Aus „Unser Danzig“, 1958, Nr. 2, Seite 17
Der Kampf mit den Wanderdünen
Von Hans Werner
Als man die Dünen der Frischen Nehrung entwaldet hatte, merkte man bald den verübten Frevel. Die Dünen begannen zu wandern, in breiter Front drangen sie vor, und kein Dorf war vor der Verschüttung sicher. Manche Dörfer sind überhaupt untergegangen, andere, z. B. Neukrug mit seinem Kirchlein, wurden mehrfach, immer an verschiedenen Stellen, neu ausgebaut. Bis zum letzten Augenblick wurden in den Kirchen Gottesdienste gehalten, dann brach man Stück für Stück ab und nahm mit, was noch zu brauchen und zu retten war.
Unter großen Schwierigkeiten und mit erheblichem Kostenaufwande begann man die Dünen wieder aufzuforsten. Nach jahrelangen, vergeblichen Bemühungen gelang es endlich, eine Methode zu finden, die erfolgreich war. In quadratförmigen Mustern pflanzte man die langwurzeligen Dünengräser und schützte sie durch viele eingesteckte Stöcke. Wenn sie, oft erst nach vielem Misslingen, Wurzeln geschlagen hatten, konnte man Zwergkiefern ansiedeln.
Als man aufforstete, ging man zunächst gleich von dem Gedanken des Nutzens aus, pflanzte gezirkelt in Reih und Glied, litt kein Unterholz und - erntete Misserfolg. Dann versuchte man, ausländische Nadelhölzer zu pflanzen, die Blaufichte, die Weymouthskiefer, aber vergeblich. Erst wenn sich die Dünenflora eingefunden hatte, die hauchzarten Sand-Löwenmäulchen mit ihrer Sonnenfarbe, die Stranddistel, einige Weidenarten, die sich selbst angesamt hatten, und wenn dann dem Gesetz der Lebensgemeinschaften Rechnung getragen worden war, dass man Unterholz duldete und Mischwald anpflanzte, erst dann gelang es, die Gefahren der Wanderdünen zu bannen und trotzdem eine gesunde Nutzung zu erzielen. Fortan hütete man sich irgendeine Stelle kahl zu schlagen.
Die Stranddistel, das „Gasthaus zur Düne“
Zu den interessantesten Dünenpflanzen gehört die Stranddistel. Sie ist naturgeschützt und mit ihren blassgrünen, stachelbewehrten Blättern, mit ihren lichtblassblauen Blüten die Königin der Dünen, geliebt und umschwärmt von allen Insekten, ein vornehmes Gasthaus, wo sich die Kleintierwelt der Düne ihr Stell-dichein gibt. Da kommen Fliegen aller Art, grün- und blauschimmernde, dicke, bärbeißige Brummer, Wespen mit schlanken Taillen, Schmetterlinge in duftigen Gewändern. Nur die fleißige Biene fehlt; sie fehlt überhaupt auf der Nehrung. Es mangelt ihr an Nahrung, auch bringen die beiden Gewässer Gefahr, vermehrt durch die immerwährenden Winde dieses schmalen Landstriches (zählte man doch kaum drei windstille Tage im Jahre!).
So ist ein Gesumm und Getön um die Stranddisteln, dass die Katzenpfötchen und Immortellen, die uns im Winter, zu Kränzchengewunden, an die Schönheiten des Sommers und der See erinnerten, neidisch werden müssten, wenn sie es könnten.
Die „Glowwen“ oder „Globben“
Eigentümliche Fremdlinge treffen wir inmitten der Dünenwälle an, die „Glowwen“ oder „Globben“. Wie Oasen in der Wüste wirken sie, fremdblütig innerhalb der Dünen. Jäh fällt die Düne unweit des Strandes, oft keine zehn Meter vom Wasser entfernt, zum Lande zu plötzlich ab. Seewärts trägt sie noch den Hauch der See, seinen Sand und seine Halme. Aber die Kehrseite lacht der Sonne entgegen. Erdbeeren, rotglühend und von einer ungeahnten Süße, bedecken den ganzen Hang. Hohe Erlen streben aus dem feuchten Grunde aufwärts, schauen aber nicht über die Düne hinüber, als hätten sie Furcht vor der beißenden Salzigkeit des Meereshauches. Sie ducken sich ganz in den Windschutz. Unten im Grunde aber liegt Graspolster an Graspolster. Feuchtigkeit, warme Feuchtigkeit herrscht hier unten, wirklich aufgespeicherte Sonnenwärme. Schwerduftig und berauschend blüht der Porst, den die Fischerfrau zwischen Kleider und Wäsche legt, wie die Stadtfrau die Mottenküglein. Nur dass er billiger und wohlduftender ist. Gesprenkeltes Knabenkraut lächelt dem Beschauer entgegen. Hochragende Kiefern umklammern die Glowwe von der Landseite her und genießen noch etwas von der feuchten Kraft dieser Oase. Seltsam und schön ist dieser Fremdling zwischen den Dünen!
Trompetenbäume
Kommen wir jetzt weiter landeinwärts, so pflanzen sich die Wellenberge, -täler und -kämme des Meeres hier fort, ein wildbewegtes Sandmeer. Aber die Föhren haben hier die Dünen bezwungen, bergauf und bergab. Doch mangelt es diesen Nadelbäumen noch an Kraft. Die Gewalt der immer wehenden Winde hat sie mürbe gemacht, dass sie sich ihrer Feinde nicht ganz erwehren können. Darum sind sie von zotteligen Bartflechten völlig behängen, darum macht sich auf ihnen die Tellerflechte breit, so dass die Rinde kaum Raum zum Atmen hat. Darum sind die Stämme oft wirr gewachsen, und Doppelstämme verweben und durchflechten sich auf seltsame Art und Weise. Solch seltsam gewachsene Bäume, „Trompetenbäume“ werden sie genannt, hatten oft die Gestalt einer Lyra und wurden als Seltsamkeiten beim Einschlag verschont.
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