Schönen guten Nachmittag,
die ersten Frühlingsboten sind hier die Kraniche, die in großen V-Formationen laut schreiend über das Werder ziehen. Sie kamen schon vor einem Monat, gefolgt von einigen Störchen Mitte März. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Winter, der eigentlich gar keiner war, außerordentlich milde. Die bis dahin frischesten Temperaturen lagen bei nächtlichen -6 Grad im November. Dann hatten wir hier nur Plusgrade, hin und wieder auch mal milde -1 oder -2 Grad. Mitte März fing es noch einmal an kälter zu werden und seitdem haben wir jede Nacht bis zu kühlen -6 Grad.
Heute ist's tagsüber wunderbar warm bei klarem Himmel. Auch gestern war es schon sehr schön. In Jungfer (Marzęcino) nahe des Frischen Haffes wurden gestern auf einem Feld rund 50 Störche gesichtet. Nun scheinen sie also alle angekommen zu sein. Aber nicht nur das: Als ich mich heute Morgen kurz nach Sieben mit meinen Hunden zu einer kleinen Runde aufmachte, sang doch von einem Baum direkt vor unserer Haustür in voller Lautstärke ein zu den Nachtigallen gehörender Sprosser. Ich hatte mein Handy dabei und nahm zwei Minuten auf: Sprossergesang. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass nur noch wenig Verkehr unterwegs ist, aber ich kann mich nicht erinnern, in den letzten Jahren so viele verschiedene Vögel gehört zu haben wie heute morgen. Angefangen bei Tauben, Finken, einem klopfenden Specht, Fasanen und, und, und... - es fehlen jetzt nur noch Pirol und Teichrohrsänger, zwei Vögel denen ich immer begeistert lausche.
Aber auch die Sicht ist unfassbar klar. Heute Vormittag sah ich im Osten in weiter Ferne einen Kondensstreifen am Himmel. Da mein Notebook eingeschaltet war, rief ich Flightradar24 auf. Noch ein ganzes Stück tief in Russland war es eine DHL-Frachtmaschine die von Shanghai nach Leipzig flog. Ich verfolgte den Flug über uns hinweg, er war kristallklar zu sehen. Er flog zwischen Marienburg und Dirschau hindurch, dann an Preußisch Stargard vorbei, kurz darauf zwischen Tuchel und Schwetz. Dann nahm ich mein Fernglas und konnte den sich bewegenden Kondensstreifen noch ein kleines Stück weiter Richtung Bromberg verfolgen. Es waren also weit mehr als 100 Kilometer, die der Flieger am Himmel sichtbar war.
Vereinzelt ist bereits ein erstes leichtes Grün an Bäumen und Sträuchern auszumachen. Es knospt, aber nur an den Weiden sind winzig zarte Blättchen zu sehen. Die Forsythien zeigen bereits etwas Gelb, stehen aber noch nicht in voller Blüte. Nur das Gras, das wuchert. Den ganzen Winter blieb es grün, kein bisschen verwelkt. Schnee hatten wir zwei Mal für ein paar Stunden, alles sah wie leicht überzuckert aus, aber der Spaß hielt nur kurze Zeit an. Letzte Woche blieben nach einem kurzen Schneeschauer sogar ein paar Schneereste an schattigen Stellen über Nacht liegen. Aber das wird hoffentlich auch das letzte Weiß der ausklingenden kälteren Jahreszeit gewesen sein.
Das traumhaft schöne Wetter würde eigentlich zu ausgedehnten Ausflugstouren einladen, aber aufgrund der strikten Ausgangsbeschränkungen sowie der gesperrten Waldgebiete und Strände sind nur wenige Leute dorthin unterwegs. Wenn sie es doch versuchen, haben sie Pech, denn gestern und heute werden die Zugangsstraßen zur Küste von der Polizei überwacht, die Fahrer kontrolliert und wenn sie keine triftigen Gründe für ihre Fahrt vorbringen können, gibt es ein schmerzhaftes Bußgeld.
Wir, also meine Frau und ich, werden uns gleich (zu Fuß) auf den Weg machen. Mit unseren Hunden, das dürfen wir nämlich, vorausgesetzt wir halten zwei Meter Abstand voneinander.
Schöne Grüße aus dem frühlingshaften Werder
Wolfgang
P.S.: Ein kleiner Corona-Witz: Bello sitzt oben auf dem Wohnzimmerschrank, will nicht herunter, und regt sich auf: "Kein Schwein kümmert sich sonst um mich, aber heute kommt schon der zehnte Nachbar, der mit mir Gassi gehen will!"