Schönen guten Nachmittag,
der "Spiegel" berichtet gerade "Ermittler finden mutmaßliche Naziverbrecher" und führt dann aus, dass unter den acht aufgespürten mutmaßlichen "Nazikriegsverbrechern" vier Wachleute und vier Frauen gewesen seien, die als Schreibkraft, Telefonistin und Fernsprechvermittlerin tätig waren.
Es wird immer ein Schandfleck in der deutschen Nachkriegsgeschichte sein, dass weite Teile der nach dem Krieg aus Ex-Nazis bestehenden Justizverwaltung alles Mögliche tat, eine Aufklärung der in den Konzentrationslagern begangenen Verbrechen sowie eine Verurteilung der Hauptschuldigen zu verhindern. Aber nicht nur die Justiz, auch die ganze Nachkriegsgesellschaft zeigte großenteils wenig Interesse, öffentlichen Druck auf die Justiz auszuüben.
Es ist nur ein kleiner Trost, dass nun, schier fünf Minuten nach zwölf, noch versucht wird, das nachzuholen, was 70 Jahre lang versäumt wurde.
Ich kenne die Akten nicht, die die "Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen" in Ludwigsburg dazu veranlassten, nun auch gegen Frauen Ermittlungsverfahren anzustoßen, die als Schreibkraft, Telefonistin und Fernsprechvermittlerin tätig waren. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mann, jede Frau, die im Konzentrationslager Stutthof "arbeitete" wusste, was dort vor sich geht. Damit haben die meisten dieser Leute zumindest eine große moralische Schuld auf sich geladen. Sie aber bereits vor Abschluss der Ermittlungsverfahren als Nazikriegsverbrecher zu bezeichnen, selbst wenn relativierend von "mutmaßlich" gesprochen wird, kommt einer Vorverurteilung schon sehr nahe.
Wie gesagt, ich kenne die Akten nicht und damit auch nicht die erhobenen Vorwürfe. Aber auf den ersten Blick scheint es eine zynische Bestätigung der Behauptung zu sein "Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen".
Sollten die Ermittlungsverfahren noch in Strafverfahren münden, wird zumindest aufgezeigt werden können, welche Rolle auch die "kleinen Rädchen" spielten.
Viele Grüße aus dem Werder
Wolfgang