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Thema: Besuch im Weltkriegsmuseum

  1. #1
    Forumbetreiber Avatar von Wolfgang
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    Standard Besuch im Weltkriegsmuseum

    Schönen guten Morgen,

    er ist schon eine Weile her, mein Besuch im Danziger Museum des II. Weltkrieges. In der Juli-Ausgabe von "Danzig- Mitteilungsblatt des Bundes der Danziger e.V." berichtete ich darüber. In leicht abgeänderter Forum stelle ich ihn nun mit Fotos hier ins Forum:

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    Weltkriegsmuseum Danzig
    Erste Adresse bei einem Danzig-Besuch

    Fast zehn Jahre hat es gedauert. Von der Idee des früheren polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk ein Weltkriegsmuseum in Danzig zu errichten bis zu dessen Eröffnung im Frühjahr 2017. Anfangs als Gegenvorschlag zum Berliner Steinbach-Projekt „Zentrum gegen Vertreibungen“ gedacht, fand das Vorhaben schnell breite internationale Zustimmung und Unterstützung. Tusk wollte die Gesamtgeschichte und die Folgen des II. Weltkrieges aufzeigen, an einem Ort an dem, wie er sagte, „wie in einem Brennglas alle Schrecken des Zweiten Weltkriegs“ kumulierten.

    Über einhundert Millionen Euro hat das Museum gekostet. Viel Geld, aber nicht die Kosten sind der Grund warum das Museum nach wie vor heftig umstritten ist. Es ist die Konzeption die von Anfang an von international renommierten Historikern erarbeitet wurde, eine Konzeption die darauf ausgelegt ist, die Geschichte des Krieges nicht nur aus einseitiger nationaler Sicht darzustellen. Dieses Konzept ist aufgegangen, ist hervorragend und beispielhaft umgesetzt worden. Umstritten und bekämpft wurde das Museum mit seiner Dauerausstellung durch die momentane nationalkonservative polnische Regierung, die stärkere polnisch-patriotische Schwerpunkte fordert. Aus ihrer Sicht kommt die Sichtweise auf die polnische Opferrolle zu kurz, die internationale Ausrichtung ist unerwünscht. Bislang ist noch die ursprüngliche Ausstellung zu sehen. Für wie lange das jedoch so bleiben wird, ist ungewiss.

    Das Museum liegt ein Stückchen hinter dem Fischmarkt, unweit der polnischen Post, auf der Brabank. Der große Betonklotz wirkt auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftig. Wer das Museum besucht, wird überrascht sein von der Weite der Räume, der überwältigenden Architektur. Auch mit diesem Museum wurde wie im „Europäischen Solidarność-Zentrum” Großartiges geschaffen, und schon beim Betreten des langen hohen Ganges der eigentlich ein riesiger Saal ist von dem links und rechts Ausstellungsräume abzweigen, stellt sich ein staunender Aha-Effekt und Neugierde ein.

    Ist es ein Mangel, wenn die Beschriftung von Exponaten nur in polnisch und englisch erfolgte? Gleich am Anfang der Ausstellung: Das Vorkriegs-Danzig! Ausstellungsstücke wie Kleidung, Bücher, Plakate, Dokumente – sie sprechen von selbst. Alleine schon das was hier in Vitrinen, an Tafeln und Wänden zu sehen ist, macht einen Museumsbesuch lohnenswert. Ein ganzer Teil der Exponate stammt von Privatleuten die ihre Sammlungs- und Erinnerungsstücke dem Museum zur Verfügung gestellt haben. Und die bereits angekündigt haben, diese wieder zurückzufordern sollte die Ausstellungskonzeption geändert werden.

    Das Weltkriegsmuseum ist ein modernes Museum, ein Museum zum Sehen, Hören, Begreifen, Erleben. Das Begreifen bezieht sich nicht nur auf das mögliche Anfassen vieler Exponate sondern auch darauf, dass Zusammenhänge erschlossen und verstanden werden. Ein Besuch des Museums kostet Zeit. Ich war dort mit meinem Sohn einen Nachmittag dort, viel zu kurz. Immer wieder blieben wir stehen, schauten uns Ausstellungsstücke an, ließen audiovisuelle Darstellungen auf uns wirken, schlenderten durch originalgetreue Nachbildungen von Vorkriegsstraßenzügen, machten Halt vor ausgestellten persönlichen Briefen, Dokumenten, verharrten betroffen vor Opferphotos, gingen um russische und amerikanische Weltkriegspanzer herum, befühlten Waffensysteme wie Torpedos, fühlten uns beklemmt in einer realistisch wirkenden Ruinenlandschaft.

    Nach einem Besuch dieses Museums stellt sich nicht mehr die Frage ob man da hingehen soll, ob es sich lohnt. Eher die Frage wann man sich das nächste Mal mehr Zeit nimmt. Denn ein halber Tag ist zu kurz. Ein langer verregneter Tag mag vielleicht ausreichend sein. Und es stellt sich die Frage, warum denn diese Ausstellung so umstritten ist. Gut, wer ausschließlich die polnische Opferrolle dargestellt sehen möchte, wer sich für Gesamtzusammenhänge nicht interessiert, wird an dem Ausstellungskonzept einiges zu kritisieren haben. Aber ich persönlich war überrascht, überzeugt, begeistert von dem was zu sehen ist und wie es aufbereitet wurde. Die polnische Kriegsgeschichte kommt zu kurz? Nein, nicht aus meiner Sicht. Auch sie wurde umfassend und häufig in ganz besonders emotional berührenden Momenten aufgezeigt wie z.B. bei der Erinnerung an den Massenmord an polnischen Offizieren in Katyn. Oder die langen hohen Wände mit Fotos von Opfern die ein wenig an den Jerusalemer Gedenkort Yad Vashem erinnern. Zur Geschichte gehört auch, dass es nicht nur Opfer gibt sondern auch Täter. Regierungsseitige Kritik an dieser Ausstellung macht sich unter anderem daran fest, dass über Pogrome auf polnischem Boden, insbesondere auch über Jedwabne informiert wird. Aber was wäre das Weltkriegsmuseum und seine Ausstellung wenn dessen Leitgedanke nicht „Gesamtgeschichte und Zusammenhänge“ lautete? Sicher, eine solche Ausstellung stellt für alle Beteiligten auch immer einen Kompromiss dar, aber unter dem Strich ist doch eine sehr gute Ausgewogenheit festzustellen.

    Wer Danzig besucht, sollte auch das Weltkriegsmuseum auf seinem Terminplan haben. Nicht nur für verregnete Tage, nicht nur als Lückenfüller, sondern als ganz besonderen Erlebnistag. Ich bin mir sicher: Selbst Jene, die sonst einen großen Bogen um Museen machen, werden nach einem Besuch tief beeindruckt sein.
    =====
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken                
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    Das ist die höchste aller Gaben: Geborgen sein und eine Heimat haben (Carl Lange)
    Zertifizierter Führer im Museum "Deutsches Konzentrationslager Stutthof" in Sztutowo (deutsch/englisch)
    Certyfikowany przewodnik po muzeum "Muzeum Stutthof w Sztutowie - Niemiecki nazistowski obóz koncentracyjny i zagłady"

  2. #2
    Forum-Teilnehmer Avatar von Koronara
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    Standard AW: Besuch im Weltkriegsmuseum

    das ist tatsächlich ein sehr besonderer Ort mit viel Geschichte, wie auch viele andere in Polen.
    es ist schwer das zu sehen, das macht mich immer traurig bis depressiv, aber wir dürfen die Geschichte nie vergessen, daraus lernen und es mit allen Kräften verhindern. So was darf nie mehr wiederkommen
    Liebste Grüße,
    Koronara

  3. #3
    Forum-Teilnehmer Avatar von Ulrich 31
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    Standard AW: Besuch im Weltkriegsmuseum

    Hallo an die Forumer,

    außer Wolfgangs grandiosen Aufnahmen aus dem Museum in #1 könnt Ihr noch ein paar mehr Aufnahmen von dort mit zusätzlichen Hinweisen und nützlichen Besuchsinformationen im Album in meinem Forum-Profil finden.

    Gruß Ulrich

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