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Thema: Beischläge und Utluchten in Danzig - 1919

  1. #1
    Forum-Teilnehmer Avatar von sarpei
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    Standard Beischläge und Utluchten in Danzig - 1919

    aus: Zentralblatt der Bauverwaltung Nr. 65 vom 9. August 1919
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    Zu den Danziger Beischlägen finden sich interessante Ausführungen und Bilder im nachstehenden Artikel.

    Ausbauten, Utluchten und Beischläge in den Küstenländern der Nordsee und Ostsee
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    ..... Die reichste Ausbildung hat der Beischlag in den Straßen der Hansestadt Danzig gefunden. Hier war in früherer Zeit die Ausführung eines Beischlages in der ganzen Grundstückbreite mit kunstvollem Geländer und reicheren Treppenwangen selbstverständlich. Noch im Jahre 1869 waren, wie die städtischen Pläne zeigen (vergl. Abb. 26), der Lange Markt und die Nachbarstraßen einschließlich der Langgasse vollständig überzogen mit Beischlägen, welche die Baufluchten regelmäßig begleiteten. Je tiefer die Straßen über den benachbarten Wasserläufen der Mottlau und Weichsel gelegen, um so höher ragte der Beischlag und die vorspringende Kellerdecke über der Fahrstraße empor. Somit waren in der Rechtstadt die Höhenunterschiede zwischen Straße und Beischlag in der Nähe des Wassertores die größeren. Über die Durchbildung der Schranken der Beischläge haben die Professoren Matthaei und Karsten in dem Werke 'Danzig und seine Bauten', 1908, eingehende Mitteilungen gemacht. Die Treppenpfosten der Beischlagtreppen sind zugleich in den 'Blättern für Architektur und Kunsthandwerk', Jahrg. 1907, Nr. 8 von Baurat Habermann ausführlich beschrieben. Diese Beischläge geben noch jetzt den Straßen der Rechtstadt ihr eigenartig festliches Gepräge. Ihre Entstehung oder wenigstens Übertragung nach Vorbildern aus dem
    Westen Deutschlands, darf nach den vorher gebrachten Ausführungen wohl als erwiesen angenommen werden. Der Verkehrsstrom des Bürgersteiges geht infolge der Beischläge nicht dicht an den Häusern vorbei; die jetzt übliche Ausnutzung der Erdgeschosse zu Läden ist daher sehr erschwert. Die Hausbesitzer drängen somit auf Beseitigung der Beischläge. In den Hauptstraßen, z. B. der Langgasse, ist dies bereits geschehen. Um die Beischläge nicht ganz zu zerstören, hat man die abgebrochenen anderswo, z. B. am Langenmarkte, wieder aufgebaut. Ein derartiges Versetzen wurde durch ein altes Herkommen wohl begünstigt, obwohl jetzt von der Denkmalpflege als allgemeiner Grundsatz aufgestellt ist, dass ein Kunstwerk tunlichst an der alten Stelle zu belassen sei. Jedenfalls war das Beseitigen der Beischläge in den Nebenstraßen, z. B. in der Hundegasse, zugunsten des Verkehrs kaum berechtigt. Man hätte wohl einen Mittelweg finden können, der unter Belassung der Beischläge den Forderungen des Verkehrs wenigstens einigermaßen Rechnung trug. Ein solcher Mittelweg ist an der Nordseite des Langen Marktes beschritten worden. Man hat sich hier vor dem Artushof dadurch geholfen, dass man die Beischläge teilweise unter Mitverwendung der durch den Abbruch in der Langgasse gewonnenen Brüstungen auf gleiche Höhe brachte und so einen zweiten durchgehenden Bürgersteig dicht an den Häusern gewann, der nur durch die übliche Einmündung der Querstraßen unterbrochen wird. Ein ähnliches Verfahren ist neuerdings im Binnenlande bei dem Durchbruch der neuen Querstraße am Weberhause in Augsburg zur Anwendung gekommen. Hier sind neben der Fahrbahn die
    Bürgersteige um mehrere Stufen erhöht und durch steinerne Schranken abgetrennt. So erhielt man einen Blick auf die Fahrstraße von erhöhter Stelle und eine zweckmäßige Teilung des Verkehrs für Fußgänger und Gefährte. Dass eine ähnliche Durchbildung in einer kleineren Schweizerstadt Thun bereits lange Zeit besteht, ist vom Verfasser im Jahrg. 1911 der Denkmalpflege, S. 21, berichtet worden. Es besteht nur der Unterschied, dass die Höherlegung der Erdgeschosse hier nicht durch die Gefahr der Überschwemmung eines benachbarten Flusses, sondern wegen der Führung der Straße längs eines steilen Berghanges erfolgte. Ein ähnliches Vorgehen wie am Artushof wird
    von der Stadtverwaltung in Danzig seit dem Denkmaltag 1910 auch in den Straßen rings um die Marienkirche, so in der Brotbänkengasse, der Frauen- und Jopengasse (vgl a. 1913 d. Bl, S. 235 u. 247) geplant. Wenn diese Absicht bisher noch nicht ausgeführt, und nur Vorarbeiten und Versuche in der Jopengasse gemacht worden sind, so hängt das mit den Einwirkungen des Krieges zusammen.

    Sollten die Danziger Beischläge durch erhöhte Bürgersteige ersetzt werden, mussten auch die Scheidewände zwischen den Beischlägen mit den hinweggeführten Regenrohren fallen, und letztere beseitigt oder wenigstens außer Betrieb gesetzt werden. Es wäre schade um diese wertvollen Vertreter alter Schnitzkunst (vergl. einzelne Beispiele in Abb. 25) und daher erwünscht, ihre Erhaltung au sichern. Dabei sei bemerkt, dass diese Fischköpfe mit den wagerecht geführten Regenrohren meistens gleich einem Einbaum aus einem starken Holz geschnitzt sind. Es konnte die Vermutung aufkommen, dass es sich nicht um Fischköpfe, sondern um Drachenköpfe handele, die für
    Wasserspeier allgemeiner üblich waren. Nach näherer Prüfung scheint die Auslegung, nach der tatsächlich Fischköpfe geschnitzt werden sollten, die richtige zu sein. Der nordische Drachenkopf hat wohl nur die Anregung zu den ersten Ausführungen gegeben.

    Die besprochenen Beischläge liegen sämtlich in den Straßen der Rechtstadt und selbst, wenn sie auch nachträglich an die schon bestehenden Häuser angebaut wurden, sind sie doch meistens feuerfest aus Ziegeln und Haustein hergestellt. Nur vereinzelt sind auch hier alte Beischläge mit Holzwänden vorhanden gewesen. Erhalten sind heute
    solche nur in den Nebenstraßen, hauptsächlich in der Altstadt und dem Stadtteil Hakelwerk, namentlich in der Kaistraße neben der Radaune, den sogenannten Karpfenseihen (Abb. 27 u. 28). Die beiscblagähnlichen Vorbauten sind durch vorgekragte Ziegeldächer überdacht, manche Beischläge mit einer Utlucht verbunden. Der Straßenname ist wahrscheinlich durch die Karpfenteiche entstanden, die hier an der Mündung der Radaune in die Mottlau einst bestanden haben. Ein Beischlag vor Nr. 25 enthält in einer Brüstungsfüllung noch das geschnitzte Bild eines Karpfens. Die Anlagen scheinen noch nicht sehr alt zu sein, denn eines der Häuser trägt in einer Kartusche die Jahreszahl 1795. Der reiche Blumenflor erinnert an die Vorliebe der Bewohner der Küstenstädte für derartigen Fensterschmuck.

    In Danzig kommen jetzt nur noch vereinzelt größere geschlossene Vorbauten vor. Früher sind sie jedenfalls, auch nach den Angaben von Stadtbauinspektor Dähne, zahlreicher gewesen. Eines der schönsten Beispiele, Hundegasse 31 (Abb, 29), mit dem zugehörigen Beischlag ist der Sucht nach Beseitigung aller Vorbauten unter dem Vorgeben der
    Behinderung des Verkehrs zum Opfer gefallen. Die tiefe Auslucht mit dem anschließenden Treppenaufgang und Beischlag bildete gerade als Gesamtbild in der Straßenerscheinung einen schönen Ruhepunkt, der jetzt zerstört ist. Dass man die Brüstungen des Beischlages erhielt und im Innern des Hauses als Einlage für die Wände des Hausvorplatzes wieder anbrachte, kann den Verlust des Außenbildes nicht ersetzen.

    Danzig hat am Rathause der Rechtstadt in der Langgasse einen Platz für den Ausrufer, eine holländische pui (vergl. Abb. 30 nach einer Lichtbildaufnahme der (Architektonischen Studienblätter'). Die dauernde Erhaltung dieses hervorragenden Schmuckstückes wird hoffentlich von der städtischen Verwaltung als Ehrensache
    angesehen werden. Die erst 1768 entstandene Anlage ist nach Auskunft des Stadtarchitekten Becker von dem Baumeister Eggert dem alten Bau hinzugefügt. Der reich geschmückte Vorbau ist eine würdige Bereicherung des Rathauses. .....

    Name:  Wasserspeier zwischen Danziger Beischlägen.jpg
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    Abb. 25. Wasserspeier zwischen Danziger Beischlägen


    Name:  Der Lange Markt nach dem Stadtplan von 1869.jpg
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    Abb. 26. Der Lange Markt in Danzig nach dem Stadtplan von 1869


    Name:  Hölzerne Beischläge am Karpfenseihen1.jpg
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    Abb. 21. Hölzerne Beischläge am Karpfenseihen in Danzig


    Name:  Hölzerne Beischläge am Karpfenseihen 2.jpg
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    Abb. 28. Hölzerne Beischläge am Karpfenseihen in Danzig


    Name:  Ehemaliger Beischlag Hundegasse 31.jpg
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    Abb. 29. Ehemal. Beischlag Hundegasse 31 in Danzig


    Name:  Freitreppe des Rathauses der Rechtstadt an der Langgasse.jpg
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    Abb. 30. Freitreppe des Rathauses der Rechtstadt an der Langgasse in Danzig


    Viele Grüße

    Peter

  2. #2
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    Standard AW: Beischläge und Utluchten in Danzig - 1919

    Hallo Peter,
    ich wußte nicht, daß Denkmalpflege bereits zu Beginn des 20. Jahrh. gepflegt wurde. Das finde ich sehr interessant, denn Denkmalpflege ist so wichtig und in unserer Zeit noch notiger als früher, denn der Drang Altes abzureißen, ist doch enorm. Ich war mal vor langer Zeit in der kleinen Stadt Königstein im Bauausschuß, auch mal Vorsitzende und habe immer mit wenigen Mitgliedern um die Erhaltung alter, guter Häuser mit besonderer Gestaltung aus der Bauzeit kämpfen müssen. Mit abendlichem Gruß von Ada
    Was ist Geld? Geld ist rund und rollt weg, aber Bildung bleibt. (H. Heine)

  3. #3
    Forum-Teilnehmer Avatar von Ulrich 31
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    Standard AW: Beischläge und Utluchten in Danzig - 1919

    Hallo zusammen,

    auch dieses interessante spezielle Danzig-Thema (Beischläge!) von 2015 fand schon damals bis heute nur eine einzige indirekte Antwort.

    Vielleicht kann der heutige trojmiasto.pl-Artikel, der das Verbot eines Beischlags in der Langgasse vor 150 Jahren zum Thema hat (mod. DeepL-Übersetzung: "Vor 150 Jahren verschwand ein Selbstbau aus der Langgasse"), ein wenig mehr Interesse an dieser Danziger architektonischen Besonderheit wecken:

    https://www-trojmiasto-pl.translate...._x_tr_pto=wapp (deutsch).

    Google übersetzt Beischläge mit "Stürze".

    Viele Grüße
    Ulrich

    - - - Aktualisiert - - -

    Bitte das "auch" am Anfang von #3 besser als "selbst" lesen. Danke!

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