Liebe Danziger Freunde.
Es ist immer wieder erstaunlich zu lesen, wieviel Wochen im Zweiten Weltkrieg die Kaempfe in unserer alten Heimatstadt und deren Umland bis zum Ende am 9. Mai 1945 anhielten.
Nachdem am 26. Maerz (Geburtstag meines Vaters!) meine engere Heimat OHRA von der "Roten Armee" besetzt worden war und danach auch bald das Zentrum Danzigs gefallen war, wich in der Nacht zum 28. die Kampflinie hinter die Mottlau nach Osten zurueck. Der Westteil der Innenstadt wurde aufgegeben und in den fruehen Morgenstunden des 28. von russischen Panzern besetzt. Mottlau und Weichsel von Ohra bis zur Westerplatte bildeten nun kurzfristig eine neue Widerstandslinie.
Sie wurde groestenteils bis zum 30. Maerz gehalten. Das ermoeglichte es noch den ganzen 29. hindurch den zurueckgehenden deutschen Truppen, der Bevoelkerung und den Fluechtlingen, ueber die einzige vorhandene Weichselbruecke, die Breitenbachbruecke den vorgesehenen Fluchtraum, die Duenenwaelder bei Heubude und Krakau zu erreichen. Die Bruecke erhielt zwar einen Bombentreffer, konnte jedoch von Pionieren wieder befahrbar gemacht werden.
Das Regiment Feldherrnhalle war im Nebel der Morgenstunden des 28. ueber den Kaiserhafen in den Raum der Rieselfelder uebergesetzt worden. Neue HKL wurde dort die nach der Westerplatte fuehrende Bahnlinie. Von ihr aus versuchte das Regiment, durch einen Gegenangriff um 18 Uhr den russischen Brueckenkopf am Ostufer des Kaiserhafens einzudruecken, der Angriff geriet aber in dem unuebersichtlichen Industriegelaende ins Stocken und musste abgebrochen werden. Russische Versuche, den Brueckenkopf zu verstaerken, konnten jedoch am 29. abgewehrt werden.
Am 31. ging die Westerplatte, von der aus immer noch ein Pendelverkehr nach Hela stattgefunden hatte, nach heftigen Kaempfen verloren. Die HKL wurde am 1. 4. zunaechst bis zum Winkelberg bei Heubude, danach bis zur Linie Schleppweg — Krakau zurueckgenommen. Am 2. 4. konnte nur noch eine kleine Brueckenkopfstellung um Westlich Neufaehr herum behauptet werden. Der letzte Stuetzpunkt auf der Danziger Nehrung westlich des Weichseldurchbruchs, der Quellberg, wurde in der Nacht zum 3. 4. geraeumt, der neue Sperriegel hinter dem Weichseldurchbruch und vor Bohnsack hielt dann bis zum Waffenstillstand am 9. Mai.
Suedlich der Danziger Weichsel im Werder, verlief die Frontlinie am 1. 4. vor Klein Plehnendorf entlang dem Fleischerwall zur Mottlau, diese entlang bis Herrengrebin und von dort ueber Wossitz und Gemlitz zur Stromweichsel. Sie wurde langsam zurueckgedrueckt, Plehnendorf ging am 10. 4., Herrengrebin am 6. 5. (?) verloren. Wossitz und Gemlitz wurden am 7. 5. ohne Kampf geraeumt. Trutenau am 8. 5. Auch Gottswalde soll noch bis zum Schluss in deutscher Hand gewesen sein.
Die Nehrung von Bohnsack bis Neutief blieb bis zum Verlust Pillaus am 25. 4. von Kaempfen verschont. Sie war vier Wochen lang die Zuflucht der noch nicht abtransportierten Fluechtlinge und der Ueberlebenden der geschlagenen deutschen 4. Armee aus Ostpreussen, die ueber das Frische Haff dem Tod oder der Gefangennahme entkommen waren.
Am 26. April landeten die Russen, von Pillau kommend, in Neutief. Mit unvorstellbarem Material- und Munitionsaufwand drangen sie auf der Nehrung von Riegelstellung zu Riegelstellung nach Westen vor. Aufopfemder Widerstand durch Abwehrgruppen der 4. PzD konnte ihren Vormarsch nur aufhalten, nicht verhindern. Am 1. Mai ging Narmeln verloren, am 3. Kahlberg, am 5. Proebbernau, am 7. Vogelsang und Bodenwinkel. Die Reste der Verteidiger, Angehoerige der 4. PzD sowie der 7. ID, ermoeglichten es, dass noch Tag fuer Tag an die 30 000 Menschen nach Hela eingeschifft werden konnten. Am Abend des 6. 5. wurden in Nickelswalde und Schiewenhorst die letzten Fluechtlinge verladen. Als dann auch die letzten Verteidiger an die Reihe kommen sollten, trat am 9. 5. um Mitternacht die allgemeine Kapitulation in Kraft. Alles. was noch nicht fort war, geriet nun in die Haende der Russen. Der letzte Akt des Dramas in unserer alten Heimatstadt Danzig und beiderseits der Weichsel war zu Ende.
Einen schoenen Abend
wuenscht
der Ohrsche Siegfried