eine weitere "aktualisierte" Neuausgabe. Sie ist auf den ersten Blick moderner aufgemacht. Bereits die Umschlagseiten vermitteln einen besseren Eindruck und auch der Blick ins Heftinnere lässt ein griffigeres Layout erkennen. Der zweite Blick jedoch führt zu Irritationen: Fotos und Texte sind größtenteils die alten, und nicht nur Eingeweihte erkennen, dass so manches Bild und erst recht die Texte nicht mehr ganz aktuell sind.

Bemängelt hatte ich seinerzeit nicht nur viele fachliche und sachliche Fehler, sondern auch mangelnde Rechtschreibkenntnisse. Es hätte mit der Neuauflage eine Chance gegeben, sie zu bereinigen, aber nix da: alle bisherigen Fehler sind weiterhin vorhanden (z.B. Fischerstillleben anstatt Fischerstilleben, Paserwerk anstatt Pasewark). Zudem wurde die Chance konsequent wahr genommen, neuen Murks einzubauen: So wird z.B. der Nachname von Klaus Kinski mehrfach falsch "Kinsky" geschrieben.

Aber nicht nur das: Insgesamt vermindert sich der Gebrauchswert, also der Nutzen dieses Heftes gegen Null. So wird zwar in einem Heftteil über 8 Seiten hinweg auf die polnische Küche oberflächlich eingegangen (obwohl: was hat das Cocktail-Getränk "Bloody Mary" mit Polen zu tun), aber wenn der Leser glaubt, er fände interessante Restaurant-Tipps in Danzig: Weit gefehlt, Pustekuchen! Zwischen Bohnsack und Oliva werden gerade mal 7 Hotels und Restaurants genannt.

Kurzum, warum viele Worte über nichts? Das Heft ist lediglich ein 8,50 Euro teures Ärgernis.

Hier noch meine Rezension vom Oktober 2005, die im Wesentlichen auch auf die Neuausgabe zutrifft:

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eigentlich freue ich mich, Rezensionen schreiben zu koennen. Und ganz
besonders gerne mache ich mich an Publikationen ueber Danzig heran.

Vor ein paar Tagen schrieb ich, es sei ein neuer "HB Bild atlas"
erschienen. Thema: "Danzig Ostsee – Masuren". Wobei "Danzig" auf der
Titelseite in großen Buchstaben, "Ostsee – Masuren" in wesentlich
kleineren Lettern geschrieben ist. Ein viel versprechender Titel. Um
mein Urteil vorweg zu nehmen: Ich gehoere ganz nicht offensichtlich
nicht zu dem Kreis, der mit dem Heft angesprochen werden soll. Ich
habe die Artikel gelesen, teils noch einmal gelesen, die Fotos
angeschaut, und dann brauchte ich doch eine ganze Weile, bis ich mich
nun aufraffe, eine Kritik zu schreiben. Es liegt mir nicht sonderlich,
ueber etwas zu schreiben, wenn ich Positives erst mit der Lupe suchen
muss. Aber wie gesagt, ich fuehle mich nicht durch das Heft
angesprochen. Vielleicht haette ich darauf achten sollen, was ueber
dem Hefttitel steht: "HB Bild atlas". Sollen etwas kettenrauchende
Bild-Leser die Zielgruppe sein?

Es sind schoene Bildchen in dem Heft. Kunterbunt, kreuz und quer
durcheinander gewuerfelt, ohne eine Heftstruktur oder besser gesagt,
ohne auch nur ansatzweise ein logisches Layout erkennen zu koennen.
Aber das ist nicht das Einzige. Ich habe dafuer 8 Euro 50 gezahlt.
Dafuer gibt es hier bei uns in Brackenheim eine Flasche sehr guten
Rotwein oder in Danzig einen schlachtfrischen schoenen guten Karpfen.
Ich erwarte etwas fuer 8 Euro 50. Das Geo spezial Polen und das
Merian-Magazin Masuren vom letzten Jahr setzen fuer mich Massstaebe.
Unerheblich zu sagen, dass ich fuer sie weniger zahlte…

Aber was bekam ich? Eine Fliessbandarbeit, ein offensichtlich vom
Kommerzgedanken gepraegtes Mischmasch, schlampig recherchiert,
fehlerbehaftet, aber noch viel schlimmer, viele, viele Ungenauigkeiten
und zweifelhafte bzw. wertlose, manchmal sogar hochgefaehrliche
"Tipps" und "Infos" verderben den Spass beim Lesen. Ja, es ist
Bild-Niveau. Nein, ist es doch nicht, denn in Bild gibt es wenigstens
"Reisser", also "Aufmacher" und "Bildfaenger", die zum Anschauen und
Lesen verleiten sollen. Bei HB Bild hat aber ein Chefredakteur
gefehlt, der den Autoren sagt, wo es lang gehen soll, der ihnen ein
Konzept vermittelt.

Das Heft umfasst 114 Seiten, davon 20 Seiten zu Danzig. Grosse Bilder,
wenig Text. Fast genauso viel wird ueber Podlasien berichtet, der an
den Grenzen von Russland und Weissrussland gelegenen Wojewodschaft,
dem hintersten Zipfel Masurens.

Zuerst kommen also viele bunte grossformatige Bildchen, dann auf Seite
20-36 Danzig. Die schlampigen Recherchen kommen gleich am Anfang zum
Vorschein. Im ersten Satz des Danzig-Artikels heisst es: "Die
Fleischhaken leer, die Regale verstaubt und in den Getraenkekisten vor
allem Wodka – ein Blick in einen typischen Lebensmittelladen im Polen
der 1980er Jahre." Der Wodka wurde auch frueher nicht in "typischen
Lebensmittellaeden" verkauft, sondern nur in speziellen
Monopol-Laeden – so werden unbewusst(?) alte Klischees bedient. Wenn
es dann heisst "Die Altstadt zu beiden Seiten des Radaunekanals, einst
mehrheitlich von polnischen Kaufleuten bewohnte Konkurrentin der
ueberwiegend "deutschen" Rechtstadt…" fragt man sich doch, woher diese
Erkenntnisse stammen. Aber es ist eben vieles, vieles, vieles ungenau,
man braucht dazu die Worte gar nicht erst auf die Goldwaage legen.
Unter dem Bild von zwei Flaschen "Original Danziger Goldwasser" (also
einem deutschen Erzeugnis und einer Flasche "Lachs Wodka" heisst es
"Goldwasser – ein klassisches Danzig-Mitbringsel". In Wirklichkeit
wird das Danziger Goldwasser von Deutschland aus nach Danzig gebracht,
denn dort kostet es gut doppelt so viel wie hier.

Es folgt auf den Seiten 38-49 "Zoppot und Gdingen". Wenn es dabei doch
bliebe!!! Aber nein, unter Zoppot und Gdingen kommen dann Bilder und
Texte ueber Kahlberg und Jantar, ueber Katy Rybackie und Steegen. Es
ist kein Scherz, die Ortsbezeichnungen werden ebenso durcheinander
geschrieben, wie die Orte selber zusammen gewuerfelt wurden. Manchmal
deutsch, manchmal polnisch (abwechselnd im gleichen Artikel), dann in
anderen Artikels ausschliesslich polnisch oder ausschliesslich
deutsch. Wenn dann doch zumindest die Rechtschreibung stimmen wuerde…
- aber wenn schon neue deutsche Rechtsschreibung, dann schon total
(und falsch): Zu einem Bild heisst es "Fischerstillleben" – nach dem
Motto wenn man schon drei "L" hintereinander verwenden kann, dann
wollen wir es auch dort tun, wo es nicht passt. War das der
Leitgedanke der Autoren? Ach, wenn doch zumindest die deutschen
Ortsnamen stimmen wuerden! Und so heisst es mehrfach "Paserwark" statt
Pasewark. Ubrigens, auch die Westerplatte, Weichselmuende, Steegen,
Oliva: Alles wird unter "Zoppot und Gdingen" zusammengefasst.

Ich will mir nicht noch mehr Frust von der Leber schreiben, vielleicht
trotzdem noch zwei Dinge, die aber stellvertretend fuer alle anderen
Schlampigkeiten genannt werden sollen: Beim polnischen Bier "Zywiec"
wird eine Aussprachehilfe angeboten. Es soll "Schäwietz" gesprochen
werden. Also wer es "Zywiec" ausspricht (was auch nicht korrekt ist),
bekommt es trotzdem garantiert schneller als der, der "Schäwietz"
sagt. In einem weiteren Tip wird festgestellt "Krankenkassen
uebernehmen die Kosten fuer die notwendige aerztliche und
zahnaerztliche Versorgung in Polen". Mein Gott, welch HORROR kann auf
einen Patienten zukommen, der das glaubt. Kein Wort dazu, dass es
schier ein MUSS ist, fuer die Reise eine Auslandskrankenversicherung
abzuschliessen.

Aber was soll's: Fuer alle jene, deren Frustgrenze sehr viel hoeher
liegt als bei mir, fuer all jene, die noch mehr von solchem Krampf und
Schmarrn lesen wollen, ist das Heft sehr empfehlenswert.
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