Der Fischmarkt in Danzig
von Johannes Trojan
Aus "Zwei Monate Festung", 1899

Überall, wo ein Fischmarkt ist, lohnt es sich dahinzugehen; man kann darauf rechnen, dass man daselbst immer etwas Interessantes zu sehen und zu hören bekommt. Den Fischmarkt meiner Vaterstadt Danzig habe ich besucht, so oft mein Urlaub so gelegt war, daß ich es tun konnte, und nie hat es mir dort an Belehrung und Ergötzung gefehlt. Des Vergnügens ist ja soviel an Orten zu finden, wo es von wenigen gesucht wird.

Der Danziger Fischmarkt ist zunächst schon außerordentlich hübsch gelegen. Er erstreckt sich auf dem Bollwerk über der Mottlau von dem alten Turm, der „der Schwan“ genannt wird, bis zum Johannistor, dem Landungsplatz der zwischen Danzig und Neufahrwasser fahrenden Dampfer. Der „Schwan“ ist das einzige, was die Danziger, als sie 1454 in nicht unberechtigter Erbitterung das Schloss des Deutschen Ordens zerstörten, davon übriggelassen haben. Sonst erinnern nur einige Straßennamen noch daran, dass in dieser Gegend einmal die starke Ordensburg gestanden hat. Vom „Schwan“ abwärts heißt die Straße, die nur eine Häuserreihe hat - auf der anderen Seite ist ja die Mottlau - „Am brausenden Wasser“. An den „Schwan“ sind ein paar Häuschen auf entzückende Art gebaut. Davon ist das größte „oben breit und unten schmal“, wie es von der Linde im Volksmund heißt, denn unten hat es neben der Haustür nur ein Fenster, in dem Stockwerk darüber aber drei und in dem obersten vier. Unter dem Hause mündet der Radaunekanal, dessen Wasser sich mit wirklich lautem Brausen in die Mottlau ergießt. Wie hübsch, dachte ich bei mir. muss es sein, über dem brausenden Wasser zu wohnen.

Eigentlich heißt Fischmarkt der Platz hinter der Häuserreihe an der Mottlau, zu dem man vom Wasser aus durch das Häkertor gelangt; der eigentliche Fischhandel aber hat sich auf dem Bollwerk festgesetzt; auf dem Fischmarkt, der eigentlich so heißt, wird mit Garten- und Feldfrüchten, auch mit Blumen und Kräutern gehandelt. Einen Teil aber des ganzen Marktes befindet sich auf dem Wasser selbst und zwar auf einer Reihe von Kähnen, die am Bollwerk liegen und mit Segeltuch überspannt sind. Wenn ein Dampfboot vorbeikommt, werden sie ein wenig geschaukelt. Auf diesen Kähnen blüht der Handel mit Obst, mit Käse und mit geräucherten und gesalzenen Fischen, die neben den frischen ja an einem solchen Platz eine sehr bedeutende Rolle spielen.

Am meisten Interesse für mich hatten die frischgefangenen Fische, Süß- und Salzwasserfische - letztere natürlich wogen vor. Es war immer viel Ware am Platz, ausgenommen montags, was durch den vorausgegangen Sonntag sich leicht erklärt. Für mich war es ein großes Vergnügen, zwischen den Reihen der Händler oder vielmehr Händlerinnen - es sind fast ausschließlich Frauen - hindurchzugehen, zuzusehen und zu hören. Auf der einen Seite, am Wasser, saßen sie vor ihren, auf sehr ursprüngliche Art hergestellten Verkaufstischen; auf der anderen Seite, an den Häusern entlang, standen sie, die Frauen von der Nehrung (die „Nehrungschen“), jede neben ihrer Kiepe, in der rechten Hand einen Gericht Flundern (je nach der Größe 10-20) haltend, die mit durch die Kiemen gezogenen Binsen zusammengebunden waren. Auf genauere Auseinandersetzungen mit den Fischfrauen sich einzulassen, vermeidet man besser. Stumm ist der Fisch; die Fischfrau aber - ich meine nicht das Fischweibchen, sondern die Fischhändlerin - ist beredt.