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Thema: Eine neue Oberin für das St. Marien-Krankenhaus - 1857

  1. #1
    Forum-Teilnehmer Avatar von sarpei
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    Standard Eine neue Oberin für das St. Marien-Krankenhaus - 1857

    Hallo miteinander,

    das Jahr 1857 war sehr bewegend für das St. Marien-Krankenhaus - und wohl auch für ganz Danzig, wie die nachfolgende Berichterstattung zeigt.

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    aus: Katholisches Wochenblatt, 2. Mai 1857

    Diöcese Culm. Danzig, 30. April. Die Katholiken Danzigs hat ein sehr herber Verlust getroffen, der selbst in den weitesten Kreisen einen schmerzlichen Eindruck machen wird. Die Oberin des St. Marien-Krankenhauses, Maria Xaveria Höfer, ist ein Opfer ihrer unermüdlichen Wirksamkeit für das Wohl leidender Menschen geworden. Treu ihrem Berufe, den sie sich in heißer Gottes- und uneigennütziger Nächstenliebe erwählt hatte, ward sie in Folge der Pflege einer am Typhus Erkrankten, welche in ärmlicher Hütte von ihr aufgesucht worden war, vom Gehirntyphus überfallen, der ihren Körper gänzlich zerstörte und nach 12 Wochen der gräßlichsten Schmerzen die völlig mit Wunden Bedeckte in dem blühenden Alter von 32 Jahren den Bewohnern Danzigs am 26. d. M. entriß.

    Wer ihre glühende Gottesliebe kannte, nur der allein kann es begreifen, wie sie, die so oft den Kranken und Sterbenden Trost gespendet und sie zur willigen Ertragung ihrer Leiden ermunterte, ihr so schweres Kreuz mit Freuden entgegennahm und mitten im größten Schmerz, dessen Anblick alle Umstehenden tief erschütterte, das auf ihrem Krankenlager liegende Kreuzlein ergeben und heiter küßte. Ruhig schaute sie dem Tode ins Auge, in großer Klarheit des Geistes ordnete sie noch Vieles an, was die Anstalt betrifft, verabschiedete sich von den lieben Schwestern und dankte Allen, welche ihr und dem Hause wohlthaten.

    Ihre letzten Worte waren: Tretet jetzt zurück. Lasset mich ruhen. Der Heiland kommt.

    Eine Stunde später war sie in den Armen Jesu, den sie so innig auf Erden geliebt. Die Segenswünsche und Gebete von Tausenden folgen ihr nach. Gestern Abend fand die Exportation der Leiche nach der St- Nicolai-Pfarrkirche statt. In der That ist die Begräbnißfeier ein Ereignis für Danzigs Bewohner zu nennen. Vor nicht wenigen Jahren durchrieselte wohl manchen Protestanten ein Gefühl von Schauer bei der Nachricht, daß hieselbst Nonnen ihre aufopfernde Pflege der Kranken beginnen werden. Weniger Befangene legten der Anstalt eine so geringe Bedeutung bei, daß sie dieselbe ignoriren zu können glaubten. Und welch ein Anblick bot sich gestern dar? Die allgemeine Theilnahme war ein eclatanter Ausdruck des allgemeinen Urtheils über das Krankenhaus und die ehrwürdigen Schwestern. Von der Anstalt bis zur Kirche wogte eine Menschenmasse, welche kaum nach Tausenden zu zählen war. Alle Straßen, Fenster, Beischläge waren besetzt. Und durch diese wogende Masse bewegt sich ein unabsehbarer Zug: an der Spitze ein Musikchor, darauf Gewerke mit zahlreichen Fahnen, unmittelbar vor dem Leichenwagen drei weißgekleidete Mädchen mit Lilien, den Symbolen der Keuschheit, und die Geistlichkeit in p r i e s t e r l i c h e r T r a c h t , vor welcher ein Kreuz getragen wurde. Ich hebe letzteres besonders hervor, da wohl seit ein paar Jahrhunderten Danzig nicht mehr Priester vor dem Sarge durch die Straßen hergehen sah, also gestern zum ersten Male seit so langer Zeit die erste Exportation unter offener, feierlicher Assistenz des Clerus stattgefunden hat. Neben dem Leichenwagen gingen die angesehensten Mitglieder einer Bruderschaft. Dem Sarge folgten die ehrwürdigen Schwestern, in deren Gesichtern sich neben dem tiefen Schmerz über den Hingang ihrer geliebten Mutter die größte Ergebung ausprägte, der Verwaltungsrath und die Gönner der Anstalt, darunter der Herr Polizeipräsident, welchem für die warme Theilnahme und guten Anordnungen ein besonderer Dank gebührt, hinter ihnen wiederum mehre Gewerke mit Fahnen. Den Zug schlossen Leichenwagen.

    Die St. Nicolai-Pfarrkirche, in welcher das Lichtmeer im schwarzverhüllten Presbyterium - treffliche Arrangements des Herrn Hofglasermeisters Borrasch - einen erschütternden Eindruck auf jeden Eintretenden, auch den Ungläubigen, machen mußte, nahm nur einen kleinen Theil des Leichenzuges in sich auf, da dieselbe wegen des ungeheuern Zusammenflusses von Menschen geschlossen werden mußte. Von allen Seiten hörte man dieselben Worte: So etwas habe ich noch nicht gesehen. Bei all dem Gewühle von Menschen fanden keine Störungen statt. Es herrschte die möglichst größte Ruhe. Wohl haben die Anordnungen der polizeilichen Behörde, die mit der größten Bereitwilligkeit ihren Schutz angedeihen ließ, nicht wenig zur Aufrechthaltung der Ordnung beigetragen, aber die allgemein herrschende Ruhe hatte einen noch viel tieferen Grund. Sie war ebenso wie die allgemeine Theilnahme die Ausprägung der allgemeinen Stimmung, und diese die Wirkung der Persönlichkeit und aufopfernden Thätigkeit der Verblichenen. Weitere Auseinandersetzungen hierüber gestattet nicht die Stimmung des Referenten. Die Rührung ist oft stumm und liebt nicht die Sprache. Mögen daher nähere Mittheilungen über das Leben und Wirken der allverehrten Oberin, so wie über die heute stattgefundenen Exequien dem nächsten Blatte vorbehalten sein.


    aus: Katholisches Wochenblatt, 9. Mai 1857

    Maria Xaveria Höfer
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    In der letzten Nummer Ihres Blattes ist von mir der ungeheure, von den Bewohnern der Stadt noch nie gesehene Zusammenfluß von Menschen bei der Beerdigung der ehrwürdigen Oberin Xaveria als ein Beweis des allgemeinen Urtheils über das Krankenhaus und insbesondere der allgemeinen Achtung der Verblichenen bezeichnet worden. Wohl mag die Neugierde Manchen aus seinem Zimmer und von seiner Arbeit an das Fenster und auf die Straße gelockt haben, doch kann sie durchaus nicht als alleiniger Erklärungsgrund für jene allgemeine Theilnahme gelten. Der Trauerzweck hatte nichts prunkendes. Ohne Aufsehen erregen zu wollen, nur zu einer großen Ausdehnung durch die Gewerke gelangt, welche durch ihren Anschluß der Verstorbenen den Tribut ihrer Dankbarkeit zollen wollten, bewegte er sich durch die Straßen. Auch war es nicht die Leiche einer durch Geburt oder Stand ausgezeichneten Persönlichkeit, welche diese merkwürdige Bewegung in der Stadt bewirkte. Die irdischen Ueberreste einer armen Jungfrau, welche, ohne mit den Bewohnern der Stadt bekannt zu sein, hinter Klostermauern ihrem Berufe lebte und nur die Zelle verließ, um arme Kranke aufzusuchen, wurde zur Ruhestätte getragen. Da fand die Neugierde doch gar zu wenig Anziehendes. Es war das Gefühl des Schmerzes oder doch wenigstens des Bedauerns über den Hingang einer für die Interessen des Publikums, nicht nur der Katholiken, bedeutungsvollen Persönlichkeit - mag dieses Gefühl auch bei Vielen kein klares geworden sein - welches das Bedürfniß hatte, sich in der Theilnahme eine Ausgestaltung zu geben. In der That war Xaveria - abgesehen von ihren persönlichen Eigenschaften - schon als Leiterin einer Anstalt, deren Zweck es ist, ihre Segnungen Allen ohne Unterschied der Confession und des Standes zu eröffnen, für Danzigs Bewohner bedeutungsvoll.

    Es sei weit entfernt von mir, das, was das städtische Lazareth der nothleidenden Klasse ist und was es leistet, herabsetzen zu wollen. Allein abgesehen davon, daß seine Räumlichkeiten für die Aufnahme der armen Kranken durchaus nicht ausreichend sind, wird wohl Niemand in Abrede stellen, daß die Pflege solcher, welche um des Soldes willen den Kranken dienen, eine ganz andere ist, als derer, welche reine Gottes- und Nächstenliebe an das Leidenslager führt und die auf allen irdischen Lohn verzichten, einzig darauf bedacht, sich himmlische Schätze zu sammeln. Diese letzteren Motive sind der Leitstern in der Wirksamkeit der barmherzigen Schwestern. Indem sie sich durch das Gelübde der Keuschheit zur Braut Jesu weihen, durch das Gelübde der Armuth alles irdische Besitzthum aufgeben, den irdischen Vergnügungen und Vortheilen entsagen, und durch das Gelübde des Gehorsams sich ihres eigenen Willens entäußern, besitzen sie Nichts mehr, was sie an die Erde fesselt. Ihr ganzer Blick richtet sich nach oben, ihr einziges Verlangen ist’s, durch ihr Leben und Wirken Gott zu dienen und um Gottes willen sich dem Wohle der Bedürftigen zu weihen. Eingedenk der Worte: Was ihr Einem der Geringsten gethan habet, habet ihr mir selbst gethan, erblicken sie in dem Kranken Jesum selbst, und deshalb nehmen sie ihn in ihre Pflege mit einer Liebe, der Nichts zu schwer fällt, der Nichts zu gering ist, die vor Nichts zurückschreckt und durch Nichts ermüdet wird. Darum wird man vergeblich bei ihnen nach einem abstoßenden, finsteren Wesen suchen, welches so oft denen eigen ist, die sich um des Verdienstes willen mit dem Kranken beschäftigen und vergeblich wird man bei ihnen nach Klagen lauschen über Beschwerden, Mühen und Arbeiten. Mit immer gleicher Heiterkeit und Unermüdlichkeit umfassen sie Alle ohne Unterschied, Reich oder Arm, Jung oder Alt, Hoch oder Niedrig, in gleicher Weise mit den Armen der Liebe, und durch diese beseelt wenden sie jene Sorgfalt an, welche Nichts unbenutzt läßt, was die leibliche Gesundheit wiederherstellen kann und die zugleich darauf bedacht ist, den Balsam des Trostes in die Heilmittel zu mischen und den Dienst der Barmherzigkeit auch auf die Genesung und Kräftigung des Geistes zu richten. Ihre liebevolle Sorgfalt umfaßt aber nicht nur den Lebenden. Sie lassen dem Sterbenden, wenn er ein Katholik ist, die letzten sakramentalen Gnaden zufließen und ermahnen ihn, wenn er ein Protestant ist, die Tröstungen seines Glaubens zu empfangen. Gerührt drücken sie das gebrochene Auge zu und tragen selbst den Verschiedenen, seine Seele mit ihren Gebeten begleitend, ins Leichenhaus. Bei solcher Liebe und der aus ihr entspringenden Sorgfalt kann es nicht auffallen, wenn die Anstalt allseitiges Vertrauen gewinnt, wenn die Gewerke für ihre Kranken dieses Haus dem Lazareth vorziehen, und sich die Kranken zur Pflege daselbst so hindrängen, daß alle Räume überfüllt sind. Zum Belege dafür, wie umfangreich die Thätigkeit der Schwestern seit der Eröffnung des Krankenhauses bis zu dem Tode der allverehrten Oberin gewesen ist, werden nachstehende Mittheilungen nicht ungeeignet sein:

    Im Jahre 1853, in welchem die Anstalt nur 24 Krankenbetten hatte, wurden seit dem 19. Mai, als dem Eröffnungstage, 200 Kranke gepflegt und zwar 128 Katholiken, 68 Protestanten, 4 Griechen. Am Schlusse desselben Jahres erhielt das Haus durch den Ueberbau der beiden Seitengebäude eine solche Erweiterung, daß 50 Kranke Aufnahme finden konnten. Im folgenden Jahre wurden (incl. den Bestand von 19) 669 Kranke aufgenommen, 296 Katholiken, 365 Protestanten (incl. 1 Deutschkatholik und 1 Mennonit), 4 Griechen und 4 Juden. 1855 erhielten (incl. den Bestand von 48) 878 Kranke Pflege, darunter 367 Katholiken, 502 Protestanten, 3 Griechen, 6 Juden. Im Jahre 1856 befanden sich 904 Kranke (incl. Bestand von 52) in der Anstalt, und zwar 392 Katholiken, 504 Protestanten, 8 Juden. Im laufenden Jahre wurden bis zum Tode der Oberin 300 Kranke aufgenommen, 130 Katholiken, 170 Protestanten. Die Gesammtzahl der Kranken, die in dem Zeitraume von kaum 4 Jahren von der Oberin aufgenommen sind, beträgt demnach 2.832, von denen 414 unentgeltlich Pflege erhielten. Eine solche Krankenzahl wird es rechtfertigen, wenn ich Xaveria, als die Leiterin der Anstalt, eine für Danzigs Bewohner bedeutungsvolle Persönlichkeit nenne. Hiebei beachte man noch Folgendes: Läßt sich nach diesen Angaben aus dem steten Wachsthum der Kranken in den nacheinander folgenden Jahren auf das sich im Allgemeinen steigernde Vertrauen zur Anstalt schließen, so tritt in dem Verhältnisse der protestantischen Kranken zu den katholischen eine besondere Zunahme des Vertrauens bei den Protestanten hervor. Im Jahre 1853 war das Verhältniß der Protestanten zu den Katholiken ungefähr 6 : 12, 1854 bereits 15 : 12, 1855 ungefähr 18 : 12, 1856 16 : 12 und in diesem Jahre fast 17 : 12. Diese Steigerung hat größtentheils ihren Grund in der ganzen Einrichtung des Krankenhauses, in der sorgsamen und zarten Behandlung der Kranken, in der anziehenden Milde, Güte, Frömmigkeit und unermüdlichen Thätigkeit der guten Schwestern. Von wesentlichem Einflusse waren hiebei aber auch Xaveria’s persönliche Eigenschaften.


    Xaveria Höfer war am 29. Nov. 1824 in Coblenz geboren, woselbst ihre Eltern, dem Kaufmannstande angehörig, noch leben. Im Jahre 1847 trat sie in den Orden der barmherzigen Schwestern nach der Regel des h. Carl Borromäus ein. Daß ihr zwei Schwestern in denselben Orden gefolgt sind, von denen die eine auch bereits Oberin ist, läßt auf eine sehr gute, streng-religiöse Erziehung im elterlichen Hause schließen. In den ersten Jahren wirkte sie in Nancy, Aachen und Trier, woselbst sie sich die allgemeine Liebe der Vorgesetzten und Schwestern erwarb.

    Am 13. Nov. 1852 übernahm sie die Leitung des hiesigen Instituts. Die Verhältnisse, in welche sie eintrat, waren sehr schwierig. Die Anstalt war durch milde Beiträge gegründet worden. Sie besaß kaum das Nothwendigste und hatte gar keine Garantien für ihren Fortbestand. Es lasteten schon bedeutende Schulden auf ihr und noch war die ganze innere Einrichtung zu treffen. Xaveria konnte durch solche Schwierigkeiten nicht entmuthigt werden. Beseelt durch die Zuversicht, daß Gott das Werk segnen werde, welches auf dem Grunde des festen Gottvertrauens ruht, arbeitete sie in Verbindung mit den sehr braven Schwestern an der Einrichtung mit einer Gewandtheit und Umsicht, welche alsogleich zu den Hoffnungen auf ein schnelles Erblühen der Anstalt berechtigte. Diese Umsicht, welche sich auch später in ihrer ganzen umfangreichen Verwaltung zeigte, paarte sich mit Entschiedenheit, mit einem feinen Takt und tiefer Bildung. Höher aber als diese Eigenschaften steht ihre Frömmigkeit. Sie prägte sich in allen ihren Worten und Werken ans, bewirkte jenes Seelenleben, welches bei allen äußeren Beschäftigungen den Hinblick auf Gott, die Beziehung aller Handlungen auf Ihn und die Betrachtung und Beobachtung ihrer selbst aufrecht erhielt, und gab ihrem ganzen Wesen jene Heiterkeit und Milde, durch welche Alle zu ihr angezogen wurden, die sie sahen und sprachen, und welche ihr allmählich unter der hiesigen Bevölkerung jene allgemeine, hohe Achtung und Liebe verschaffte, die allein die merkwürdige Theilnahme bei der Beerdigung verständlich macht und eine Erklärung dafür ist, warum sogar in den Augen von bejahrten Männern protestantischen und selbst jüdischen Glaubens im Gespräche über den Hingang dieser „seltenen Dame“ die Thränen perlten. Es sind dies nur flüchtige Grundrisse ihres Charakters, durch welche durchaus nicht beabsichtigt wird, ein Ideal zu zeichnen, bei welchem die Wahrheit in den Hintergrund tritt. Die sie gekannt haben, sind meine Zeugen, daß diese Skizzen zu matt sind, um ihre charaktervolle Persönlichkeit getreu darin abspiegeln zu können.

    Daß eine solche „Mutter“ der Anstalt recht lange vorstehen möge, war der heiße Wunsch Aller, welche Interesse zur Anstalt haben. Doch der liebe Gott hat es anders gewollt. Sie starb in der Blüthezeit ihres Lebens, ohne die Ausführung des bereits begonnenen Baues der Kapelle und des Anbaues des Krankenhauses erlebt zu haben, welche trotz der früheren Erweiterung durch den Ankauf einiger anstoßenden Häuser und eines großen Gartens bereits schuldenfrei geworden ist. Sie ging ins Jenseits hinüber zu früh für uns, aber nicht zu früh, um für ihren tugendreichen Wandel und ihr werkthätiges Leben die Vergeltung zu empfangen. Ihr Leib ruht jetzt im Gewölbe der St. Nicolai-Pfarrkirche, woselbst am 30. v. M. die Exequien stattfanden.

    Es mußte jeden Anwesenden tief ergreifen, als der Herr Pfarrer Landmesser von der Kanzel herab mit seiner bekannten Gewandtheit die Wirksamkeit der barmherzigen Schwestern überhaupt und insbesondere der verstorbenen Oberin, deren Leiche in einem einfachen Sarge auf hohem Katafalke, umgeben von zahlreichen Lichtern und buntfarbigen Blumen, lag, in ihren Grundzügen vorlegte. Er verglich zuerst in vortrefflicher, Geist und Herz ansprechender Weise die Schwestern mit dem göttlichen Samaritan, der arm, makellos, gehorsam bis in den Tod die Kranken und Bedürftigen aufsuchte und sein ganzes Leben der nothleidenden Menschheit hinopferte. Er wies dann darauf hin, was Danzigs Bewohner den Schwestern und besonders der Oberin, als der Vorsteherin des Krankenhauses, zu danken haben. Hiebei vermied er in richtigem Takte alle gekünstelten Lobpreisungen. Die Thaten sprechen laut. Da bedarf es nicht der Worte. Ein rührender Abschiedsgruß von der Verblichenen schloß die Rede. Von einem Chore, unter der guten Leitung des stets so thätigen Herrn Organisten Wollmann, mit großer Präcision aufgeführte Gesänge begleiteten die Leiche zur Ruhestätte. Das erschütternde Lied: „Wie sie so sanft ruhen“ war der Scheidegruß an der Gruft, in welche die Geistlichkeit, die Schwestern, die Mitglieder des Verwaltungsraths und Andere hinabstiegen, um daselbst im stillen Gebete, in tiefer Rührung der allgemein Verehrten zu gedenken. Es war zwar das letzte Gebet an dem Sarge der Verstorbenen, aber keineswegs die letzte Fürbitte für sie. Die Katholiken Danzigs werden Xaveria nicht vergessen.



    Diöcese Culm. Danzig. Unser St. Marien-Krankenhaus hat nach dem herben Verluste, den es durch den Tod der unvergeßlichen Xaveria erlitten, eine neue Oberin erhalten, die wir freudig zu begrüßen wohl alle Ursache haben, da ihr nun das fernere Gedeihen und Aufblühen unserer Krankenanstalt vertrauensvoll in die Hände gelegt ist. Wir sind fest überzeugt, daß die Ordensoberen eine Wahl trafen, welche zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft berechtigt, wir hoffen eben so fest, daß Gottes reichster Segen, dessen sich die Anstalt bisher zu erfreuen hatte, auch fernerhin ihr verbleiben werde.
    Nachdem die verheißene Ankunft der ehrw. Oberin schon mehre Tage vorher erwartet worden war, aber durch die schweren Leiden einer in Berlin mit dem Tode ringenden ehrw. Schwester verzögert wurde, traf am 15. D. M., Mittags, mit dem Schnellzuge die ehrw. General-Oberin Mechtilde von Rozierès aus Nancy, in Begleitung der neuen Oberin Elisabeth Berres, hier ein. Noch an demselben Tage wurde die ehrw. Oberin von ihrer hohen Vorgesetzten in ihr neues Amt eingeführt und ihr darauf von den ehrw. Schwestern des St. Marien-Krankenhauses die gegenwärtig in der Anstalt sich befindenden Kranken vorgestellt. Als dies geschehen war, besuchten die ehrw. Damen die St. Nicolai-Kirche, ließen sich, daselbst angekommen, die Gruft öffnen, beteten mit tiefster Rührung für die Ruhe der zu früh dahingeschiedenen Xaveria und weinten Thränen des innigsten Mitleides am Sarge der Verblichen. Aus der Kirche zurückkehrend machten sie dem Polizei-Präsidenten Herrn von Clausewitz ihre Aufwartung.

    Die ehrw. Frau Oberin Elisabeth, welche nun die Leitung des St. Marien-Krankenhauses übernommen hat, ist in Trier geboren und im Alter von 37 Jahren. Bereits 13 Jahre gehört sie dem Orden der barmherzigen Schwestern an, so wie auch ihre jüngeren 3 Schwestern ihr Leben dem gleichen frommen Berufe gewidmet haben. Von diesen 13 Jahren verlebte sie allein 4 Jahre in Paris. Ihre bisherige Thätigkeit berechtigt uns wohl zu dem Eingangs Gesagten, da sie bereits 4 neue Krankenhäuser eingerichtet und denselben als Oberin vorgestanden hat, zuletzt in Ahrweiler, von wo sie nach Danzig kam. Wir wiederholen, daß wir ihre Ankunft freudig begrüßen, und flehen zu Gott, er möge auch ferner der Anstalt seinen Schutz verleihen. Nicht minder aber rufen wir Jedem zu: Wer Gutes thun will findet im St. Marien-Krankenhause einen Platz, wo auch das kleinste Scherflein hundertfältige Frucht bringt.

    Danzig. Die ehrw. General-Oberin Mechtilde von Rozières verließ am 18. d. M. Danzig, um ihre Inspectionsreise weiter fortzusetzen.


    Viele Grüße

    Peter

  2. #2
    Administratorin Avatar von Beate
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    Standard AW: Eine neue Oberin für das St. Marien-Krankenhaus - 1857

    Guten Abend, Peter,

    weißt Du zufällig, wer diese Texte verfasst hat? Der Pfarrer? Oder jemand aus dem Kloster? Muss ja wohl ein "Insider" sein, er kennt sich ja gut aus...Ich finde die Texte faszinierend, im ersten Moment verblüffend ob der Art und Weise der Berichterstattung.

    Freundliche Grüße, Beate
    ..wirklich? Taktgefühl ist nicht nur ein Begriff in der Musikwelt?

  3. #3
    Forum-Teilnehmer Avatar von sarpei
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    Standard AW: Eine neue Oberin für das St. Marien-Krankenhaus - 1857

    Guten Morgen, Beate!

    Deine Frage nach dem Autor/den Autoren der Beiträge ging mir auch schon im Kopf rum. Es wollte mir bisher nicht gelingen, in den gebundenen Katholischen Wochenblättern Hinweise darauf zu finden. Mal abgesehen von der Diktion der Artikel (die ich absichtlich so belassen hatte, einschließlich der Rechtschreibung), spricht mich ihr doch sehr persönlicher Stil sehr an. Es wird so mehr zu einem 'Sittenbild' als zu einer reinen Berichterstattung ... .


    Viele Grüße

    Peter

  4. #4
    Forum-Teilnehmer Avatar von Felicity
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    Standard AW: Eine neue Oberin für das St. Marien-Krankenhaus - 1857

    Lieber Peter ! Ich danke Dir ganz herzlich fuer den Bericht. All die Berichte in der letzten Zeit, die von dem Marienkrankenhaus handeln und dem Kapellchen, habe ich ausgedruckt und zusammen mit anderen Berichten ueber die Kirche und den Schwestern in einem Folder ganz sorgfaeltig eingeordnet. Schon Oma, dann Mutti und zuletzt ich waren ganz eng mit den Nonnen und dem Kirchlein verbunden. Liebe Gruesse von der Feli

  5. #5
    Administratorin Avatar von Beate
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    Standard AW: Eine neue Oberin für das St. Marien-Krankenhaus - 1857

    Vielleicht kann diese Art der Berichterstattung ja auch klein wenig damit zusammenhängen, dass für ein Kirchenblatt, für eine Kirchengemeinde geschrieben wurde. Denn die Berichte zu den Grundsteinlegungen von St. Hedwig und von der Kapelle der Marienkrankenhauses sind ja im gleichen Stil gehalten.
    Hab mal nachgeschaut, als Herausgeben des "Katholischen Wochenblattes aus Ost- und Westpreußen für Leser alles Stände" ist ein Eduard Herzog genannt, vielleicht hat er ja auch beim Verfassen in irgendeiner Form mitgewirkt... Könnte ja vielleicht sein.


    Fröhliche Grüße, Beate
    ..wirklich? Taktgefühl ist nicht nur ein Begriff in der Musikwelt?

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