Wrukensegen

Warten Se mal Härr Oberchen, sagen Se mich erst, wonach das hier riechen tut. Nach Sauerkohl? Scheen, dänn is gut, dann sind Se jerättet. Hätten Se jesaacht, „nach Wruken“, dann hätt's hier en Unglick jejeben! So, und nu bringen Se mich mal erst heit ausnahmsweis' en kleinen Weißen! Und nehmen Se's mich nich iebel, meine Härren, wänn ich heit als Strohwitwer hier mal leichtsinnich bin und mich en Paar Wirstchen mit Sauerkohl beställen tu.
Was dann los is, meine Härren? Ich weer ja so aufjereecht? Kunststick! Meine Ollsche is doch väreist. Was meinen Se Gustav, sollt ich mir doch freien? Na, von wejen „freien“. Danke, Komma.
Tja, muss sich die doch auf ihre alten Tag in diese schwere Zeiten aufe Bahn hucken und väreisen! Da inne Thorner Jejend. Bei Tante Karla. Zu ne goldene Hochzeit! Tante Elly weer auch da, ihre Kusine, wo se all älfundneinzich Jahr nich jesehn hat. Schicken die en langes Telegramm: unbedingt missd se kommen, Fuhrwärk weer anne Bahn, dem Zuch vormittachs elf Uhr zwei sollt se nehmen, der keem von Gdingen.
Tja, nu meine Ollsche. Jing Ihn' eins achtzehn, Koffer vom Boden jeholt, jepackt. Das Schwarzseidne anjezogen. Mir lässt se gar nich zu Wort kommen. Und wie ich nu frag von wejen wie, wo, was? da schnarcht se mir an: ich sollt mir nich so hahm, nich son dammlijes Jesicht machen, ich weer doch kein Kind nich, kennt doch paar Tag mal ohne ihr auskommen. Inne Kochkist hätt se Wruken. Se hätt gleich ne orntliche Portzjon jekocht. Ich sollt se inne große Tärrin reinjießen. Und was iebrich blieb, sollt ich mich ebend ahmds und am andern Mittach jefällichst aufwärmen. Das langt noch auf mehrmals.
„Na, was dann?“ meint se, „willst vleicht Austern und Kawiar? Mach dir man bloß nich niedlich, Dammelskopp! Ei, was sollen die arme Leit sagen, wo nich wissen, wo se was Warmes hernehmen? De Wruken wirst hibsch aufässen! Die sind jesund! Und weh dir, wann was väquast oder wächjießt! Und wann ich mir auf meine alten Tag' sollt scheiden lassen, sone Moppchens jibbt's nich! Die Wruken werden jejässen!“
Ich kann Ihn' sagen, ich war vleicht platt, wie die da so großbramsich steht und mir anfeift, sich ihren Reisepass im Pompaduhr sticht und de Pleedroll und das Kofferchen nimmt wie sone Gräfin mit sieben Schiesser- und fimf Nachthemden! Aber so sind de Langhaarjen ebend, wann se auf Reisen jehn. Ich riskiert kein Ton nich und dacht mich bloß in meinen Sinn: lass ihr sausen! Is doch wahr.
Nu von wejen die Oper mit de Wruken! Ma will sich nich väsindjen. Es jibbt ja Leit, wo Wruken järn meejen. Sogar sehr järn ässen. Meine Ollsche jeheert auch zu die Abnormeteeten. Ich nich. Wann Se mechten wissen, was ich als Jung von mein Vater hab fier Schacht jekricht von wejen de kreetsche Wruken, dann mechten Se sich wundern, daß ich ieberhaupt könnt Maurer lärnen. Dass ich nich all längst lahm war.
Nu hat Ihn’ meine Ollsche vleicht en Topp Wruken jekocht! In unsre Suppentärrin kenn' Se all bald in Kind baden, aber da blieb noch ieber. Ich däck nu dem Tisch fier zwei. Tjawoll, auch fier das kleine Mädchen, was bei uns ässen kemmt. Wä lassen doch jätz auch wie so viele andre son armes Kindchen kommen bei uns ässen. Da is son Schwung Kinder, kann ja sone arme Frau in die schwere Zeit nich jeraten. Hab wä se nu de kleine Marjäll abjenommen. Hätt uns sone nätte Lehrerin von äzeehlt. Die kleine Marjäll hat ja nu meine Ollsche erst richtich ins Härz jeschlossen, weil Se auch Jemiese und Wruken ässen kann wie son Kirassier. Ich frei mir, weil ich dänk: wenichstens einer, wo sich freit. Klingert's. Is es en Jung: Mutter ließ doch scheen grießen und sagen, de Kleine kennt paar Tage nich zum Ässen kommen, se hätt Masern.
Ich sag: „Na, Jungchen, komm rein, kannst du ja mitässen, es jibbt scheene Wruken, deine Schwäster ißt die so järn, und du doch sicher auch!“
„Nei“, sagt er, „danke, Härr Poguttke, ich äss doch bei Ihren Freind, Härr Schaweiter, und mit Wruken kenn' Se mir jagen!“
Ich drickt den Pränter väständnisvoll de Hand, schänkt ihm en Appel, und er haut Ihn' ab, immer vier Stufen auf einmal de Träpp runter.
Also ich nu allein vleicht ne Wucht Wruken vädrickt, kann ich Ihn' sagen, häldenhaft! Das Beest von Kanarjenvogel trillert Ihn' dabei so speilzahnich in den Sonnenschein, als wänn er sich ieber mir en Ast lacht. Und jen Goldfisch glotzt auch so schiefnasich aus sein Glas, als wänn er sich im stillen amesiert, wie ich mich da de Wruken im Schlunk wirjen tu aus lauter Angst vor Ehescheidung.
Nachmittach ich nu mit'n Hund nach Heibud raus bei das scheene Härbstwätter. Im Mittelweech mir auf de neie Bank jesätzt, was se da aufjeställt hahm. Väpuhst mir von de Wruken. Kemmt en Bekannter aus'm Angelklub vorbei mit seine Tochter. Wie se heeren, daß ich Strohwitwer bin, werden se mir freindlich einladen zum Ahmbrot nach Langfuhr. Dass ich mir nich so einsam fiehlen soll. Se wirden es all jemietlich machen. Radio und so.
Was soll ich Ihn' sagen, ich bind mich noch en neies Schmisättchen und en reinen Kragen um, bezahl noch drei Dittchen nach Langfuhr raus, und womit kemmt den seine Ollsche rein zum Ahmbrot? Mit ne Tärrin aufjewärmte Wruken!
Dem neechsten Morjen trifft mir mein Freind Adolf Schaweiter. Begrießt mir als Strohwitwer und leed't mir zum Mittach ein. Ich kauf seine Ollsche noch fier en Achthalber en Veilchenstrauß. Ma is doch Kavalier. Wä sitzen, und se klingert ja da wie sone Keenijin vom Bromsilien und Muffrika anne Klinger, wo am Kronleichter ieberm Tisch hängt.
Kemmt das Meedchen rein großartich mit son weißes Dings ummen Kopp, hochnobel. Was jibb's?: Wruken!
Und nu wissen Se doch, wie de Schaweitersche is! Da dirfen Se doch nich ne Mien väziehn, dann is de Kron gleich jebrochen! Außerdem sag ich mir: was brauch das aufpuhstrije Lachodder wissen, dass ich mir booßen tu? Und so sag ich so vore Quint: „Ei, fein, Wruken! Das is mein Leibjericht!“
Darauf lässt doch das spitznasje Jebilster wahr und warraftich mich noch en Hänkeltopp voll von ihre väflixte Wrukensupp einpacken, ich muss mir noch großartich bedanken, se hält mich de Hand hin zum Kuss zum Abschied wie sone Monarchin im Kientopp, und ich zagel warraftich mit ne aas'je Portzjon Wrukensupp ab nach Haus’.
Jejen Ahmd werd ich ganz väzweifelt mal bei unsre Tante Natjen raufer kicken. Sitzt die da wie sonn Profässer mit de Brill auf und um sich rum lauter sone jelehrte Hälfte: „Mazdaznan“. Fraacht se mir: „Isst järn Leber, Franzchen?“
„Aber ja“, sag ich.
„Ei, isst auch järn Eisbein?“
„Aber tjawoll doch, Tantchen!“ sag ich und seh im Spiejel, daß mich de Augen orntlich blänkern.
„Und Nierchen isst auch järn“, fraacht se weiter.
„Nich zu knapp, wann ich man wälche hab!“ sag ich und märk, wie mich das Wasser im Mund zusammenleift.
„Tjaja“, meint se und nimmt de Brill ab, „dann dirfst dir ebend nich wundern, wann unjesunde Säfte krichst! Wä äneehren uns ebend alle falsch! Sollst mal lesen, was hier drin steht, dann wird'st anders dänken. Jemiese! Jemiese! Kannst gleich bei mich mal en wirklich jesundes Ahmbrot kriejen: Wrukenpireeh!“
Wie ich da wieder im Spiejel kickt, blänkerten mich de Augen nich mehr.
Ahmds komm ich nach Haus’ jewankt. Jeh noch aufen Hoff dem Hund sein Strohsack aus'n Holzstall holen. Kriej ich en Schräck: Is in unsre Kich Licht! Is es unsre Aufwartung. De Piestaniewskesche! Die hat en Schlissel.
Ich sag: „Was machen Sie dänn hier des Ahmds, Frau Piestaniewske?“
„Ach“, saacht se, „Härr Poguttke, in de Speisekammer steht doch soviel Wrukensupp, und da hab ich jedacht, daß Se die man nich väjässen. Da hab ich Ihn' en Tärrinchen voll aufjewärmt! Is all alles jedäckt und hinjeställt, dirfen Se sich bloß hinsätzen und ässen! Langt auch noch zu morjen Mittach! Jesejente Mahlzeit winsch ich!“
Ich weiß nu nich mehr, was ich in den Mommang jesaacht hab oder was ich fiern Jesicht jemacht hab, ich weiß bloß, daß de olle Piestaniewskesche mir ankickt mit Augen wie Untertassen so groß, sich rickwärts aus de Angtreetier raus vädinnesiert und sich mehrmals bekreizicht, eh se ganz blass abhaut.
Und wie in dem Augenblick noch die Dicksche von ieber uns de Träpp hoch jekeicht kemmt, de Hand aufs Härz drickt, als wollt se mir ne Liebesäkleerung machen, und mir wird strahlend sagen: se hätt gar nich jewusst, dass meine Frau Jemahlin väreist weer, sonst hätt se sich all eher um mir jekimmert, aber ich wird sicher auch jätzt raufer kommen, en scheenes Tällerchen Wrukensupp mitässen - also da hat sich mein Hund direäktemang unters Soffa verkroffen und is erst den andern Morjen wieder vorjekommen. Äbarmung!