aus: Centralblatt der Bauverwaltung Nr. 26 vom 26. Juni 1886
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Neubau der Synagoge in Danzig
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Bis vor wenigen Jahren bestanden in Danzig vier oder fünf kleinere jüdische Gemeinden, deren jede eine besondere Schule besaß, welche Schulen ohne Ausnahme kunstlose Nothbauten waren. Neuerdings haben sich nun die genannten Verbünde zu einer einzigen großen jüdischen Gemeinde zusammengeschlossen. Für diese ward der Neubau einer großen Synagoge nöthig. Man gewann für denselben als Architekten die Bauräthe Ende und Böckmann in Berlin, deren Güte es uns ermöglicht, von der Anlage des in Ausführung begriffenen Gebäudes durch beifolgende Figuren und eine kurze Baubeschreibung Rechenschaft zu geben.

Der Bauplatz befindet sich, günstig gelegen, in der unmittelbaren Nähe des Hohen Thores an der sog. Reitbahn, einer mäßig breiten Straße, auf deren Bauten jedoch die mit ihr parallel laufenden Wälle, Wallgraben, und Spazierwege der Stadt mannigfache Ausblicke eröffnen. Auch die neue Synagoge genießt diesen Vortheil, von größerer Entfernung her gut gesehen zu werden. Wenigstens in ihrer Straßenfront, denn auf den drei anderen Seiten ist das Gebäude leider ziemlich eng umbaut, wenn auch rings herum immerhin zugänglich.

Als Stil für den Bau ward die deutsche Renaissance der guten Zeit und zwar in ihrer besonderen Danziger Eigenart gewünscht. Es ist ein Verdienst vorwiegend des Oberbürgermeisters von Danzig, v. Winter, dass für die öffentlichen Bauten, welche neuerdings in der Stadt errichtet werden, der Anschluss an jene ebenso zweckmäßige als kunstschöne Bauweise maßgebend gemacht zu werden pflegt. In wie glücklicher Weise Ende und Böckmann das Gepräge des Stils getroffen haben, lehrt ein Blick auf das Schaubild ..... .

Der Baugrund verursachte Schwierigkeiten. Tragfähiger Sandboden fand sich erst in einer Tiefe von 6 bis 7 m unter der Straßenhöhe und man war gezwungen, mit den aus Beton gefertigten Grundmauern bis auf diese Schicht hinabzugehen. Da die zur Verfügung gestellten Baumittel verhältnismäßig geringe waren, so musste mit theurerm Material sehr hausgehalten werden. Ist die Verwendung von Hanstein in der alten Renaissance Danzigs schon im allgemeinen eine sparsame, so ist bei vorliegendem Neubau mit dem zur Verwendung gekommenen schön grauroth gefärbten Sandstein so sparsam umgegangen, als es die Eigenheit des Stils irgend erlaubt. Der Stein stammt aus schlesischen
Brüchen. Der bei weitem größere Theil der Außenfläche ist dagegen mit Backsteinen verblendet, welche einen sattrothen Ton haben und gleichfalls aus Schlesien, aus den Ziegeleien von Bienwald und Rother in Liegnitz, bezogen wurden. Die Dächer sind mit Schiefer, einzelne Theile derselben mit Zink gedeckt. Im Innern tritt als Baustoff noch Granit auf. Aus ihm sind die schlanken Gewölbepfeiler gebildet worden, womit man an die Construction jener berühmten älteren Bauwerke des Landes anknüpfte, in denen, wie im Artushof in Danzig und im Schlosse von Marienburg, eine nicht schematisch, sondern nach Vernunftgesetzen arbeitende Baukunst die Säulenstärke von der Tragkraft des Materials abhängig machte.

Wie immer in diesen Gotteshäusern sind Emporbühnen für das weibliche Geschlecht angeordnet. Es ward ein besonderer Werth auf die Möglichkeit einer schnellen Entleerung der Synagoge gelegt und dementsprechend die beträchtliche Zahl von sechs zu den Frauenemporen hinaufführenden Treppen angeordnet. Auch der ebenerdige Raum des Schiffes besitzt sechs Ausgänge. Alle Thüren schlagen nach außen hin. Die Synagoge bietet Sitzplätze für 950 Männer und 700 Frauen. Zusammen also 1.650 Plätze. Im Winter soll der Raum mit einer Niederdruck-Dampfheizung erwärmt werden.

Der Bau ist im Spätsommer 1885 mit Herstellung des Grundmauerwerks begonnen worden und es wird beabsichtigt, ihn im Jahre 1887 fertig zu stellen. An der Ausführung sind als Unternehmer Maurermeister Brochnow und Zimmermeister Unterlauf, beide von Danzig, betheiligt. Es wird eine einfache Ausmalung des Raumes hergestellt, sowie eine Verglasung der Fenster mit einfachen Bleimustern. Auch für die Ausrüstungsgegenstände soll größerer Reichthum vermieden werden. Unter diesen Voraussetzungen hofft man mit einer Summe von 450.000 Mark den Neubau bestreiten zu können.

Wir beschließen diese Mittheilung mit dem Ausdruck der Hoffnung, dass das alte ehrenfeste Danzig auf dem beschrittenen Wege des Wiederanknüpfen an die Kunstüberlieferungen seiner glänzenden Vorzeit unbeirrt weitenwandeln möge. Denn nur durch nachhaltige Vertiefung in die Besonderheiten unserer geschichtlichen Stile wird die Beherrschung derselben ermöglicht und nur durch Wiederanknüpfen der zerrissenen Fäden der Überlieferung die Ausgestaltung einer echt modernen, lebensfähigen Baukunst.

Name:  Synagoge - Längenschnitt.jpg
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Viele Grüße

Peter