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Thema: Das Gespensterhaus von Danzig

  1. #1
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    Standard Das Gespensterhaus von Danzig

    In Danzigs vornehmster Straße, der Langengasse,stand lange Zeit ein halbfertiges Haus.An diesem hastete die große Menge von Spaziergängern und Einkaufslustigen, die von früh bis abends hier unterwegs war,nur scheu vorüber. Man erzählte sich, dass jeder, der es wage,in diesem Haus eine Nacht zu verbringen,am Morgen einen Beutel mit Dukaten an seinem Bett vorfinde, aber dass er auch viel Schreckliches erleben müsse.Doch niemand, der die Nacht erlebt hatte und am Morgen mit Dukaten belohnt worden war, war bereit, das Geheimnis des Hauses preiszugeben.
    Einmal kam ein Seemann nach Danzig, ein junger Mann vom Rhein,der in einer einzigen Nacht seine ganze Heuer verspielte.Weil er eine Weltreise hinter sich hatte,handelte es sich um eine stattliche Summe. Da überfiel ihn großer Kummer. Zu Hause wartete seine Braut, und mit dem Geld hatte er ein Häuschen bauen wollen.Da tröstete ihn der Kumpane, der ihm das Geld abgeknöpft hatte: „Schlaf doch in dem Gespensterhaus, da bekommst du mehr als du verspielt hast.“ Der Matrose war Feuer und Flamme und holte im Rathaus den Schlüssel für das Gespensterhaus.Die Warnungen des Ratsschreibers schlug er in den Wind.
    Mit einem Windlicht ausgerüstet begab er sich abends zu dem Haus.Es war leicht zu finden, da ihm der Dachstuhl fehlte und der Vorbau erst bis zur Hälfte fertig war.
    Unheimlich war es schon in den Zimmern mit den vielen Spinnweben, in denen in allen Ecken Mäuse in Ratten raschelten.Aber als mutiger Matrose, der die Stürme aus dem Atlantik kannte und karibischen Seeräubern getrotzt hatte,reinigte er das Bett von einer fingerdicken Staubschicht, stellte das Licht auf den Tisch und legte sich zur Ruhe.
    Es dauerte nicht lange, da begann es im Kamin zu rumoren.“Nur heraus, Nachtgespenst,“ rief der Seemann, „ hier liegt einer,der sich mit dir unterhalten möchte.“
    Und plötzlich stand ein Mann mit einem langen schwarzen Talar vor ihm, der behauptete, ein Schwarzkünstler zu sein,der sein Gewerbe in Venedig gelernt habe.Er besitze zum Beispiel die Fähigkeit, ihm jeden Verstorbenen erscheinen zu lassen und bot dem Matrosen an, dessen Eltern aus dem Grab herbeizurufen.Der Matrose erwiderte, dass es seinen Eltern sehr gut gehe.
    Der Magier schien das aber gewusst zu haben, denn nun rückte er mit seinem Vorhaben heraus:“Dann will ich dir die Bewohner dieses Hauses vorführen,sie wurden alle ermordet.Sie wollen so gern wieder einmal die Luft der Oberwelt atmen.Wenn du gestattest, dass sie vor dir erscheinen,wollen sie dir einen Beutel voll Dukaten bezahlen.“
    Der Matrose überlegte eine Weile,dann lehnte er ab. Denn es war ihm klar geworden, dass der Schrecken, den die Dukatenempfänger aus dem Geisterhaus mitnahmen,in der Beschwörung der Ermordeten begründet sein musste.
    „Wen soll ich dir dann herbeirufen?“ fragte ärgerlich der Schwarzkünstler.
    Gut gelaunt, nicht auf den dämonischen Gesellen hereingefallen zu sein, rief der Matrose:“Adam und Eva möchte ich gern hier begrüßen.“
    Und tatsächlich erschienen Adam und Eva. Sie machten ein sehr trauriges Gesicht und auf die Frage, was sie bekümmere, sagte Adam:“Wir bereuen unseren Sündenfall noch immer, denn wir sind schuld am ganzen Leid der Welt.“
    Ein Sturm erhob sich,das Licht verlöschte.Der tapfere junge Mann erhob sich vom Bett und tastete durch den ganzen Raum, konnte aber niemanden entdecken.Adam und Eva waren mit dem Magier verschwunden.So legte er sich zur Ruhe.
    Am nächsten Morgen schaute er zunächst nach der Börse mit Dukaten, denn er meinte, er habe sie sich wohl verdient, auch wenn er den Ermordeten den Gefallen nicht getan hatte,vor ihm erscheinen zu dürfen. Es war aber kein Geldbeutel da, und so ging er betrübt weg. Im Flur grinste ihn noch der Schädel des Magiers an, er war vom Rumpf getrennt.
    Der Matrose begab sich zum Rathaus und erstattete Bericht. Zu seiner Überraschung händigte ihm der Stadtschreiber einen Beutel Dukaten aus: „Du hast das Haus von Gespenstern befreit. Das soll dein Lohn sein.“
    Über seinem Haus am Rhein ließ der Matrose später ein Relief von Adam und Eva anbringen.
    ____________
    Aus: Reader's Digest „Unvergängliche Sagen und Legenden“
    Auge um Auge- und die ganze Welt wird blind sein.
    (M. Gandhi)

  2. #2
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    Standard AW: Das Gespensterhaus von Danzig

    Eine wirklich schöne Sonntag-Morgen-Geschichte, die ich noch nirgends gehört habe. Sie hat mich zum Schmunzeln gebracht. Danke
    Isolde

  3. #3
    Forum-Teilnehmer Avatar von vklatt
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    Standard AW: Das Gespensterhaus von Danzig

    Danke Christa, für deine "Guten Morgen Sage".

    Ich wünsche dir einen schönen Sonntag,

    Vera

  4. #4
    Forum-Teilnehmer Avatar von Inge-Gisela
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    Standard AW: Das Gespensterhaus von Danzig

    Christa, auch mir hat die Geschichte gut gefallen. Danke.

    LG Inge-Gisela

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