aus: Preussische Provinzial Blätter, 1854
Der Durchbruch der Nogat am 20. März 1854
von: v. Schäwen, Pfarrer
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Obgleich es den Winter hindurch viel gefroren hatte, und in der letzten Zeit desselben tagelang Schnee fiel, so war man doch im Allgemeinen wenig wegen des Eisganges der Nogat besorgt, weil man die sichere Meinung hegte, daß die Coupirung des Stromes, welche im vergangenen Herbste glücklich vollzogen war, so viel auf den Fluß einwirken würde, daß auch allenfalls ein schnell eintretendes Thauwelter nicht Schaden zufügen könnte. Eine Überschwemmung zu befürchten, hielt man für eiteln Wahn. Sollte nicht der neue Kanal und vor allen Dingen sollten nicht die Eisböcke, mit der Brücke zur Sicherheit verbunden, die Eismassen aufhalten und selbige der Weichsel zuführen? Nannte man doch das ausgeführte Werk eine Riesensache, an welcher man so viel Geld verwandt und jahrelang mit vielen Menschen gearbeitet halte! Schon träumten die hiesigen Bewohner, daß sie jetzt von allen Wasserfluthen frei wären und deshalb ihre Besitzungen einen viel höheren Werth erhielten.
Aber der Mensch denkt und Gott lenkt. Dieses Sprichwort bewährte sich auch beim diesjährigen Eisgange. Kaum war bei dem Beginn des eingetretenen Thauwetltrs das Weichsel-Eis in Bewegung gerathen, so stürzte sich dasselbe auch über die demselben von Menschenhand gesetzten Schranken und in wenigen Stunden war von der Coupierung des Stromes und den Eiswehren keine Spur vorhanden, und Eis und Wasser brach mit einer entsetzlichen Heftigkeit sich Bahn, und es schien, als sei der Strom erzürnt und wolle nun eben seine Kraft beweisen. Der Kanal wurde verschlammt und einen neuen wühlte der Strom auf. Jetzt zog Eis und Wasser ungehindert längs der Nogat fort und diese stieg zu einer belrächllichen Höhe und wälzte sich durch die Überfälle in die Einlage, um am Haf ihren Ausgang zu finden. Letzteres lag noch in der Winterlage. Das herannahende Eis und Wasser verstopfte sich hier und bildete einen Rückstau gegen den Werderdeich und dessen Fortsetzung, den so genannten schwarzen Wall. Da nun immer mehr Eis und Wasser nachkam und so viel, wie irgend es nur bei früheren Eisgängen stattfand, so konnte der angewiesene Flächenraum zwischen Haf und den Deichen die Wasser- und Eismassen nicht verschlingen und so wurde an mehreren Stellen der Werderdeich durchbrochen und das Wasser strömte in die Felder und inundirte die Dorfschaften Jungfer, Lackendorf, Walldorf, Neustädter Wald, Rosenort, Blumenort, Reinland, Plätzendorf, Petershagen, Tiegenhof, Fürstenau, Niedau, Kl. und Gr. Mausdorf, Lupusterort, Krebsfelde und theilweise Marienau und Rückenau, und die Verbindung mit diesen Dörfern und Örtern konnte nur mittels der Kähne unterhalten werden.
Glücklicher Weise war in den Tagen der Ueberschwemmung ein stilles Wetter, das Haf ging bald auf, der Rückstau verlor sich nun bald und die Überschwemmung erreichte deshalb nicht eine solche Höhe, wie in den vergangenen Jahren es bei den sogenannten Unterbrüchen zu geschehen pflegte.
Da nun die meisten Winterfelder höher liegen, so ist zu hoffen, daß die Winterung noch nicht sehr gefährdet ist, wenn das Wasser bald abfließt. Dagegen werden die Wiesen noch längere Zeit unter Wasser bleiben, und erst in den Tagen des Mai benutzt werden können.
In dieser Hinsicht können sich die hiesigen Bewohner glücklich schätzen, daß dieses Mal der Eisgang nicht so furchtbar gewüthet hat und nicht von solchen schrecklichen Folgen begleitet, als Einsturz der Häuser und Rauchfänge, gewesen ist. Man glaube aber doch ja nicht, daß das eine Wirkung der Coupirung der Nogat gewesen sei, sondern es war ein Resultat, das sich durch den Durchbruch der Weichsel in das Danziger Werder herausstellte, weshalb das übrige Eis und Wasser schnell in der Weichsel sich aufräumte und nicht noch der Nogat zufloß.
Gr. Mausdorf bei Tiegenhoff, d. 5. April 1854
Viele Grüße
Peter