aus: Zentralblatt der Bauverwaltung Nr. 11 vom 18. März 1925
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Treppenanlage im Hause Frauengasse 9
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Der für das alte Danzig typische langgestreckte Zuschnitt der Grundstücke zwang dazu, die nach der Straße und dem Hof gelegene Schmalseite der Häuser in voller Breite für die Beleuchtung der dahinterliegenden Räume auszunutzen. Man legte daher das Treppenhaus in die Mitte des Baukörpers, und zwar so, dass in jedem oberen Geschosse ein verhältnismäßig geräumiger Flur entstand, von dem aus die Vorder- und Hinterzimmer ihren Zugang hatten. Dieser ganze mittlere Bauteil erhielt sein Licht durch einen Oberlichtaufbau, der, über das Satteldach meist frei herausgezogen, für sich mit einem kleinen Dach überdeckt und seitlich verglast wurde. Der beigefügte Querschnitt und Dachgeschossgrundriß des Hauses Frauengasse 9 ..... zeigt ein sehr schönes Beispiel für diese Anordnung. Die Türen zu den Vorder- und Hinterzimmern liegen hier in der Mittelachse des 5,7 m breiten Hauses. Der Flur der Obergeschosse ist nur so breit, dass er eine bequeme Verbindung zwischen dem Vorder- und dem Hinterzimmer gewährt. An seiner einen Seite liegt die Treppe, die andere ist offen und durch eine Brüstung in den Formen des Treppengeländers begrenzt. Aus dem Querschnitt ist zu ersehen, dass dadurch der Mittelteil des Hauses auch in den Untergeschossen eine Fülle von Licht erhält.

Wenn heute über die dunklen Treppen in alten Danziger Häusern geklagt wird, so ist diese Klage für den heutigen Zustand ja berechtigt, unberechtigt aber, wenn die alte Form noch vorhanden ist oder wiederhergestellt wird. Die meisten alten Oberlichter wurden in einer Zeit wirtschaftlicher Verarmung, in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, als man die großen Glasflächen nicht mehr bezahlen konnte oder wollte, abgebrochen. Es war die Zeit, die aus diesen für eine Familie erbauten Bürgerhäusern Stockwerkmiethäuser machte. Mit dem Oberlicht verschwand dann auch die Durchbrechung des Treppenflurs, an dessen Stelle eine dunkle Küche und sonstige notwendige Nebengelasse eingebaut wurden. Der übrigbleibende Teil der Treppenpodeste wurde so viel wie irgend möglich durch eine leichte Wand eingeschränkt, um noch einen Verbindungsgang zwischen Vorder- und Hinterräumen zu schaffen. So entstanden die noch heute im Zentrum der Stadt in großer Zahl vorhandenen menschenunwürdigen Wohnungen. Trotzdem hegt nun aber wirklich kein Grund, vor, die Häuser, weil eine ärmliche Zeit ihnen diese Form gab, jetzt niederzureißen, wie oft gefordert wird. Sie lassen sich, wenn man den alten Zustand wiederherstellt, was mit geringen Mitteln möglich ist, sehr gut nutzen. Den heutigen Bedürfnissen Rechnung tragend, wäre es am besten, man machte aus ihnen Bureauhäuser, wozu sie sich bei der Fülle an Licht, welche sie durch die großen Fensteröffnungen erhalten, sehr gut eignen. Das ist die Form der Ausnutzung, zu der im Zentrum des alten Danzig unbedingt gestrebt werden muss. Damit würde zugleich dem Hausbesitzer, der höhere Mieten herausschlagen kann, und den Wünschen der Denkmalpflege gedient sein. Schlechte Kleinwohnungen inmitten der Geschäftsstadt sind ein Unding. Die Einwohner müssen an anderen zum Wohnen geeigneteren Stellen auf weniger kostbarem Gelände angesiedelt werden.

Das Haus Frauengasse 9 ist ein Bürgerhaus einfacher Art. Es ist im Äußern und Innern stark verbaut, zeigt aber noch sehr gut die alte Treppenanlage des 18. Jahrhunderts und, was das Bemerkenswerteste ist, diese in der ursprünglichen Farbengebung. Die Wandfläche ist hellgrau gestrichen. Von diesem ruhigen Untergrund heben sich Geländer und Brüstungen mit rötlich violettem Ton des Rahmenwerkes und gelb marmorierten Füllungen stark ab. In der Höhe des letzten Treppenpodestes sind diie Brüstungen in Malerei um die frei sichtbaren Wände des Treppenhauses herumgeführt. Darüber sind lebensgroße Figuren in den vielfarbigen Kostümen der Zeit gemalt. Diese Malereien sind in Form und Farbe von außerordentlicher Schönheit und zeigen, wie man noch im 18. Jahrhundert einfache Bürgerhäuser schmückte. Die beigefügten Abbildungen, zwei Photographien aus einem Nachbarhause ..... und die Zeichnungen des Regierungsbauführers Haucke ..... lassen das deutlich erkennen.

Danzig, Prof. Fischer

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Abb. 1. Figürliche Wandbemalung im Dachgeschoss des Hauses Frauengasse 6


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Abb. 2 und 3. Einzelheiten von der Bemalung im Hause Frauengasse 6


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Abb 4. Grundriss des Dachgeschosses und Schnitt durch das Treppenhaus des Hauses Frauengasse 9



Viele Grüße

Peter